Apgartest

Apgartest
Virginia Apgar

Der Apgar-Score ist ein Punkteschema, mit dem sich der klinische Zustand von Neugeborenen standardisiert beurteilen lässt. Mit Hilfe dieses Scores gelingt es, die Anpassung an das Leben außerhalb der Gebärmutter und die Überführung des fetalen in den neonatalen Zustand zu beschreiben. Weiter lässt sich der Effekt von Reanimationsmaßnahmen erfassen. Der Score wurde erstmals 1952[1] von der amerikanischen Anästhesistin Virginia Apgar vorgestellt und nach ihr benannt. Ein zweiter Bericht mit einer größeren Zahl an Patienten wurde 1958 veröffentlicht.

Inhaltsverzeichnis

Medizingeschichtlicher Hintergrund

Viele Säuglinge starben infolge von nicht diagnostizierten pränatalen Schäden, die sich nach der Geburt verschlimmerten, aber auch infolge von Mängeln oder Verletzungen während des Geburtsvorganges, wie etwa Hirnblutungen, Sauerstoffmangel oder einer Kombination solcher Schädigungen. Vor der weltweiten Anwendung des Apgar-Scores hüllte man Neugeborene einfach in eine Decke und untersuchte sie später auf der Säuglingsstation. Atmungs- und Kreislaufprobleme, die leicht hätten behandelt werden können, wenn sie sofort nach der Geburt erkannt worden wären, führten dann oft zu Komplikationen mit vielfach lebenslangen Folgen oder gar zum Tod des Kindes.

Virginia Apgar schrieb in ihrem Buch „Is my Baby All Right?“:

„Die Geburt ist der gefährlichste Zeitabschnitt des Lebens [...] Es ist dringend notwendig, den Gesundheitszustand von Neugeborenen rasch zu beurteilen und auftretende Krankheitssymptome sofort zu diagnostizieren, um geeignete Maßnahmen ergreifen zu können.“

Durchführung

Untersuchung eines Neugeborenen

Der Apgar-Score umfasst fünf Komponenten:

  1. Herzfrequenz (engl. heart rate)
  2. Atemantrieb (engl. respiratory effort)
  3. Reflexauslösbarkeit (engl. reflex irritability)
  4. Muskeltonus (engl. muscle tone)
  5. Hautfarbe (engl. color)

Die Bestimmung erfolgt heute 1, 5 und 10 Minuten nach der Geburt. Für die Merkmale werden jeweils 0 Punkte (Merkmale fehlen), 1 Punkt (Merkmale nicht ausgeprägt) oder 2 Punkte (Merkmale gut vorhanden) vergeben und in das Untersuchungsprotokoll eingetragen; die maximal erreichbare Punktzahl ist 10.

Zeigt das „reife“ Neugeborene, d. h. nach 37 vollendeten Schwangerschaftswochen, keine Auffälligkeiten und hat es sich gut angepasst, bleibt es auf der Wöchnerinnenstation bei der Mutter.

Kriterium 0 Punkte 1 Punkt 2 Punkte
Herzfrequenz kein Herzschlag unter 100/min über 100/min
Atemantrieb kein unregelmäßig, flach regelmäßig, Kind schreit
Reflexe keine Grimassieren kräftiges Schreien
Muskeltonus schlaff leichte Beugung der Extremitäten aktive Bewegung der Extremitäten
Farbe blau, blass Stamm rosig, Extremitäten blau gesamter Körper rosig

Die optimale Punktzahl für Neugeborene sind 9–10 Punkte, wobei der „fehlende“ Punkt nach einer Minute in der Regel auf die bläuliche Hautfarbe zurückzuführen ist. Bei Wertungen zwischen 5–8 gilt das Neugeborene als gefährdet, bei unter 5 als akut lebensgefährdet.

Einschränkungen

Der Apgar-Score beschreibt den physiologischen und pathophysiologischen Zustand des Neugeborenen innerhalb eines begrenzten Zeitabschnitts. Er enthält auch subjektive Komponenten.

  • Der Score kann durch Medikamente, Infektionen, das Geburtstrauma, kongenitale Anomalien, Hypovolämie u. ä. beeinflusst werden.
  • Die Reife des Kindes beeinflusst ebenfalls den Apgar-Score. Frühgeborene lassen sich mit dem Score nur unzureichend beurteilen, da Merkmale wie Atmung, Muskeltonus und Reflexe vom Gestationsalter abhängig sind. So kann ein gesundes Frühgeborenes ohne Anzeichen einer Asphyxie möglicherweise nur deshalb einen niedrigen Apgar-Score erhalten, weil es unreif ist. Die Häufigkeit eines niedrigen Apgar-Scores ist umgekehrt proportional zum Geburtsgewicht.
  • Der Score kann nicht verwendet werden, um neurologische Komplikationen bei termingerecht geborenen Kindern vorauszusagen, obwohl das immer wieder fälschlicherweise versucht wird (siehe Beller/Holzgreve). Andere Faktoren, wie ein suspektes CTG, pathologische Veränderungen des Nabelschnurblutgases, Pathologie der Placenta, hämatologische Befunde, EEG des Neugeborenen, Ultraschalluntersuchung und Röntgen, neurologische Dysfunktionen sowie Multiorganversagen müssen daher berücksichtigt werden, wenn eine Hypoxie (dt. Sauerstoffuntersättigung) unter der Geburt als Ursache für eine Zerebralparese angenommen wird.
  • Der Score reicht ebenfalls allein nicht aus, um die Diagnose einer Asphyxie zu stellen. Ein niedriger Apgar-Score erlaubt deshalb keine Vorhersage hinsichtlich Morbidität und Mortalität.
  • Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen einem Apgar-Score, der während einer Reanimation erhoben wird, und einem Score bei einem spontan atmenden Neugeborenen, weil die Komponenten des Scores zum großen Teil durch die Reanimation beeinflusst werden.

Erweiterter Apgar-Score

Ein 2006 vom ACOG [2] vorgeschlagener erweiterter Apgar-Score berücksichtigt auch die Ergebnisse von Reanimationsmaßnahmen. Allerdings sind diese Daten auch in jedem Reanimationsprotokoll dokumentiert. Der erweiterte Apgar-Score berücksichtigt die Überwachung des Kindes bis 20 Minuten.

Merksprüche

  • 1963 führte der Kinderarzt Joseph Butterfield einen Merkspruch ein, indem er aus dem Eponym Apgar ein Akronym für Appearance (Hautfarbe), Pulse (Herzfrequenz), Grimace (Reflexauslösbarkeit), Activity (Muskeltonus) und Respiration (Atmung) bildete.
  • In Deutschland hatte sich eine Abwandlung davon verbreitet: Atmung, Puls, Grundtonus, Aussehen, Reflexe.
  • Andere Quellen verwenden als Merkspruch für Apgar folgende Worte: Aussehen, Puls, Gesichtsbewegungen, Aktivität, Respiration (Atmung).
  • Ein weiter Neologismus ist der Ausdruck: American Pediatric Gross Assessment Record.
  • Im Spanischen wird auch verwendet: Apariencia, Pulso, Gesticulación, Actividad, Respiración.
  • Im Englischen wird auch How Ready Is This Child, verwendet für: Heart rate (Herzfrequenz), Respiratory effort (Atemantrieb), Irritabililty (Auslösbarkeit), Tone (Tonus), und Color (Farbe).

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Profiles in Science: The Virginia Apgar Papers
  2. Frauenarzt.de ACOG COMMITTEE OPINION NR. 333, MAI 2006 Der Apgar-Score
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