Lynx pardinus

Lynx pardinus
Pardelluchs
Pardelluchs

Pardelluchs

Systematik
Ordnung: Raubtiere (Carnivora)
Überfamilie: Katzenartige (Feloidea)
Familie: Katzen (Felidae)
Unterfamilie: Kleinkatzen (Felinae)
Gattung: Luchse (Lynx)
Art: Pardelluchs
Wissenschaftlicher Name
Lynx pardinus
(Temminck, 1827)

Der Pardelluchs (Lynx pardinus), auch Iberischer Luchs genannt, ist ein sehr seltener Luchs Spaniens und Portugals. Die Art galt lange Zeit als Unterart des Eurasischen Luchses, dessen Ursprung im östlichen Eurasien liegt. Im Gegensatz zu diesem hat sich der Pardelluchs jedoch stammesgeschichtlich im Südwesten Europas entwickelt und wird deswegen heute als eigenständige Art eingestuft.

Der Lebensraum des Pardelluchses ist der mediterrane Buschwald. Seine Spezialisierung auf einen bestimmten Lebensraum und sein schon immer kleines Verbreitungsgebiet haben dazu geführt, dass der Pardelluchs eine der bedrohtesten Katzenarten weltweit ist. Seit dem Jahre 2001 versucht die spanische Regierung, diese Art durch ein Erhaltungszuchtprogramm vor dem Aussterben zu bewahren.[1]

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Pardelluchs

Pardelluchse sehen dem Eurasischen Luchs prinzipiell sehr ähnlich. Wie diese sind sie hochbeinig. Sie haben einen runden, katzentypischen Schädel und weisen einen ausgeprägten Backenbart auf, der mit seinen fünf bis acht Zentimetern Länge ausgeprägter als beim Eurasischen Luchs ist. Pardelluchse haben den für Luchse charakteristischen Stummelschwanz, wobei bis heute ungeklärt ist, welchen Vorteil Luchse aus der Entwicklung dieses kurzen und für Katzen nicht charakteristischen Schwanzes gezogen haben. An den Enden der kleinen, dreieckigen Ohren finden sich drei Zentimeter lange Pinselhaare. Diese sind wie beim Eurasischen Luchs für die Hörfähigkeit dieser Luchse von Bedeutung, bei letzterem konnte man anhand von Experimenten zeigen, dass der Verlust der Pinsel die Hör- und Ortungsfähigkeit einschränkt.

Pardelluchse sind wesentlich kleiner als die weiter im Norden verbreiteten Eurasischen Luchse. Mit einem Körpergewicht zwischen neun und fünfzehn Kilogramm bringen sie weniger als zwei Drittel des Gewichts eines Eurasischen Luchses auf die Waage.[2] Ihre Größe beträgt 85 bis 110 Zentimeter. Das Fell ist meistens deutlicher und stärker gefleckt als das des nördlichen Verwandten. Es werden dabei zwei unterschiedliche Farbvarianten unterschieden.[3] Der sogenannte Großfleckentyp weist auf seinem Fell etwa 12 Flecken mit einem durchschnittlichen Durchmesser von zwei Zentimetern auf. Häufiger ist jedoch der sogenannten Kleinfleckentypus, dessen Flecken nur einen Durchmesser von etwa einem Zentimeter haben. Das Fell ist insgesamt weniger dicht als beim Eurasischen Luchs. Die Grundfarbe des Fells ist ein rötliches Gelb. Bei dem Kleinfleckentyp entsteht durch die feine Tüpfelung der Eindruck, dass das Fell deutlich dunkler als beim Eurasischen Luchs sei. [4]

Verbreitungsgebiet

Älteres Verbreitungsgebiet aus den 1980er Jahren - bereits zu diesem Zeitpunkt war das Verbreitungsgebiet des Pardelluchses disjunkt.

