Apostel Petrus

Apostel Petrus
Der Heilige Petrus, Enkaustik-Ikone aus dem 6. Jahrhundert, Katharinenkloster (Sinai)

Simon Petrus (* in Galiläa, Datum unbekannt; † vermutlich in Rom um 64-67) war einer der ersten Juden, die Jesus von Nazaret in seine Nachfolge berief. Nach dem Neuen Testament (NT) war er Sprecher der Jünger bzw. Apostel, erster Bekenner, aber auch Verleugner Jesu Christi, erster männlicher Augenzeuge des Auferstandenen und ein Leiter der Jerusalemer Urgemeinde.

Hinzu kommen Notizen von Kirchenvätern, wonach er erster Bischof von Antiochia sowie Gründer und Haupt der Gemeinde von Rom gewesen und dort als Märtyrer hingerichtet worden sein soll.

In den altorientalischen, orthodoxen, alt- und römisch-katholischen sowie in den anglikanischen Kirchen wird Petrus als Heiliger und erster Bischof von Rom verehrt. Die römisch-katholische Kirche führt den Primatsanspruch des Papsttums über die Gesamtkirche auf eine von Christus verliehene Vorrangstellung des Petrus zurück („petrinisches Prinzip“).

Inhaltsverzeichnis

Neues Testament

Name

Alle Evangelien nennen als Namen Simon; Jesus redet ihn bis auf eine Ausnahme (Lk 22,34) immer so an. Apg 15,14 und 2 Petr 1,1 nennen ihn Symeon: Dies war eine Gräzisierung von Simeon, wie im Tanach einer der Söhne Jakobs und Stammväter der Zwölf Stämme Israels hieß.

Paulus von Tarsus dagegen nannte ihn stets Kephas. Dieses Wort gräzisiert das hebräische כיפא (kefa), das kein Eigenname war und nur einmal im Aramäischen als Eigenname belegt ist. Gal 2,7f übersetzt es einmal ins Griechische (πετρος - petros). Das Wort bedeutet in beiden Sprachen gewöhnlich „Stein“, griechisch auch „Fels“ im Sinne von Naturstein oder behauener Steinblock.[1]

Diesen Ausdruck soll Jesus Simon als Beinamen verliehen haben; wo und wann, überliefern die Evangelien unterschiedlich. Einige Exegeten nehmen an, dass Simon den Beinamen erst als Apostel der Urgemeinde erhielt und dies nachträglich als Gabe Jesu autorisiert wurde (vgl. Joh 1,42).[2] Andere gehen von einem historischen Beinamen im ersten Jüngerkreis aus, da Kephas in einigen der ältesten NT-Schriften als ursprünglicher Name (Gal 2,9) oder Beiname (Mk 3,16; Mt 4,18; 10,2) vorkommt. Vermutet wird, dass Jesus Simon auf Aramäisch im Sinn von selten auffindbarem „Edelstein“ so bezeichnete, um seine besondere Rolle als Wortführer der Erstberufenen hervorzuheben. Die Sinnverschiebung zu „Fels“ als Fundament der Kirche sei eine nachösterliche Umdeutung.[3]

Ähnlich wie Jesus Christus wurde auch Simon Petrus spätestens mit der Bibelübersetzung ins Lateinische im Christentum zum Eigennamen.

Herkunft und Berufung

Simon stammte wie Jesus aus Galiläa und war an seiner Sprache als Galiläer erkennbar (Mk 14,70 par.). Er gehörte zu den ersten Jüngern, die Jesus in seine Nachfolge berief. Fast alle Überlieferungen berichten über die Zeit seit dieser Berufung, nur wenige über seine Herkunft.

Sein Vater wird namentlich erwähnt: In Mt 16,17 spricht Jesus Simon als barjona, also auf Aramäisch als „Sohn des Jona“ an. Nach Joh 1,42 hieß sein Vater Johannes. Das könnte die griechische Version des aramäischen Namens sein oder den „geistlichen Vater“ Johannes den Täufer meinen. Als Adjektiv bedeutet barjona auch „impulsiv“ oder „unbeherrscht“. Darin sehen einige Exegeten einen Hinweis auf eine mögliche frühere Zugehörigkeit Simons zu den Zeloten, da im späteren Talmud jüdische Freiheitskämpfer als barjonim (Plural) bezeichnet wurden.

Simon hatte einen Bruder namens Andreas, der wohl der Jüngere war, da alle Apostellisten ihn nach ihm nennen. Sie waren Fischer am See Genezareth. Nach Mk 1,16 traf Jesus sie am Seeufer beim Auswerfen ihrer Fischernetze und forderte sie auf, ihm nachzufolgen. Daraufhin hätten sie die Netze verlassen und seien ihm gefolgt. Bei der Berufung der übrigen Zwölf habe Jesus Simon dann den Beinamen „Petrus“ gegeben (Mk 3,16).

Simon war verheiratet; den Namen seiner Frau erfährt man nicht. Er wohnte zusammen mit ihr, ihrer Mutter und seinem Bruder Andreas in einem eigenen Haus in Kafarnaum (Mk 1,21.29f.; Lk 4,38; Mt 8,14). Auf dessen Überresten könnten Urchristen eine ihrer ersten Pilgerstätten errichtet haben: Dies vermuten Archäologen, die Mauerreste aus dem 1. Jahrhundert mit christlichen Hoheitstiteln für Jesus und Petrus in Kafarnaum ausgegraben haben.[4]

Nach Mk 1,31 heilte Jesus Simons Schwiegermutter, worauf diese den Jüngern diente. Obwohl Jesus Simon wie die übrigen Jünger aufforderte, alles zu verlassen (Mk 10,28f), traf Paulus ihn und andere Apostel um das Jahr 39 in Jerusalem mit ihren Ehefrauen an (1 Kor 9,5). Da Jesus nichts gegen Ehe bzw. Ehestand äußerte und außerdem die Ehescheidung verbot (Mt 5,32), kann Simons Frau wie andere Frauen aus Galiläa (Mk 15,41; Lk 8,2) mit ihm umhergezogen sein.

Nach Lk 5,1–11 wurde Simon zum „Menschenfischer“ berufen, nachdem Jesus seine Antrittspredigt in der Synagoge von Kafarnaum gehalten und seine Schwiegermutter geheilt hatte. Die Berufung folgt einem unerwartet großen Fischfang, nach dem Simon bekennt: „Herr, gehe von mir fort! Ich bin ein sündiger Mensch.“ Hier nennt Lukas ihn erstmals Petrus, dann auch bei der Auswahl der Zwölf (Lk 6,14). Er erklärt den Beinamen ebensowenig wie Markus. Nach Apg 10,14.28 beachtete Simon jüdische Speisevorschriften und verkehrte nicht mit Nichtjuden.

Auch nach Mt 4,18 wird Simon ab seiner Berufung beiläufig „Petrus“ genannt. Matthäus stellt den Beinamen erst heraus, nachdem Simon Jesus als den Messias bekannte und dieser ihm daraufhin zusagte, er werde seine ecclesia auf „diesen Felsen“ bauen (Mt 16,16ff).

Nach Joh 1,44 kamen Petrus und sein Bruder aus Bethsaida. Ob hier der Geburts- oder der zeitweise Wohnort gemeint ist, bleibt offen. Andreas soll als Jünger Johannes des Täufers Jesus zuerst getroffen, ihn als Messias erkannt und dann seinen Bruder Simon zu ihm geführt haben. Jesus habe diesem sofort, als er ihn sah, den Beinamen „Kephas“ verliehen (Joh 1,35-42).

Nach allen Evangelien war Simon Petrus im Jüngerkreis eine Führungsfigur. Er steht in allen Apostellisten im NT an erster Stelle; auch dort, wo er mit Jakobus dem Älteren und Johannes zusammen genannt wird. Er gehörte demnach zu den drei Aposteln, die Jesus besonders nahe standen. Sie galten nach Mk 9,2–13 (Verklärung Christi) als die Einzigen der Zwölf, denen Gott die Göttlichkeit und künftige Auferstehung seines Sohnes bereits vor dessen Tod offenbarte. Sie begleiteten Jesus zudem in seinen letzten Stunden im Garten Getsemani (Mk 14,33).

Christusbekenner

Nach Mk 8,29ff EU beantwortet Petrus Jesu Frage an seine Jünger, für wen sie ihn halten, mit dem Glaubensbekenntnis: Du bist der Christus! Dieser Titel erscheint hier das erste und einzige Mal im Munde eines der Jünger, gefolgt vom Schweigegebot Jesu an sie alle, diesen Glauben an ihn nicht öffentlich zu verbreiten (v. 30). Petrus spricht hier also stellvertretend für alle Erstberufenen.

