MIM-23 Hawk

MIM-23 Hawk
MIM-23 HAWK
Technische Daten
HAWK-Ladefahrzeug mit Lenkflugkörpern
Herstellerfirma Raytheon (USA)
Antrieb Feststoff-Raketentriebwerk
Länge 5,08 m
Durchmesser 0,37 m
Spannweite 1,19 m
Einsatzgewicht 584 kg
Einsatzreichweite 25 km
Einsatzgipfelhöhe 13.700 m
Maximalgeschwindigkeit 800 m/s (Mach 2,4+)
Bedienungsmannschaft 2 Offiziere, 49 Unteroffiziere und Mannschaften
Lenkverfahren halbaktives Zielsuch-Lenkverfahren
Gefechtskopf 54 kg Splittergefechtskopf
Einsatzverfahren Bedienergeführt oder halbautomatisch mit Unterstützung durch Waffenrechner
Kampfbeladung bis zu 40 Lenkflugkörper pro Feuereinheit
Feuergeschwindigkeit maximal 1 LFK alle drei Sekunden
Einführung: 1962 (US Army); 1965 deutsche Luftwaffe

MIM-23 HAWK ist ein mobiles, allwetterfähiges Flugabwehrraketensystem aus den frühen 1960er Jahren. Hersteller war die US-amerikanische Firma Raytheon. Das System wurde in den Jahren 1959/1960 bei der US Army in Dienst gestellt. Bis heute wurde HAWK in unterschiedlichen Konfigurationen an 25 Staaten der Welt verkauft.

Das System wurde - noch in der Version „Basic-HAWK“ - im Jahre 1965 bei der deutschen Luftwaffe eingeführt. Nach mehreren Modernisierungen und Umstrukturierungen wurde es nach 40 Jahren Betrieb im Jahr 2005 außer Dienst gestellt.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Das Waffensystem HAWK bildete neben dem weiter reichenden System Nike und dessen Nachfolgesystem PATRIOT über mehrere Jahrzehnte das Rückgrat der integrierten Luftverteidigung der NATO und ist in einigen NATO-Staaten immer noch im Einsatz.

HAWK ist ein Flugabwehrraketensystem mittlerer Reichweite zum Einsatz gegen Flugziele im tiefen bis mittleren Höhenbereich, das durch Verlastung auf Einachsanhängern sowie auf LKW voll verlegefähig ist. Alle Radargeräte, die Lage- und Auswertezentrale (Information Coordination Centre; ICC), der Feuerleitstand (Platoon Command Post, PCP) sowie die Feuerleitzentrale (Battery Control Central; BCC), Startgeräte (Launcher; LCHR), Raketenpaletten sowie die Führungskabinen und die 56 KVA Stromerzeugungsaggregate (SEA) und alles technische Zubehör waren innerhalb einer halben Stunde abgebaut und auf dem Marsch.

Die Zielsuche erfolgt durch je ein Impuls- (Pulse Aquisition Radar; PAR) und ein Dauerstrich-Erfassungsradar (Continuous Wave Aquisition Radar; CWAR). Zur Bekämpfung wird das Flugziel mit einem weiteren Dauerstrich-Radar (High-Powered Illuminator Radar, HPIR) beleuchtet. Die dabei reflektierte Radarenergie dient der Lenkeinheit des Flugkörpers zur Zielsuchlenkung, wobei zusätzlich direkte Steuersignale gesendet werden, die von einer Antenne am Heck des Flugkörpers empfangen werden. Dieses Prinzip wird halbaktives Zielsuch-Lenkverfahren genannt. Der Name des Waffensystems basiert auf diesem Verfahren (HAWK; Homing all-the-way Killer). Die Zündung des Gefechtskopfes erfolgte durch einen Vergleich der Signalstärke der von einer seitlichen und einer Heckantenne empfangenen Radarenergie des HPIR. Befand sich der Flugkörper auf gleicher Höhe mit dem Ziel, wurde das Signal der seitlichen Antenne (die vom Ziel reflektierte Radarenergie) schwächer und die Zündung wurde ausgelöst.

