- Arabische Infiltration Nordafrikas
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Die Islamische Republik Mauretanien ist eine ehemalige französische Kolonie in Westafrika, am Atlantik gelegen. Sie grenzt an die Staaten Algerien, Mali und Senegal sowie an das Territorium der Westsahara (Demokratische Arabische Republik Sahara). Mauretanien liegt am Westrand der Sahara und wird von ursprünglich nomadisch lebenden Mauren, einem Mischvolk aus Arabern, Berbern und assimilierten schwarzen Westafrikanern, bewohnt.
Die zeitgenössischen Beobachter Mauretaniens haben das Land oft als Brücke zwischen Nord- und Westafrika beschrieben. In der Tat haben auch verschiedene Gruppen in Mauretanien starke kulturelle und wirtschaftliche Verbindungen mit ihren Nachbarn in den beiden Regionen (Maghreb und CEDEAO - Communauté Économique des États de l'Afrique de l'Ouest) aufrechterhalten, mit denen sie die meiste Zeit über in direktem Kontakt standen.
Obwohl das Land als geographische Transportbrücke für den Gold-, Salz- und Sklavenhandel zwischen den nördlichen und südlichen Grenzen der Sahara diente, markierte es ebenfalls die kulturelle Grenze zwischen den sesshaften Landwirten des subsaharischen Afrika und den arabisch-berberischen Nomaden des Maghrebs.
Durch die gesamte Geschichte Mauretaniens war die Wechselbeziehung zwischen den beiden Kulturen voller politischer und sozialer Konflikte, was die mauretanische Politik in der Vergangenheit immer wieder beeinträchtigte und sehr wahrscheinlich mittelfristig weiterhin beeinflussen, um nicht zu sagen bestimmen wird. Einzig der Islam, zu dem sich die Gesamtheit der Bevölkerung seit dem 9. Jahrhundert bekennt, stellt eine einheitliche Bindung zwischen den verschiedenen Bevölkerungsteilen dar.
Die Urbevölkerung
Die Sahara war nicht immer eine Wüste. Es haben sich im Laufe der Zeit Trockenheits- und Feuchtigkeitsperioden abgewechselt.
Die Anfänge der Geschichte dieser Region sind größtenteils unbekannt. Es gibt einige Überlieferungen von arabischen Händlern und Reisenden aus dem Mittelalter, die die wichtigsten Karawanenzentren und Königreiche im Osten von Mauretanien erreicht haben, aber die Hauptquellen der voreuropäischen Geschichte sind mündliche Erzählungen, Legenden und archäologische Befunde. Diese Quellen zeigen, dass während der Jahrtausende die dem christlichen Zeitalter vorausgingen, die Sahara viel mehr Menschen als heute beherbergt hatte und aufblühende Kulturen kannte.
Im Lande des jetzigen Mauretanien waren Bafour; ein Volk der Ur-Berber, dessen Nachkommen die Küstenfischer von Imraguen sein könnten; Jäger, Bauer und Fischer. Die Tallandwirte, die die schwarzen Urahnen der Toucouleurs und der Wolof sind, haben neben den Bafour gelebt. Klimaänderungen und vielleicht bloßgelegte Weiden trugen zu einem progressiven Trocknen der Sahara und zu der Wanderung dieser Völker in Richtung Süden bei.
Trotz der Verschlimmerung der Klimaumstände müssten die ersten Migrationswellen in die Westsahara aus dem Norden im Laufe des 1. Jahrtausends v. Chr. stattgefunden haben. Die neuen Migranten waren nomadische Berber. Man weiß noch nicht genau, welche Gründe sie dorthin trieben: vielleicht, um Feinden zu entkommen oder einfach um neue Weiden zu suchen. Gesichert ist hingegen, dass sie Pferde zum Reiten nutzten und das Schmieden von Eisen kannten, was ihnen einen deutlichen Vorteil gegenüber den letzten Vertretern der neolithischen Bevölkerung verschaffte.