Doch gleich darauf, nachdem Jesus den Jüngern erstmals seinen vorherbestimmten Leidensweg ankündigte, „nahm Petrus ihn beiseite und fing an, ihm zu wehren“ (V. 32). Er habe also versucht, Jesus von diesem Weg ans Kreuz abzubringen. Daraufhin habe Jesus ihn schroff zurechtgewiesen (V. 33):

„Weiche von mir, Satan! Denn Du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“

„Satan“ bedeutet im Hebräischen „Gegner“ oder „Widersacher“. Petrus wird hier mit dem Versucher Jesu in der Wüste verglichen, der den Sohn Gottes ebenfalls von seinem Leidensweg abhalten wollte (Mt 4,1–11); er wird auch an anderen Stellen des NT in die Nähe des Satans gerückt (Lk 22,31).

In der matthäischen Variante (Mt 16,16) antwortet Simon:

„Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“

Damit wiederholt er hier das Bekenntnis aller Jünger zur Gottessohnschaft Jesu, das diese nach Jesu Stillung des Sturms ablegen (Mt 14,33). Wie bei Markus folgt auch hier kein weiteres Christusbekenntnis der Jünger, sondern später Jesu eigene Bejahung der Messiasfrage im Verhör durch den Sanhedrin (Mk 14,62; Mt 26,63).

Empfänger der Felsenzusage

Nach Mt 16,18 EU beantwortete Jesus Simons Christusbekenntnis mit einer besonderen Zusage:

„Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen [griech. petra] werde ich meine Kirche [ecclesia] bauen und die Mächte [pulae, wörtlich Tore] der Unterwelt [hades] werden sie nicht überwältigen.“

Dieser Vers ist im NT einmalig. Umstritten ist bis heute u.a., ob es sich um ein echtes Jesuswort handelt, wann und warum es entstanden ist, woher die einzelnen Ausdrücke stammen und was sie hier bedeuten.

Petros bezeichnete wie das hebräisch-aramäische kefa in der Regel einen einzelnen Naturstein, runden Kiesel oder Klumpen, der nicht als Baugrund geeignet ist, petra hingegen einen einzelnen Felsen. Der Ausdruck ließ jüdische Metaphern anklingen: So war der „heilige Stein“ im Allerheiligsten des Jerusalemer Tempels in der biblischen Zionstradition zugleich Eingang zur Himmelswelt, Verschlusstein gegen die Sintflut und die Totenwelt (z.B. Jes 28,14-22). Jedoch wurde dieser Stein nie Felsen genannt und nie als Baufundament dargestellt.

Ecclesia (wörtlich „die Herausgerufene“) meinte im klassischen Griechisch eine Bürgerversammlung. In der Septuaginta übersetzt es das hebräische kahal, das in Verbindung mit Kyrios das erwählte Gottesvolk Israel bezeichnet. Im Kontext von Mt 16,14f ist der Ausdruck auf die erstberufenen zwölf Jünger bezogen, die in den Evangelien alle Nachkommen der Zwölf Stämme Israels vertreten. Da Jesus sie aussandte, um ganz Israel angesichts des nahen Reiches Gottes zur Umkehr zu rufen (Mk 1,16), repräsentierte der Zwölferkreis zunächst das palästinische Judentum. Erst in den Briefen des NT wird das Wort auf alle getauften Christen bezogen.

Meine ecclesia kommt in Jesu Worten nur dies eine Mal vor. Dies ist ein Hauptargument gegen die Echtheit; zudem erscheint der Vers als Einschub in die Vorlage Mk 8,27-30. Er verweise, so Karl Ludwig Schmidt, auf eine Sondergemeinschaft innerhalb des Gottesvolks, die sich ähnlich wie die Essener als zur Rettung aus dem erwarteten Endgericht „Auserwählten“ (Mk 13,20ff) bzw. „Heiligen“ (Apg 9,13.32.41 u.a.) verstanden hätten.[5] Soziologisch bleiben sie jedoch Teil des gesamten Judentums, das die wesentlichen Toragebote und den Tempelkult befolgte.

Die Tore des Hades waren im Hellenismus eine feste Redewendung für den Ort, an den Gestorbene gelangten und die sich unwiderruflich hinter jedem Sterblichen („Fleisch und Blut“) schlossen (Jes 38,10).

Für Hans Conzelmann stammt der Vers aus einer von Petrus gegründeten Gemeinde in Syrien oder Kleinasien, die Jesus das Wort nach Petri Tod in den Mund gelegt habe. Denn hier würden die „Pforten der Unterwelt“ der Auferstehung der Christusbekenner und Fortdauer ihrer Gemeinschaft über den Tod des Einzelnen hinaus gegenüber gestellt.[6]

Ulrich Luz deutet meine ecclesia auf das gesamte Christentum, da Jesus nur eine Gemeinde bauen könne und die Zusage an das verbreitete biblische Bild vom Hausbau des Gottesvolks anschließe (Mt 7,21). Der Vers sei ein griechisches Wortspiel, kein ins Griechische übersetzter aramäischer Satz. Der frühe Beiname Simons, Kefa, den Jesus ihm gegeben haben könnte, werde hier im Rückblick auf sein schon abgeschlossenes Wirken als Apostel gedeutet. Da auch andere NT-Stellen (Eph 2,20; Offb 21,14) von Aposteln als Baufundament der Kirche sprechen, sei der Vers wahrscheinlich nachösterlich in einer griechischsprechenden Gemeinde entstanden.[7] Luz verstand „überwältigen“ im Anschluss an Karl Barth als Vergleich: Die Tore der Unterwelt, Inbegriff des Totenreichs, das kein Sterblicher von sich aus wieder verlassen könne, seien nicht stärker als die auf den Felsen gebaute Kirche. Dieser werde Bestand bis zum Weltende verheißen, da Jesus ihr seine Gegenwart zugesagt habe (Mt 28,20).

Christusverleugner

Chludov Miniatur: Petrus und der Hahn

Dem Christusbekenntnis des Petrus und seiner Zurechtweisung folgt Jesu Jüngerbelehrung (Mk 8,34 EU):

„Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer es aber verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird es erhalten.“

Diese Einladung zur Kreuzesnachfolge ist Hintergrund für das spätere Versagen des Petrus im Verlauf der Passion Jesu, als er, um sein Leben zu retten, nicht sich, sondern Jesus verleugnete (Mk 14,66–72).

Der Widerspruch zwischen Reden und Handeln zeigte sich bei Petrus schon in Galiläa: Einerseits vertraute er dem Ruf Jesu in die Nachfolge („Komm her!“), andererseits schwand sein Glaube beim ersten Gegenwind, so dass nur Jesus ihn vor dem Versinken im Meer retten konnte (Mt 14,29ff). Laut Joh 13,6–9 wollte er sich nicht die Füße von Jesus waschen lassen. Diese Handlung war damals ein typischer Sklavendienst: Petrus wehrte sich also dagegen, sich von Jesus als seinem Herrn wie von einem Sklaven bedienen zu lassen. Die Fußwaschung war jedoch symbolische Anteilgabe am Heil und mit dem Auftrag Jesu an alle Jünger verbunden, einander ebenso zu dienen.

Jesus kündigte Petrus auf dem Weg zum Ölberg (nach Lk beim letzten Mahl Jesu) an, er werde ihn noch in derselben Nacht dreimal verleugnen. Dies wies er wie alle übrigen Jünger weit von sich (Mk 14,27–31 EU par.):

„Wenn ich auch mit Dir sterben müsste, so wollte ich Dich doch nicht verleugnen. Ebenso sprachen sie alle.“

Doch kurz darauf schlief er ein, als Jesus in Getsemani den Beistand der Jünger besonders nötig brauchte und erbat (Mt 26,40.43f). Dann soll er nach Joh 18,10 mit Waffengewalt Jesu Verhaftung zu verhindern versucht haben: Er wird hier mit jenem namenlosen Jünger identifiziert, der einem Soldaten der Tempelwache laut Mk 14,47 ein Ohr abhieb. Sein Versagen gipfelt in der Verleugnung Jesu, während dieser sich vor dem Hohen Rat als Messias und kommender Menschensohn bekannte und sein Todesurteil empfing (Mk 14,62). Als das Krähen eines Hahnes im Morgengrauen Petrus an Jesu Vorhersage erinnerte, habe er zu weinen begonnen (Mk 14,66–72).

