Makrophagen

Makrophagen

Makrophagen gehören zu den Fresszellen (Phagozyten) und sind als Leukozyten (weiße Blutkörperchen) Zellen des Immunsystems. Sie dienen der Beseitigung von Mikroorganismen durch Phagozytose und stellen stammesgeschichtlich (phylogenetisch) die vermutlich ältesten Vermittler der angeborenen Immunabwehr dar. So sind Makrophagen-artige Zellen in der Taufliege Drosophila und sogar in Pflanzen identifiziert worden.[1]

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung und Vorkommen

Monozyten entwickeln sich im Knochenmark und wandern in die Blutgefäße, in denen sie im Blutstrom durch den Körper zirkulieren. Kommen sie währenddessen in Kontakt mit Infektionen, sind sie wie neutrophile Granulozyten in der Lage, verstärkt in das betroffene Gewebe einzuwandern. Dort differenzieren sie unter Einfluss von Cytokinen und Erreger-Substanzen in Makrophagen.

Je nach Stimulierung können sie verschiedene Formen annehmen: Einige vergrößern stark ihr Cytoplasma und werden dann Epitheloidzellen genannt, wegen ihrer Ähnlichkeit zu epithelialen Zellen. Aktivierte Makrophagen können auch fusionieren und mehrkernige Riesenzellen bilden, um größere Fremdkörper zwecks Phagozytose zu umschließen. Um ihre Lokalisierung in verschiedenen Geweben zu beschreiben wurden ihnen spezielle Bezeichnungen gegeben. So heißen sie im zentralen Nervensystem Mikrogliazellen, in der Leber Kupffer-Sternzellen, in der Lunge Alveolarmakrophagen, mehrkernig und im Knochen vorkommend Osteoklasten, im Knorpelgewebe Chondroklasten, in der Epidermis der Haut Langerhans-Zellen, im Bindegewebe Histiozyten und in der Plazenta Hofbauerzellen. Des weiteren finden sich Makrophagen in der Muttermilch, in der sie der Sekretion des Enzyms Lysozym und immunstimulatorischer Substanzen dienen.

Funktion

Eine Makrophage einer Maus mit zwei Ausstülpungen (Pseudopodien), die körperfremde Partikel umfließen und diese zwecks Zerstörung aufnehmen.

Körperfremde Proteine oder Glycoproteine, wie etwa auf der Oberfläche von Viren und Bakterien, werden im Gewebe von Makrophagen erkannt. In einem Phagocytose genannten Prozess werden die Mikroorganismen aufgenommen oder aktiv „umflossen“ und teilweise intrazellulär zerkleinert. Gleichzeitig werden durch auf diese Art „aktivierte“ Makrophagen und neutrophile Granulozyten chemische Lockstoffe (Chemokine) freigesetzt, die weitere Zellen ihrer Art aus dem Blutstrom rekrutieren. Freigesetzte Cytokine sorgen zusätzlich für eine lokale Entzündung. Die Bestandteile des zuvor aufgenommenen Erregers werden anschließend an die Zelloberfläche des Makrophagen transportiert und mit ihr durch ein MHC-II-Molekül verbunden.

Nun wandern diese „Antigen-präsentierenden Zellen“ (APCs) in die Lymphknoten und in die Milz, die sekundären lymphatischen Organe. Die Antigenpräsentation erlaubt die Aktivierung von sich dort befindenden Zellen der erworbenen Immunabwehr (T-Helfer-Zellen). Diese wiederum geben nun an die Makrophagen ein Signal zur Zerstörung der zuvor aufgenommenen Erreger zurück. Wie alle APCs sind aktivierte Makrophagen daher in der Lage, naive, d.h. noch nicht mit einem Antigen in Kontakt gekommene, B-Zellen und T-Zellen zu stimulieren. Im Falle von B-Zellen differenzieren sich diese in Antikörper-produzierende Zellen (Plasmazellen), während sich T-Zellen unter starker Vermehrung in akut „handelnde“ Effektor-T-Zellen und Gedächtnis-T-Zellen differenzieren. Neben dieser Aktivierung der erworbenen Immunabwehr beseitigen Makrophagen auch gealterte, zerstörte sowie apoptotische körpereigene Zellen. Nach einer erfolgreich bekämpften Infektion sind Makrophagen an Heilungsprozessen beteiligt, indem sie die Narbenbildung (Granulationsgewebe) und die Neubildung von Blutgefäßen (Angiogenese) fördern.

