Lützelbacher Schlößchen

Lützelbacher Schlößchen
Kastell Lützelbach
Alternativname Lützelbacher Schlösschen
ORL 46
Limesabschnitt Neckar-Odenwald-Limes
ältere Odenwaldlinie
Datierung (Belegung) um 100 n. Chr.
bis max. 159 n. Chr.
Typ Numeruskastell
Einheit unbekannter Numerus
Größe 70 × 75 m = 0,53 ha
Bauweise a) Trockenmauer
b) Mörtelmauer
Erhaltungszustand schwache Spuren
Ort Lützelbach-Lützel-Wiebelsbach
Geographische Lage 49° 46′ 46″ N, 9° 5′ 19″ O49.7794444444449.0886111111111327Koordinaten: 49° 46′ 46″ N, 9° 5′ 19″ O
Höhe 327 m ü. NHN
Vorhergehend ORL 46b Kastell Seckmauern (nordöstlich)
Anschließend Kleinkastell Windlücke (südlich)

Das römische Kastell Lützelbach, auch Lützelbacher Schlösschen genannt, war ein Numeruskastell der älteren Odenwaldlinie des Neckar-Odenwald-Limes.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Abb. 1:
Lage des Kastells Lützelbach (1895)

Das heutige Bodendenkmal liegt etwa einen Kilometer südöstlich von Lützel-Wiebelsbach, einem Ortsteil der Gemeinde Lützelbach im Odenwaldkreis. Topographisch befindet es sich auf dem kleinen Plateau eines lang gestreckten, von Süden nach Norden verlaufenden Höhenrückens. Das Plateau liegt unmittelbar an einem Gebirgssattel zwischen dem Talkessel von Lützelbach im Westen sowie dem Tal von Haingrund und Seckmauern im Osten. Am Rande des Plateaus, nach Nordwesten hin, fällt das Gelände stark ab. Aufgrund dieser Geländebeschaffenheit und weil die Mauer der Fortifikation auf der Nordwestseite deutlich stärker war als auf den anderen Seiten vermutete die Reichs-Limes-Kommission eine künstliche Geländeaufschüttung in diesem Bereich.

Forschungsgeschichte

Bereits 1813 war das Lützelbacher Kastell von Johann Friedrich Knapp (1776-1848), der den Odenwaldlimes im Auftrag des Grafen Franz I. zu Erbach-Erbach (1754–1823) untersuchte, in einem damals noch bestens erhaltenen Zustand vorgefunden und beschrieben[1] worden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch wurde die römische Ruine – nach einem Besitzwechsel – als bequemer Steinbruch ausgebeutet, so dass Friedrich Kofler, der spätere Streckenkommissar der Reichs-Limes-Kommission, bereits Mitte der 1870er Jahre eine weit reichende Zerstörung des Bauwerks konstatieren musste. Das Zerstörungswerk nahm auch in den folgenden Jahren trotz massiver Proteste der Archäologen[A 1] seinen Fortgang.

Erst 1895 wurden durch die Reichs-Limes-Kommission umfangreiche archäologischen Ausgrabungs- und Dokumentationsarbeiten auf dem Kastellgelände durchgeführt.

Befunde

Abb. 2:
Grundriss des Kastells
(Grabung 1895)
Abb. 3:
Geländeprofile (1895).
Zur Lage der Schnitte siehe Abb. 2
Abb. 4:
Fundstücke aus dem Kastell
(1895)

Kastell Lützelbach war eine Fortifikation mit steinerner Umwehrung. Ins Lagerinnere führten drei Tore, die Porta Decumana (rückwärtiges Tor) fehlt. Das Haupttor (Porta Praetoria) war nach Südosten, zum Limes hin ausgerichtet, der das Kastell in nur etwa 25 m Entfernung passierte.

Mit seinen Seitenlängen von etwa 75 m mal 70 m begrenzte die Mauer eine Fläche von gut 5250 m². Die Mauerbreite schwankte zwischen 0,95 m an der Prätorialfront und der nordöstlichen Flanke, 1,05 m an der Südwestseite und 1,25 m an der nordwestlichen Rückfront. Sie war gänzlich aus rotem Sandstein errichtet, die Fassaden waren mit sorgfältig bearbeiteten Quadern ausgeführt, die Füllung bestand aus rohen Bruchsteinen. Der Fund einiger Zinnendeckel (Abb. 4, g und h) belegt, dass die Mauer an der Oberseite mit Zinnen versehen war. Die Zinnenbreite schwankte wohl zwischen 85 cm[2] und 135 cm[3]. Die Ecken der Umwehrung waren gerundet. An der Mauerinnenseite erhob sich ein mit Sandsteinen stufenartig bedeckter Erdwall auf dem sich der Wehrgang befand. Außen war die Mauer im Anschluss an eine 85 cm breite Berme von einem einfachen Spitzgraben umgeben, dessen Maße an einer Stelle mit 8 m Breite und 1,35 m Tiefe ermittelt werden konnten (Abb. 3, Schnitt E-F). Vor den Kastelltoren war der Grabenverlauf unterbrochen.