Petrus fehlte demnach die Kraft, seinem Glauben gemäß zu handeln, als es darauf angekommen wäre. Erst nach Pfingsten trat er laut Apg 5,29 als todesmutiger Bekenner vor dem Hohen Rat auf, der die Sendung des Heiligen Geistes als Missionar und Leiter der Urgemeinde vorbildlich erfüllte. Paulus dagegen berichtet, dass Petrus aus Furcht vor den Judenchristen um Jakobus die Tischgemeinschaft mit Heiden aufgab und vor einigen Juden Gesetzestreue „heuchelte“, statt nach der „Wahrheit des Evangeliums“ zu wandeln (Gal 2,11–14).

Einige Exegeten schließen daraus auf seinen ambivalenten Charakter. Andere sehen Petrus als Beispiel für das Verhalten aller Jünger, die Jesus angesichts seines bevorstehenden Todes verließen (Mk 14,50). Er steht im NT für das dichte Beieinander von Glauben und Unglauben, Zeugendienst und schuldhaft verweigerter Kreuzesnachfolge in der ganzen Kirche.

Zeuge der Auferstehung

Petrus ist im NT einer der Ersten, dem der auferstandene Jesus begegnete. Als Ausgangspunkt der Osterüberlieferung des NT gelten frühe Bekenntnissätze der Urchristen wie Lk 24,34 EU:

„Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und dem Simon erschienen!“

Den Satz sprechen im Erzählkontext die in Jerusalem versammelten Jünger, bevor der auferstandene Jesus auch ihnen erscheint. Die Liste der ersten Osterzeugen, die Paulus aus der Jerusalemer Urgemeinde übernahm, bestätigt dies (1 Kor 15,5 EU):

„Er wurde gesehen von Kephas, danach von den Zwölfen.“

Auch Mk 16,7 nennt Petrus neben den anderen Jüngern als Adressaten einer Jesuserscheinung in Galilea. Doch davon berichten die Evangelien sonst nichts.

Nach Joh 20,11-18 sah, erkannte und verkündete Maria Magdalena, nicht Petrus, den Auferstandenen zuerst. Nach Joh 20,1–10 entdeckte sie allein zuvor das leere Grab Jesu und berichtete Petrus und dem Lieblingsjünger Jesu davon. Darauf liefen diese um die Wette zum Grab, betraten es und entdeckten darin die Leinenbinden und das aufgewickelte Schweißtuch des Gekreuzigten. Danach seien sie wieder „nach Hause“ gegangen. Laut Joh 20,19-23 erschien der Auferstandene erst am Abend desselben Tages allen versammelten Jüngern.

Das später ergänzte Schlusskapitel Joh 21,1–19 berichtet, Jesus sei Petrus und sechs weiteren Jüngern aus dem Zwölferkreis nochmals erschienen. Wie er anfangs in Galiläa nach einem wunderbaren Fischzug berufen wurde (Lk 5,1–11), so erkennt er auch diesmal durch den übergroßen Fischfang, dass Jesus der auferstandene Kyrios ist. So wie er Jesus dreimal verleugnet hatte, so fragt dieser ihn nun dreimal: „Liebst du mich?“, was er jedes Mal bejaht. Daraufhin erhält Petrus dreimal den Befehl: „Weide meine Schafe!“ und den erneuten Ruf „Folge mir nach“. Dies deuten Exegeten als Hinweis darauf, dass die Verleugnung Jesu durch Petrus noch 100 Jahre später Anstoß erregte und theologisch verarbeitet werden musste.[8]

Der später angehängte Schluss des Markusevangeliums (Mk 16,9–20) versucht, die verschiedenen Erscheinungsberichte in eine harmonische Abfolge zu bringen. Er folgt Joh 20 und nennt Maria Magdala als erste Augenzeugin des Auferstandenen. Aus solchen Unterschieden in den Ostertexten der Evangelien schließen NT-Historiker meist, dass Erscheinungen Jesu und Entdeckung seines leeren Grabes ursprünglich unabhängig voneinander überliefert und dann auf verschiedene Weise kombiniert wurden, um das Jüngertreffen zu erklären.

Missionar der Urgemeinde

Fast alle Nachrichten vom nachösterlichen Wirken des Petrus stammen aus der Apostelgeschichte. Nach Apg 1,4.13 hielt er sich zusammen mit den übrigen elf Jüngern in Jerusalem versteckt, bis sie nach Apg 2,1ff der Heilige Geist überkam. Darauf folgt Petri erste öffentliche Predigt in Jerusalem. Sie legt Jesu Erscheinen als Gottes vorherbestimmte Erfüllung der Geistverheißung in Israels Heilsgeschichte aus und gipfelt in der Aussage (Apg 2,36 EU):

„So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus gemacht hat!“

Daraufhin sollen sich am selben Tag 3.000 Menschen zum neuen Glauben bekannt haben. So sei dort die Urgemeinde der Christen entstanden, die nach Apg 2,5 Angehörige verschiedener Völker und Sprachen umfasste.

Petrus geriet jedoch bald in Konflikt mit den Jerusalemer Behörden und musste sich vor dem Hohen Rat verantworten (Apg 4,8ff; 5,29). Dabei soll er seinen Glauben diesmal nicht verleugnet, sondern freimütig bekannt haben. Er war wohl anfangs ein Vertreter der Israelmission, die der universalen Völkermission vorausgehen sollte (Gal 2,8; Mt 10,5; vgl. Lk 24,47). Nach der Hinrichtung des Stephanus und Verfolgung seiner Anhänger in der Urgemeinde missionierten Petrus und andere Apostel auch außerhalb Jerusalems. Laut Apg 8,14–25 kam er dabei auch nach Samaria, um bereits Neugetauften den Heiligen Geist zu spenden. Dies unterstreicht seine Autorität über die Urgemeinde hinaus. Nach Apg 10 predigte er erstmals auch Nichtjuden das Evangelium.

Von Petrus werden auch Spontanheilungen und Totenerweckungen analog zu den Heilungswundern Jesu berichtet, etwa in Lydda und Joppe (Apg 9,32–43). Dies betont die Kontinuität zwischen dem Heilwirken Jesu und dem der Urchristen, das zu ihrem Auftrag gehörte (Mk 16,15–20; Mt 10,8).

Rembrandt: St. Peter im Gefängnis (1631)

Als Jude, der Christus als Erfüllung jüdischer Verheißungen verkündete, hielt Petrus nach Apg 10,13f an den Speise- und Reinheitsgeboten der Tora fest. Doch in einem Traum soll er Gottes Auftrag zur Tischgemeinschaft mit dem Hauptmann Kornelius, einem der „gottesfürchtigen“ Römer, erhalten haben. Damit begann nach lukanischer Darstellung die urchristliche Heidenmission. Sie löste Konflikte mit anderen Judenchristen aus, die von Nichtjuden das Einhalten jüdischer Gebote verlangten. Nach Apg 10,47 und 11,17f verteidigte Petrus die Taufe der Nichtjuden und seine Tischgemeinschaft mit ihnen damit, dass auch sie zuvor den Heiligen Geist empfangen hätten. Dies hätten seine Jerusalemer Kritiker dann anerkannt.

Sebastiano Ricci: Befreiung des Hl. Petrus durch einen Engel (San Pietro, 1710)

Nachdem Pontius Pilatus als Statthalter Judäas abgesetzt worden war (36), verfolgte der jüdische König Herodes Agrippa I. (41–44) die Jerusalemer Urgemeinde und ließ einen ihrer Apostel, Jakobus den Älteren, enthaupten. Dabei verhaftete man auch Petrus und kettete ihn zwischen zwei Bewachern in einer Gefängniszelle an. Doch ein Engel habe ihn auf wunderbare Weise befreit, so dass er seine Mission außerhalb Jerusalems fortsetzen konnte (Apg 12,1–19).

Paulus besuchte die Urgemeinde nach Gal 2 erstmals um 36 und traf dort zunächst nur mit Petrus zusammen. Beim zweiten Besuch (um 48) habe er Petrus, Jakobus den Gerechten und Johannes gemeinsam als „Säulen“ der Urgemeinde angetroffen (Gal 2,9). Bei diesem Apostelkonzil wurde seine gesetzesfreie Heidenmission anerkannt. Petrus trat dabei nach Apg 15,7–11 als deren Fürsprecher auf: So betont Lukas den Einklang zwischen beiden in dieser Frage.

Paulus berichtet jedoch von einem Konflikt mit Petrus nach diesem Treffen in Antiochia (Gal 2,11–14): Petrus habe dort als Vertreter der Urgemeinde zunächst die Tischgemeinschaft mit den neugetauften Nichtjuden geübt, also ihre Taufe anerkannt (vgl. Apg 9,32). Dann aber hätten Anhänger des Jakobus aus Jerusalem dies kritisiert (vgl. Apg 11,3). Daraufhin sei Petrus vor ihnen zurückgewichen und habe die Tischgemeinschaft mit den Nichtjuden beendet. Dafür habe er, Paulus, ihn öffentlich gerügt und an den beim Apostelkonzil erreichten Konsens erinnert, getauften Heidenchristen die Einhaltung der Tora ganz zu erlassen.