Die ursprüngliche Verbreitung erstreckte sich wohl über das ganze Gebiet des heutigen Spaniens und Portugals. Ein Fund eines bronzezeitlichen Luchsskelettes in Südfrankreich ist zwar dieser Art zugerechnet worden, dies geschah aber allein wegen der geringen Körpergröße des gefundenen Tieres. Es ist aber fraglich, ob das Verbreitungsgebiet dieser Luchsart über die iberische Halbinsel jemals hinausging. [5]

Während im Jahr 1960 auf der Iberischen Halbinsel noch 5000 Tiere vorkamen[6], waren es in den 1980er Jahren noch etwa 1000 bis 1200 Exemplare, die auf einer Fläche von etwa 11.000 Quadratkilometer lebten, und 2005 nur noch 160 Tiere, deren Verbreitungsgebiet sich über eine Fläche von 585 Quadratkilometern erstreckte.[2] Inzwischen scheint sich die Art aber wieder leicht zu erholen, im Jahr 2007 wird der Bestand auf 215 bis 265 Exemplare geschätzt. Die beiden größten Vorkommen leben in Andalusien im Nationalpark Coto de Doñana und in der Sierra de Andújar in der Provinz Jaén (insgesamt 200 bis 250 Tiere); bestätigt werden konnte im Oktober 2007 ein weiteres Vorkommen in Kastilien-La Mancha mit 15 Tieren. In Portugal gilt der Pardelluchs dagegen als ausgestorben.[7]

Lebensraum

Bevorzugtes Habitat des Pardelluchses ist baum- und strauchbestandenes offenes Land. Er präferiert Niederwaldzonen, locker bestandene Pinienhaine mit dichtem Unterwuchs, Zistrosenwälder sowie Korkeichenwälder mit einem dichten Bestand an Zistrosensträuchern.[8] Pardelluchse sind damit viel weniger ausgeprägte Waldtiere als Eurasische Luchse. Die Aufforstung mit Eukalyptusbäumen und Kiefern, die weiträumig auf der Iberischen Halbinsel durchgeführt wurde, hat zu einem Rückgang der Besiedelung durch den Pardelluchs geführt. [9] Dass die meisten Pardelluchse heute im Gebirge leben, liegt an der starken Verfolgung und nicht an einer natürlichen Bevorzugung von Höhenlagen als Habitat.

Verglichen mit dem Eurasischen Luchs sind die einzelnen Reviere sehr viel kleiner. In der Estremadura beträgt das durchschnittliche Revier, das ein Pardelluchs durchstreift, durchschnittlich 300 Hektar. Aber wie beim Eurasischen Luchs sind für die Reviergröße die Dichte des Beutetierbestandes sowie die Anzahl der Deckungsmöglichkeiten ausschlaggebend. Das Revier muss außerdem Wasserstellen aufweisen.[8]

Beutespektrum

Pardelluchse sind nachtaktive Einzelgänger. Ihre Hauptbeute sind Wildkaninchen, die für den Pardelluchs eine ähnliche Bedeutung haben wie Rehe für die in Mitteleuropa lebenden Eurasischen Luchse. Der Anteil, den Kaninchen an der Gesamtbeute haben, ist abhängig von deren relativer Häufigkeit im Vergleich zu anderen potentiellen Beutetieren. Im spanischen Bergland machen Kaninchen 56 Prozent der geschlagenen Beutetiere aus. Im spanischen Nationalpark Coto de Doñana beträgt ihr Anteil dagegen 79 Prozent.[10] Pardelluchse sind insgesamt so abhängig von den Kaninchenbeständen, dass Schwankungen der Kaninchenpopulationen gravierende Auswirkungen auf den Bestand an Luchsen haben. Die verbreitete Kaninchenseuche Myxomatose könnte somit indirekt auch den Pardelluchs bedrohen. Nach einer Myxomatose-Epidemie in den Jahren 1958 bis 1961 wurden Pardelluchse deshalb weit außerhalb ihren normalen Verbreitungsgebiete gesehen. [11] Zum Schutz des Luchses hat die spanische Regierung Maßnahmen zur Stabilisierung der auch aus anderen Gründen rückläufigen Kaninchenbestände in Angriff genommen.[1]

Coto de Doñana, eines der letzten Verbreitungsgebiete des Pardelluchses

Ansonsten ist der Pardelluchs ein eher opportunistischer Jäger, der neben Kaninchen regelmäßig Kleinsäuger wie Mäuse und Feldhasen schlägt. Sofern in seinem Lebensraum auch Enten vorkommen, spielen auch diese eine große Rolle in seiner Ernährung. In der Coto de Doñana machen sie immerhin 9 Prozent der vom Pardelluchs erlegten Wirbeltiere aus. Rothühner und andere diverse Vogelarten werden ebenfalls regelmäßig von ihm bejagt.[12] Für die Jagd auf ausgewachsene und gesunde Rehe, Rot- oder Damhirsche ist er zu klein, er schlägt aber regelmäßig deren Jungtiere. Auch die Frischlinge der Wildschweine gehören auf seine Beuteliste. Ausgewachsene Wildschweine sind dagegen für ihn zu wehrhaft – diese werden auch vom deutlich größeren und schwereren Eurasischen Luchs nur im Ausnahmefall erbeutet.[13] Der tägliche durchschnittliche Nahrungsbedarf liegt bei einem Kilogramm. Das ist etwa die Hälfte von dem des Eurasischen Luchses.