Allerdings wären sie wahrscheinlich nicht in der Sahara geblieben, die in dieser Zeit allmählich zur Sandwüste wurde, wenn sie nicht das Glück gehabt hätten, das einzige Tier zu finden, das im Stande war, das Überleben des Menschen in dieser Klimazone zu gewährleisten: das Kamel, das aus dem Osten kommend um das 1. Jahrhundert v. Chr. in Mauretanien ankam. Die Einführung des Kamels in die Sahara in dieser Periode gab den Berbern die Möglichkeit kriegerischer Aktivitäten. Diese erste Welle der Aggressoren hat die Bafour besiegt und diejenigen, die sich nicht nach Süden retten konnten, zu Untertanen erklärt.
Von jeher war die Wüste ein Zufluchtsort für Völker, die vor feindlichen Stämmen oder vor dem Machtmissbrauch der marokkanischen Sultane flohen. Auf der anderen Seite bewirkte die Knappheit der Ressourcen in der Wüste auch eine umgekehrte Migration.
Der Bund der Sanhādscha
(3. bis 10. Jahrhundert)
Der Charakter der heutigen Bevölkerung spiegelt die Wellen der Einwanderungen aus dem Norden Richtung Mauretanien wider, die im 3. Jahrhundert nach Chr. begannen, als die ersten Berber einzogen (erste Einwanderungswelle). Die einheimischen Völker wurden nach weiteren berberischen Einwanderungswellen im 7. und 8. Jahrhundert - Ankunft des Islam in Nordafrika - besiegt und wurden entweder unterworfen oder sind in Richtung Süden weiter gezogen bzw. geflüchtet.
Die Stämme, die zu dieser Zeit am Gurt der Westsahara lebten, stammen von den zwei berberischen Hauptvölkern aus Nordwestafrika ab: Zanata und Sanhadscha. Die Ersteren, ursprünglich Nomaden, hatten sich als Herren der Oasen und der Handelszentren der Nordteile der Wüste gegen dem 9. Jahrhundert etabliert. Im Süden mitten in der Wüste waren die nomadischen Hauptstämme, die die Kamelzucht trieben, Sanhadjas.
Eine der im 8. Jahrhundert in Mauretanien angekommenen sanhadschischen Gruppen war Lamtuna. Im 9. Jahrhundert hatten Lamtuna die politische Dominanz in den Regionen von Adrar und von Hodh an sich gerissen. Mit zwei anderen wichtigen sanhadschischen Stämmen, Masufa und Dschodala, haben sie den Bund von Sanhadscha gegründet, um die Herrschaft über die Handelswege der Sahara zu gewinnen. Aus ihrer Hauptstadt Aoudaghoust aus kontrollierten Lamtuna diesen losen Bund und die westlichen Wüstenrouten der Karawanen, die nach der Einführung des Kamels in diesen Regionen gerade aufzublühen anfingen. Zu seinem Höhepunkt zwischen dem 9. und 10. Jahrhundert betrieb der Bund von Sanhadscha eine dezentralisierte Politik, basierend auf zwei verschiedenen Gruppen:
- die städtischen muselmanischen Händler, die den Karawanenhandel betrieben und
- die sehr unabhängigen Nomaden, die ihre traditionellen Religionen weiterhin wahrten.
Dominiert durch die Händler Sanhadschas hatte der Karawanenhandel seinen Terminus im Norden in der Handelsstadt des Maghrebs Sidschilmasa und seinen Terminus im Süden in Koumbi Saleh, Hauptstadt des Reichs von Ghana. Später hielt die Handelsstrecke im Süden bei Timbuktu, Hauptstadt des Mali-Reiches. Gold, Elfenbein und Sklaven wurden nach Norden transportiert und gegen Salz (die alten Salzminen in der Nähe von 'Kediet Ijill' im Norden von Mauretanien werden heute noch betrieben), Kupfer, Kleiderstoff und andere Luxuswaren ausgetauscht.
Wichtige Städte wurden entlang der Handelsstrecken gebaut. Die einfachste, aber nicht die kürzeste Strecke zwischen Ghana und Sidschilmasa führte von Koumbi Saleh über Aoudaghoust, Oualata, Tichitt und Ouadane. Diese Städte entlang der Strecke wurden zu wichtigen Einkaufs- und Politikzentren. Der arabische Chronist des XI-ten Jahrhunderts al-Bakri beschrieb Aoudaghoust als eine große Stadt mit einer Bevölkerung von 5000 bis 6000, einer großen und vielen kleinen Moscheen, die von großen, unter künstlicher Bewässerung, kultivierten Feldern umgeben ist.