Makrophagen können auch direkt an der Funktion eines Organs beteiligt sein. Im Bindegewebe des Hodens beispielsweise sekretieren sie 25-Hydroxy-Cholesterin, eine Substanz, die von benachbarten Leydig-Zellen aufgenommen wird und dort der Synthese von Testosteron dient. Im Falle einer Entzündung des Hodens nehmen die Makrophagen ihre immunologische Aufgabe wahr und stehen nicht mehr für die Unterstützung der Testosteron-Bildung zur Verfügung. Dies führt zur Unfruchtbarkeit.

Beteiligung an Krankheits-Symptomen

Im Falle einer Tuberkulose nehmen Makrophagen gemäß ihrer Funktion den Erreger (meist Mycobacterium tuberculosis) auf. Im Gegensatz zu anderen Bakterien vermögen die Tuberkuloseerreger jedoch aufgrund ihrer wachsartigen Zellwand-Beschaffenheit innerhalb der Makrophagen zu überleben. Trotzdem werden aus dem Blut weitere Monozyten rekrutiert, die sich in Epitheloidzellen umwandeln und zusammenlagern. Diese, durch ihren katzenzungenartigen Zellkern auffallenden Makrophagen-Abkömmlinge bilden einen Schutzwall, in dessen Zentrum die befallenen Zellen absterben. Dieses bis zu 1 mm durchmessende Gebilde wird als Granulom bezeichnet. Die Epitheloidzellen können außerdem zu mehrkernigen Langhans-Riesenzellen fusionieren, die jedoch nicht mit den Langerhans-Zellen der Epidermis zu verwechseln sind.

Bei Fett-Stoffwechselstörungen, Fettsucht und Krankheiten wie dem Niemann-Pick-Syndrom oder dem Alport-Syndrom können Makrophagen ein Übermaß an Lipiden aufnehmen und werden dann „Schaumzellen“ genannt. Durch ihre gelegentliche Blutzirkulation können sie sich in den Schlagadern ablagern und dadurch zu Arteriosklerose führen.

Bei herzkranken Patienten kann es zu einer Blutstauung in den Lungen kommen, was eine Akkumulation von Hämosiderin zur Folge hat. Die örtlichen Alveolarmakrophagen nehmen diesen Eisen-Protein-Komplex auf und in der ausgehusteten Absonderung der Atemwegsschleimhäute dieser Patienten sind diese Zellen und ihre „Fracht“ nachweisbar. Dies hat zu ihrem irreführenden Namen „Herzfehlerzellen“ beigetragen. So können Makrophagen auch als diagnostische Hilfsmittel dienen. Eine weitere Sonderform der Bindegewebs-Makrophagen sind die „Anitschkow-Zellen“, die bei der Bildung des Rheumatischen Granuloms beteiligt sind. Dieses Gebilde wird auch Aschoff-Knötchen bezeichnet.

Entdeckungsgeschichte

Auf Rudolf Virchows Vorschlag basierend beschrieb Kranid Slavjanski 1863 erstmals, dass er in Lungenbläschen von Kaninchen, in deren Luftröhre er zuvor eine Zinnober-Lösung träufelte, Zellen fand, „welche den Character weisser Blutkörperchen hatten und stellenweise auch Zinnober enthielten“. Entgegen vorheriger Theorien schloss er aus seinen Experimenten, dass diese Zellen nicht als „metamorphosirte Alveolarepithelien“, also der Lungen-Schleimhaut entstammend, zu sehen seien. Es liege „auf der Hand, sie als weiße Blutzellen anzunehmen, welche aus den Gefäßen herauswandern“.[2] Nach heutigen Kenntnissen beschrieb er somit nicht nur die ersten „verzehrenden“ Alveolar-Makrophagen, sondern auch ihre Fähigkeit, aus dem Blutgefäßsystem in Organe einzuwandern.