Zur korrekten Entfernungsmessung eines Flugzieles auch unter elektronischen Störmaßnahmen wurde zusätzlich ein Entfernungsmessradar (Range only Radar; ROR) eingesetzt, das sich stufenlos über eine sehr großen Frequenzbereich betreiben ließ und dadurch praktisch nicht effektiv störbar war. PCP und ICC waren zudem mit der NATO-weit verbreiteten elektronischen Freund-Feind-Erkennung (Identification Friend/Foe, Selective Identification Feature; IFF/SIF) und dem Zentralrechner (Automatic Data Processor; ADP) ausgestattet. Letzterer hatte einen Arbeitsspeicher von 64 KB auf Ringkern-Technologie basierend, der auch bei Abschaltung bzw. Ausfall der Betriebspannung die zuletzt gespeicherten Daten behielt.

Der Flugkörper hat eine effektive Kampfentfernung von maximal 25 Kilometer bei einer maximalen Flughöhe von knapp unter 14.000 Meter. Die Beschleunigung des Feststoffantriebs reichte aus, um wenige Meter nach Verlassen des Startgerätes einfache Schallgeschwindigkeit zu erreichen. In der Vollstaffel-Konfiguration mit zwei Abschussgruppen konnten zeitgleich zwei Flugziele bekämpft werden, wobei beide HPIR am BCC betrieben wurden und das PCP als Reservegerät zur Verfügung stand.

Bei gleichzeitigem Einsatz von BCC und PCP mit je einer Abschussgruppe ergab sich ein gewichtiger taktischer Vorteil: Eine Halbstaffel (Battery Minus) konnte den Feuerkampf führen, während die andere Halbstaffel (AFU) unter dem Schutz der aktiven Halbstaffel verlegte. Diese Verfahren nannte man den 'überschlagenden Einsatz'.

Die bei der deutschen Luftwaffe ab Ende der 1990er Jahre übliche Halbstaffel-Konfiguration (Assault Firing Unit; AFU) hatte nur eine Abschussgruppe und konnte nur jeweils eine Zielbekämpfung durchführen, bevor das nächste Ziel bekämpft werden konnte. Eine letzte, Anfang der 1990er eingeführte Verbesserung war eine elektro-optische Kamera (TASS) mit extremen Zoom-Objektiv, welche auf beiden HPIR installiert wurde und unter guten Sichtbedingungen die rein optische Zielverfolgung auf bis zu 15 km Entfernung zuließ.

Geschichte

Um die mit Flugabwehrkanonen ausgerüsteten deutschen Luftwaffenverbände auf die durch Einführung von schnellen Düsenflugzeugen geänderte Bedrohungssituation anzupassen, wurde zu Anfang der 1960er Jahre die Einführung von Flugabwehrraketensystemen US-amerikanischer Produktion beschlossen. Für die Bekämpfung von hoch fliegenden Zielen (überwiegend Bomber) fiel die Wahl auf das schwere Flugabwehrraketensystem Nike Ajax (später auf Nike Hercules umgerüstet). Die Bekämpfung von Flugzielen in niedrigen und mittleren Höhen (schnelle Jagdflugzeuge) sollte das System HAWK übernehmen.

Einführung und Modernisierung

Bundeswehrparade 1969

In der Bundeswehr wurde HAWK ab 1963 bei der Luftwaffe eingeführt - zunächst in der Version Basic-HAWK. Mitte der 1970er wurde mit der Umrüstung auf Improved HAWK (IHAWK) eine wesentliche Kampfwertsteigerung erzielt, als unter anderem durch Einführung eines digitalen Waffensystemrechners die Bedienungsabläufe wesentlich verbessert werden konnten. Mit den Versionen PIP („Product Improvement Program“) und PIP-II wurde Mitte bis Ende der 1980er Jahre die Umstellung auf Halbleitertechnik und Digitaltechnik fortgesetzt und dadurch die Zuverlässigkeit im Einsatz erheblich gesteigert.

