Mathilde F. Anneke

Mathilde F. Anneke
Mathilde Franziska Anneke

Mathilde Franziska Anneke (* 3. April 1817 in Gut Oberleveringhausen in Hiddinghausen, heute zu Sprockhövel; † 25. November 1884 in Milwaukee, Wisconsin, USA) war eine deutsche Schriftstellerin und Journalistin und eine der führenden Personen der US-amerikanischen Frauenbewegung.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gut Oberleverighausen, Geburtshaus von Mathilde Franziska Anneke

Katholische Bürgerstochter und romantische Schriftstellerin in Westfalen (1817 - 1847)

Mathilde war die älteste Tochter (von insgesamt zwölf Kindern) des wohlhabenden Bergwerkbesitzers Karl Giesler und dessen Ehefrau Elisabeth Hülswitt. Ihren Unterricht erhielt sie durch Hauslehrer und sie wurde konservativ katholisch erzogen. Nach dem Urteil von Zeitgenossen, war Anneke gebildet, hübsch und mit einer Größe von 1,80 m schon als junge Frau eine imposante Erscheinung.

1820 zog die Familie nach Blankenstein und 1834 nach Hattingen. Der Vater hatte sich mit Eisenbahnaktien verspekuliert und die Familie musste den finanziellen Problemen Rechnung tragen. Als 1836 der Mülheimer Weinhändler Alfred Philipp Ferdinand von Tabouillot um ihre Hand anhielt, stimmte sie dieser Vernunftehe zu. Tabouillot übernahm die Schulden der Eltern, und Familie Giesler gehörte nun zum Adel.

Am 27. November 1837 wurde die gemeinsame Tochter Fanny (Johanna) geboren. Im Dezember 1837 verließ Mathilde Franziska samt Tochter den gewalttätigen Ehemann und kehrte zu ihren Eltern zurück. Von 1838 bis 1841 dauerte der Scheidungsprozess, der damit endete, dass die Ehefrau zwar schuldig gesprochen wurde, sie aber ihren Geburtsnamen wieder annehmen durfte und ihr das Sorgerecht für ihre Tochter zugesprochen wurde.

Die geschiedene Frau lebte in Münster (Westfalen), wo sie als Schriftstellerin tätig wurde und bald zum Freundeskreis von Annette von Droste-Hülshoff gehörte. In dieser Zeit war ihr der katholische Glaube ein wichtiger Trost; Ausdruck fand dies u.a. in der Publikation zweier Gebetsbücher für Frauen. 1840 veröffentlichte sie einen Gedichtband, der nicht nur Eigenes, sondern auch Lyrisches von Ferdinand Freiligrath, Nikolaus Lenau, Lord Byron und Annette von Droste-Hülshoff enthielt. Daneben begann sie auch, journalistisch zu arbeiten, u.a. für die Kölnische Zeitung und die Augsburger Allgemeine Zeitung, damals die wohl bekannteste deutschsprachige Zeitung, für die auch Heinrich Heine schrieb.

Frauenrechtlerin und revolutionäre Sozialistin in Köln (1847 - 1849)

Bei Zusammenkünften des demokratischen Vereins in Minden lernte sie ihren späteren Ehemann kennen, den damals ebenfalls in Münster stationierten Artillerie-Leutnant Fritz Anneke, der 1847 wegen Verweigerung eines Duells unehrenhaft aus der preußischen Armee entlassen wurde. Gemeinsame Bekannte der Annekes aus der Münsteraner Zeit waren der junge Student Friedrich Hammacher, der später einer der bedeutendsten Wirtschaftsführer des Ruhrgebiets werden sollte, und seine Frau, mit denen sie auch noch aus den USA eine rege Korrespondenz pflegte. Am 3. Juni 1847 heiratete sie Friedrich Anneke und das Paar ließ sich in Köln nieder. Dort wurden sie bald zum Mittelpunkt eines kommunistisch-ästhetischen Zirkels, aus dem später der Kölner Arbeiterverein entstand. Am 26. Juni 1847 starb ihr Vater. Durch ihren Ehemann kam Mathilde Franziska Anneke nun mit der Tagespolitik in Berührung. Mathilde lernte Karl Marx und Friedrich Engels kennen. Auch konnte sie Kontakte zu Georg Herwegh und Ferdinand Lassalle knüpfen. Über ersteren lernte sie auch den Maikäferbund kennen. Die Annekes waren eng mit Moses Hess befreundet, der später der Vater des politischen Zionismus werden sollte.

