Massaker auf der Zong

Massaker auf der Zong

Der Begriff Atlantischer Sklavenhandel bezieht sich auf die im 16. Jahrhundert einsetzende Versklavung der Bewohner des westlichen, zentralen und südlichen Afrikas durch die Europäer und ihren Transport über den Atlantik nach Nordamerika, Südamerika und in die Karibik. In der Geschichtsschreibung der Vereinigten Staaten wird der Sklaven-Handelsweg aufs nordamerikanische Festland meist als Middle Passage bezeichnet. Der atlantische Sklavenhandel war Bestandteil des Atlantischen Dreieckshandels.

Der atlantische Sklavenhandel wird unterschieden von dem etwa gleichzeitig stattfindenden ostafrikanischen Sklavenhandel, dem mediterranen Sklavenhandel und dem innerafrikanischen Sklavenhandel. Einen geschichtlichen Abriss über den Sklavenhandel in anderen Kulturen und Epochen bietet der Artikel Sklaverei.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der atlantische Sklavenhandel begann in Amerika im 16. Jahrhundert. Der Sklavenhandel dürfte nur im Rahmen der „technischen Möglichkeiten“ (Schiffe) stattgefunden haben. Die meisten Schiffe, die hierzu genutzt wurden, befanden sich im Besitz von Europäern, die Afrikaner für diesen Handel kauften.

Für die Jagd auf die Sklaven und die Verbringung zu den Schiffen werden in der Mehrheit der Fälle arabische und afrikanische Händler verantwortlich gemacht, die einen geschäftsmäßigen Handel mit schwarzen Sklaven betrieben; das heißt, der Einfluss auf die Angebotsseite des Sklavenmarktes durch die Europäer wird gemeinhin als gering angesehen.

Viele Sklaven waren Beute; Menschen, die in ethnischen Konflikten oder Kriegen gefangen wurden. Es war üblich, Gefangene zu töten, sie mit anderen Stämmen zu tauschen oder sie eben an der Küste an Sklavenhändler zu verkaufen.

Auf den Inseln der Karibik, in spanischen Kolonien, waren die ersten Einsatzorte der Sklaven. Auf dem nordamerikanischen Kontinent kam erstmals am 20. August 1619 eine Gruppe von 20 schwarzen Sklaven auf einem niederländischen Schiff in Jamestown (Virginia) an.[1] Das Schiff war durch einen Sturm von seinem Ziel Westindien hierher verschlagen worden.[2] In den folgenden Jahrzehnten blieb die Zahl der Sklaven in den britischen Kolonien eher niedrig. Erst die Plantagenbewirtschaftung ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts löste einen hohen Bedarf an Arbeitskräften aus.[3]

Sklavenfrachter im 17. Jahrhundert

Im 18. Jahrhundert war der Sklavenhandel ein wesentlicher Bestandteil der atlantischen Wirtschaft. Die Wirtschaftssysteme der europäischen Kolonien in der Karibik, der amerikanischen Kolonien und Brasiliens erforderten viele Arbeitskräfte, die in der Landwirtschaft (z.B. auf Plantagen) eingesetzt wurden. 1790 hatten Inseln wie Britisch-Westindien, Jamaika, Barbados und Trinidad eine Sklavenbevölkerung von 524.000, die französischen westindischen Besitzungen 643.000. Andere Mächte wie Spanien, die Niederlande und Dänemark hatten ebenso viele Sklaven. Trotz dieser hohen Zahlen wurden immer weitere Sklaven angefordert. Raue Bedingungen und demografische Ungleichheiten reduzierten die Zahl der Sklaven dramatisch. Zwischen 1600 und 1800 hatten die Engländer ca. 1,7 Millionen Menschen als Sklaven in die westindischen Besitzungen importiert; die Tatsache, dass ca. eine Million weniger Sklaven in den britischen Kolonien lebten, als importiert waren, veranschaulicht die Bedingungen, in denen sie zu leben hatten.