Der Kalte Krieg

In der Hochphase des Kalten Kriegs waren 36 Systeme (Batterien, später Staffeln) in neun Flugabwehrraketenbataillonen (später Geschwader und Gruppen) der deutschen Luftwaffe eingesetzt. Im NATO-Verbund zusammen mit niederländischen, belgischen und US-amerikanischen Einheiten bildeten diese HAWK-Verbände den sogenannten HAWK-Gürtel, der sich von der dänischen Grenze quer durch Deutschland bis zur Grenze nach Österreich erstreckte. Die einzelnen Stellungen innerhalb des HAWK-Gürtels waren so gewählt, dass sich die Wirkungsbereiche der einzelnen Feuereinheiten, selbst bei Ausfall einzelner Waffensysteme, überlappten und somit eine lückenlose Abdeckung gewährleistet wurde. Neben den Friedensstellungen waren je Batterie / Staffel mehrere Einsatzstellungen (KILO-, LIMA und MIKE Pattern) erkundet worden, in die das Waffenystem im Einsatzfall verlegt hätte.

Die Flugabwehrkanone 20 mm Zwilling, Rh 202

Im NATO-Verbund hatten die HAWK-Verbände die Aufgabe, die Luftverteidigung Mitteleuropas rund um die Uhr sicherzustellen. Hierzu waren alle Flugabwehrraketenverbände bereits im Frieden der NATO unterstellt („assigniert“). Zahlreiche Radarführungsstellungen und Gefechtsstände stellten die Führung der einzelnen FlaRak-Verbände im Frieden und zu Krisenzeiten sicher.

Von 1972 bis 1992 waren HAWK-Feuereinheiten der Bundeswehr zum Schutz gegen Tiefflieger und feindliche Bodentruppen mit 20-mm-Zwillings-Flugabwehrkanonen vom Typ „Maschinenkanone MK 20 RH 202 Zwilling“ der Firma Rheinmetall ausgerüstet[1][2] (ein Zug zu vier Geschützen).

Reduzierung und Außerdienststellung

Startgerät mit geöffnetem Shelter

Das System ist während seiner langen Nutzungsdauer fortwährend modernisiert worden, wobei die Bundeswehr die letzte Version PIP-III („Product Improvement Program“) nicht mehr eingeführt hat. Hierdurch blieben die bei der Luftwaffe eingesetzten Systeme technisch im wesentlichen auf dem Stand der frühen 1980er Jahre. Lediglich kleinere Weiterentwicklungen wurden noch integriert, wie zum Beispiel die HEADTS genannte Komponente, die die Signale des CWAR weiter aufbereiten konnte und die Zielerfassung von sehr langsam fliegenden Flugzielen wie Hubschraubern deutlich verbesserte.

Im FlaRak-Verbund geriet HAWK mit seiner inzwischen veralteten Technik und seinen langsameren Datenverbindungen gegenüber dem moderneren PATRIOT immer mehr in Rückstand. Dies trat im Übungsbetrieb vor allem beim Einsatz des integrierten HAWK-Simulationsgeräts (Operations Training System; OTS) beim Training im sogenannten „netted scenario“ zu Tage. Insgesamt ergaben sich im weiteren Einsatz nicht nur Einschränkungen im Kampfwert - insbesondere die hohen Betriebskosten, die immer knapper werdenden Ersatzteile (vor allem Röhrentechnik) und der umfangreiche Personal-, Fahrzeug- und Wartungsbedarf führten zur schrittweisen Reduzierung der aktiven Einheiten und in den frühen 2000er-Jahren zur Außerdienststellung. Die letzten beiden HAWK-Einheiten der Bundeswehr wurden Ende 2005 mit der Flugabwehrraketengruppe 15 in Leipheim außer Dienst gestellt.

Ausgemusterte HAWK-Lenkflugkörper sind zum Teil zu Orion-Höhenforschungsraketen umgerüstet worden.

Die letzte PCP-Halbstaffel der Bundeswehr stand bis ca. 2008 in Pirmasens und war dort Teil der Luftkampfübungsanlage Polygone, die sich aus mehreren Stellungen und verschiedensten Flugabwehrraketensystemen aus Deutschland, den USA und der ehemaligen Sowjetunion zusammensetzt. Es werden dort unter Anderem die Systeme SA-6 Gainful, SA-8 Gecko sowie die letzten Roland-FRR und -FGR (RAD) betrieben, um Luftwaffenpiloten der NATO und befreundeter Streitkräfte Training unter realitätsnahen elektronischen Ernstfallbedingungen zu ermöglichen.