Die Almoraviden und die schwarzen Imperien
(11. bis 14. Jahrhundert) Im 11. Jahrhundert und nach der Auflösung des Sanhadja-Bundes begann für das Land eine Periode der Unruhe und der Kriege unter den verschiedenen Berber-Gruppen des früheren Sanhadja-Bundes. Eine kleine Gruppe von Sanhadja, die Almoraviden, gründeten dann ein religiöses Zentrum, von dem aus sie islamische Doktrin der Reform predigten und ein islamisches Imperium errichteten. Im Jahre 1090 reichte das Imperium der Almoraviden von Spanien bis nach Senegal. In weniger als vierzig Jahren wurde jedoch die expansive Energie der Almoraviden schwächer, bedingt durch die Schwierigkeiten, die sich aus der Verwaltung des mittlerweile gewaltig angewachsenen Reiches ergaben - gleichzeitig hatten sich ihre Feinde im Norden und im Süden stark weiterentwickelt.
Die schwarzen Königreiche Ghanas, Malis und Songhai haben im Laufe der sechs folgenden Jahrhunderte ihre Territorien ausgedehnt und die Berberischen Burgen übernommen - dieser Vorgang wird heute als die zweite Einwanderungswelle bezeichnet.
Die arabische Invasion
(14. bis 18. Jahrhundert) Eine dritte Einwanderungswelle, dieses Mal aus dem Norden, stellte die arabische Infiltration von verschiedenen Gruppen aus dem Jemen dar, die Berber und Afrikaner gleichermaßen Richtung Süden verdrängt haben. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts hatte eine dieser arabischen Gruppen, Banī Hassān, das ganze Territorium des heutigen Mauretanien unter ihrer Kontrolle.
Die heutige Sozialstruktur Mauretaniens ist auf die Situation am Ende des 17. Jahrhunderts zurückzuführen, als Banī Hassān die religiösen arabisch-berberischen Gruppen, Zwāya, besiegten, die sie auszustoßen versuchten (Schurbubba-Krieg). Die kriegerischen arabischen Gruppen haben ihre Herrschaft über die Berber behauptet, die zum größten Teil zu Geistlichen wurden und sich den Arabern unterordneten. Tief in der sozialen Pyramide standen deren schwarzen Sklaven, die so genannten Harātīn. Alle drei Gruppen sprechen Hassānīja, einen arabischen Dialekt, und bilden die so genannten Mauren. In dieser Zeit lebten die meisten Schwarzafrikaner im Flussbecken des Senegalflusses.
Die arabische Infiltration Nordafrikas beschreibt die Einwanderung arabischer Stämme in Nordafrika zwischen dem 5. Jahrhundert und dem 15. Jahrhundert und deren Wirkung auf Mauretanien.
Ursachen der Flucht
Obwohl die arabischen Invasionen in Nordafrika fast ausschließlich der islamischen Eroberung zugeschrieben wurde, hatte die Verschlechterung der ökologischen Zustände in Arabien eine entscheidende Rolle auf den Zeitpunkt und der Anzahl der Zuwanderer gespielt, die auf der Suche nach grünen Weiden Arabien verließen. Die klimatische Ähnlichkeit zwischen Arabien und Nordafrika machte das Letzte zum Idealziel der emigrierten Völker. So wurden; nach dem tragischen Einsturz des Staudammes von Marib, nahe San'a in Jemen im Jahre 570; einige Hunderte arabischer Stämme gezwungen, ihr Heimatland in Richtung Nord- und Ostafrika zu verlassen. Diese Emigration fand 40 Jahre vor dem Islam statt. Die Bedeutung der ökologischen Folgen zeigt sich in den Emigrationsprozess des 11. Jahrhunderts wieder, bei dem massive Invasionen der Araber von ihrem ursprünglichen Heimat stattfanden; nach einer anderen strengen Dürre, die die Bereiche einholte. Die Bekanntesten unter den Emigrierten waren die ursprünglich aus dem Yemen herkommenden Stämme Beni Hilals, die in Nordafrika drei Jahrhunderte zuvor eingedrungen waren. Von dort erreichten sie Nordmauretanien im 14. Jahrhundert.
