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Matrilinearität (adj.: matrilinear, seltener: matrilineal), oder uterine Deszendenz, Mutterfolge, bezeichnet in der Ethnologie, Anthropologie und Biologie ein System, das die verwandtschaftlichen Verhältnisse und die sonstigen Rechtsverhältnisse, etwa in Bezug auf das Erbrecht, nur über die Abstammung von der Mutter bildet. Der Gegensatz zu der Matrilinearität ist die Patrilinearität.
Matrilinear gegliederte Familiensysteme weisen zum Großteil das so genannte Avunkulat auf. In diesen Systemen übernimmt der Mutterbruder (genau: der Oheim) die Vaterrolle für die Kinder seiner Schwester.
Rein matrilineare Verwandtschaftssysteme kommen heute nur noch selten vor und beschränken sich auf Ackerbaukulturen. Die bevölkerungsreichsten heute noch bekannten matrilinealen Kulturen sind die Minangkabau auf Sumatra, die Mosuo in China, die Hopi-Indianer sowie die Irokesenvölker. Historische Dokumente belegen, dass auch Kulturen früherer Epochen matrilinear strukturiert waren, wie z. B. die Champa in Vietnam.
Es existieren Kulturen, die nur bestimmte Gegenstände oder Eigenschaften über die Mutterlinie vererben, andere jedoch über die Vaterlinie. Im alten Ägypten etwa musste ein Mann, der Pharao werden wollte, die Hohepriesterin/Königin heiraten, weil die priesterliche Erblinie bis weit in die jüngsten Dynastien weiblich war; dies führte auch zu Geschwisterheiraten. Ein deutsches mittelalterliches Beispiel ist das Kunkellehen. Im Judentum wird die Religionszugehörigkeit über die Mutter vererbt, während die Kultur ansonsten jedoch streng patrilinear organisiert ist; diese matrilineare Vererbung der jüdischen Volks- und Religionszugehörigkeit ist neueren Ursprungs und geht auf die Zeit der Besetzung Israels/Palästinas durch die Griechen zurück.
Anthropologen und Kulturwissenschaftler sind sich größtenteils darüber einig, dass die Verwandtschaftsrechnung über die Mutterlinie in der Entwicklungsgeschichte der Menschen das ursprünglichere und somit ältere Verwandtschaftssystem ist als die über die Vaterlinie. Erst, nachdem bekannt war, dass über die Zeugung auch der Mann Anteil an der Entstehung von Kindern hat, konnte der Erzeuger (Genitor) zum Vater und somit zu einer bedeutenden, gesellschaftlich handelnden Person werden. Der Übergang von matrilinearen zu patrilinearen Verwandtschaftssystemen erforderte wegen der (früher) fehlenden Möglichkeit die Abstammung eines Kindes von einem Mann zu klären (→mater semper certa est), eine ganze Reihe neuer, vielschichtiger gesellschaftlicher Organisationsformen, um die männliche Verwandtschafts- und Erblinie sicherzustellen. Je komplexer die Gesellschaftsform und je wichtiger (vererbbares) Vermögen für die Menschen wurde, desto wichtiger war diese Absicherung des Erbrechts. Um die Abstammung eines Kindes von einem Mann sicherzustellen, durfte die Frau mit nur einem Mann sexuellen Kontakt haben (→Monogamie, Einschränkung des Bewegungsspielraums bis hin zur vollständigen Isolierung der Frau).
In der Neuzeit existieren neben Matrilinearität und Patrilinearität auch so genannte Bilaterale Systeme, in denen Kinder gleichzeitig der Abstammungslinie der Frau als auch des Mannes zugerechnet werden.
Siehe auch
- Matriarchat
- Patrilinearität
- Patriarchat
- Matrifokalität
- Matrilokalität
Literatur
- Hans Fischer: Ethnologie. Einführung und Überblick. Reimer Verlag, Berlin, 1992. ISBN 3496004231
- Bronislaw Malinowski: Das Geschlechtsleben der Wilden in Nordwest-Melanesien.
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