Betrieb des HAWK-Systems

Feuerleitstand (PCP) mit Feuerleitrechner und IFF-Anlage
Range Only Radar AN/MPQ-51 (ROR) Entfernungsmessradar beim Einrichten
Continuous Wave Acquisition Radar AN/MPQ-55 (CWAR), Dopplererfassungsradar
High Powered Illuminatot Radar AN/MPQ-57 (HPIR), Beleuchtungs- und Zielverfolgungsradar

Die HAWK-Verbände der Luftwaffe waren voll verlegefähig und für den Allwetterbetrieb ausgelegt. Die Systeme wurden im Luftverteidigungs-Schichtdienst rund um die Uhr aus ausgebauten Feldstellungen heraus betrieben. Eine Schicht dauerte zwischen 48 und 72 Stunden und wurde durch eine der drei (später vier) Kampfbesatzungen geleistet. Der Luftverteidigungsdienst war in vier unterschiedliche Bereitschaftsstufen eingeteilt, die jeweils für eine Woche zu halten waren.

Bereitschaftsstufen
  • 12 Stunden released: Die Geräte des Systems wurden Fristenwartungen und Überprüfungen unterzogen. Die Feuereinheit konnte innerhalb einer Frist von 12 Stunden den nächsthöheren Status einnehmen.
  • 12 Stunden: Das System war technisch und personell einsatzbereit, wurde jedoch intensiv für die Ausbildung der diensthabenden Kampfbesatzungen genutzt; das System wurde nach Ende der Ausbildungszeiten und nach Abschluss von Wartungsarbeiten (nachtsüber) ausgeschaltet, die Einnahme des nächsthöheren Bereitschaftsstatus war innerhalb von 12 Stunden möglich.
  • 6 Stunden: Die Geräte wurden kontinuierlich am Stromnetz gehalten, System- und Geräteüberprüfungen gemäß Vorschriften wurden in regelmäßigen Abständen durchgeführt. Einheitsinterne Alarmübungen und Überprüfungen durch Bewerter-Teams des Verbandes (siehe Abschnitt Überprüfungen) wurden unangekündigt durchgeführt. Das System war technisch und personell ohne Verzug zur Übernahme des höchsten Status bereit.
  • 20 Minuten: Zusätzlich zu den für den 6 Stunden-Status aufgeführten Bedingungen galten die folgenden Vorgaben:
  • Die Feuerleitzentrale war rund um die Uhr durch mindestens einen Bediener besetzt, der kontinuierliche Verbindung zum übergeordneten Gefechtsstand des Verbandes (Bataillon Operation Centre; BOC) hielt und dessen Aufgaben die Überwachung der Systemanzeigen, die verzugslose Aufnahme von Alarmsprüchen sowie die Alarmierung des Bedienerpersonals war.
  • Alle Sender der Radargeräte waren aktiviert oder in Sendebereitschaft, die Waffensystem-Software des Waffenrechners war geladen und betriebsbereit, die taktische Datenverbindung (Datalink) war mit dem System der übergeordneten Gefechststands synchronisiert.
  • Bei Eingang eines Alarmspruches alarmierte der Bediener die Kampfbesatzung durch Auslösen einer Sirene. Der nachfolgende sogenannte Crew-Drill der Kampfbesatzung, der durch den Feuerleitoffizier (Battery Control Officer; BCO) gesteuert und überwacht wurde, stellte durch festgelegte Verfahrensabläufe sicher, dass die Feuereinheit technisch und personell in der Lage war, unter Beachtung aller relevanten Vorschriften innerhalb von 20 Minuten den Feuerkampf aufzunehmen.
  • 5 Minuten: In den 1960ern wurde statt des Status 20 Minuten der Hot-Battery zuerst ein 5-Minuten-Bereitschaftsstatus gefahren, wobei es für Teile des Bedienerpersonals erforderlich war, am oder in der unmittelbaren Nähe ihres Gerätes zu bleiben, bzw. auch nachts zu ruhen.
  • Battle Stations (oder Blazing Skies): Feuerkampfstellung. Bei Blazing Skies wurden aus Sicherheitsgründen alle Maßnahmen bis auf den tatsächlichen Anschluss der LFK an die Startgeräte (über je ein Anschlusskabel, sogenanntes Umbilical) durchgeführt.

