Maria Sybilla Merian

Maria Sybilla Merian
Maria Sibylla Merian, Altersporträt (de Bâle)

Anna Maria Sibylla Merian (* 2. April 1647 in Frankfurt am Main; † 13. Januar 1717 in Amsterdam) war eine frühe Naturforscherin und bedeutende Künstlerin. Sie gehört zur Jüngeren Linie der Familie Merian.

Wegen ihrer genauen Beobachtungen und Darstellungen zur Metamorphose der Schmetterlinge gilt sie als wichtige Wegbereiterin der modernen Insektenkunde (Entomologie). In ihren Publikationen verwendete sie ihren ersten Vornamen Anna nicht.

Inhaltsverzeichnis

Zur Vorgeschichte

Für die Gelehrten des Mittelalters war die Natur, die sie umgab, kaum der Beachtung wert. In dieser Hinsicht übernahmen sie, was aus der Antike überliefert war – so auch die Vorstellung des Aristoteles über das Wesen der Insekten. Danach waren diese unwürdigen Tiere in einer Art Urzeugung aus faulendem Schlamm entstanden – eine Lehrmeinung, die erst 1668 durch Francesco Redi überzeugend widerlegt wurde. Einige Jahrzehnte zuvor waren zwei Insektenbücher erschienen, die als Anfangsdokumente der Entomologie betrachtet werden: „De animalibus insectis libri septem“ von Ulisse Aldrovandi (Bologna 1602) und „Insectorum sive minimorum animalium theatrum“ von Thomas Moffett (London 1634), ein Werk, das sich auch auf frühere Betrachtungen des Zürcher Naturforschers Conrad Gesner stützte. Matthäus Merian, der Vater Maria Sibyllas, brachte 1653 die „Historiae naturalis de insectis libri III“ des Pädagogen und Universalgelehrten John Johnston heraus, hauptsächlich eine Zusammenstellung von Bildmaterial aus den Arbeiten von Moffett und Aldrovandi, deren relativ grobe Holzschnitte nun in detailliertere Kupferstiche umgesetzt wurden.

Das „Große vollständige Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste“ des Johann Heinrich Zedler (1706–1751) vermerkt unter dem Stichwort „Insectum“ zunächst eine Definition – „Ungezieffer insgemein, worunter aller, kriegender und fliegender Art verstanden werden“ -, begründet dann mit Blick auf Bienen und Seidenraupen den wirtschaftlichen Nutzen entomologischer Studien, hebt aber auch den geistlichen Nutzen hervor: „...ja es ist kein Wurm so abscheulich und so geringe in unseren Augen, der uns nicht, wenn wir nur die gehörige Aufmercksamkeit daran wenden wollten, von der Weißheit des großen Baumeisters Himmels und der Erden völlig überzeugete“. Abschließend wird vermutet, dass sich nicht viele Personen für dieses neue Forschungsgebiet eignen würden: „Doch hierzu gehöret ein sonderbahrer Fleiß, ein tiefes Nachsinnen und eine mühsame Erkändtniß, welches aber denen allerwenigsten gegeben“ [1].

In der Spätrenaissance liegen die Anfänge der Blumen- und Stilllebenmalerei, die seit Beginn des 17. Jahrhundert besonders in Holland gepflegt und während der Epoche des Barock als eigenständige Kunstform zu höchster Blüte geführt wurde. Schon Maria Sibyllas Großvater Johann Theodor de Bry hatte 1612 einen Kupferstichband mit 80 Blumendarstellungen herausgegeben, ihr Vater Matthäus Merian sorgte 1641 für eine erweiterte Neuausgabe dieses „Florilegium novum“. Das Lebenswerk von Maria Sibylla Merian entstand also in einer Zeit des zunehmenden Interesses an der Natur, ihrer genaueren Beobachtung und ihrer subtilen, künstlerischen Darstellung.