Die Barbarei des Sklavenhandels wurde mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten begründet. Die Sklaverei war Bestandteil einiger der profitträchtigsten Industrien. 70 Prozent der Sklaven in der neuen Welt wurden beim Zuckerrohranbau und dem arbeitsintensivsten Bereich der Getreidewirtschaft eingesetzt. Andere mussten bei der Kaffee-, Baumwoll- und Tabakwirtschaft sowie im Bergbau arbeiten.

Die gewonnenen Erzeugnisse wurden nach Europa oder Afrika verschifft. Aus Europa importierten die Schiffe dann veredelte Güter und Nahrungsmittel, aus Afrika Sklaven. Die gesamte Wirtschaft des atlantischen Bereichs hing von der Versorgung Westindiens mit arbeitsfähigen oder fortpflanzungsfähigen Sklaven ab, und dieser dreiseitige Handel (Atlantischer Dreieckshandel) über den Atlantik prägte den gesamten weltweiten Seehandel. Die Kolonien zählten zum wichtigsten Besitz einer jeden europäischen Macht. Frankreich stimmte z. B. 1763 dem Verlust der Kolonie Neufrankreich im Gegenzug zum Besitz der winzigen Insel Guadeloupe zu.

Um 1800 gehörten die erfolgreichsten westindischen Kolonien dem Vereinigten Königreich. Nachdem sie spät in den Zuckerhandel eingestiegen waren, erwarb die britische Marineführung mit der Kontrolle wichtiger Inseln wie Jamaika, Trinidad und Tobago und Barbados einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Konkurrenten. Dieser Vorteil wurde verstärkt, als Frankreich seine wichtigste Kolonie Saint Domingue (heute: Haiti) 1791 durch einem Sklavenaufstand verlor.

J.M.W.Turner: Sklavenschiff, 1840; malerische Darstellung der Sklavenmorde auf den Frachtern

Die britischen Inseln produzierten den meisten Zucker, und schnell wurden die Briten die größten Zuckerverbraucher. Westindischer Zucker verbreitete sich als allgemeiner Zusatz zu chinesischem Tee. Produkte amerikanischer Sklavenarbeit verbreiteten sich bald in jeden Bereich der britischen Gesellschaft. Tabak und Kaffee und besonders Zucker wurden zu unentbehrlichen Elementen des Alltags.

Um seine Kolonien zu unterstützen, verfügte Großbritannien auch über die größte Flotte von Sklavenschiffen, die zumeist über Liverpool und Bristol verkehrten. In Liverpool war bis Ende des 17. Jahrhunderts eins von vier Schiffen, das in See stach, ein Sklaventransport. Dies waren hochprofitable Unternehmen und spielten eine überaus wichtige Rolle in der Wirtschaft beider Städte.

Massaker auf der Zong

Der Sklavenfrachter Zong gehörte einem Liverpooler Reeder. 1781 ließ dessen Kapitain Luke Collington 132 geschwächte oder erkrankte Sklaven über Bord werfen, um die Versicherungssumme zu kassieren. Es kam daraufhin lediglich zu einem Betrugsverfahren. Das Massaker gab aber den Anstoß zur Abschaffung des Sklavenhandels, wie ihn die britische Abolitionisten forderten. Der britische Maler William Turner erinnerte 1840 mit dem Ölgemälde Sklavenschiff an derartige Morde auf hoher See.

Beendigung des Sklavenhandels

Logo der britischen Abolitionisten

Gegner des Sklavenhandels sammelten sich seit 1787 in England in der von Thomas Clarkson, Granville Sharp u.a. gegründeten Society for Effecting the Abolition of Slavery (Gesellschaft zur Abschaffung der Sklaverei) und wurden Abolitionisten genannt. Nachdem die Briten mit dem Slave Trade Act vom 25. März 1807 ihren eigenen Sklavenhandel beendet hatten, sahen sie sich ökonomisch gezwungen, anderen Völkern das gleiche ökonomische Korsett zu verpassen, da sonst die britischen Kolonien durch die anderer Nationen benachteiligt worden wären. Der britische Feldzug gegen den Sklavenhandel anderer Nationen war ein beispielloser Akt einer Politik der Einmischung in fremde Angelegenheiten. Dänemark, ein kleiner Partner im internationalen Sklavenhandel, und die Vereinigten Staaten verboten den Handel gleichzeitig mit Großbritannien. Andere kleinere Handelsnationen, wie Schweden folgten bald, ebenso die Holländer.

