Ludwig Mises

Ludwig Mises
Ludwig von Mises

Ludwig Heinrich Edler von Mises (* 29. September 1881 in Lemberg; † 10. Oktober 1973 in New York) war ein österreichisch-US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und einer der wichtigsten Vertreter der liberalen Österreichischen Schule der Ökonomie im 20. Jahrhundert.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ludwig Edler von Mises wurde am 29. September 1881 als Sohn jüdischstämmiger Eltern (sein Urgroßvater Mayer Rachmiel Mises war von Kaiser Franz Joseph I. in den erblichen Adelsstand erhoben worden) im damals galizischen Lemberg (heute Lwiv, Ukraine) geboren. Sein Bruder war der Mathematiker Richard von Mises. Wenige Jahre später siedelte die Familie nach Wien über, wo Mises 1900 sein Studium der Rechtswissenschaft aufnahm und 1906 mit einer Dissertation abschloss. Von Mises war ab 1906 Mitarbeiter der Handels- und Gewerbekammer in Wien und leitete dort die Finanzabteilung; er lehrte ab 1913 in einer unbezahlten Privatdozentur, ab 1918 als Professor an der Universität Wien sowie ab 1934 am Institut universitaire de hautes études internationales in Genf. Von Mises war einer der führenden Wirtschaftsberater der österreichischen Regierung; sein wichtigster Mitarbeiter zu der Zeit war Friedrich August von Hayek.

Aus der Schweiz emigrierte von Mises im Jahr 1940 in die USA. 1946 erhielt er die us-amerikanische Staatsbürgerschaft verliehen. Dort unterrichtete er von 1945 bis 1969 – damals als ältester lehrender Professor in den USA – an der New York University. Von Mises war Mitglied der liberalen Denkfabrik Mont Pelerin Society.

Lehren

Ludwig von Mises in seiner Bibliothek

Von Mises war zunächst Anhänger der historischen Schule um Gustav von Schmoller, wurde aber nach Bekanntschaft mit den Schriften Carl Mengers zum überzeugten „Österreicher“. Er studierte ab 1903 bei Eugen von Böhm-Bawerk und erweiterte dessen Lehren mit seiner Schrift Theorie des Geldes und der Umlaufmittel.

In seinem Buch Die Gemeinwirtschaft (später engl. als Socialism) begründete er bereits 1922 theoretisch, dass eine reine Planwirtschaft nicht funktionieren könne, weil es in ihr keinerlei Möglichkeit gebe, Preise zu bestimmen. Den Zusammenbruch der sozialistischen Wirtschaftssysteme im Ostblock 70 Jahre später betrachten seine Anhänger als Bestätigung seiner Voraussage.

Von Mises hielt den Kapitalismus für einen Garanten menschlicher Freiheit und das einzig funktionsfähige Wirtschaftssystem. Nur durch freies Wirtschaften sei der moderne Stand der Produktion entstanden und nur damit könne er fortbestehen. Er vertrat die Auffassung, dass staatliche Interventionen immer weitere nach sich ziehen und schließlich zum Sozialismus führen, der wiederum zu einer radikalen Senkung des allgemeinen Wohlstands führe. (→Ölflecktheorem)

In den 1920er und 1930er Jahren war von Mises einer der wenigen deutschsprachigen Intellektuellen, die am klassischen Liberalismus festhielten. In seinem Buch Liberalismus von 1927 versuchte er diesen auf utilitaristischer Grundlage logisch zu begründen. Geschichtlich sei der Liberalismus die erste politische Richtung, die dem Wohle aller, nicht dem besonderer Schichten dienen wolle. Vom Sozialismus, der ebenfalls vorgebe, das Wohl aller anzustreben, würde sich der Liberalismus nicht durch das Ziel unterscheiden, sondern durch die Mittel, die er wähle, um dieses letzte Ziel zu erreichen (Seite 7).

Den aufkommenden Faschismus in Europa beschrieb er als Bewegung, die die Empörung der Menschen über die Gewalttaten der Bolschewiki in der Sowjetunion in Gegengewalt umsetze. Auch wenn der Faschismus im Moment triumphieren würde, langfristig könne der Faschismus ein erneutes Erstarken des Sozialismus nicht verhindern, da rohe Gewalt nur denen, die man so bekämpfen will, neue Freunde zuführe. Wollte er den Sozialismus wirklich bekämpfen, dann müsste er ihm mit Ideen entgegentreten. „Es gäbe aber nur eine Idee, die man dem Sozialismus wirksam entgegenstellen kann: die des Liberalismus“ (Seite 45).