Lebenslauf

Frankfurt am Main

Maria Sibylla Merian wurde 1647 als Tochter von Matthäus Merian dem Älteren und seiner zweiten Frau Johanna Catharina Sibylla Heim geboren. Ihr Vater war Verleger und Kupferstecher in Frankfurt, Herausgeber des „Theatrum Europaeum“ und der „Topographien“ und durch seine häufig reproduzierten Stadtansichten weithin bekannt. Als seine Tochter geboren wurde, war er schon 54 Jahre alt und kränklich. Er starb nur drei Jahre später. Im darauf folgenden Jahr heiratete die Witwe den Blumenmaler Jacob Marrel, einen Schüler der flandrischen Malerschule, der sich zwar in Frankfurt ein Atelier einrichtete, aber weiterhin seinen florierenden Kunsthandel in Utrecht betrieb und sich nur selten bei seiner Familie aufhielt.

Kolorierter Kupferstich aus Der Raupen wunderbare Verwandlung ...

Die künstlerische Begabung Maria Sibyllas wurde sehr früh deutlich, fand aber bei ihrer kleinbürgerlich-strengen und amusischen Mutter keine Unterstützung. So übte sie sich heimlich in einer Dachkammer im Kopieren vorhandener Kunstblätter. Schließlich befürwortete und unterstützte ihr Stiefvater Marell eine zielgerichtete künstlerische Ausbildung; wegen seiner häufigen Abwesenheit beauftragte er damit einen seiner Schüler, Abraham Mignon (1640–1679). Schon mit 11 Jahren war Maria Sibylla Merian in der Lage, Kupferstiche herzustellen, bald übertraf sie in dieser Technik ihren Lehrer und entwickelte einen persönlichen Malstil. Ihre Blumenbilder ergänzte sie, nach dem Vorbild der Utrechter Malerschule, mit kleinen Schmetterlingen und Käfern.

In dieser Zeit begann sie damit, Seidenraupen zu züchten, dehnte ihre Aufmerksamkeit aber bald auch auf andere Raupen aus. Im Vorwort zu ihrem berühmten Spätwerk über die Surinamesischen [2] Insekten (Metamorphosis insectorum Surinamensium) schrieb sie rückblickend:

Ich habe mich von Jugend an mit der Erforschung der Insekten beschäftigt. Zunächst begann ich mit Seidenraupen in meiner Geburtsstadt Frankfurt am Main. Danach stellte ich fest, dass sich aus anderen Raupen viel schönere Tag- und Eulenfalter entwickelten als aus Seidenraupen. Das veranlasste mich, alle Raupen zu sammeln, die ich finden konnte, um ihre Verwandlung zu beobachten. Ich entzog mich deshalb aller menschlichen Gesellschaft und beschäftigte mich mit diesen Untersuchungen.

Die christliche Kirche betrachtete Insekten als „Teufelsgeziefer“. Schlichte, fromme Naturen glaubten zum Beispiel, Hexen könnten sich in Gestalt von „Butterfliegen“ an Rahm und Butter satt essen. Mit ihrem speziellen Interesse begab sich die jugendliche Forscherin also auf ungewisses Gebiet, ihrer Mutter verursachte dies Furcht und Unbehagen. Maria Sibylla selbst war zunehmend engagiert, hielt die Metamorphosen der Schmetterlinge und ihr typisches Umfeld in ihrem Skizzenbuch fest, beobachtete ihre Insekten aber nicht allein mit sachlich forschendem Blick, sondern auch mit religiöser Ehrfurcht vor dem, was sie als Wunder der Schöpfung erlebte. Diese beiden Aspekte, verbunden mit künstlerischer Intensität, kennzeichnen ihr ganzes Lebenswerk und finden sich auch in den Begleittexten ihrer Bücher wieder.

Am 16. Mai 1665 wurde Maria Sibylla Merian mit Johann Andreas Graff getraut, auch er ein Schüler ihres Stiefvaters Marell – ein trinkfreudiger Mann, unausgeglichen, seiner Frau geistig und in Hinblick auf künstlerische Leistung und Zielstrebigkeit unterlegen und daher von Minderwertigkeitsgefühlen geplagt. Graff arbeitete in Frankfurt als Maler und Graveur, von beruflichen Erfolgen ist nichts bekannt. Im dritten Ehejahr kam die erste Tochter, Johanna Helena, zur Welt.