Vier Nationen setzten sich heftig gegen die Aufgabe des Sklavenhandels zur Wehr: Spanien, Portugal, Brasilien (nach seiner Unabhängigkeit) und Frankreich. Großbritannien nutzte jedes Mittel, diese Nationen zum Gehorsam zu bewegen. Portugal und Spanien, die bei Großbritannien nach den Napoleonischen Kriegen verschuldet waren, willigten erst allmählich nach großen Zahlungen ein, den Sklavenhandel einzustellen. 1853 hatte die britische Regierung an Portugal über drei Millionen Pfund und an Spanien über eine Million zur Beendigung des Sklavenhandels gezahlt. Brasilien willigte jedoch nicht ein, den Sklavenhandel zu stoppen, bis Großbritannien militärische Maßnahmen gegen seine Küsten ergriff und 1852 mit einer Blockade drohte.

Für Frankreich suchten die Briten zuerst eine Lösung während der Verhandlung am Ende der Napoleonischen Kriege, aber Russland und Österreich willigten nicht ein. Die Franzosen und die Regierung hegten große Befürchtungen hinsichtlich eines Zugeständnisses an Großbritannien. Großbritannien verlangte nicht nur, dass andere Nationen den Sklavenhandel verbaten, sondern verlangte auch das Recht, dieses Verbot polizeilich zu überwachen. Die königliche Marine verschaffte sich die Legitimation, alle verdächtigen Schiffe zu untersuchen und die festzunehmen, die als Sklaventransporter entdeckt oder für diese Zwecke ausgerüstet waren. Während es sich formal einverstanden erklärte, den Sklavenhandel 1815 zu verbieten, erlaubte es Großbritannien nicht die polizeiliche Überwachung, noch tat es viel, um es selbst zu erzwingen; so erfolgte ein ausgedehnter jahrelanger Sklaven-Schwarzmarkthandel. Während die Franzosen den Sklavenhandel ursprünglich mehr als die Briten abgelehnt hatten, machten sie ihn nun zum Gegenstand des nationalen Stolzes und lehnten britische Vorschriften rundweg ab. Solche reformerischen Impulse wurden durch die konservative Gegenreaktion nach der Revolution in ihr Gegenteil verkehrt. Aus diesen Gründen hielt Frankreich so lange am Sklavenhandel fest, und der französische Sklavenhandel kam folglich erst 1848 zum vollständigen Erliegen.

Bewertung

Vor dem Zweiten Weltkrieg nahmen britische Gelehrte an, die Aufhebung der Sklaverei sei eine der drei oder vier Tugenden in der Geschichte der Völker.

Dieser Meinung widersprach 1944 der westindische Historiker Eric Williams, der vorbrachte, das Ende des Sklavenhandels rühre allein aus ökonomischen Entwicklungen, und keineswegs aus moralischen Erwägungen.

Williams' These wurde allerdings bald in Frage gestellt. Williams gründete sein Argument auf den Gedanken, die westindischen Kolonien hätten sich Anfang des 19. Jahrhunderts in einem Niedergang befunden und so ihren politischen und ökonomischen Wert für Großbritannien verloren. Dieser Niedergang hätte sich als ökonomisch lästig erwiesen und die Briten zum Akzeptieren seiner Beseitigung bewogen.