Zwar billigte er dem Faschismus 1927 im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Bolschewismus zu: „Es kann nicht geleugnet werden, daß der Faszismus und alle ähnlichen Diktaturbestrebungen voll von den besten Absichten sind und daß ihr Eingreifen für den Augenblick die europäische Gesittung gerettet hat. Das Verdienst, das sich der Faszismus damit erworben hat, wird in der Geschichte ewig fortleben.“, schreibt aber gleichzeitig: „Die gewaltsame Unterdrückung .. ist der Grundfehler, an dem der Faszismus krankt und an dem er zugrunde gehen wird. .. Daß er außenpolitisch durch das Bekenntnis zum Gewaltprinzip .. eine endlose Reihe von Kriegen hervorrufen muss, die die ganze moderne Gesittung vernichten müssen, bedarf keiner weiteren Ausführung.[1]

Dem Vorwurf, der Liberalismus sei staatsfeindlich, entgegnete Mises: „Wenn ich der Ansicht bin, dass es nicht zweckmäßig sei, der Regierung die Aufgabe zuzuweisen, Eisenbahnen, Gastwirtschaften oder Bergwerke zu betreiben, dann bin ich kein „Feind des Staates“. Ich bin es ebenso wenig, wie man mich etwa einen Feind der Schwefelsäure nennen darf, weil ich der Ansicht bin, dass Schwefelsäure, so nützlich sie auch für viele Zwecke sein mag, weder zum Trinken noch zum Waschen der Hände geeignet sei“ (Seite 33).

Obwohl er persönlich durchaus konservative Wertvorstellungen hatte, trat er auch für die Legalisierung von Drogen ein. Das wichtigste Mittel zum internationalen Frieden sah er im Abbau sämtlicher Handelshemmnisse; zudem lehnte er staatliche Schulen ab, da er in diesen – vor allem im damaligen Osteuropa – ein Mittel zur Unterdrückung von Minderheiten sah.

Zu Sozialversicherungen meint Mises: „Kranksein ist kein vom bewussten Willen unabhängiges Phänomen. Die Effizienz eines Menschen ist nicht lediglich das Ergebnis seiner physischen Kondition; sie hängt weitgehend von seinem Geist und seinem Willen ab... Der zerstörerische Aspekt der Unfall- und Krankenversicherung liegt vor allem in der Tatsache, dass solche Institutionen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit fördern, die Erholung behindern... Die Sozialversicherung „produziert“ die Angewohnheit, sich zu beschweren – welches selbst eine Neurose ist – und Neurosen anderer Art. ... Als eine soziale Institution macht sie ein Volk körperlich und geistig krank.“[2]

1940 veröffentlichte er das Buch Nationalökonomie, das die gesamten Lehren der „Österreichischen Schule“ zusammenfassen sollte. Noch einmal deutlich erweitert erschien dieses Werk 1949 in den USA unter dem Titel Human Action. Es sollte eine vollständige Wissenschaft vom menschlichen Handeln liefern, die von Mises Praxeologie nannte. Als einzige korrekte Methode dieser Praxeologie, die die Wirtschaftswissenschaft als Teilgebiet umfassen sollte, sah von Mises logisch-deduktives Schließen. Die Praxeologie könne so objektive, a priori wahre Gesetze feststellen. Das Buch wurde in weiteren Auflagen noch erweitert und umfasste schließlich knapp 1.000 Seiten.

Unter den weiteren Werken sind bedeutend: Bureaucracy (dt. Die Bürokratie), in dem er eine Theorie des bürokratischen Wirtschaftens aufstellte und darlegte, dass Bürokratie notwendige Folge staatlicher Tätigkeit sei, sowie einige theoretische Schriften, die sich mit der Methodik der Ökonomie befassten und in denen er seine Praxeologie zu begründen und verteidigen versuchte.

Auszeichnungen

1962: Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst

Rezeption und Kritik

Beinahe alle Ökonomen, auch etwa von Mises’ eigener Schüler von Hayek, kritisierten die Praxeologie als unbrauchbar und wandten sich von seinem im Alter zunehmenden Dogmatismus ab. Auch Milton Friedman kritisierte Mises' apriorische Methode.[3] Friedman: „We can yell, we can argue … but in the end we have no way to resolve it except by fighting, by saying you’re wrong and I’m right.“[4] (deutsch: „Wir können uns anschreien, wir können streiten … aber letzten Endes gibt es keinen Ausweg außer sich zu bekämpfen, zu sagen‚ du hast unrecht und ich habe recht.“) Die Ansicht, man könne wirtschaftliche Gesetze a priori durch rein deduktive Schlüsse und ohne empirische Beobachtung feststellen, wird dementsprechend von fast allen heutigen Wirtschaftswissenschaftlern abgelehnt. Insbesondere der kritische Rationalismus um Karl Popper – den von Mises scharf attackierte – lehnt diese Vorstellung ab.[5]