Die drei Tore waren von jeweils zwei rechteckigen Türmen flankiert, die aus der Mauerflucht hervorsprangen. Die Durchfahrbreite der Porta Praetoria (Haupttor) betrug 2,50 m, die lichten Breiten der Portae Principales (Seitentore) beliefen sich auf 3,20 m bis 3,25 m.

Das Kastellinnere war durch den massiven Steinraub derart gestört, dass mit den grabungstechnischen Methoden des ausgehenden 19. Jahrhunderts keinerlei verwertbare Spuren der Innenbauten mehr festgestellt werden konnten.

Das Kastell wurde, wie die anderen Militärlager des älteren Odenwaldlimes, wohl um das Jahr 100 erbaut und vermutlich bei der Vorverlegung des Limes im Jahre 159 aufgelassen. Möglicherweise handelt es sich um eine mehrperiodige Anlage.[4] Dann wäre das Kastell – analog den Bauphasen der Kastelle Würzberg und Hesselbach – zunächst als Erdwerk ausgeführt und erst um das Jahr 145 durch das Steinkastell ersetzt worden.

Die Besatzung des Lagers bestand aus einem namentlich nicht bekannten Numerus, einer Auxiliartruppe von etwa 160 Mann Stärke.

Ein Kastellbad befand sich etwa 40 m nördlich des Lagers. Von einer Ausgrabung wurde aufgrund der starken Zerstörung des Areals abgesehen. Etwa 100 m südlich des Kastells befanden sich zwei römische Häuser, die aber wahrscheinlich erst nach der Vorverlegung des Limes und der Auflassung des Lützelbacher Kastells errichtet wurden und vermutlich im Zusammenhang mit der zivilen landwirtschaftlichen Nutzung des Limeshinterlandes zu sehen sind.

Limesverlauf zwischen dem Kastell Lützelbach und dem Kleinkastell Windlücke

Vom Kastell Lützelbach aus verläuft der Limes auf dem Höhenrücken eines bewaldeten Gebietes in südliche Richtung bis zum Kleinkastell Windlücke. Auf dieser Strecke von rund zwei Kilometern Länge befinden sich zwei Turmstellen.

ORL[A 2] Name/Ort Beschreibung/Zustand
ORL 46 [A 3] Kastell Lützelbach siehe oben
Wp 10/8/[A 4] „Im Lützelbacher Bannholz“
Zeichnerische Befunddokumentation der Reichs-Limes-Kommission
Die aus zwei Holztürmen und einem Steinturm bestehende Turmstelle[A 5] wurde in den Jahren 1888 bis 1897 von Fritz Kofler, Wilhelm Soldan und Eduard Anthes wiederholt archäologisch untersucht.

„Holzturm A“ (das ältere der beiden Holzturmbauwerke) ruhte auf einem rechteckigen Unterbau aus Trockenmauerwerk mit den Seitenlängen 5,60 m auf 5,80 m. Er war von einem zwei Meter tiefen Ringgraben umzogen, dessen Durchmesser von Außenkante zu Außenkante 24/25 m, von Grabensohle zu Grabensohle 16,8/17,5 m betrug.

„Holzturm B“ erhob sich ebenfalls über einem rechteckigen Unterbau aus Trockenmauerwerk. Die Abmessungen dieses Unterbaus betrugen 5,10 m mal 5,30 m. Die 30 cm mächtigen Eckpfosten gründeten 1,30 m tief im Erdreich und waren zudem mit flachen Steinkeilen fixiert. Der den Turm umgebende Ringgraben besaß einen Außendurchmesser von 25,5 m (17 -18 m von Grabensohle zu Grabensohle).

Die Abmessungen des rechteckigen „Steinturm C“ betrugen 5,60 m mal 5,20 m. Die Mauerstärke konnte nicht mehr ermittelt werden.

Profil des Palisadengrabens bei Wp 10/08

Das ganze Areal war auf über 62 Meter Länge und rund 55 Meter Breite mit einer unregelmäßig verlaufenden Umzäunung, vermutlich einem Flechtwerkzaun, umgeben. Durch den Zaun führten insgesamt drei (auf der Nord-, Südost- und Westseite) gepflasterte Eingänge ins Innere der Einfriedung.