Hauptproblem dieses Arguments scheint, dass die Wirtschaft vor dem Verbot des Sklavenhandels im Jahr 1807 blühte, und der Niedergang erst danach begann. Der Niedergang in Westindien ist demnach ein Ergebnis der Unterdrückung des Sklavenhandels und nicht seine Ursache. Die fallenden Preise für durch Sklaven produzierte Waren wie Zucker und Kaffee können leicht diskontiert werden, während man beweisen kann, dass der Preisniedergang zu erhöhter Nachfrage führte und wirklich die Gesamtmenge erhöhte, profitabel für die Importeure. Die Profite aus den Sklavenhandel blieben bei rund zehn Prozent der Investition und belegen keinerlei Niedergang. Die Bodenpreise in Westindien - eine wichtige Hilfsgröße für die Analyse der Wirtschaft der Region - verringerten sich erst, nachdem der Sklavenhandel eingestellt war. Die Zuckerkolonien befanden sich nicht im Niedergang, sondern 1807 in Wirklichkeit an der Spitze ihres ökonomischen Einflusses.

Eine dritte Generation von Gelehrten wie Drescher und Anstey haben die meisten ökonomischen und politischen Argumente von Williams bestätigt, aber mit den moralischen Erwägungen kombiniert, die das Ende des Sklavenhandels nach sich zogen.

Die Strömungen, die die größte Rolle spielten, um Westminster wirklich von der Ächtung des Sklavenhandels zu überzeugen, waren religiöser Natur. Das Aufkommen evangelikaler protestantischer Gruppen verbunden mit den Quäkern bewirkte, dass die Sklaverei als humanitäre Schande erachtet wurde. Diese Menschen waren eine Minderheit, aber sie waren leidenschaftlich mit vielen einzelnen Personen engagiert. Diese Gruppen hatten eine starke parlamentarische Präsenz und kontrollierten 35-40 Sitze mit ihrem Einfluss; dieser zahlenmäßige Einfluss wurde durch die damalige Regierungskrise verstärkt. Bekannt als „die Heiligen“, galt diese Gruppe unter Leitung von William Wilberforce als wichtigste Partei im Kampf gegen die Sklaverei. Diese Parlamentarier sahen ihr Engagement häufig als persönliche Schlacht gegen die Sklaverei in einem göttlich angeordneten Kreuzzug an.

Die erste Petition gegen den Sklavenhandel und die Sklaverei in Nordamerika stammt aus dem Jahr 1688 von Franz Daniel Pastorius, einem deutschen Auswanderer aus Germantown, Pennsylvania.

Siehe auch

Literatur

  • Brigit Althaler: Schwarze Geschäfte. Die Beteiligung von Schweizern an Sklaverei und Sklavenhandel im 18. und 19. Jahrhundert. Limmat-Verlag, Zürich 2005, ISBN 3-85791-490-4.
  • Christian Delacampagne: Die Geschichte der Sklaverei. Artemis & Winkler, Düsseldorf 2004, ISBN 3-538-07183-7.
  • Egon Flaig: Weltgeschichte der Sklaverei, C.H.Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58450-3.
  • Alex Haley: Wurzeln. Fischer, Frankfurt/M. 1997, ISBN 3-596-22448-9 (wurde 1977 als Fernsehserie verfilmt)
  • Jochen Meissner, Ulrich Mücke und Klaus Weber: Schwarzes Amerika. Eine Geschichte der Sklaverei. C.H.Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-56225-9.
  • Hugh Thomas: The slave trade. The history of the Atlantic slave trade; 1440-1870. Phoenix Books, London 2006, ISBN 0-75382-056-0.
  • Eric E. Williams, Capitalism and Slavery (1944) The University of North Dakota Press, 1994.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Henry Chase: Four centuries: Jamestown - the origin of African American history - Advertising Supplement: Virginia. American Visions, Juni-Juli 1994
  2. Charles Löffler: Negersklaven in Amerika: Onkel Toms Ahnen. WCC - Werners Country Club
  3. U.S. Geschichte: Die Zeit der amerikanischen Sklaverei. magazinUSA.com

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