Erst Elie Metchnikoff beschrieb 1880 das Prinzip der Phagozytose. Basierend auf seiner Untersuchung phagozytierender Zellen in Seesternen prägte er den Begriff „Makrophage“ und erkannte deren Bedeutung für das Immunsystem.[3] Für diese und weitere Leistungen bei der Beschreibung der zellulären Immunabwehr erhielt Metchnikoff zusammen mit Paul Ehrlich im Jahr 1908 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin.[4]

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde vermehrt die Funktion der „festen“ Gewebe-Makrophagen (Histiozyten) beschrieben. Darauf aufbauend definierten Ludwig Aschoff und andere Wissenschaftler das Prinzip des Retikuloendothelialen Systems (RES), welches in den späten 1960er Jahren unter dem Namen Mononukleär-phagozytierendes System erweitert wurde[5].

Verglichen mit anderen Zellen erwies sich in den Folgejahren die Untersuchung der Zellbiologie von Makrophagen als schwierig. Erst ab Mitte der 1980er Jahre wurden neue Erkenntnisse über die Bedeutung von Makrophagen gewonnen: So wurde durch Makrophagen nach LPS-Kontakt ein von ihnen produziertes und bis dahin unbekanntes Zytokin entdeckt, der Tumornekrosefaktor[6] Auch durch die Entdeckung Makrophagen-spezifischer Wachstumsfaktoren wie M-CSF zu dieser Zeit wurden neue Einblicke in die Zell-Differenzierung von Monozyten zu Makrophagen gewonnen.[7]

In den 1990er Jahren wurden vermehrt Oberflächenmarker verwendet, um Subpopulationen von Makrophagen in verschiedenen Geweben zu lokalisieren.[8] Auf diese Weise konnten bisherige Definitionen von Gewebe-spezifischen Makrophagen gefestigt werden.

Literatur

  • Molecular and Cellular Immunology Abbas, Lichtmann, 5th Edition Saunders 2005
  • Robbins Pathologic Basis of Disease Kumar, Abbas, Fausto, 7th Edition Saunders 2004
  • Medizinische Mikrobiologie Hof, Dörries, 3. Auflage Thieme 2005

Einzelnachweise

  1. Abul K. Abbas, Andrew Lichtman, Shiv Pillai: Cellular and Molecular Immunology, p.30, 6th Edition 2007; Saunders Elsevier.
  2. Kranid Slavjanski: Experimentelle Beiträge zur Pneumonokoniosis-Lehre. Würzburger Medicinische Zeitschrift; Bd. IV; 1863
  3. E. Metchnikoff: Über die intracelluläre Verdauung bei Coelenteraten.; Zoologischer Anzeiger 3; S. 261-263; 1880
  4. Presentation Speech by Professor the Count K.A.H. Mörner, Rector of the Royal Caroline Institute, on December 10, 1908 Laudatoren-Rede
  5. van Furth, R.:Cells of the mononuclear phagocyte system. Nomenclature in terms of sites and conditions. Mononuclear Phagocytes. Functional aspects, Part I; Martinus Nijhoff, The Hague 1980, pp 1-30
  6. Beutler B, Mahoney J, Le Trang N, Pekala P, Cerami A.: Purification of cachectin, a lipoprotein lipase-suppressing hormone secreted by endotoxin-induced RAW 264.7 cells.; J Exp Med. 1985 May 1;161(5):984-95; PMID 3872925
  7. Chitu V, Stanley ER.:Colony-stimulating factor-1 in immunity and inflammation.; Curr Opin Immunol. 2006 Feb;18(1):39-48.; PMID 16337366
  8. Gordon S, Lawson L, Rabinowitz S, Crocker PR, Morris L, Perry VH.: Antigen markers of macrophage differentiation in murine tissues. Curr Top Microbiol Immunol. 1992;181:1-37.PMID 1424778

Weblinks


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