Folgen der Einwanderung
Ibn Khaldun berichtete, dass während ihres Eindringens in Nordafrika Banu Hilal nach Westen gegangen waren und angeblich zerstört, gemordet und geraubt hatten. Wie Heuschrecken verschluckten und verwüsteten die Hilal und ihre Herden (Kamele) alle Formen des pflanzlichen Lebens und verursachten Mangel an Bauholz, was später ihre nomadischen Nachkommen quälte.
Nach der arabischen Eroberung vom fernen Maghreb 'Al-maghrib al-aqsa' im achten Jahrhundert, kannte Mauretanien eine langsame, aber kontinuierliche Zuwanderung der Araber und des arabischen Einflusses im Norden. Die wachsende Präsenz der Araber bedrückte die Berber, die es vorzogen, sich nicht mit anderen Gruppen zu vermischen und im ferneren Süden von Mauretanien einzudringen und dort die schwarzafrikanischen Ureinwohner zu bezwingen. Im sechzehnten Jahrhundert wurde die Mehrzahl der Schwarzen bis zum Senegal Fluss weiter gedrängt, und ein Rest versklavt, um die Oasen zu pflegen.
Die Arabisierung Mauretaniens
Nach dem Niedergang der Almoraviden hatte ein langsamer Vorgang zur Arabisierung Mauretaniens begonnen, was bislang erfolgreich von den Berbern verhindert wurde.
Im 11. Jahrhundert fand eine Reihe von arabisch nomadischen Stämmen ihren Weg in die Sahara, was zu größeren Veränderungen in Nordafrika führen musste. Die Ursache dieser Invasionen war Folgendes:
Zwei große nomadische Völkerstämme, Beni Hilal und Beni Soulaïm, die sich soeben im Delta von Nil niedergelassen hatten, gefährdeten die Ruhe Ägyptens durch ihren streitsüchtigen Charakter. So hatte der Kalif der Fatimiden in Ägypten, um ihrer kriegerischen Glut zu entgehen, sie bis nach Ifriqiya (heutige Tunesien) verfolgt. Dort um die Verfolgung der Meriniden (Meriniden: marokkanische Dynastie im 13. Jahrhundert) zu entfliehen oder vielleicht einfach um neue Weiden zu finden, verließ ein Teil von Ma'qil bestehend aus einer Gruppe Stämme, genannt Beni Hassan, nach und nach das Tal von Draa und machten sich nach Süden in Richtung Westsahara. Es war keine brutale Invasion, sondern eher eine fortschreitende Infiltration, die zwei oder drei Jahrhunderte andauerte.
Die Entstehung der heutigen Mauren
Die ur-Yemenischen Gruppen, die sich im Norden Mauretaniens niederließen, haben den Karawanenhandel gestört, der seinen Weg nach Osten verlegen musste, was zum progressiven Niedergang der damalig großen Handelsstädte Mauretaniens geführt hat. Bani Hassan setzten ihre Auswanderung nach Süden fort, um zum Ende des 17. Jahrhunderts das ganze Land zu beherrschen. Für mehr als 200 Jahre plünderten sie die Region und bekämpften die Berber, die durch die nördlichen Ausläufer der Reiche von Mali (Songhai) und von Tekrur durchstreiften. Die letzte Anstrengung der Berber, um das arabische Joch zu entgehen, war ein dreißigjähriger Krieg (1644-74), genannt 'Charr Bebba', vom Imam Nasir Eddine Lemtouni angestiftet. Dieser Krieg zur Befreiung Sanhadschas wurde nicht mit Erfolg gekrönt; die Berber wurden besiegt, und mussten das Schwert niederlegen und sich den arabischen kriegerischen Gruppen unterordnen.
Aus der Vermischung dieser Volksgruppen entstand ein neues Volk mit Arabisch als Sprache heute bekannt unter dem Namen "Mauren" bzw. Bidhan.