Die jeweils vier Feuereinheiten eines HAWK-Verbandes waren in unterschiedlichen Stufen der Bereitschaft, sodass während des Routinebetriebs durch den Verband alle vier Bereitschaftsstufen abgedeckt waren. Dies stellte sicher, dass durch jeden Verband der Luftverteidigungsauftrag im zugewiesenen Sektor des Flugabwehrraketengürtels durchgeführt werden konnte. Weiterhin gewährleistete dies bei Ausfällen, dass eine der drei weiteren Feuereinheiten den Einsatzauftag des Verbandes übernehmen konnte. Gleichzeitig stellte dies die schnelle Reaktionsfähigkeit der Verbände bei Erhöhungen der Alarmstufen sicher.

Die Systeme waren teilweise durch Betonunterstände bzw. Splitterschutzwänden (Revetments) gegen Luftangriffe geschützt und hätten die Bekämpfung feindlicher Luftfahrzeuge in den ersten Stunden eines Überraschungsangriffs ermöglicht. Im Krisen- und Kriegsfall sollten die Einheiten allerdings ihre festen Stellungen verlassen und vorerkundete Verlegestellungen beziehen. Dies wurde während des Kalten Krieges intensiv in Manövern, Verbands- und Einheitsübungen trainiert und von nationalen und NATO-Prüfteams bewertet (→ Abschnitt Überprüfungen). Auch während Verlegungen, Übungen und Manövern waren die Einheiten weiterhin der NATO unterstellt und konnten somit verzugslos ihre Aufgabe - die Bekämpfung feindlicher Luftfahrzeuge zu jeder Zeit und bei jeder Wetterlage - wahrnehmen. Dies war möglich, da zu den Verlegeübungen stets die Einsatzlenkflugkörper (LFK) mitgeführt sowie die taktischen Fernsprech- und Datenverbindungen aufgebaut und betrieben wurden.

Nach dem Ende des Kalten Kriegs wurden die strikten Alarm- und Schichtbetriebsregeln gelockert und der Betrieb im Tagesdienst weitergeführt. Bei Verlegeübungen, Manövern und taktischen Überprüfungen wurden nur noch Trainings-Lenkflugkörper mitgeführt, die taktischen Einsatz-LFK wurden zunächst im Stellungsbereich gelagert. Später wurden sie an Luftwaffen-Depots abgegeben und dort für den Einsatzfall gelagert.

Überprüfungen

ORE

Die einzelnen FlaRak-Einheiten wurden während ihres Schichtdienstes unregelmäßig von Prüfteams ihrer Verbände (Schießtechnische Prüf- und Auswertegruppe; SPAG) in sogenannten ORE (Operational Readiness Evaluation; auf deutsch: Einsatzbereitschaftsüberprüfungen) auf ihre taktisch/technische Einsatzbereitschaft hin überprüft. Dies geschah unangekündigt zu jeder Tages- und Nachtzeit an willkürlich gewählten Tagen, auch an Wochenenden, an Feiertagen und in Urlaubszeiträumen. Hierbei wurde die technische Verfügbarkeit des Systems und der Ausbildungsstand der Kampfbesatzung nach taktischen Richtlinien und Vorschriften bewertet[3].