Paulus zeichnete damit ein anderes Bild von Petrus als Lukas. Für ihn war er der Vertreter des „Evangeliums an die Juden“, der den Nichtjuden nach der Taufe weiterhin Toragebote auferlegte. Dies sehen einige Exegeten als Hinweis auf nach dem Apostelkonzil fortbestehende Spannungen, die Lukas später zu beschönigen versucht habe.

Notizen zum Ende

Das NT beschreibt weder eine Romreise des Petrus noch seinen Tod. Zwar sagt Jesus in der synoptischen Tradition (u.a. Mk 10,39; 13,9–13) allen Jüngern Verfolgung und Tod voraus; Petrus erklärt öfter seine Bereitschaft dazu (Lk 12,33; Joh 13,37). Aber nur Joh 21,18f EU deutet sein besonderes Ende an und setzt ein Wissen davon voraus:

„Als du noch jung warst, hast du dich selbst gegürtet und konntest gehen, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst. Das sagte Jesus, um anzudeuten, durch welchen Tod er Gott verherrlichen würde. Nach diesen Worten sagte er zu ihm: Folge mir nach!“

Joachim Gnilka deutet das Gürten als Fesseln der ausgestreckten Hände und das Führen - wörtlich „schleppen“ - an den unerwünschten Ort als Gang eines an ein Querholz Gefesselten zur Kreuzigung. Denn auch Jesu Kreuzestod werde im Johannesevangelium als Verherrlichung gedeutet, so dass die Ankündigung (Joh 13,36) und mehrfache Aufforderung zur Nachfolge (Joh 21,19.22) sich auf ein gleichartiges Martyrium beziehe.[9]

Wo dieses stattfand, sagt das NT nicht. Eine Romreise des Petrus nach dem Apostelkonzil wird bezweifelt, da keine Spuren davon im NT zu finden sind. So weist Paulus im Römerbrief (um 56–60) schon auf römische Verfolgung der dortigen Christen hin (Röm 12) und grüßt einige von ihnen namentlich; der Name Petrus fehlt. Die Apostelgeschichte war als periodisierende Missionsgeschichte nicht an lückenloser Chronologie interessiert, stellt aber den Übergang von der Judenmission der Jerusalemer Apostel zur Heidenmission des Paulus dar und berichtet zuletzt über dessen ungehinderte Missionstätigkeit in Rom (Apg 28,17–31). Der Autor, so die Skeptiker, hätte eine Anwesenheit des Petrus dort sicher vermerkt.

Petrus zugeschriebene Schriften

Petrusbriefe

Das Neue Testament enthält zwei Gemeindebriefe, die Petrus verfasst haben soll. Der 1. Petrusbrief mit seinem „Gruß aus Babylon“ (1 Petr 5,13) galt schon seit 200 als in Rom geschrieben, da „Babylon“ für damals verfolgte Christen wie auch für Juden ein Tarnname für „Rom“ als besonders verdorbene, sündige Weltstadt war (etwa in Offb 14,8; 16,19; 17,5.9 u.a.). Die Gleichung kam jedoch erst nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels 70 n. Chr. auf, die so mit der ersten Tempelzerstörung durch die Babylonier 586 v. Chr. verglichen wurde. Demnach kann der Brief nicht vorher und somit nicht von Petrus verfasst worden sein.[10] Er wird wegen seiner Märtyrertheologie (1 Petr 4,12–16) meist auf um 100 datiert, als es erste gesamtstaatliche Christenverfolgungen im Römischen Reich gab. Nur christliche Minderheiten wie die Zeugen Jehovas verstehen den Gruß aus Babylon wörtlich und nehmen an, dass Petrus tatsächlich dort missionierte, da er auch sonst jüdische Diasporagemeinden wie Antiochia bereiste. Ob Babylon damals überhaupt noch existierte, ist unbekannt.

Der 2. Petrusbrief autorisiert die Lehren des Paulus als „Testament“ des Autors kurz vor dessen Tod (2 Petr 1,14; 3,15). Er wird heute meist auf 100–130 datiert. Die Aufnahme in den Kanon des NT war wegen ungewisser Autorschaft des Petrus umstritten.

Markusevangelium

Papias von Hierapolis führte das Markusevangelium um 110 auf Johannes Markus zurück, der im NT zuerst in Jerusalem (Apg 12), dann im Umkreis von Barnabas und Paulus (Apg 15; Kol 4,10; 2 Tim 4,11; Phlm 1,24) genannt wird. Nur in 1 Petr 5,13 erscheint er als Begleiter des Petrus. Papias zufolge diente er diesem als Dolmetscher in Rom und schrieb nach dessen Lehrreden dort sein Evangelium auf, so dass Petrus dessen eigentlicher Autor sei.

Diese Thesen wurden von anderen frühchristlichen Autoren aufgegriffen, sind sonst aber nirgends belegt. Sie gelten Christentumshistorikern heute meist als patristische Konstruktion, da Petrus nach Gal 1,12–14 eher eine „judaistische“ Theologie vertreten habe, die nicht zur durchgehenden Distanz des Markusevangeliums zum Pharisäismus passe. Sie stimme eher mit der Didache überein, einem um 100 entstandenen frühchristlichen Katechismus. Eine Handschrift bezeichnet sie als „Zeugnis des Petrus“; sie gilt als von Christen umgeformte jüdische Morallehre, die von der von Petrus dominierten Theologie der Urgemeinde beeinflusst sein kann.

Apokryphen

Hinzu kommen einige Petrus zugeschriebene oder über ihn erzählende Apokryphen, die die Alte Kirche nicht in das NT aufnahm:

Die ersten vier dieser Schriften lehnten Eusebius von Cäsarea und das Decretum Gelasianum als häretisch und nichtkanonisch ab. Dennoch waren sie vor allem im östlichen Mittelmeerraum beliebt und regten dort weitere legendarische und apokryphe Petrusschriften an. Dazu gehörten:

  • die Taten des Paulus und Petrus (auch: Pseudo-Marcellus-Akten)
  • die Taten des Petrus und Andreas
  • eine syrische Lehre des Simon Kepha in Rom
  • eine syrische Geschichte des Heiligen Petrus und Paulus
  • eine altslawische Vita Petri
  • ein lateinisches Martyrium beati Petri apostoli a Lino conscriptum
  • ein Auszug aus dem lateinischen Josephus (De excidio urbis Hierosolymitanae)

und weitere Martyrienlegenden über Petrus, die meist auf den Petrusakten aufbauten und bis ins Mittelalter hinein ergänzt wurden.

Unter den koptischen Handschriften aus Nag Hammadi wurden zudem aufgefunden:

  • die Taten des Petrus und der zwölf Apostel
  • ein Brief des Petrus an Philippus
  • eine weitere Apokalypse des Petus.[11]

Die in diesen Schriften enthaltenen Angaben zu Petrus gelten meist als ahistorische, legendarische Motive, die sich weithin auf schon vorliegende Petrustexte des NT stützten und diese fiktiv ausmalten oder ihnen bewusst widersprachen.[12]

Kirchenväter

Petrus und Paulus als Gravur in einer römischen Katakombe, 4. Jahrhundert

Die wenigen antiken Notizen zum späteren Schicksal des Petrus stammen alle aus dem 2. bis 4. Jahrhundert, als in der Auseinandersetzung mit Häresien der Bibelkanon, das monarchische Bischofsamt mit kirchenrechtlicher Entscheidungsbefugnis für Gemeindebezirke und die Idee der Apostolischen Sukzession geschaffen wurden.