Jagdverhalten

Wie sein größerer Vetter, der Eurasische Luchs, ist auch der Pardelluchs ein Überraschungs- und Lauerjäger. Anders als etwa der Wolf hetzt er seine Beute nicht über längere Strecken. Seiner bevorzugten Beute, den Kaninchen, lauert er in der Nähe ihrer Baue auf. Verlassen diese ihre Erdhöhle, schleicht er sich bis in eine Distanz von vier Metern an, um sie dann mit wenigen Sprüngen zu schlagen. Kaninchen werden durch einen Biss ins Genick getötet. Bei den Jungtieren von Rehen, Rot- und Damhirschen verbeisst er sich in die Kehle.

Anders als der Eurasische Luchs zieht der Pardelluchs es vor, seine Beute von dem Platz der Jagd zu verschleppen. Kaninchen beispielsweise trägt er über längere Distanzen fort, bevor er sich niederlässt und diese bis auf die größten Knochen und Fellreste verzehrt. Große Beutetiere, die er nicht im Maul davontragen kann, schleift er zumindest ein kurzes Stück weit. Ist die Beute zu groß, als dass er sie sofort vollständig verzehren kann, kehrt er mehrfach zu ihr zurück. Nicht verzehrte Teile werden verscharrt.[14]

Bestand

Bestandszahlen und Ursachen des Bestandsrückgangs

Der Bestandsrückgang der Pardelluchse ist dramatisch. Vermutlich betrug der Bestand an Pardelluchsen zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch 100.000 Individuen. Ihre Verbreitung erstreckte sich über weite Teile Spaniens und Portugals. Um 1960 war der Bestand auf mutmaßlich 3.000 Tiere zurückgegangen und das Verbreitungsgebiet war auf einen Bruchteil des Gebietes zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschrumpft. Bereits um 1960 waren dabei einzelne Populationen verinselt, was grundsätzlich mit der Gefahr einer Inzuchtdepression verbunden ist. Im Jahre 2002 gab es nur noch 200 Pardelluchse. Die Zahl fortpflanzungsfähiger Weibchen wurde auf nur noch 30 geschätzt.[15]

Mehrere Einflussfaktoren haben diesen starken Rückgang verursacht. Die Bestände der Kaninchen, die seine Hauptbeute darstellen, gingen wegen der Myxomatose und ihrer Bejagung stark zurück. Eine weitere Ursache ist der Befall durch den Felinen Leukosevirus, der zur tödlich verlaufenden Katzenleukämie führen kann.[16] Gleichzeitig vollzog sich eine Änderung der Landnutzung durch den Menschen. Die traditionelle Landnutzung, bei der verbuschtes Land abgebrannt wurde, um kleine landwirtschaftlich genutzte Flächen anzulegen, wurde aufgegeben. Dies war wesentlich für die Verbreitung der Kaninchen. Wo diese frühere Form der Landnutzung nicht mehr angewandt wird, bildet sich dichtes Buschwerk aus, das den Kaninchen deutlich weniger Lebensraum bietet. Die sich parallel entwickelnde intensivere Landwirtschaft stellt dagegen für die Kaninchen keinen geeigneten Lebensraum dar.

Schutzmaßnahmen

Ein Teil der Schutzmaßnahmen basiert auf einer Landnutzung, die letztlich die Ausbreitung von Kaninchen fördert. Wie bei anderen großen Beutegreifern sichert die Unterschutzstellung dieser luchsgeeigneten Lebensräume nicht nur das Überleben des Pardelluchses, sondern auch die anderer, gefährdeter Tierarten. So profitiert von den Schutzmaßnahmen zugunsten des Pardelluchses auch der Kaiseradler.

