Mackenroth-Theorem

Mackenroth-Theorem

Als Mackenroth-These oder Mackenroth-Theorem wird die von Gerhard Mackenroth 1952 formulierte Aussage bezeichnet, dass die Sozialausgaben einer Volkswirtschaft immer aus dem laufenden Volkseinkommen erbracht werden müssen:

„Nun gilt der einfache und klare Satz, daß aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muß. Es gibt gar keine andere Quelle und hat nie eine andere Quelle gegeben, aus der Sozialaufwand fließen könnte, es gibt keine Ansammlung von Periode zu Periode, kein "Sparen" im privatwirtschaftlichen Sinne, es gibt einfach gar nichts anderes als das laufende Volkseinkommen als Quelle für den Sozialaufwand.“

Gerhard Mackenroth: Die Reform der Sozialpolitik durch einen deutschen Sozialplan. in: Schriften des Vereins für Socialpolitik NF, Band 4, Berlin 1952

Inhaltsverzeichnis

Bedeutung der Mackenroth-These

Aus Sicht der Befürworter folgt aus der Mackenroth-These, dass das Rentensystem nicht zwangsläufig im Kapitaldeckungsverfahren erfolgen muss, sondern auch im Umlageverfahren organisiert werden kann.

Die Befürworter bevorzugen daher das Umlageverfahren in Form einer staatlich geführten Rentenversicherung, da die Kosten geringer sind als bei privat organisierten Lebensversicherungen. Typischerweise liegen die Verwaltungskosten z. B. in Deutschland sowohl beim staatlichen Rentensystem als auch bei einer privaten Lebensversicherung bei ca. 2 bis 4% der Einzahlungen. Bei der Lebensversicherung kommen aber noch Vertriebskosten und Eigenrenditen der Versicherung hinzu, sodass die Gesamtkosten etwa bei 10 bis 12% liegen. [1]

Diese Betrachtungsweise spielte in den 1950er Jahren eine wichtige Rolle in der Diskussion über eine große Sozialreform in der Bundesrepublik Deutschland. Die damals bestehenden Rücklagen der kapitalgedeckten Rentenversicherung waren durch Krieg, Inflation und Währungsreform größtenteils vernichtet worden. Zudem hatte man bis dato nie Rücklagen in ausreichender Höhe ansammeln können. Die Altersrenten wurden faktisch durch laufende Einnahmen und staatliche Zuschüsse finanziert. Vor diesem Hintergrund kam allmählich eine wissenschaftliche Diskussion in Gang, ob eine Kapitaldeckung überhaupt möglich und nötig sei. Die Frage wurde damals verneint. Entsprechend sprach Wilfrid Schreiber, der „Vater der dynamischen Rente“ von der „irrigen Zwangsvorstellung, Deckungsreserven bilden zu müssen“. So wurde die Mackenroth-These grundlegende Maxime für die große Rentenreform von 1957. Die kapitalgedeckte „Sparrente“ wurde auf das „dynamische Umlageverfahren“ umgestellt.

Größere Bedeutung erlangte das Mackenroth-Theorem wieder im Rahmen der Auseinandersetzungen um die Rentenreformen seit den 1990er Jahren.

Kritik

Die zentrale wirtschaftspolitische Schlussfolgerung aus dem Mackenroth-Theorem ist, dass aus volkswirtschaftlicher Sicht kein Sparen zur Entlastung der Rentenversicherung erfolgen kann.

Sparen wird dabei im volkswirtschaftlich-statistischen Sinne als reiner Konsumverzicht, als Horten verstanden. Bei diesem Verständnis des Sparens ist die Aussage eine Tautologie der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung Y = C + S, mit dem Volkseinkommen Y, dem Konsum C und der Ersparnis S.