Die Mauren, ein ursprünglich aus arabischen, berberischen und schwarzafrikanischen Völkergruppen entstandenes Volk waren Hirten und Nomaden, die auf einem ausgedehnten Teil der Sahara, vom Draa-Fluss im Norden bis an den Ufern des Senegal und des Niger im Süden und zwischen dem atlantischen Ufer im Westen bis zu den al-Majabat, einer fast undurchdringbaren Dünenzone im Osten von Mauretanien und Norden von Mali, lebten. Die Bildung des maurischen Volkes erfolgte nach einem komplexen Wechselwirkungsvorgang zwischen Sanhadja und Beni Hassan; sie dauerte mehrere hundert Jahre an und wurde durch die ständigen Veränderungen in der Region erschwert.
Im 15. und 16. Jahrhundert berichten Reisende, dass die Sprache von Sanhadscha; Zenaga; noch überaus weit verbreitet war.
Der große portugiesische Zeitgenosse des 15. Jahrhundert, Gomes Eannes de Azurara, berichtet, dass Joao Fernandes Erforscher, der im Jahr 1445 mit Nomaden zum Hinterland der Sahara ab Dakhla zu den nahen Küstenstandort gereist war, bemerkt hatte "die Schrift dieser Leute und ihrer Sprache sind nicht dieselben wie jene der anderen Mauren; aber sie gehören alle der Sekte von Mahomet, und man nennt sie Arabes, Mazanegues und Berber."
Die Kolonialzeit
(16. bis 20. Jahrhundert) Die Europäer fingen erst in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts an, Interesse an Mauretanien zu zeigen, zuerst in Form von Entdeckungsreisen durch die Wüste. Französische Kaufleute in Saint Louis kauften von den Mauren im Süden Mauretaniens das Gummi Arabicum auf. Im 19. Jahrhundert besetzten französische Streitkräfte die Regionen von Trarza und von Brakna, die sich ebenfalls im Süden Mauretaniens befinden. Anfang des 20. Jahrhunderts haben sich die französischen Streitkräfte unter Xavier Cappolani erneut Mauretanien als Eroberungsziel auserkoren und versuchten mit aller Kraft, die kriegerischen arabischen Führer zu befrieden.
Aber im Gegensatz zu ihrer in Westafrika praktizierten kolonialen Herrschaftsweise haben die Franzosen in Mauretanien eine laissez-faire-Politik verfolgt, indem sie sich die arabischen Herrschaftsstrukturen zunutze machten. Diese damals eingerichteten Herrschaftsstrukturen bestanden bis in die Vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts, genauer: bis nach dem Ende des 2. Weltkriegs. Während die allermeisten französischen Kolonien ihre Unabhängigkeit anstrebten, oder wenigstens eine entscheidende Reform, gab es in Mauretanien nur ein Minimum an politischer Aktivität. Frankreich hatte trotzdem Änderungen in die Praxis umgesetzt, die den Reformen entsprachen, die auch überall sonst im französisch-sprechenden Afrika verlangt und gewährt wurden.
Die Unabhängigkeit
Bis 1958 gehörte Mauretanien noch zur Kolonie Französisch-Westafrika und wurde dann am 28. November 1958 zu einer autonomen Republik mit Namen République Islamitique de la Mauretanie. Mauretanien mit rund 650.000 Einwohner (1959) erhielt dabei wie die meisten ehemaligen Kolonialgebiete zunächst faktisch allerdings eine innere Autonomie, in der sich Frankreich weiterhin für die Bereiche Außenpolitik, Verteidigung und Bildung verantwortlich zeigte. Staatsoberhaupt blieb General Charles de Gaulle als Präsident der Französischen Gemeinschaft und erster Regierungschef wurde Mokhtar Ould Daddah. Mauretanien gründete hierbei zusammen mit Dahomey, die Elfenbeinküste, Niger und Volta eine Zollunion und ist seit 1958 Mitglied der Communauté Française (Französische Gemeinschaft) als Nachfolger der Union Française. Die neue politische Freiheit betraf allerdings höchstens ein Zehntel der Bevölkerung; doch selbst in dieser Gruppe gab es Gruppierungen, die gegen die politische Unabhängigkeit der Kolonie waren. Einige Mauren mit starken Verbindungen zu Marokko plädierten für die Einheit mit Marokko, während die Schwarzafrikaner im Süden sich der neuen Mali-Föderation anschließen wollten. Nur durch Kooptieren der traditionellen Führer mit vagen Versprechungen gelang es Mauretaniens politischem Führer Mokhtar Ould Daddah, die politische Einheit zu wahren, während Mauretanien seine Unabhängigkeit als Präsidialrepublik am 28. November 1960 feierte. Die Regierungspartei Parti du Peuple Mauretanie (PPM) („Hisb Chaeb“) (deutsch: Mauretanische Volkspartei) hielt in der gesetzgebenden Versammlung alle 34 Parlamentssitze. Die oppositionellen Parteien, darunter die Nadha Wataniya Mauretaniya wurden verboten. Am 18. November 1964 wurde die PPM zur Einheitspartei erklärt.