Als Fritz Anneke am 3. Juli 1848 verhaftet wurde, gründete Mathilde in Köln die Neue Kölnische Zeitung, deren erste Ausgabe am 10. September erschien, aber bald der Zensur zum Opfer fiel. Mathilde Franziska versuchte sie unter dem tarnenden Titel Frauenzeitung (erste Ausgabe am 27. September) fortzuführen, doch auch diese musste ihr Erscheinen nach der dritten Ausgabe einstellen. Als Karl Marx 1849 aus Köln ausgewiesen wurde und seine Neue Rheinische Zeitung verboten wurde, empfahl er in seiner letzten Ausgabe seinen Lesern die Lektüre der Anneke-Publikation. Mathilde Franziska brachte am 21. Juli 1848 ihren Sohn Fritz zur Welt. Am 23. Dezember 1848 wurde ihr Ehemann in einem aufsehenerregenden Prozess in Berlin freigesprochen.

Ordonnanzoffizierin in den Reichsverfassungskämpfen in der Pfalz und in Baden 1849

Während der Reichsverfassungskämpfe 1849 in der Pfalz und in Baden befehligte Fritz Anneke die Artillerie der Pfälzischen Volkswehr, eine Truppe von etwa 1200 Mann. Adjutant von Anneke war der junge Carl Schurz. Schurz und andere Zeitzeugen berichteten übereinstimmend bewundernd von Annekes hübscher Ehefrau, die ihrem Mann als Ordonanz und Kurier zur Seite stand. Über ihre Erlebnisse im badisch-pfälzischen Feldzug veröffentlichte sie später ein Buch (s.u.). Die Annekes standen linken Volkswehr-Offizieren wie Gustav Struve, Wilhelm Liebknecht und Friedrich Engels nahe und wurden zusammen mit diesen von der badischen Revolutionsregierung kurzzeitig festgenommen, da sie einen Kompromiss mit den anrückenden Preußen ablehnten (der ehemalige preußische Offizier Anneke wäre wegen Verrats hingerichtet worden). Als am 23. Juli 1849 preußische Truppen die Festung Rastatt einnahmen, floh das Ehepaar über Straßburg, wo sie bei ihrem alten Kölner Freund Moses Hess Unterschlupf fanden, in die Schweiz. Als sie im Oktober desselben Jahres von Le Havre aus ins amerikanische Exil starteten, wurden sie von vielen Achtundvierzigern begleitet.

Frauenrechtlerin, Schulleiterin und Aktivistin gegen die Sklaverei (USA, 1849 – 1884)

Im November 1849 landeten sie in New York. Im März 1850 ließ sich das Ehepaar Anneke in Milwaukee nieder. Mit Vorträgen über die deutsche Politik und deutsche Literatur verdienten sie sich ihren Lebensunterhalt. Zudem wurde Mathilde Franziska Korrespondentin für deutsche Zeitungen in den USA und Deutschland, u.a. schrieb sie wie auch ihr Mann Fritz für die damals bedeutendste deutschsprachige Zeitung, die Augsburger Allgemeine Zeitung. Am 20. August 1850 wurde ihr Sohn Percy Shelley Anneke geboren.

1851 holt Mathilde Franziska ihre Mutter nebst ihren beiden Schwestern Johanna und Maria zu sich nach Milwaukee. Am 1. April 1852 erscheint die erste Ausgabe ihrer deutschsprachigen Frauen-Zeitung in Milwaukee. Dies war ein radikales Blatt ganz im Dienst der Gleichberechtigung. Mit dieser Veröffentlichung erntete sie von nahezu der gesamten deutschsprachigen Presse Hohn und Spott. Dafür wurden Elizabeth Cady Stanton und Susan B. Anthony auf sie aufmerksam.

Im Herbst 1852 erfolgte ein Umzug nach New Jersey. Am 6. Dezember 1853 trat Mathilde Franziska Anneke zum ersten Mal vor einer amerikanischen Frauengemeide in New York auf. In dieser Zeit bekam sie auch Kontakt zur American woman’s rights movement. Auf deren Kongress in New York 1853 hielt sie dann auch eine ihrer flammenden Reden gegen Prohibition, Nationalismus, Klerikalismus und Ungleichheit der Geschlechter. Sehr bald begann sie auch, mit Artikeln und Kurzgeschichten in deutschsprachigen Medien gegen die Sklaverei zu agitieren und unterstützte die Abolitionisten.

Am 5. Dezember 1855 wurden die Zwillinge Herta und Irla geboren. Am 6. März 1858 starben die Kinder Fritz und Irla an einer Pockenepidemie – der Vater hatte sich geweigert, mit seiner Familie an einer Impfung teilzunehmen.

Im Mai 1858 erfolgt ein Umzug zurück nach Milwaukee. Genau ein Jahr darauf reiste Fritz Anneke nach Europa ab. Am 21. Juni 1860 folgte ihm seine Ehefrau, inzwischen schwer leberkrank, in die Schweiz. Als am 23. September 1861 Fritz Anneke in die USA zurückkehrte, trennte sich das Ehepaar, ließ sich aber nie offiziell scheiden. Bis zu ihrer Rückkehr in die USA arbeitete Anneke als Journalistin und unterstützte auch Mary Booth bei ihrer Arbeit.