Nürnberg

1670 übersiedelte die Familie in Graffs Geburtsstadt Nürnberg. Zur Sicherung des Lebensunterhaltes musste Maria Sibylla durch vielfältige Tätigkeit beitragen. Allerdings waren ihr als Frau in der Freien Reichsstadt Nürnberg beruflich enge Grenzen gesetzt. Die „Maler-Ordnung“ vom Ende des 16. Jahrhunderts erlaubte es nur Männern, mit Ölfarben auf Leinwand zu malen und sicherte ihnen damit jene Aufträge, die Ansehen und gute Einkünfte versprachen. Frauen durften allenfalls kleine Formate bearbeiten, mit Aquarell- und Deckfarben auf Papier oder Pergament. Zur Haupteinnahmequelle der Familie wurde schließlich der Handel mit Farben, Firnis und Malutensilien, den Maria Sibylla Merian betrieb. Sie übernahm daneben eine Vielzahl von Auftragsarbeiten, stickte zum Beispiel Seidendecken oder bemalte Tafeltücher für die Patrizierhaushalte der Stadt.

Kolorierter Kupferstich aus Das Neue Blumenbuch

Außerdem unterrichtete sie junge Frauen in der Kunst der Blumenmalerei und –stickerei. Zu ihren Schülerinnen gehörten Clara Regina Imhoff (1664–1740), durch die sie Zugang zu den Hesperidengärten der Patrizierfamilie Imhoff erhielt, und die später erfolgreiche Blumenmalerin Magdalena Fürst (1652–1717). Als Vorlagen für diesen Unterricht fertigte Merian Kupferstiche an, die zur Grundlage ihrer ersten Buchveröffentlichung wurden. Das „Neue Blumenbuch“ war gedacht als Musterbuch für stickende Damen. Der erste Teil enthielt einige Kopien fremder Blumenbilder und erschien 1675. Der zweite und der dritte Teil, herausgegeben 1677 und 1680, enthielten eigene Naturstudien. Die niedrigen Auflagen und der Gebrauchscharakter des Werkes brachten es mit sich, dass heute nur noch wenige der von Maria Sibylla Merian schon damals meisterhaft kolorierten Stücke vorhanden sind.

Wenig später ließ sie in zwei Teilen (1679 und 1683) ihr Raupenbuch erscheinen: Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung, es enthielt die Ergebnisse ihrer langjährigen Beobachtungen. Hier findet sich das Kompositionsprinzip, das sie auch auf ihre späteren Arbeiten anwendete: auf jedem Blatt werden die Entwicklungsstadien der Insekten in Verbindung mit den Pflanzen gezeigt, die ihnen zur Nahrung dienen. Die Drucke erschienen im relativ kleinen Oktavformat und auf nicht erstklassigem Papier, auch sind nur wenige kolorierte Exemplare überliefert – daher erreichte das Werk nicht die gleiche Ausstrahlung wie später das Buch der Insekten aus Surinam. Dennoch handelt es sich um eine bedeutende Arbeit, nicht nur für die Entwicklung der Entomologie, sondern auch als persönliche Energieleistung; denn in die Phase der letzten, anstrengendsten Vorbereitungen im Jahre 1678 fiel die Geburt der zweiten Tochter, Dorothea Maria. Bald danach wurde der Bruch zwischen Maria Sibylla und ihrem Mann unvermeidlich. Sie fand nur noch wenig Zeit für ihn, er hatte Verhältnisse mit anderen Frauen. 1681 kehrte sie mit ihren Töchtern wieder zurück nach Frankfurt zu ihrer Mutter.

Niederlande

Maria Sibylla Merian um 1700. Kupferstich von Jakob Houbraken nach einem Porträt von Georg Gsell.