Romaufenthalt und Märtyrertod

Filippino Lippi: Darstellung der Kreuzigungslegende Petri (15. Jahrhundert, Ausschnitt)

Die früheste Andeutung eines gewaltsamen Todes des Petrus bietet der Erste Clemensbrief, der wahrscheinlich zwischen 90 und 100 in Rom entstand. Die Kapitel 5 und 6 stellen das vorbildliche Leiden des Petrus und Paulus heraus, dem viele Christen - wohl zur Abfassungszeit unter Kaiser Domitian - gefolgt seien:

„Wegen Eifersucht und Neid sind die größten und gerechtesten Säulen verfolgt worden und haben bis zum Tode gekämpft. […] Petrus, der wegen ungerechtfertigter Eifersucht nicht eine und nicht zwei, sondern viele Mühen erduldet hat und der so – nachdem er Zeugnis abgelegt hatte – ist gelangt an den (ihm) gebührenden Ort der Herrlichkeit.“

Ort und Umstände des Todes der beiden Apostel bleiben ungenannt. Zeugnis ablegen und dann zur Herrlichkeit gelangen waren typische Motive judenchristlicher Märtyrertheologie. Die Notiz erscheint als Rückblick des Bischofs Clemens von Rom. Da es vor Domitian keine gesamtstaatlichen Christenverfolgungen gab, wird sie meist auf die auf Rom begrenzte Verfolgung unter Nero im Jahr 64 bezogen. Gnilka sieht im Briefkontext folgende Angaben von einer „großen Menge Auserwählter“, darunter Frauen, und deren „grausamen und abscheulichen Misshandlungen“ als Detailkenntnisse von Augenzeugen, und schließt daraus auf eine lokale Überlieferung von der neronischen Verfolgung.[13]

Diese geschah nach Tacitus (Annales 15, 38-44) als plötzliche Reaktion auf Bevölkerungszorn wegen des damaligen Großbrands in Rom, ohne Gerichtsverfahren und meist nicht als langwieriges Kreuzigen, sondern Ausliefern der Christen an Raubtiere, Verbrennen bei lebendigem Leib oder Ertränken. Erst danach soll Nero nach Sulpicius Severus Gesetze gegen die Christen in Rom erlassen und ihren Glauben verboten haben. Da Clemens als Motiv „Eifersucht und Neid“ und „viele Mühen“ nennt und Petrus Paulus zur Seite stellt, der als römischer Bürger rechtmäßig an den Kaiser appelliert hatte und ein Einzelverfahren erhielt, nehmen manche Forscher eher eine spätere Hinrichtung des Petrus um 67 an.[14]

Eusebius von Caesarea verwies um 300 auf eine seit etwa 150 bekannte Überlieferung eines Märtyrertods von Petrus und Paulus in Rom zur Zeit Neros. Bischof Dionysius von Korinth (um 165–175) habe über die beiden Apostel gesagt:

„Und sie lehrten gemeinsam auf gleiche Weise in Italien und erlitten zur gleichen Zeit den Märtyrertod.“

Caravaggio: Kreuzigung des Petrus (Cerasi Kapelle, Rom, um 1600)

Er überliefert auch die erstmals in den apokryphen Petrusakten im 2. Jahrhundert überlieferte Legende, dass Petrus auf eigenen Wunsch mit dem Kopf nach unten gekreuzigt worden sei.[15]

Um 405 fasste Hieronymus (348–420) alle damals umlaufenden Apostellegenden in seiner Schrift Über berühmte Männer zusammen: darunter Romaufenthalt, Bischofsamt und gleichzeitigen Märtyrertod von Petrus und Paulus unter Nero, bei Petrus als Kreuzigung mit dem Kopf zur Erde. Er behauptete eine 25-jährige römische Amtszeit des Petrus vom Amtsantritt des Kaisers Claudius (40) bis zum Ende der Kaiserzeit Neros (68) und widersprach damit den Angaben des NT, wonach Petrus mindestens bis zum Apostelkonzil (um 48) ein Leiter der Jerusalemer Urgemeinde war (Apg 15,7) und danach in Antiochien wirkte (Gal 2,11-14). Seine Konstruktion sollte bereits Führungsansprüche des römischen Bischofs stützen.

Seit etwa 1850 zweifelten Kirchenhistoriker altkirchliche Petrusnotizen zunehmend als ahistorisch an. Karl Heussi bestritt 1955 sämtliche Notizen, die einen Romaufenthalt und ein Bischofsamt des Petrus nahelegen[16], stieß aber bei dem ebenfalls protestantischen Kollegen Kurt Aland auf Widerspruch.[17] Die Katholikin Uta Ranke-Heinemann griff Heussis Kritik zuletzt auf.[18] Dagegen halten heute auch evangelische Kirchenhistoriker einen Tod des Petrus unter Nero und eine Leitungsfunktion in der dortigen Christengemeinschaft für möglich, ohne zugleich sein Bischofsamt und eine Bischofsnachfolge anzuerkennen.[19]

Petrus als Bischof

Andrea Vanni: Mosaikbildnis von Petrus (1390)

Die späteren Patriarchate von Alexandria, Antiochia und Rom, später auch Jerusalem und Konstantinopel, führten ihre Gründung direkt oder indirekt auf den Apostel Petrus zurück und beanspruchten ihn als ersten Bischof ihrer Gemeinde. Da so damals der Rang der eigenen Gemeinde erhöht werden sollte, werden die meisten dieser Angaben von Historikern bezweifelt.

Nach Apg 1,2ff entstand die Urgemeinde durch das Wirken des Heiligen Geistes, der Jesu Auferstehung allen Jüngern offenbarte, die sie dann gemeinsam den Jerusalemern verkündeten. Petrus hatte dabei die Vorreiterrolle (Apg 2,41). Wegen seiner Hervorhebung im Zwölferkreis und seines Auftretens als erster Verkünder der Auferstehung Jesu wird er als Gründer und einer der Leiter der Jerusalemer Urgemeinde angesehen. Dass er darüber hinaus weitere Gemeinden gründete und leitete, berichtet das NT nicht.

In der Großstadt Antiochia gründeten Anhänger des hingerichteten Urchristen Stephanus laut Apg 11,20 eine mehrheitlich heidenchristliche Gemeinde, deren Mitglieder auch Römer als „Christiani“ identifizierten. Dort lehrte Paulus ein Jahr lang (Apg 13,16ff). Der in Gal 2,11–14 berichtete Konflikt mit Petrus spricht gegen dessen dortiges Führungsamt.

Irenäus von Lyon (um 135–202) berichtet, die Apostel hätten die Kirche in der ganzen Welt „gegründet und festgesetzt“ [20]. Um diese Zeit kam die Ansicht auf, dass Petrus auch die Kirche in Rom als Bischof geleitet habe. Sie baut auf der etwas älteren Tradition seines Romaufenthalts auf, ist jedoch ahistorisch, da Petrus noch in Jerusalem wirkte, als Paulus nach Apg 18,1 in Korinth Christen aus Rom traf (um 50). Demnach bestand dort bereits eine von keinem der beiden gegründete Gemeinde.

Eusebius zitiert in seiner Kirchengeschichte (2,I.) Clemens von Alexandria (150–215):

„Denn sie sagen, dass Petrus und Jakobus und Johannes nach der Himmelfahrt unseres Erlösers, obwohl sie von unserem Herrn bevorzugt waren, nicht nach Ehre strebten, sondern Jakobus den Gerechten zum Bischof von Jerusalem wählten.“

Demnach sollen die drei „Säulen“ der Urgemeinde Jakobus den Gerechten schon früh zum alleinigen Leiter der Urgemeinde ernannt haben. Nach Hieronymus soll schon Hegesippus (90–180) davon gewusst haben. Diese Amtsübergabe hätte eine Romreise des Petrus ermöglicht.

Doch wie die Nachwahl des Matthias (Apg 1,26) zeigt, sollte der Zwölferkreis anfangs als gemeinsames Leitungsorgan erhalten bleiben. Nicht Apostel, sondern die Vollversammlung aller Mitglieder der Urgemeinde wählte laut Apg 6,5 und Apg 15,22 neue Führungspersonen. Jakobus trat später nach Apg 21,15ff mit den „Ältesten“ zusammen als Leiter der Urgemeinde auf. Das Testimonium Flavianum überliefert, dass er im Jahr 62 vom Hohen Rat gesteinigt wurde. Seine Enkel sollen nach Zitaten Hegesipps bei Eusebius unter Kaiser Domitian verhaftet und verhört worden sein: Dann hatten sie noch zwei Generationen später eine Führungsrolle im Christentum.

Eine Führungsdynastie war den Urchristen der ersten Generation unbekannt und widersprach ihrem Selbstverständnis: Alle Christen waren gemäß Jesu Gebot des gemeinsamen Dienens ohne Rangordnung gleichermaßen die „Heiligen“ (Röm 15,25). Evangelientexte vom Rangstreit der Jünger (u.a. Mk 10,35–45) lehnen ein Führungsprivileg für einzelne der von Jesus Berufenen ab und kritisieren den Wunsch danach als Verleugnung der Selbsthingabe Jesu. Zwar hatten die Zeugen der Ostererscheinungen Jesu die unumstrittene Autorität (1 Kor 15,3–8) als Missionare: Doch nicht sie, sondern Gemeindesynoden trafen Entscheidungen für alle (Apg 15,28 u.a.).

