- Malformation
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Unter einer Fehlbildung versteht man in der Medizin eine vor der Geburt (= pränatal) entstandene oder angelegte Fehlgestaltung eines Organs. Dabei können auch mehrere Organe betroffen sein, wobei man hier bei verschiedenen charakteristischen Kombinationen auch von Fehlbildungssyndromen spricht.
Fehlbildungen können spontan ohne erkennbare Ursache auftreten, genetisch bedingt sein oder durch umweltbedingte (teratogene) Einflüsse ausgelöst werden.
Es handelt sich um die Veränderung von Form und Größe oder gar die Nichtexistenz eines oder mehrerer Organe oder Organsysteme als Folge von Besonderheiten in der frühkindlichen Entwicklung im Mutterleib.
Ursache für Fehlbildungen können Mutationen (Veränderungen der Erbsubstanz) oder äußere Einwirkungen sein. In sehr vielen Fällen ist jedoch eine Ursache nicht nachzuweisen und man geht von Mutationen unklarer Genese aus. Mißbildungen, die auf Eigenschaften von Vorfahren zurückgehen und als klassische Evolutionsbelege angesehen werden, werden Atavismen genannt. Art und Schwere von Besonderheiten, die durch exogene Faktoren hervorgerufen werden, sind vom Zeitpunkt der Einwirkung abhängig. Faktoren, die nach der Determinationsphase für ein Organ auf den Embryo wirken, können dessen Ausbildung zwar nicht mehr unterbinden, aber für eine mehr oder weniger starke Fehlentwicklung verantwortlich sein.
Bei einigen Besonderheiten, wie etwa dem Vorhandensein eines Schwanzes oder zusätzlicher Finger oder Zehen (Polydaktylie), ist die Behandlung durch Amputation aus ästhetischen Gründen zwar verbreitet, aber medizinisch meist nicht notwendig.
Ebenfalls medizinisch behandelt wird in den meisten Ländern der Hermaphroditismus, wogegen sich unter Betroffenen Protestbewegungen gebildet haben.
Inhaltsverzeichnis
Einwirkung exogener Faktoren
Infektionskrankheiten der Mutter
Für den Embryo bzw. Fetus potentiell schädliche Infektionskrankheiten sind z. B. Röteln und Windpocken (Varizellen-Syndrom). Je nach Zeitpunkt des Befalls ruft das Virus mit unterschiedlicher Häufigkeit und Ausprägung Fehlbildungen an verschiedenartigen Organen wie Herz, Auge oder Ohr hervor.
Weitere Fehlbildungen können durch den Erreger der Toxoplasmose hervorgerufen werden. Er kann Gehirn- und Augenschäden verursachen. Infektionsquellen sind der Genuss rohen Fleisches, ungewaschenen Obstes oder Gemüses oder zu enger Kontakt mit Haustieren, insbesondere Katzen.
Röntgenstrahlen oder Strahlen radioaktiver Elemente
Strahlung kann den sich entwickelnden und wachsenden Organismus schädigen. Besonders gefährdet sind die Keimdrüsen, da in diesen hauptsächlich die langlebigen Frühstadien der Keimzellen betroffen werden. Welchen Einfluss etwa Kontakte mit Nuklearmaterial haben können, sieht man noch heute am allgemein schlechten Gesundheitszustand der Menschen in der Region am Prypjat um die Stadt Tschornobyl, wo es im Jahr 1986 zu Kernschmelze und Explosionen in einem Kernreaktor kam.
Fehlbildungsfördernde Medikamente
Ende der 1950er Jahre wurden in der Bundesrepublik Deutschland in auffallend vermehrter Zahl Kinder mit Fehlbildungen geboren, bei denen vor allem Extremitätenverkürzungen auftraten. 1961 konnte ein kausaler Zusammenhang zwischen den Besonderheiten und Thalidomid (=Contergan) hergestellt werden. Schädigungen kamen nur bei solchen Neugeborenen vor, deren Mütter in einem frühen Stadium der Schwangerschaft thalidomidhaltige Medikamente eingenommen hatten. Auch von Antibiotika und Neuroleptika kennt man teratogene Wirkungen. Durch den Contergan-Skandal bekam das Thema eine große Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung.