1685 entschloss sich Maria Sibylla, zusammen mit ihrer Mutter und den beiden Töchtern für unbestimmte Zeit nach Schloss Waltha bei Wieuwerd im niederländischen Westfriesland zu gehen. Ihr Stiefbruder Caspar hielt sich dort schon seit 1677 auf und hatte sie dazu aufgefordert. Das Schloss gehörte drei Schwestern des Gouverneurs von Surinam, Cornelis van Aerssen van Sommelsdijk; sie hatten es der frühpietistischen Sekte der Labadisten als Zufluchtsort zur Verfügung gestellt. Die etwa 350 Personen der Kolonie fühlten sich urchristlichen Idealen verpflichtet, jenseits der naturfernen Orthodoxie der Amtskirche. Allerdings hatte sich gerade diese Gruppe unter Leitung ihres Predigers Yvon (1646–1707) zu einer strengen, moralisch engherzigen, dabei zu schwärmerischer Übertreibung neigenden Gemeinschaft entwickelt, die Merians Wesen kaum entsprach.

Sie nahm denn auch in der Kolonie eine gewisse Sonderstellung ein. Ihren Töchtern vermittelte sie eine umfassende künstlerische Ausbildung, verbesserte ihre eigenen Lateinkenntnisse, begann allmählich wieder, Schmetterlinge und Blumen zu malen und studierte die Sammlung exotischer Schmetterlinge aus Surinam, die sie in Waltha vorfand. Nach dem Tod ihrer Mutter – ihr Stiefbruder war schon 1686 gestorben – verließ sie die Gruppe der Labadisten und siedelte sich 1691 mit ihren Töchtern in Amsterdam an. Überwiegend wird die Ansicht vertreten, dass sie den mehrjährigen Aufenthalt auf Schloss Waltha als bewusste Zäsur gewählt hatte, um Distanz zu den Anstrengungen der Nürnberger Jahre und zum Scheitern ihrer Ehe zu gewinnen.

In Amsterdam fand sie zahlreiche Anregungen für ihre künstlerischen Vorhaben. Als anerkannte Naturforscherin bekam sie Zutritt zu den Naturalienkabinetten, Gewächshäusern und Orangerien in den Häusern reicher Bürger. Die Bekanntschaft mit Caspar Commelin, dem Leiter des Botanischen Gartens in Amsterdam, erwies sich als besonders wertvoll für ihre Studien; später lieferte er die wissenschaftlichen Anmerkungen für ihr großes Buch der Insekten aus Surinam. Sie las intensiv die inzwischen neu erschienenen Bücher über ihr Spezialgebiet, die Entomologie, und verglich sie mit ihren eigenen Studienergebnissen. Darüber hinaus malte sie Blumen- und Vogeldarstellungen für wohlhabende Naturfreunde, vorhandene Pflanzenbilder ergänzte sie durch Abbildungen von Fliegen, Käfern und Schmetterlingen; ihre Töchter unterstützten sie dabei. Die Kontakte zu einflussreichen Bürgern der Stadt nutzte sie, um die geplante Reise nach Surinam vorzubereiten.

Reise nach Surinam

Seite XXIII aus Metamorphosis insectorum Surinamensium, Boccaves-Frucht mit Eidechse

Im Februar 1699 verkaufte sie einen großen Teil ihrer Sammlungen und ihrer Bilder um die Reise zu finanzieren, im April hinterlegte sie bei einem Amsterdamer Notar ein Testament, in dem sie ihre Töchter zu Universalerbinnen bestimmte. Im Juni 1699 ging sie mit ihrer jüngeren Tochter Dorothea Maria an Bord eines Kauffahrteiseglers, der sie nach Surinam brachte. Über ihre Intention schrieb sie im Vorwort zu „Metamorphosis insectorum Surinamensium“:

In Holland sah ich jedoch voller Verwunderung, was für schöne Tiere man aus Ost- und West-Indien kommen ließ, ... In jenen Sammlungen habe ich diese und zahllose andere Insekten gefunden, aber so, dass dort ihr Ursprung und ihre Fortpflanzung fehlten, das heißt, wie sie sich aus Raupen in Puppen und so weiter verwandeln. Das alles hat mich dazu angeregt, eine große und teure Reise zu unternehmen und nach Surinam zu fahren (ein heißes und feuchtes Land ...), um dort meine Beobachtungen fortzusetzen.