Zu den besonderen Maßnahmen zum Erhalt dieser Art zählt eine Zusatzfütterung, bei der spezielle Zaunkäfige mit Kaninchen sowie Hasen und / oder Hühnern bestückt werden. Die Zäune sind so konstruiert, dass der Luchs dort Zugang hat und Beutetiere schlagen kann. Diese Maßnahmen begünstigen vor allem Weibchen mit Nachwuchs, die auf ein besonders hohes Futterangebot angewiesen sind.[17]

Parallel hat man im Nationalpark Coto de Doñana und der Sierra de Andújar mit einer Erhaltungszucht in Gefangenschaft begonnen, die derzeit 37 Luchse umfasst. Nachdem im März 2005 drei Luchsbabys in der Aufzuchtstation im Coto de Doñana zur Welt kamen (der erste Zuchterfolg des Pardelluchses in menschlicher Obhut), wächst die Zahl der in Gefangenschaft lebenden Luchse ständig; bei einem Bestand von 60 Tieren soll – voraussichtlich im Jahr 2010 – mit der Weitergabe von Tieren an andere Aufzuchtstationen und der Auswilderung begonnen werden. Mit den andalusischen Tieren plant auch Portugal eine Zucht und Wiederansiedlung [18].

Systematik

Nach den molekularbiologischen Untersuchungen, die in den 1990er-Jahren Stephen J. O’Brien vornahm, lässt sich die Gattung der Luchse stammesgeschichtlich auf eine Großkatzengruppe zurückführen, die sich in einem Zeitraum vor rund drei bis sieben Millionen Jahren in mehrere Seitenzweige aufteilte. Die stammesgeschichtlich jüngste Aufspaltung ereignete sich vor 2,8 Millionen Jahren, wobei sich aus dem einen Zweig die Großkatzen Nebelparder, Löwe, Tiger, Jaguar, Leopard und Schneeleopard entwickelten. Aus dem anderen Zweig gingen aus dem im Pliozän rings um die Arktis verbreiteten Urluchs (Lynx issiodorensis) die heutigen Luchsarten der Gattung Lynx sowie die Marmorkatze hervor.[19]

Der Pardelluchs wird heute innerhalb der Gattung der Luchse als eigenständige Art betrachtet. Früher wurde er mit dem Kanadischen Luchs und dem Eurasischen Luchs in einer gemeinsamen Art zusammengefasst. Auf Grund von Fossilienbefunden weiß man aber, dass sich die Entwicklungslinie des iberischen Pardelluchses in Südwesteuropa bereits im Villafranchium, einer Frühphase des Pleistozäns, abspaltete. Über L. issiodorensis issiodorensis, L. i. valdarnensis, L. pardinus spelaeus entwickelte sich der heutige Pardelluchs.

Einzelnachweise

  1. a b Hofrichter und Berger, S. 50
  2. a b Kalb, S. 155
  3. Stubbe und Krapp, S. 1169
  4. Stubbe und Krapp, S. 1179
  5. Stubbe und Krapp, S. 1178
  6. El País 6. November 2007, S. 36: El lince ibérico sale del coma
  7. El País 6. November 2007, S. 36: El lince ibérico sale del coma
  8. a b Kalb, S. 156
  9. Stubbe und Krupp, S. 1180f
  10. Kalb, S. 159
  11. Stubbe und Krapp, S. 1184
  12. Stubbe und Krupp, S. 1183
  13. Kalb, S. 158f
  14. Kalb, S. 161
  15. Kalb, S. 166
  16. Meli ML, Cattori V, Martínez F, López G, Vargas A, et al. (2009) Feline Leukemia Virus and Other Pathogens as Important Threats to the Survival of the Critically Endangered Iberian Lynx (Lynx pardinus). In: PLoS ONE 4(3): e4744. doi:10.1371/journal.pone.0004744 Online)
  17. Kalb, S. 163
  18. El Pais 6. November 2007, S. 36: El lince ibérico sale del coma
  19. Hofrichter und Berger, S. 38 und 49

Literatur

  • Robert Hofrichter, Elke Berger: Der Luchs – Rückkehr auf leisen Pfoten. Leopold Stocker Verlag, Graz 2004. ISBN 3-7020-1041-6
  • Roland Kalb: Bär, Luchs, Wolf – Verfolgt, Ausgerottet, Zurückgekehrt. Leopold Stocker, Graz 2007. ISBN 3-7020-1146-3
  • El lince ibérico sale del coma. in: El País. 6. November 2007, S.36.
  • Michael Stubbe, Franz Krapp (Hrsg): Handbuch der Säugetiere Europas. Bd 5. Raubsäuger - Carnivora (Fissipedia), Teil II: Mustelidae 2, Viverridae, Herpestidae, Felidae. Aula, Wiesbaden 1993. ISBN 3-89104-528-X

Weblinks


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