Seit 2005 wird auf Initiative von Peter Oberender (Universität Bayreuth) und dem 2006 gegründeten Ludwig-von-Mises-Forum Bayreuth an der Universität Bayreuth regelmäßig die Ludwig-von-Mises-Vorlesung durchgeführt, in der die Thesen der österreichischen Schule der Nationalökonomie (Austrian Economics) kritisch diskutiert und auf aktuelle Probleme übertragen werden. Bisherige Gäste waren Hans-Hermann Hoppe (University of Nevada, Las Vegas, USA) und Jörg Guido Hülsmann (Université d’Angers, Frankreich).

Einzelnachweise

  1. Ludwig Mises: Liberalismus, S. 45
  2. Hans-Hermann Hoppe: Über Konservatismus und Liberalismus (aus Demokratie, der Gott, der keiner ist, Zusammenfassung von Kapitel 10), Criticón, Frühling 2004, S.18
  3. Brian Doherty: Best of Both Worlds (Interview mit Milton Friedman. In: Reason. Juni 1995 (online). 
  4. Adolf Rasch: Mehr Freiheit. Einführung in den klassischen Liberalismus. S. 288 (http://www.mehr-freiheit.de/buch/mf_buch.pdf). 
  5. Gerald Braunberger: Der letzte Ritter des Liberalismus. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.10.2007, Nr. 237/Seite 22. [1]

Werke

  • Ludwig von Mises: Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel. 1912, ISBN 978-3428118823 ([2]). 
  • Ludwig von Mises: Die Gemeinwirtschaft. 1922, ISBN 978-3878811039 ([3]). 
  • Ludwig von Mises: Liberalismus. 1927, ISBN 978-3896653857 ([4]). 
  • Ludwig von Mises: Geldwertstabilisierung und Konjunkturpolitik. 1928 ([5]). 
  • Ludwig von Mises: Grundprobleme der Nationalökonomie. 1933 ([6]). 
  • Ludwig von Mises: Nationalökonomie. Theorie des Handelns und Wirtschaftens. 1940, ISBN 978-3878811725 ([7]). 
  • Ludwig von Mises: Die Bürokratie. 1944, ISBN 978-3896653161 ([8]). 
  • Ludwig von Mises: Human Action: A Treatise on Economics. 1949, ISBN 978-0945466246 ([9]). 
  • Ludwig von Mises: Socialism: An Economic and Sociological Analysis. 1951, ISBN 978-0913966631 ([10]). 

Literatur

Bibliographien

  • Bettina Bien Greaves, Robert W. McGee: Mises: Annotated Bibliography. Foundation for Economic Education Inc., 1995, ISBN 978-1572460041. 

Biographien

  • Jörg Guido Hülsmann: Mises: The Last Knight of Liberalism. Ludwig von Mises Institute, Auburn (Alabama) 2007, ISBN 978-1-933550-18-3 ([11]). 
  • Margit von Mises: Ludwig von Mises, der Mensch und sein Werk. Philosophia-Verlag, München 1981, ISBN 3884050249. 

Weiteres

  • Brian Doherty: Radicals for Capitalism: A Freewheeling History of the Modern American Libertarian Movement. PublicAffairs 2007. ISBN 978-1-58648-350-0.
  • Israel Kirzner: Ludwig Von Mises: The Man and His Economics. Intercollegiate Studies, 2001, ISBN 978-1882926688. 
  • Kurt R. Leube: Über Ludwig von Mises. Verlag Wirtschaft und Finanzen, Düsseldorf 1996. ISBN 3-87881-103-9
  • Margit von Mises: Ludwig von Mises, Vom Wert der besseren Ideen. Horst Pöller Verlag, Stuttgart, ISBN 3879591938
  • Carsten Pallas: Ludwig von Mises als Pionier der modernen Geld- und Konjunkturlehre. Metropolis-Verlag, Marburg 2005. ISBN 3-89518-437-3.
  • Ron Paul: Mises and Austrian economics: A personal view. Ludwig von Mises Institute, Auburn (Alabama) 2008.
  • Murray N. Rothbard: Mises, Ludwig Edler von (1881–1973). In: Steven N. Durlauf, Lawrence E. Blume (Hrsg.): The New Palgrave Dictionary of Economics. 2. Auflage. Vol. 5, Macmillan and Stockton, London/New York 2008, ISBN 978-0333786765, S. 624–626. 
  • Albert H. Zlabinger: Ludwig von Mises. COMDOK-Verlag, Sankt Augustin 1994. ISBN 3-89351-085-0.

Weblinks


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