Obwohl Freunde und Bekannte ihr wegen des dort herrschenden extremen Klimas dringend von einer Reise nach Surinam abrieten, ließ sich Maria Sibylla Merian von ihren Plänen nicht abbringen. Von der Stadt Amsterdam erhielt sie finanzielle Unterstützung für ihr Unternehmen. Ausgehend anfangs von der Landeshauptstadt Paramaribo, später von der 65 km entfernten Siedlung Providence, wo sie bei einer Pietisten-Gemeinde wohnten, unternahmen die beiden Frauen ihre Exkursionen in die schwer zugänglichen Urwälder. Dort beobachteten, zeichneten oder sammelten sie alles, was sie über die tropischen Insekten entdecken konnten. Ihre Einteilung der Schmetterlinge in Tag- und Nachtfalter (von ihnen als Kapellen und Eulen bezeichnet) ist bis heute gültig. Pflanzennamen übernahmen sie aus dem Sprachgebrauch der Indianer. Nach zweijährigem Aufenthalt war die nun 54jährige Maria Sibylla den Anstrengungen nicht mehr gewachsen und erkrankte heftig an Malaria. Am 23. September 1701 trafen sie und ihre Tochter wieder in Amsterdam ein.

Amsterdam

Der Bürgermeister stellte das Stadthaus für eine Ausstellung zur Verfügung, in der die mitgebrachten exotischen Tier- und Pflanzenpräparate zu sehen waren und unter großem Zuspruch bestaunt wurden. Ihre Zeichnungen und Sammelobjekte dienten Maria Sibylla als Vorlagen für Pergamentmalereien, nach denen 60 Kupferstiche für ein großformatiges Prachtwerk über die Flora und Fauna Surinams, insbesondere über die dort lebenden Insekten angefertigt wurden. Mehrere Kupferstecher arbeiteten drei Jahre lang daran. 1705 erschien in ledernem, goldverziertem Einband das Hauptwerk der Maria Sibylla Merian: Metamorphosis insectorum Surinamensium. In der Einleitung erklärte sie:

Bei der Herstellung dieses Werkes bin ich nicht gewinnsüchtig gewesen, sondern wollte mich damit begnügen, wenn ich meine Unkosten zurückbekomme. Ich habe keine Kosten bei der Ausführung dieses Werkes gescheut. Ich habe die Platten von den berühmtesten Meistern stechen lassen und das beste Papier dazu genommen, damit ich sowohl den Kennern der Kunst als auch den Liebhabern der Insekten Vergnügen und Freude bereite, wie es auch mich dann freuen wird, wenn ich höre, dass ich meine Absicht erreicht und gleichzeitig Freude bereitet habe.
Ein Falter aus der Gerningschen Sammlung

Von den Erträgen ihrer relativ teuren Bücher allein konnte die Autorin nicht leben. Zusätzlich gab sie Malunterricht, handelte, wie schon in Nürnberg, mit Malutensilien und verkaufte Tier- und Pflanzenpräparate aus ihrer Naturaliensammlung. Auf Umwegen gelangte der wichtigste Teil ihrer Schmetterlingssammlung in die private Kollektion des Bankiers Johann Christian Gerning (1745–1802) in Frankfurt am Main, mit der später das Naturhistorische Museum Wiesbaden gegründet wurde. Die immer noch ansehnlichen Exemplare aus der Sammlung Merians können den Wissenschaftlern des Museums noch heute als Referenzmaterial dienen. Maria Sibylla Merian starb, zu Lebzeiten bereits als große Naturforscherin und Künstlerin anerkannt, 1717 im Alter von 69 Jahren in Amsterdam. Zwei Jahre zuvor hatte sie einen Schlaganfall erlitten und konnte sich danach nur noch im Rollstuhl fortbewegen. Im Totenregister wurde sie als „unvermögend“ bezeichnet, man beerdigte sie in einem Armengrab, das heute nicht mehr aufzufinden ist.