Nicht betrachtet werde nach Ansicht von Kritikern dabei jedoch, dass auf der Verwendungsseite des Volkseinkommens Investitionen aus der Ersparnis getätigt werden können, die den Kapitalstock der Volkswirtschaft vergrößern. Nähme man eine solche Verwendung der Ersparnis an, so könne durch volkswirtschaftliches Sparen das zukünftige Volkseinkommen größer sein, als das Volkseinkommen zum Zeitpunkt der Ersparnis. In diesem Falle entstehe durch ein kapitalgedecktes Rentensystem ein Zuwachs an Volkseinkommen in zukünftigen Perioden. Verschiedene Autoren verweisen darauf, dass die Höhe des Sozialproduktes durch die Bildung des Kapitalstocks beeinflusst wird und der Kapitalstock einer Volkswirtschaft sehr wohl von einer Generation auf die nächste übertragen werden könne. Die Mackenroth-These besitze deshalb keine Gültigkeit. [2][3][4] Aus dieser Sicht ließen sich eine Vielzahl abgeleiteter Kritikpunkte finden. Wenn man nämlich eine wachsende Volkswirtschaft unterstellt, so besteht natürlich die Möglichkeit, zukünftiges Volkseinkommen durch Staatsverschuldung vorwegzunehmen. Ebenso besteht dann die Möglichkeit sich im Ausland zu verschulden.

Allerdings haben empirische Studien ergeben, dass die Sparquote in Ländern mit einem Rentensystem im Kapitaldeckungsverfahren nicht höher ist als in Ländern mit einem Rentensystem im Umlageverfahren. [1] Ein Zusammenhang zwischen der Art der Organisation des Rentensystems und der Höhe der Sparquote, und damit der Dynamik der Erhöhung des Kapitalstocks, konnte also nicht hergestellt werden.

Benennung

Winfried Schmähl [5] hat darauf hingewiesen, dass die These bereits 1939/1940 von Theodor Bühler, damals im Arbeitswissenschaftlichen Institut der DAF beschäftigt, aufgestellt wurde. Mackenroth habe der These aber zu größerer Bekanntheit verholfen, weswegen sie bereits früh als „Mackenrothsche These“ oder Mackenroththeorem bezeichnet wurde. International wird das Theorem mit dem US-Wirtschaftswissenschaftler Paul A. Samuelson in Verbindung gebracht, der es mathematisch formuliert hat.

Literatur

  • Axel Börsch-Supan: Sozialpolitik. In Handbuch der Volkswirtschaftslehre Band 2 ISBN 3540612629
  • Friedrich Breyer: Ökonomische Theorie der Alterssicherung, Verlag Franz Vahlen München 1990
  • Hans Günter Hockerts: Sozialpolitische Reformbestrebungen in der frühen Bundesrepublik. Zur Sozialreform-Diskussion und Rentengesetzgebung 1953-1957. in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 25. Jahrgang (1977), S. 341-372
  • Stefan Homburg: Theorie der Alterssicherung. ISBN 3540188355
  • Bernhard Külp: Unterschiedliche Finanzierungssysteme der gesetzlichen Rentenversicherungen und ihr Einfluß auf die Verteilung zwischen den Generationen. in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 36. Jahrgang (1991), S. 35-54
  • Gerhard Mackenroth: Die Reform der Sozialpolitik durch einen deutschen Sozialplan. in: Schriften des Vereins für Socialpolitik NF, Band 4, Berlin 1952
  • Wilfrid Schreiber: Existenzsicherheit in der Industriellen Gesellschaft, Köln 1955

Weblinks

Belege

  1. a b Ebert Stiftung: Alterssicherungspolitik: breitere Versicherungspflicht, Leistungsrücknahmen, ergänzende private Vorsorge, garantierte Mindestsicherung
  2. Börsch-Supan S.203
  3. Fuest S.3
  4. http://www.uni-koeln.de/wiso-fak/eekhoff/ss03/rente.pdf S.5
  5. Winfried Schmähl: Über den Satz: „Aller Sozialaufwand muß immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden“. in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 26. Jahrgang (1981), S.147-171

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