Das monarchische Bischofsamt entstand nach 100; die damals entstandenen Ignatiusbriefe kennen es noch nicht. Es setzte sich parallel zur Kanonbildung des NT bis 400 allmählich durch und prägte die orthodoxe und später katholische Staatskirche. Es reagierte auf das Wachstum des Christentums und übernahm römische Verwaltungsstrukturen.[21]

Petrusgrab

Der Petersdom in Rom

Seit etwa 200 wurde eine bestimmte Stelle auf dem heutigen Hügel des Vatikan in Rom als Petrusgrab verehrt. Kaiser Konstantin der Große ließ von 315 bis 349 darüber die Petersbasilika bauen, die 1507 abgerissen und durch den Bau des Petersdoms ersetzt wurde. Dabei wurde dessen Altar über dem angenommenen Petrusgrab platziert. Die Reste des Grabmonuments sind heute hinter dem Christusmosaik der Palliennische in der Confessio unter dem Papstaltar verborgen.

Grabmal mit Pallium unterhalb des Papstaltares im Petersdom

Das früheste mögliche Zeugnis von Grabstätten des Petrus und Paulus in Rom bot Eusebius als Zitat des römischen Presbyters Gaius (Kirchengeschichte II/25,5-7):[22]

„Ich kann die Tropaia der Apostel zeigen. Denn wenn du zum Vatikan gehen willst oder auf die Straße nach Ostia, wirst du die Tropaia derer finden, die diese Kirche gegründet haben.“

Der griechische Ausdruck Tropaion bezeichnete meist ein Denkmal oder Siegesmal. Gaius kannte offenbar irgendeine bauliche Struktur, die eventuell die angenommenen Hinrichtungsorte beider Apostel markierte, deren Märtyrertod als Sieg gedeutet wurde. Erst Eusebius bezog das Zitat 100 Jahre später auf Grabstätten.[23]

Pius XII. gab die Grotten unter dem Altar des Petersdoms 1940 bis 1949 erstmals für archäologische Grabungen frei. Sie ergaben, dass dort zwei parallele Grabreihen in West-Ost-Richtung am Hang eines Hügels lagen. Sie wurden beim Baubeginn der Petrusbasilika zugeschüttet und die Aufschüttung wurde mit Mauern abgestützt: Dieser Aufwand sollte offenbar den Grundriss der Basilika mit einem bestimmten Punkt der Nekropole zur Deckung bringen. Unter ihrem Altar fanden sich Reste eines kleinen Säulenmonuments mit einem Vordach und einer kleinen Nische in der Wand dahinter in einem größeren Grabhof, der auf etwa 160 datiert wurde. Das Grabungsteam gab diese Funde 1951 als Entdeckung des Petrusgrabes bekannt, stieß damit unter Archäologen aber wegen mangelhafter Dokumentation und methodischer Fehler beim Graben auf Ablehnung. Daraufhin erlaubte der Vatikan von 1953 bis 1958 und nochmals 1965 weitere Grabungen, deren Ergebnisse breiter als zuvor dokumentiert und diskutiert wurden.

Man fand unter dem Säulenmonument ein schlichtes Erdgrab aus dem späten 1. Jahrhundert ohne Knochen. Nur dicht darum angeordnete Erdgräber von Christen enthielten Knochen von Personen verschiedenen Alters und Geschlechts. Die Anordnung gilt als Hinweis auf eine Verehrung dieser Stelle als Petrusgrab um 150. Vermutet wird, dass die Nische seit etwa 140 einen runden Gedenkstein - cippus genannt - enthielt, der den Ort des Petrusmartyriums markieren sollte und das von Gaius erwähnte Tropaion war. Die katholische Archäologin Margherita Guarducci deutete Inschriften in der Mauer hinter dem Säulenmonument, darunter die Buchstabenfolge PETR... EN I, als Bezeichnung von Petrusreliquien, fand damit aber kaum wissenschaftliche Zustimmung. An anderen Ausgrabungsorten in Rom fanden sich ähnliche Graffitis, die dort ein Gedenken von Christen an Petrus und Paulus als Märtyrer belegen.[24]

Bedeutung

Entwicklung des Petrusprimats

Pietro Perugino: Christus übergibt Petrus den Schlüssel zum Himmelreich (Fresken in der Sixtinischen Kapelle, 1480-1482)

Nach römisch-katholischer Auffassung ist Petrus der Stellvertreter Christi und als Bischof von Rom Leiter aller Ortsbischöfe (episcopus episcoporum). Er besitze also ein einzigartiges, durch Christus verliehenes Führungsamt über alle übrigen Ortskirchen, das auch ein Richteramt und ein autoritatives Lehramt einschließe. Er habe diese Vollmacht allen seinen Nachfolgern weitergegeben, so dass jeder römische Bischof rechtmäßiger Vorsteher (Papst) der „universalen Kirche“ sei. Diese Auffassung berief sich primär auf das „Felsenwort“ (Mt 16,18) und das „Schlüsselwort“ (Mt 16,19), in Bezug auf das Lehramt auch auf Lk 22,32 EU („stärke deine Brüder“) und Joh 21,15ff EU („weide meine Lämmer“).

Tertullian verstand Mt 16,18 um 220 als Erster als Einsetzung in ein Bischofsamt, betonte aber, Jesus habe dieses nur Petrus persönlich, nicht allen Bischöfen oder nur dem Bischof Roms gegeben. Cyprian von Karthago (Über die Einheit der Kirche 4; vgl. 59. Brief) deutete den Vers um 250 als Einsetzung des Petrus zum Leiter der Kirche. Jeder Bischof, nicht nur der Roms, folge ihm in diesem Amt. Solche juristischen Deutungen blieben für Jahrhunderte seltene Ausnahmen.

Origenes und Ambrosius bezogen „dieser Felsen“ auf die angeredete Person und deuteten „Tore des Hades“ als Metapher für „Tod“. So werde Simon hier verheißen, dass er nicht vor Jesu Wiederkunft sterben werde. Dieser Deutung widersprach Hieronymus. Er bezog den Vers auf das Glaubensbekenntnis Petri, das die Kirche auch nach seinem Tod gegenüber feindlichen Mächten und Bedrängnissen, etwa Häresien, bis zu Jesu Wiederkunft vor dem Untergang schütze. Auch Johannes Chrysostomos (54. Homilie zu Matthäus, um 407) vertrat diese Deutung:

„Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, d.h. auf den Glauben, den du bekannt hast.“

Auch Augustin von Hippo deutete die Zusage typologisch als Vorbildfunktion für alle Gläubigen, nicht als Vollmacht für ein erbliches Führungsamt.

Kalixt I. erhob als erster römischer Bischof einen gesamtkirchlichen Führungsanspruch in einzelnen Streitfragen wie dem Osterdatum, ohne diesen mit dem Felsenwort zu begründen. Das Petrusprimat vertrat um 400 erstmals der römische Bischof Damasus I., nachdem kirchliche Bezirksaufsichtsämter (Metropolitanverfassung) entstanden waren.[25]

Petrus-Statue auf dem Petersplatz in Rom

Die vollständige Primatsidee, die auch die „Schlüsselgewalt“ (das höchste Richteramt im Christentum) und Lehrautorität umfasste, vertrat als Erster Leo I. (440-461). Petrus war für ihn nicht nur princeps apostulorum (Apostelführer), sondern auch vicarius (Stellvertreter Christi) für die gesamte Kirche. Dies galt für ihn ebenso dem successor Petri, also allen folgenden römischen Bischöfen, die die Petrusprivilegien nach antikem Erbrecht so erbten, als seien sie mit dem Erblasser identisch. Dieser Anspruch setzte sich auch nach dieser theoretischen Entfaltung nur langsam im mittelalterlichen Christentum durch.[26]

Historisch gesehen ist das Petrusprimat aus der Idee der Apostolischen Sukzession hervorgegangen, die nicht mit spezifischen Bibelstellen, sondern mit kirchenhistorischen Gegebenheiten und altkirchlichen Bischofslisten wie der von Irenäus von Lyon (um 300) begründet wurde.

Während das Erste Vatikanische Konzil 1869-1870 das Petrusprimat noch um das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes ergänzte, hat das Zweite Vatikanische Konzil diesen Führungsanspruch zwar bestätigt, aber durch die Idee der Bischofskollegialität relativiert. So stellte der Codex Iuris Canonici 1983 fest: [27]

„Wie nach der Weisung des Herrn der heilige Petrus und die übrigen Apostel ein einziges Kollegium bilden, so sind in gleicher Weise der Papst als Nachfolger des Petrus und die Bischöfe als Nachfolger der Apostel untereinander verbunden.“

Reformatorische Auslegung

Die aus der Reformation hervorgegangenen evangelischen und anglikanischen Kirchen lehnen wie die orthodoxe Kirche die Lehre eines „Petrusamtes“ und damit den Führungsanspruch des Papstes und seiner Kirche ab.