Lebensleistung

Seite XXVII aus Metamorphosis insectorum Surinamensium, Zitrone

Maria Sibylla Merian gehörte zu den ersten Forschern, die Insekten systematisch beobachteten und etwas über deren tatsächliche Lebensumstände herausfanden. Sie konnte zeigen, dass jede Schmetterlingsart als Raupe von einigen wenigen Futterpflanzen abhängig ist und ihre Eier nur an diesen Pflanzen ablegt. Vor allem die Metamorphose der Tiere war weitgehend unbekannt. Zwar wussten einige Gelehrte von der Verwandlung von Raupen in ausgewachsene Schmetterlinge, weiteren Kreisen der Bevölkerung aber, auch vielen Gebildeteren, war der Vorgang fremd. Merian trug entscheidend dazu bei, dies zu ändern, nicht zuletzt, weil ihr Buch „Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung“ in deutscher Sprache erschien. Aus demselben Grund allerdings versagten ihr viele Wissenschaftler jener Zeit die Anerkennung – die Fachsprache der Gelehrten war Latein.

Ungewöhnlich war auch, dass sie ihre Arbeit in Übersee fortsetzte. Reisen in die Kolonien waren üblich, um sich dort anzusiedeln und durch Ausbeutung von Sklaven möglichst schnell reich zu werden oder um als Abenteurer nach Schätzen zu suchen. Forschungsreisen waren praktisch unbekannt. So wurden auch die Reisepläne von Maria Sibylla Merian kaum ernstgenommen, bevor es ihr gelang, unter vergleichsweise schwierigen Umständen in den Urwäldern von Surinam eine Reihe bislang unbekannter Tiere und Pflanzen zu entdecken, deren Entwicklung zu studieren und zu dokumentieren und ihre Forschungsergebnisse später in Europa bekannt zu machen.

Unabhängig von den wissenschaftlichen Resultaten waren es vor allem die äußeren Umstände der Reise, die für Aufsehen sorgten. Eine Frau um 1700, ohne männlichen Schutz, allein von ihrer Tochter begleitet, wochenlang auf einem Handelsschiff unterwegs, um zwei Jahre lang tagsüber in Begleitung einiger Indianer bei feucht-heißem Klima in äquatornahen Urwäldern ihrer wissenschaftlichen Arbeit nachzugehen – allein schon diese Leistung verschaffte ihr in Europa nachhaltig Ruhm und Respekt. Zahlreiche Biografien und ein Dutzend Romane über Maria Sibylla Merian erschienen – während ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse, obwohl seinerzeit viel beachtet und historisch bedeutsam, von der Entwicklung der Naturwissenschaften bald überholt wurden.

Ihre künstlerische Arbeit fand bereits unter ihren Zeitgenossen Zustimmung. Während einer langen Zwischenzeit verschwanden die wenigen Bände der Erstausgabe schnell in Universitätsbibliotheken und bei einigen Gelehrten und Sammlern. Zwar versuchten mehrere Verleger, durch Nachdrucke der „Metamorphosis ...“ die Popularität Maria Sibylla Merians kommerziell zu nutzen, diese Ausgaben erreichten aber nie mehr das hohe Niveau der von ihr selbst herausgegebenen Bücher. Erst im 20. Jahrhundert entwickelte sich wieder weit verbreitetes Interesse an ihren gezeichneten und kolorierten Blättern. Inzwischen war es möglich geworden, die Erstausgabe mit Hilfe hochentwickelter Reproduktions- und Druckverfahren originalgetreu wiederzugeben und in größeren Auflagen zu verbreiten.

Würdigung in neuerer Zeit

Porträt auf der 500-DM-Banknote
Briefmarke 1987

Gegen Ende des 20 Jahrhunderts wurden die Arbeiten von Maria Sibylla Merian auch öffentlich neu bewertet und gewürdigt. In Deutschland erschien ihr Porträt auf den 500-DM-Scheinen, die bis zur Umstellung auf die neue Währung Euro gültig waren, außerdem auf einer 40-Pfennig-Briefmarke.

Zahlreiche Schulen sind nach ihr benannt, so z. B. die Maria-Sibylla-Merian-Grundschule in Endingen Kiechlinsbergen, Maria-Merian-Schule in Waiblingen, die Maria-Sibylla-Merian Grundschule in Wiesloch, das Maria-Sibylla-Merian-Gymnasium in Telgte und das Maria-Sibylla-Merian-Gymnasium in Krefeld-Fischeln.