„Scharfer Schuss“ auf dem Schießplatz White Sands

TacEval/OpEval

Bei taktischen Überprüfungen durch die NATO, sogenannte TacEvals und später OpEvals, wurden folgende Fähigkeiten der Einheiten und Verbände durch multinationale Prüfteams regelmäßig (in Abständen von 12 bis 18 Monaten) bewertet:

  • Alarmierungsphase aus einer Krisenlage heraus und Personalaufwuchs
  • simulierter Feuerkampf bei unterschiedlichen Luftlagen und Befehlslagen
  • technische Einsatzbereitschaft des Materials inklusive Wartungszustand der Waffensystem- und Fahrzeugkomponenten
  • taktische Verlegefähigkeit der Einheit und des Verbands, dabei verzugslose Aufnahme des Einsatzauftrags
  • Überlebensfähigkeit bei bodengestützen Angriffen
  • Überlebensfähigkeit bei Luftangriffen auf die Feuereinheit
  • Überlebensfähigkeit bei Fremdeinsatz von ABC-Waffen
  • Flexibilität und Reaktion bei Teilausfall des FlaRak-Systems (Improvisation)
  • individuelle und teambezogene Reaktion bei Verwundungen, Feuer, Sabotage, Ausspähung, Gefangennahme von gegnerischen Kräften
  • Durchführung der Aufnahme und Befragung von gegnerischen Gefangenen
  • individuelle Grundfertigkeiten des einzelnen Soldaten wie Handwaffenschießen, schriftlicher ABC-Test, infanteristisch korrektes Verhalten

Mit der Alarmierungsphase aus einer Krisensituation heraus startete die taktische Überprüfung regelmäßig an einem Montag der Woche. Das geltende Szenario wurde für drei bis vier aufeinander folgende Einsatztage geschrieben und im Rahmen einer Übung rund um die Uhr abgeprüft.

Jahresschießen (Annual Service Practise; ASP) und taktisches Schießen

Die Einheiten übten regelmäßig den „scharfen Schuss“. Dafür wurde die jeweils älteste Rakete der Einheit zum Schießplatz mitgeführt. Zuerst wurden die Schießen auf dem Raketenschießplatz McGregor Range / White Sands Missile Range im US-Bundesstaat New Mexico durchgeführt, später auf der Mittelmeerinsel Kreta auf dem NATO-Übungsgelände NAMFI, von dem die letzte deutsche HAWK-Rakete im Oktober 2003 abgeschossen wurde.

In den Anfangsjahren wurden die Jahresschießen als Schulschießen durchgeführt, wobei die Einheiten eine Anfangspunktzahl von 2000 Punkten zur Verfügung hatten. Anhand von Drillkarten und Vorschriften wurde die Einheit genauestens bei ihren Tätigkeiten von Prüfteams der NATO beobachtet, wobei Abweichungen und Verstöße durch Punkteabzug geahndet wurden. Höhepunkt war der Verschuss einer einzelnen HAWK gegen eine Drohne. Die Kampfbesatzungen führten das Jahresschießen ohne Handwaffen und ABC-Schutzausstattung durch.

Mit Einführung des sogenannten taktischen Schießens zu Beginn der 1990er Jahre wurden die Einheiten, später die Verbände (als FlaRak-Gruppen und -Geschwader) in einem taktischen Umfeld unter simulierten Gefechtsbedingungen bewertet. Das gesamte eingesetzte Personal war gefechtsmäßig mit Waffe, ABC-Ausstattung und Helm ausgerüstet. Im Verlauf des taktischen Schießens wurde ein an realen Bedingungen angelehntes Szenario abgewickelt, das mit der Übernahme des Waffensystems, einer technischen Überprüfung und einer gefechtsmäßigen Verlegung in einen angenommenen Einsatzraum begann. Nach der Einnahme des befohlenen Einsatzstatus wurde ein Einsatz gegen feindliche Kräfte durchgeführt, bei dem mehrere HAWK-Lenkflugkörper gegen durch Drohnen simulierte Flugziele abgefeuert wurden. Nach Ende des Bekämpfungsablaufs hatten die Einheiten eine geordnete Verlegung in einen Verfügungsraum zu absolvieren. In die Bewertung flossen nunmehr hauptsächlich Elemente aus dem Forderungskatalog der TacEvals und OpEvals ein.

Feuereinheit

Die bei der Bundeswehr eingesetzte Feuereinheit der Version HAWK PIP-II bestand aus folgenden Systemkomponenten[4]:

HAWK-Lenkflugkörper im White Sands Missile Range Museum.