Martin Luther widerlegte den Doppelanspruch des Papsttums auf ein höchstes kirchliches Richter- und Lehramt erstmals 1519 exegetisch und theologisch in einer eigenen Schrift.[28] 1520 wies er die römisch-katholische Auslegung von Mt 16,18f mit Bezug auf Joh 18,36 EU und Lk 17,20f EU erneut zurück:[29]

„Aus welchen Sprüchen klärlich jedermann versteht, dass das Reich Gottes (so nennet er [Jesus Christus] seine Christenheit) ist nit zu Rom, auch nit an Rom gebunden, weder hie noch da, sondern wo inwendig der Glaub ist.“

In Mt 18,18 und Joh 20,22f habe Christus die „Schlüsselgewalt“ zum Binden und Lösen der Sünden allen Jüngern zugesprochen und damit Mt 16,18f selbst so ausgelegt,

„...dass St. Petro an Statt der ganzen Gemein und nit für seine Person die Schlüssel geben sein.“

Die Schlüsselzusage begründe weder eine Sondervollmacht Petri noch eine Regierungsmacht der Apostel, sondern umfasse nur das Sakrament der Buße. Sie schenke allen gläubigen Sündern Christi Trost und Gnade, die sie einander weitergeben sollten. Auch Joh 21,15ff („Weide meine Lämmer“) begründe keine Herrschaft in der Christenheit, sondern beauftrage und ermutige mit Petrus alle Prediger, gegen alle Widerstände nur Christus allein zu verkünden. Dem müsse sich auch der Papst beugen. Mit seiner Anmaßung, das Petrusamt als Regierungs- und Lehramt zu deuten, stelle er sich über Gottes Wort, um es als Machtmittel zu missbrauchen. Menschen zu Ketzern zu erklären, nur weil sie dem Papst nicht gehorchten, sei gegen die Heilige Schrift gerichtet. Paulus selbst betone in 1Kor 3,11: Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.

Petrus ist auch nach evangelischem Verständnis ein besonderer Jünger Jesu, aber nur als Ur- und Vorbild aller gläubigen Menschen, die trotz ihres Bekenntnisses zu Christus immer wieder versagen und trotz ihres Versagens von Gott die Zusage der gegenwärtigen Vergebung und zukünftigen Erlösung erhalten. Auch der Glaube ist nach evangelischem Verständnis keine Eigenleistung des Petrus, sondern reines Gnadengeschenk der stellvertretenden Fürbitte Jesu, des Gekreuzigten (Lk 22,31 EUff):

„Simon, Simon, siehe, der Satan hat euer begehrt, dass er euch möchte sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dich einst bekehrst, so stärke deine Brüder.“

Dieses Gebet Jesu sei, so eine verbreitete evangelische Exegese, mit der Versöhnung des auferstandenen Jesus mit seinen Jüngern und der dadurch bewirkten Neukonstituierung des Jüngerkreises nach Ostern in Erfüllung gegangen. Die Kirche basiere daher nicht auf einer historischen Amtsnachfolge einzelner Petrusnachfolger. Sondern alle, die wie Petrus zu Jüngern Jesu werden, seien seine Nachfolger und damit Teil der Gemeinschaft, die Christus berufen habe, seine Zeugen zu sein. Gott sei in Christus allen Menschen gleich nahe, so dass außer Christus keine weiteren Mittler nötig und möglich seien. Dieses „Priestertum aller Gläubigen“ verbot für Luther jeden Rückfall in das seit dem stellvertretenden Sühnopfer des Gekreuzigten überwundene hierarchisch-sakrale, aus dem Tempelkult des Judentums stammende Amtsverständnis.

Besonders das Matthäusevangelium lasse keinen Zweifel daran, dass die christliche Gemeinde nur auf dem Glaubensgehorsam aller ihrer Mitglieder erbaut sein könne. Denn dort wird die Bergpredigt Jesu mit dem Zuspruch eröffnet (Mt 5,14 EU):

„Ihr seid das Licht der Welt!“

Sie endet mit dem Anspruch (Mt 7,24 EU):

„Darum, wer diese meine Rede hört und tut, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf den Felsen (petra) baute.“

Demgemäß habe Petrus auch keine eigene Erstvision, sondern mit allen Jüngern gemeinsam den Auftrag des Auferstandenen erhalten, alle Getauften aus den Völkern das Befolgen der Gebote Jesu zu lehren: Die damit verbundene Zusage der Geistesgegenwart Christi sei der eigentliche „Fels“, auf dem die Kirche gebaut sei (Mt 28,19f). Das Wirken des Heiligen Geistes lasse sich nicht erneut in menschliche Formen und Rituale zwängen und „festnageln“.

So betont Manfred Kock für die Evangelische Kirche in Deutschland:[30]

„Die Zusprüche an Petrus in Matth. 16,17-19 und Joh 21, 15ff gelten der ganzen Kirche und sind in allen ihren Ämtern wirksam. Eine Hierarchie der Ämter, wie auch ein historischer Nachfolgeautomatismus findet sich in der Überlieferung der Heiligen Schrift nicht. Kriterium für die Christusnachfolge ist das Bekenntnis, wie es Petrus gesprochen hat, nicht aber Petrus selber als Bekenner.“

Verehrung

Darstellung über dem Haupteingang der Kirche St. Peter in Heidelberg-Kirchheim

Der Gedenktag von Petrus und Paulus ist der 29. Juni. Ihnen zu Ehren ist in der Orthodoxen Kirche ein leichtes Fasten, das so genannte Apostelfasten, das eine Woche nach dem Pfingstfest beginnt und bis zu diesem Tag dauert, üblich.

Petrus ist einer der wichtigsten katholischen Heiligen und gilt als Schutzpatron

Katholische Gläubige rufen Petrus als Heiligen an gegen Besessenheit, Fallsucht, Tollwut, Fieber, Schlangenbiss, Fußleiden und Diebstahl.

Im Volksglauben wird er auch für das Wetter, insbesondere das Regenwetter verantwortlich gemacht. Mit seinen Schlüsseln wird er als Himmelpförtner vorgestellt, der die anklopfenden Seelen der Verstorbenen abweist oder einlässt. Diese Vorstellung ist Motiv zahlreicher Witze.

Weltweit sind wie der Petersdom im Vatikan zahlreiche Orte und Kirchen nach Petrus benannt. Des Weiteren wurde nach ihm, der der Namenspatron des damaligen Zaren Peter I. war, die neu gegründete Stadt St. Petersburg benannt.

Petrus in der Kunst

Raffael (1516-1518): Transfiguration Christi, Vatikanische Pinakothek

In der Kunst wird Petrus gewöhnlich als alter Mann mit lockigem Haar und Bart mit den Gegenständen Schlüssel, Schiff, Buch, Hahn oder umgedrehtem Kreuz dargestellt. Besonders der oder die Schlüssel sind sein Hauptattribut. In mittelalterlichen Bilddarstellungen bis zur späten Gotik trägt Petrus meist zwei verschiedenfarbige Exemplare. In Anspielung auf Mt 16,19 soll der Erdenschlüssel Macht über die Erde, irdische Gewalt, der Himmelsschlüssel den Einlass ins Himmelreich, die geistliche Gewalt, symbolisieren.

In der Kirchenkunst findet sich Petrus oft als Papst wieder, der die dreifache Tiara auf seinem Haupt trägt, eine Ferula in der einen Hand hält, und ein aufgeschlagenes Evangelium mit der anderen gegen seine Hüfte stemmt.

Die bedeutendsten Petrusdarstellungen der Renaissance, die den gotischen Typus aufgreifen, stammen wohl von Raffael, etwa links in der oberen Zone der Disputa (Fresko, 1509, Stanza della Segnatura, Palazzo Vaticano) und gleich zwei Mal in Raffaels Weltverklärung (Transfiguration, 1516 - 1518, Pinacoteca Vaticana) in der Mitte unter dem Verklärten und breit im linken Eck der unteren Zone sitzend, hier aber nicht mit den Himmelsschlüsseln, sondern mit dem Buch des Lebens in der Hand. Auch die apokryphe Petrusapokalypse spielt in den Vorzeichnungen zu dem kürzlich von Gregor Bernhart-Königstein als Weltgericht erkannten letzten Gemälde Raffaels eine bedeutende Rolle.

Die Petruslegenden wurden im Katholizismus zur Glaubensüberzeugung und dienten immer wieder als Thema künstlerischer Werke. Bekannt geworden ist etwa die Verfilmung „Quo vadis?“ von 1951, die auf dem gleichnamigen Roman von 1895 beruht.