M.F. Anneke auf einer Briefmarke aus der Serie Frauen der deutschen Geschichte

Im Juli oder August 1865 kehrte Mathilde Franziska Anneke nach Milwaukee zurück. Schon vier Wochen später gründete sie zusammen mit ihrer Freundin Cecilia Kapp das Milwaukee-Töchter-Institut. Kapp wurde später Professorin am Vassar College und war die Cousine von Friedrich Kapp. Diese Mädchenschule hielt ihren gesamten Unterricht in deutscher Sprache ab und war 18 Jahre in Betrieb.

Im Dezember desselben Jahres starb ihre Mutter. 1869 war Anneke eine der Mitbegründerinnen der Wisconsin woman suffrage association. Für diesen Verein trat sie auf mehreren Kongressen der National woman suffrage association auf und wurde auch zu ihrer ersten Vize-Präsidentin gewählt.

Am 6. Dezember 1872 starb Fritz Anneke in Chicago. Durch einen Unfall im Juli 1876 blieb ihre rechte Hand gelähmt, und sie musste fortan alles diktieren. Im darauffolgenden Herbst starb ihre älteste Tochter Fanny. Am 5. Juni 1880 trat Mathilde Franziska zum letzten Mal öffentlich auf und hielt eine vielbeachtete Rede beim Frauenkongress in Milwaukee.

Im Alter von 67 Jahren starb Mathilde Franziska Anneke in Milwaukee. Bei den Feierlichkeiten der Beerdigung hielt Charles Hermann Boppe eine ergreifende Grabrede. Ihr Grab befindet sich im Forest Home Cemetery, Sektion 15, Block 3, Lot 2.

Am 10. November 1988 (Erstausgabetag) ehrte die Deutsche Bundespost Mathilda Franziska Anneke mit einer Briefmarke in der Serie Frauen der deutschen Geschichte.

Am Kölner Rathausturm wurde auf Betreiben der Kölner Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) Mathilde Anneke durch eine Skulptur geehrt.

Straßen, Plätze, Gebäude, Einrichtungen, die nach Mathilde Anneke benannt sind

Werke

  • Des Christen freudiger Augenblick zum ewigen Vater (1837)
  • Die gebrochenen Ketten (1844) (Texte gegen die Sklaverei in den USA, Neuauflage bei Heinz in Stuttgart 1983, ISBN 3-88099-610-5)
  • Das Geisterhaus (1848)
  • Der Heimathgruß (1840)
  • Memoiren einer Frau aus dem badisch-pfälzischen Feldzuge (1853) (Neuauflage unter dem Titel Mutterland bei Tende in Münster 1982, ISBN 3-88633-045-1)
  • Oithono oder die Tempelweihe (1842)
  • Der politische Tendenz-Prozeß gegen Gottschalk, Anneke und Esser (1848)
  • Das Weib im Conflict mit den socialen Verhältnissen (1847)

Literatur

  • Manfred Gebhard: Mathilde Franziska Anneke. Verlag Neues Leben, Berlin 1988, ISBN 3-355-00477-4
  • Maria Wagner: Mathilda Franziska Anneke in Selbstzeugnissen und Dokumenten. Fischer, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-596-22051-3
  • Maria Wagner: Mathilde Anneke’s Stories of Slavery in the German-American Press. In: MELUS. Band 6, No. 4, Non-Traditional Genres (Winter, 1979), S. 9–16
  • Martin Henkel und Rolf Taubert: Das Weib im Conflict mit den socialen Verhältnissen – Mathilde Franziska Anneke und die erste deutsche Frauenzeitung. Verlag edition egalite, Bochum 1976, ISBN 3-88153-001-0
  • Klaus Schmidt: Mathilde Franziska und Fritz Anneke – Aus der Pionierzeit von Demokratie- und Frauenbewegung. Joachim Schmidt von Schwind Verlag, Köln 1999, ISBN 3-932050-14-2
  • Erhard Kiehnbaum (Hg.): „Bleib gesund, mein liebster Sohn Fritz …“, Mathilde Franziska Annekes Briefe an Friedrich Hammacher, 1846–1849. Argument-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-88619-652-6
  • Norgard Kohlhagen: Mehr als nur ein Schatten von Glück – Die Geschichte der Mathilde Franziska Anneke, die 1849 im badisch-pfälzischen Feldzug mitritt. rororo Rotfuchs, 1990, ISBN 3-499-20557-2
  • Dieter Wunderlich: Mathilde Franziska Anneke (1817 - 1884), Pionierin der Frauenbewegung. In: WageMutige Frauen. 16 Porträts. Piper Verlag, München 2008, ISBN 978-3-492-24772-6

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