Ein mittelgroßes Forschungsschiff für Untersuchungen im Bereich des Eisrandes, beheimatet am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde, trägt seit dem 26. Juli 2005 den Namen Maria S. Merian. Das Schiff wurde am 9. Februar 2006 vor Warnemünde an das Institut übergeben und in Dienst gestellt.

Seit 1993 zeichnet das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst alljährlich zwei junge Künstlerinnen mit dem Maria Sibylla Merian-Preis aus. Damit soll eine besondere Förderung weiblicher Künstler erfolgen, da diese noch immer benachteiligt seien. Wiederholt wurde angeregt, den Preis so zu teilen, dass jeweils eine Hälfte an eine Nachwuchskünstlerin und an eine junge Naturwissenschaftlerin geht.

Ein Motiv aus Merians „Metamorphosis ...“ (Tafel Nr. XIII, die Amerikanische Pflaume) wurde 2006 als Cover für ein Album der Hamburger Popband Blumfeld verwendet.

Werke

Anmerkungen

  1. www.deutsches-museum.de/bibliothek/unsere-schaetze/biologie/merian/
  2. In diesem Artikel wird für das Land in Südamerika die historisch übliche Form Surinam verwendet. Heute heißt es Suriname bzw. in der Amtssprache Niederländisch Republiek Suriname.

Literatur

  • Ruth Schwarz, Fritz F. Steininger: Maria Sibylla Merian. Lebensbilder. Schwarz, Frankfurt am Main 2006.
  • Dieter Wunderlich: Maria Sibylla Merian. Eine Forscherin reist nach Südamerika – 100 Jahre vor Alexander von Humboldt. In: EigenSinnige Frauen. Piper, München 2006, ISBN 3-492-24058-5.
  • Kurt Wettengl (Hrsg.): Maria Sibylla Merian. Künstlerin und Naturforscherin 1647–1717. Cantz, Ostfildern 2004, ISBN 978-3-7757-1226-2.
  • Kurt Wettengl: Von der Naturgeschichte zur Naturwissenschaft – Maria Sibylla Merian und die Frankfurter Naturalienkabinette des 18. Jahrhunderts. Kleine Senckenberg-Reihe, Band 46. Schweizerbart, Frankfurt am Main 2003. ISBN 3-510-61360-0.
  • Natalie Zemon Davis: Metamorphosen. Das Leben der Maria Sibylla Merian. Wagenbach Verlag, Berlin 2003. ISBN 3-8031-2484-0.
  • Dieter Kühn: Frau Merian! Eine Lebensgeschichte. Fischer, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-10-041507-8.
  • Inez van Dullemen: Die Blumenkönigin. Ein Maria Sibylla Merian Roman. Aufbau, Berlin 2002, ISBN 3-74-661913-0.
  • Helmut Kaiser: Maria Sibylla Merian: Eine Biografie. Artemis & Winkler, Düsseldorf 2001, ISBN 3-53-807051-2.
  • Utta Keppler: Die Falterfrau: Maria Sibylla Merian. Biographischer Roman. Bietigheim-Bissingen, Salzer 1977, dtv, München 1999, 2000, ISBN 3-42-320256-4.
  • Erich Mulzer: Maria Sibylla Merian und das Haus Bergstraße 10. In: Nürnberger Altstadtberichte. Hrsg. v. Altstadtfreunde Nürnberg e.V. Nürnberg 1999, S. 27–56.
  • Das kleine Buch der Tropenwunder. Kolorierte Stiche von Maria Sibylla Merian. 6. Auflage. Insel, Frankfurt am Main und Leipzig 1999. ISBN 3-458-8351-0 (formal falsche ISBN)
  • Charlotte Kerner: Seidenraupe, Dschungelblüte. Die Lebensgeschichte der Maria Sibylla Merian. Beltz & Gelberg, Weinheim 1998, ISBN 3-40-778778-2.
  • Maria Sibylla Merian. Das Insektenbuch. Metamorphosis insectorum Surinamensium. Insel, Frankfurt am Main und Leipzig, 1991.

Weblinks


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