Siehe auch

Literatur

Petrus im NT
  • Oscar Cullmann: Petrus. (1. Auflage 1952) TVZ Theologischer Verlag Zürich, 3. Auflage, Zürich 1985, ISBN 3290110958
  • Rudolf Pesch: Simon-Petrus. Geschichte und geschichtliche Bedeutung des ersten Jüngers Jesu Christi. Hiersemann, Stuttgart 1980, ISBN 3-7772-8012-7
  • Raymond E. Brown, Karl P. Donfried, John Reumann: Der Petrus der Bibel. Eine ökumenische Untersuchung. Calwer Verlag GmbH, 1982, ISBN 3766804928
  • Carsten Peter Thiede (Hrsg.): Das Petrusbild in der neueren Forschung. Brockhaus, Wuppertal 1987, ISBN 3-417-29316-2
  • Peter Dschulnigg: Petrus im Neuen Testament. Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1996, ISBN 3460331224
  • Lothar Wehr: Petrus und Paulus - Kontrahenten und Partner: die beiden Apostel im Spiegel des Neuen Testaments, der apostolischen Väter und früher Zeugnisse ihrer Verehrung. Neutestamentliche Abhandlungen, Aschendorff, Münster 1996, ISBN 3-402-04778-0
  • Wilhelm Lang: Die Petrus-Sage. Reinwaschungen und Legendenbildungen des frühen Judentums und Christentums. Wissenschaftlicher Verlag, Schutterwald/Baden 1998, ISBN 978-3-928640-40-4
  • Timothy J. Wiarda: Peter in the Gospels: Pattern, Personality and Relationship. (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 2) Mohr Siebeck, Tübingen 2000, ISBN 3161474228 (englisch)
  • Joachim Gnilka: Petrus und Rom: das Petrusbild in den ersten zwei Jahrhunderten. Herder, Freiburg im Breisgau u.a. 2002, ISBN 3-451-27492-2
  • Martin Hengel: Der unterschätzte Petrus: zwei Studien. Mohr Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 3-16-148895-4
  • Mathis Christian Holzbach: Die textpragmatische Bedeutung der Kündereinsetzungen des Simon Petrus und des Saulus Paulus im lukanischen Doppelwerk. In: Linus Hauser (Hrsg.): Jesus als Bote des Heils. Heilsverkündigung und Heilserfahrung in frühchristlicher Zeit. Detlev Dormeyer zum 65. Geburtstag. Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2008, S. 166–172
Auslegung und Bedeutung
  • Peter Berglar: Petrus: vom Fischer zum Stellvertreter. (Geleitwort von Joseph Kardinal Ratzinger) Langen Müller, München 1991, ISBN 3-7844-2375-2 (römisch-katholisch)
  • Raul Niemann (Hrsg.): Petrus. Der Fels des Anstoßes. Kreuz Verlag, Stuttgart 1994
  • Helene Hoerni-Jung: Unbekannter Petrus: Schlüssel zum Menschsein. Kösel, München 1997, ISBN 3-466-36471-X
  • Christfried Böttrich: Petrus. Fischer, Fels und Funktionär. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2001, ISBN 3-374-01849-1
  • Johannes Brosseder, Wilm Sanders: Der Dienst des Petrus in der Kirche. Orthodoxe und reformatorische Anfragen an die katholische Theologie. Lembeck, 2002, ISBN 3874764141
  • John F. MacArthur: Petrus – Der Apostel mit dem voreiligen Mundwerk. In: John F. MacArthur: Zwölf ganz normale Menschen. Christliche Literatur-Verbreitung, Bielefeld 20052; ISBN 3-89397-959-X, S. 43–75 (Text online, pdf)
  • Katja Wolff: Der erste Christ. WfB, Bad Schwartau 2005, ISBN 978-3-930730-03-2
Archäologie
  • Michael Hesemann: Der erste Papst. Archäologen auf der Spur des historischen Petrus. Pattloch, München 2003, ISBN 3-629-01665-0
  • Engelbert Kirschbaum: Die Gräber der Apostelfürsten St. Peter und St. Paul in Rom. Societäts-Verlag, 3. Auflage, Frankfurt am Main 1974 (Nachtragskapitel von Ernst Dassmann)
Kunst
  • Gregor Bernhart-Königstein: Raffaels Weltverklärung - Das berühmteste Gemälde der Welt. Petersberg 2007, ISBN 978-3-86568-085-3

Weblinks

Quellen
Literatur
Grundwissen
Grab

Einzelbelege

  1. Fritz Rienecker: Sprachlicher Schlüssel zum Griechischen Neuen Testament. Gießen 1970, S. 43
  2. Erich Dinkler: Petrus, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage 1961, Band 5, S. 247ff
  3. Otto Böcher: Petrus I, in: Theologische Realenzyklopädie, 4. Auflage 1996, Band 26, S. 268
  4. Gerd Theißen, Anette Merz: Der Historische Jesus; Göttingen 2005; S. 160f.; Stanislao Loffreda, Virgilio Corbo: La maison de Pierre révélée par les fouilles, 1982; James F. Strange, Hershel Shanks: Das Haus des Petrus, in: Carsten Peter Thiede (Hrsg.): Das Petrusbild der neueren Forschung, Wuppertal 1987
  5. Karl Ludwig Schmidt: Artikel kaleo, in: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament Band III, Sp. 529ff
  6. Hans Conzelmann: Geschichte des Urchristentums, S. 136
  7. Ulrich Luz: Das Evangelium nach Matthäus, 2. Teilband, Mt 8-17. Evangelisch-katholischer Kommentar zum NT, Benziger, 4. Auflage 2007, ISBN 3545231372, S. 458
  8. Otto Böcher: Petrus I, in: Theologische Realenzyklopädie, 4. Auflage 1996, Band 26, S. 269
  9. Joachim Gnilka: Petrus und Rom, 2002, S. 110
  10. C. H. Hunzinger: Babylon als Deckname für Rom und die Datierung des 1. Petrusbriefes, in: H. Graf Reventlow (Hrsg.): Festschrift für H.-W. Herzberg, Göttingen 1965, S. 67-77
  11. Liste nach Karlfried Froehlich: Petrus II, in: Theologische Realenzyklopädie, 4. Auflage 1996, Band 26, S. 274; Originaltexte, soweit bekannt, in: Wilhelm Schneemelcher (Hrsg.): Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, Mohr & Siebeck, 6. Auflage, Tübingen 1999, ISBN 3-16-147252-7
  12. Christfried Böttrich: Petrus, Fischer, Fels und Funktionär, Leipzig 2001, S. 25f
  13. Joachim Gnilka: Petrus und Rom, 2002, S. 117
  14. Stanislas Dockx, Chronologie zum Leben des Heiligen Petrus, in: Carsten Peter Thiede: Das Petrusbild in der neueren Forschung, 1987, S. 101
  15. Joachim Gnilka: Petrus und Rom, 2002, S. 111, Anmerkung 6
  16. Karl Heussi: Die römische Petrustradition in kritischer Sicht, Tübingen 1955
  17. Kurt Aland: Der Tod des Petrus in Rom. Bemerkungen zu seiner Bestreitung durch Karl Heussi, in: Kurt Aland: Kirchengeschichtliche Entwürfe, Gütersloh 1955, S. 35-104
  18. Uta Ranke-Heinemann: Petrus in Rom? In: Raul Niemann: Petrus. Fels des Anstoßes, Stuttgart 1994, S. 62-75
  19. Joachim Gnilka: Petrus und Rom, 2002, S. 114
  20. Adversus Haereses III
  21. Kurt Dietrich Schmidt: Grundriß der Kirchengeschichte; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 19909; S. 77
  22. zitiert nach Christfried Böttrich: Petrus, Fischer, Fels und Funktionär, Leipzig 2001, S. 228f
  23. Erich Dinkler: Petrus und Paulus in Rom. Die literarische und archäologische Frage nach den tropaia ton apostolon, Gym. 1980, S. 1-37
  24. Christfried Böttrich: Petrus, Fischer, Fels und Funktionär, Leipzig 2001, S. 232ff
  25. Karl Heinz Ohlig: Das Papstamt und seine Geschichte. Ist der römische Bischof Nachfolger des Petrus? (2005)
  26. Kurt Dietrich Schmidt: Kirchengeschichte, 9. Auflage, Göttingen 1990, S. 138
  27. CIC, Can. 330
  28. Martin Luther: Resolution Lutherana super propositione sua decima tertia de potestate papae, Weimarer Ausgabe II, S. 183-240
  29. Martin Luther: Von dem Papsttum zu Rom (1520), Weimarer Ausgabe VI, S. 292ff
  30. Manfred Kock: Das Papstamt aus evangelischer Perspektive (Vortrag am 4. September 2001, Karl-Rahner-Akademie zu Köln)

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