Das höchste Fehlbildungsrisiko durch Einwirkung von Schadsubstanzen (und damit auch Arzneimitteln) liegt innerhalb der ersten drei Monate der Schwangerschaft (1. Trimenon).[1] Zu Beginn des ersten Trimenons ist die Schwangerschaft allerdings oft noch nicht bekannt. Deshalb nehmen rund 80% der Schwangeren im 1. Trimenon Arzneimittel ein, von denen rund 30% ärztlich verordnet sind. Andererseits ist nur für sehr wenige Arzneistoffe ein eindeutiger Zusammenhang mit Fehlbildungen nachgewiesen (z.B. Zytostatika, Sexualhormone, bestimmte Antibiotika u.a.). Hinzu kommt die Tatsache, dass für das Auftreten einer Fehlbildung zahlreiche Faktoren zusammentreffen müssen, wozu neben dem Arzneistoffkonsum auch Einnahmedauer, Einnahmezeitpunkt, Dosierung, Genotyp des Fetus/Embryos, Stoffwechsellage, Begleitmedikation, bestehende Grunderkrankung usw. gehören. [1] Daraus ergeben sich einige wichtige Grundsätze für die Arzneimitteltherapie in der Schwangerschaft.[2]
Fehlbildungsfördernde Chemikalien
Darunter zählen z. B. die als Dreckiges Dutzend bekannten erbgut-verändernden Umweltgifte (z. B. DDT oder PCB). Sie sind mittlerweile weltweit verboten. Daneben gibt es etliche (potentielle) endokrine Disruptoren, z. B. in der Antibabypille. (Siehe Teratogen und Kategorie:Fruchtschädigender Stoff)
Lagebesonderheiten im Mutterleib
Eine unübliche Lage in der Gebärmutter kann zu Sauerstoffmangel des Kindes führen.
Mangel- oder Fehlernährung der Mutter
Jährlich werden weltweit viele Kinder geboren, die durch Alkoholkonsum ihrer Mütter während der Schwangerschaft geschädigt wurden. Alkoholkonsum während der Schwangerschaft ist eine häufige Ursache nicht-genetisch bedingter Behinderung und eine der wenigen Schädigungen, die sich durch korrektes Verhalten der Mutter vollständig vermeiden lässt. Symptome einer solchen alkoholbedingten, den Embryo schädigenden Einwirkung sind u. a. Minderwuchs, Untergewicht, Gehirn- und Herzschäden, die unter dem embryo-fetalen Alkoholsyndrom (F-A-S) zusammengefasst werden.
Ebenso können Nikotin- und/oder Drogenkonsum in der Schwangerschaft Fehlbildungen verursachen.
Klassifikation der Besonderheiten
- Aplasie = Fehlen eines Organs
- Hypoplasie = zu kleines Organ
- Atresie = Verschluss eines Hohlorgans durch fehlerhafte Anlage
- Dystopie (= Heterotopie) = Gewebe ist an einer Stelle lokalisiert, wo es normalerweise nicht vorkommt
- Choristie = Versprengung von Gewebsanlagen
- Dysrhaphie = Fehlerhafter Verschluss des Neuralrohrs (Rückenmark, Wirbelsäule, siehe Spina bifida, Anenzephalie)
- Fusion = z. B. Verschmelzungsniere = Hufeisenniere
- Nichtverschmelzung
- Malrotation = fehlerhafte Drehung z. B. des Darmes
- Doppelbildung (komplette oder inkomplette Duplikatur) z. B. Diphallie
Häufigkeit
Ungefähr zwei Prozent aller Neugeborenen weisen genetische Besonderheiten bzw. körperliche Fehlbildungen auf. In Deutschland wird beispielsweise etwa einer von 500 Säuglingen mit einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte geboren und etwa 0,5 bis 0,7 % aller lebend geborenen Kinder kommen mit einem Herzfehler zur Welt. Ein Klumpfuß kommt bei etwa einem von 1.000 Kindern vor, wobei Jungen doppelt so häufig betroffen sind wie Mädchen.
Quellenangaben und Literatur
- Wolfgang Miram, Karl-Heinz Scharf: Biologie heute SII. Schroedel Verlag, ISBN 3-507-10590-X (Schulbuch)
- Witkowski, Prokop, Ullrich, Thiel: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. 7. Auflage 2003, ISBN 3-540-44305-3
- Urs Zürcher: Monster oder Laune der Natur. Medizin und die Lehre von den Missbildungen 1780–1914. Campus, Frankfurt am Main u. a. 2004, ISBN 3-593-37631-8 (zugl. Dissertation, Universität Zürich 2003)
Einzelnachweise
- ↑ a b Klaus Friese u.a.: Arzneimittel in der Schwangerschaft und Stillzeit. 6. Aufl., Stuttgart 2006, 454 S., ISBN 978-3830454342
- ↑ Martin Smollich, Alexander C. Jansen: Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit. Schnell und sicher beraten. 1. Aufl., Stuttgart 2009, 100 S., ISBN 3-8304-5434-2
Weblinks
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