Feuerleitgruppe

  • 1 Feuerleitstand (PCP; Platoon Command Post) mit
    • 1 Freund/Feind-Kenngerät (IFF Siemens 1990/D21 - Identification Friend/Foe) sowie dem Waffenrechner (ADP)
  • 1 Dauerstrich-Erfassungsradar (CWAR; AN/MPQ-55 Continuous Wave Acquisition Radar)

Abschussgruppe

  • 1 Dauerstrich-Beleuchtungsradar (HPIR; AN/MPQ-57 High-Powered Illuminator Radar) mit
    • Infrarot-Erfassungssystem HEOS (Atlas Elektronik HAWK Electro-Optical Sensor)
  • 3 Startgeräte/LCHR (Launcher) für je 3 Lenkflugkörper (LFK) pro Startgerät
  • 6 Palettenanhänger/PAL (Pallet) zum Transport von 18 Lenkflugkörpern (9 LFK als Kampfbeladung und weitere 9 als Reserve)
  • 1 Ladefahrzeug/LDR (Loader), (einziges Kettenfahrzeug der Luftwaffe)
  • 1 Abschussgruppen-Verteilerkasten/LSCB (Launching Section Control Box)

Stromversorgung

  • 4 Stromerzeugungsaggregate (SEA) 56 kVA / 400 Hz

Für die Kampfführung einer HAWK-Flugabwehrraketengruppe (entspricht einem Bataillon) mit bis zu acht angeschlossenen Feuereinheiten (siehe oben) diente die Kampfführungsanlage/GEHOC (German HAWK Operation Center).

Im Zuge der Umstrukturierung ausgemusterte Komponenten

Pulse Acquisition Radar AN/MPQ-50 (PAR), Impuls-Erfassungsradar

Gegen Ende der 1990er Jahre wurden die Einheiten der Luftwaffe von der BCC-Vollstaffel-Konfiguration in eine PCP-Halbstaffel (siehe oben) umstrukturiert. Hierdurch entfielen die folgenden Komponenten:

  • Feuerleitanlage/BCC (Battery Control Central)
  • Lage- und Auswertezentrale/ICC (Information Coordination Central)
  • Impuls-Erfassungsradar/PAR (AN/MPQ-50 Pulse Acquisition Radar)
  • Entfernungsmessradar/ROR (AN/MPQ-51 Range Only Radar)

Liste der Nutzerstaaten

Viele westlich orientierte Staaten und Verbündete der USA nutzten HAWK als Luftverteidigungssystem für ihre Streitkräfte.

  • NATO / Europa:
Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Norwegen, Rumänien, Schweden, Spanien, Türkei, USA
  • Naher Osten:
Ägypten, Bahrain, Iran, Israel, Jordanien, Kuwait, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate
  • Asien:
Indonesien, Japan, Singapur, Südkorea, Taiwan

Sonstiges

Die Abkürzung HAWK wird mitunter interpretiert als Homing All the Way Killer (englisch etwa: ständig zielender Mörder; siehe Artikel zum Begriff „Homing“). Möglicherweise existierte zuerst die Bezeichnung HAWK (als sogenanntes „Backronym“) und erst später wurde daraus die Erklärung aus der Beschreibung des Flugverhaltens des Habicht oder des Falken, der dem System seinen Namen gab.

HAWK wurde in der Truppe aufgrund seiner Komplexität, seiner Fehleranfälligkeit, der häufigen Verlegungen sowie des Schichtbetriebs scherzhaft bezeichnet als:

  • Hope Ajax Will Kill („Hoffentlich trifft Nike Ajax“)
  • Heute Alles Wieder Kaputt
  • Holiday and Weekend Killer („Feiertags- und Wochenend-Verderber“)
  • Haufen Arbeit Wenig Kohle
  • Hau Ab Wenn's Knallt
  • Hinkelstein Abwurf-Katapult

Das Simulationsgerät OTS wurde auch scherzhaft Offizier-Telespiel genannt.

Quellen

  1. Die Flugabwehrkanone 20 mm Zwilling
  2. Die Flugabwehrkanone „Rheinmetall MK 20 Rh 202“ bei HAWK
  3. ORE - Einsatzbereitschaftsüberprüfung im Detail
  4. Systemkonfiguration PIP-II der deutschen Luftwaffe

Weblinks


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