Die Limespalisade passierte den „Holzturm A“ östlich in 32/33 m, den „Holzturm B“ in 34 m Entfernung. Etwa in der Mitte zwischen der Palisade und den östlichen Ringgrabenrändern konnte der Postenweg („Begleitweg“) des Limes mit seinem 5,50 m breiten Unterbau nachgewiesen werden. [5]

Wp 10/9 „Im Breitenbrunner Bannholz“
Abb. 6: Höhenunterschied zwischen Wp 10/08 und Wp 10/09
Turmstelle[A 6] mit einem Holz- und einem Steinturmhügel. Der Holzturmhügel besitzt einen ausgeprägten Ringgraben. Durch die Geländeerhöhung zwischen Wp 10/8 und Wp 10/9 war es an dieser Stelle möglich, die Mindesthöhe von Limeswachttürmen zu ermitteln. Sie hätte demnach mindestens 7,60 m betragen müssen, um eine Sichtverbindung zu gewährleisten. Tatsächlich (unter Berücksichtigung der Turmaufbauten etc.) dürften die Türme aber wohl eine Höhe von mehr als zehn Metern erreicht haben.[6] [7]
KK [A 7] Kleinkastell Windlücke siehe Hauptartikel Kleinkastell Windlücke


Denkmalschutz

Das Kastell Lützelbach und die anschließenden Limesbauwerke sind Bodendenkmale nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz. Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde an die Denkmalbehörden zu melden.

Siehe auch

Literatur und Kartenmaterial

  • Dietwulf Baatz: Lützelbach. In: Die Römer in Hessen. Lizenzausgabe, Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-58-9, S. 417 und 424f.
  • Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. Gebr. Mann, Berlin 2000, ISBN 3-7861-2347-0, S. 182f.
  • Egon Schallmayer: Der Odenwaldlimes. Vom Main bis an den Neckar. Theiss, Stuttgart 1984, ISBN 3-8062-0328-8, S. 65ff.
  • Hessisches Landesvermessungsamt: TF 20-3, Breuberger Land. Topographische Freizeitkarte 1:20.000. Hessisches Landesvermessungsamt, Wiesbaden 2000, ISBN 3-89446-301-5

Grabungsberichte der Reichs-Limes-Kommission:

  • Friedrich Kofler und J. Jacobs in der Reihe Der obergermanisch-raetische Limes des Römerreiches (Hrsg. Ernst Fabricius, Friedrich Hettner, Oscar von Sarwey): Abteilung B, Band 5, Kastell Nr. 46 (1904)
  • Ernst Fabricius, Friedrich Hettner, Oscar von Sarwey (Hrsg.): Der obergermanisch-raetische Limes des Römerreiches, Abteilung A, Band 5: Strecke 10 (Der Odenwaldlimes von Wörth am Main bis Wimpfen am Neckar), 1926, 1935

Weblinks

Anmerkungen

  1. So wurde die Zerstörung des Kastells 1887 von Eduard Anthes, 1889 von Friedrich Kofler und 1891 von Georg Schäfer ohne Erfolg öffentlich kritisiert.
  2. ORL = Nummerierung der Limesbauwerke gemäß der Publikation der Reich-Limes-Kommission zum Obergermanisch-Rätischen-Limes
  3. ORL XY = fortlaufende Nummerierung der Kastelle des ORL
  4. Wp = Wachposten, Wachturm. Die Ziffer vor dem Schrägstrich bezeichnet den Limesabschnitt, die Ziffer hinter dem Schrägstrich in fortlaufender Nummerierung den jeweiligen Wachturm.
  5. Etwa bei 49° 46' 18" N, 9° 5' 12" ONN
  6. Etwa bei 49° 45' 59" N, 9° 5' 4" ONN
  7. KK = nicht nummeriertes Klein-Kastell

Einzelnachweise

  1. J.F. Knapp: Römische Denkmale des Odenwaldes, insbesondere der Grafschaft Erbach und Herrschaft Breuberg. Engelmann, Heidelberg 1813.
  2. Nach Cohausen: Der römische Grenzwall in Deutschland. Militärische und technische Beschreibung desselben. Kreidel, Wiesbaden 1885.
  3. Nach Funden bei den Untersuchungen der Reichs-Limes-Kommission; ORL Abt. A, Bd. 5, Kastell 46.
  4. Schallmayer, 1986, a.a.O. S. 66 und Claus te Vehme: Numeruskastell Lützelbach.
  5. Wp10/8 auf der privaten Limesprojektseite von Claus te Vehne.
  6. Schallmayer, Odenwaldlimes, 1984, S. 35ff.
  7. Wp 10/9 auf der privaten Limesprojektseite von Claus te Vehne.

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