In den ersten Jahrzehnten der Unabhängigkeit blieb Mauretanien politisch und kulturell zutiefst geteilt. Die "Schwarzen" im Süden (Nicht-Mauren), waren durch die Beherrschung der Politik durch die Mauren verstimmt, welche sich unter anderem in der unverhältnismäßigen Vertretung der Mauren in der Bürokratie, im Offizierkorps der Armee und in der ungleichen Zuteilung der Entwicklungsfonds sowie der Erhebung des Arabischen zur Amtssprache widerspiegelt. Der Islam wurde zudem Staatsreligion Mauretaniens.
Am 6. Juli 1965 erklärte die mauretanische Regierung den Austritt des Landes aus der 1961 gegründeten Gemeinsamen Afrikanisch-Madegassischen Organisation (GAMO) (französisch: Organisation commune africaine at malgache, OCAM), dessen Präsident ebenfalls Mokhtar Ould Daddah war.
Mit studentischer Unterstützung protestierte die erste Gewerkschaft Mauretaniens, die Union de Travailleurs Mauritaniens (UTM) gegen eine Gehaltstabelle, nach der ein Teil der ausgebürgerten Europäer Gehälter bezogen, die fast 1.000 Mal höher lagen als die ihrer mauretanischen Kollegen.
Der Westsaharakonflikt
(1975 bis 1978) Die seit etwa 1970 bestehenden Streitigkeiten der angrenzenden Länder um den Besitz der einstigen spanischen Überseeprovinz Spanisch-Sahara (Westsahara) führte 1975 zu einem gemeinsamen Vorgehen von Mauretanien und Marokko gegen die saharanische Guerillabewegung POLISARIO.1976 rief die POLISARIO die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) aus. Marokko erkannte die DARS nicht an und annektierte 1976 die nördlichen zwei Drittel des Westsahara-Gebietes, während Mauretanien das südliche Drittel beanspruchte. Für Mauretanien hatte dieser Krieg katastrophale wirtschaftliche Folgen, nicht zuletzt durch mehrere überraschende Angriffe der POLISARIO gegen die Hauptstadt Nouakchott und die Eisenerzproduktion in Zouèrate. Dies führte schließlich 1978 zum Sturz Ould Daddahs und zum Verbot der Einheitspartei PPM. Im August 1979 gab Mauretanien alle Ansprüche auf das Westsahara-Territorium auf und Marokko annektierte auch das südliche Drittel der Westsahara. In den darauffolgenden Jahren erlebte Mauretanien mehrere Umstürze und Regierungsumbildungen. Es regierten nacheinander die Obristen Mustafa Ould Salek (1978–1979), Mohamed Mahmoud Ould Louly (1979–1980) und Mohamed Khouna Ould Haidalla (1980–1984). Am 12. Dezember 1984 gelangte Oberst Maaouya Ould Sid’Ahmed Taya an die Macht. Anfang 1991 kündigte er eine demokratische Umgestaltung des Landes an. Gemäß einer im Juli 1991 verabschiedeten Verfassung fanden 1992 freie Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt, die allerdings von der Opposition angefochten wurden.
Das Militär an der Macht
(1978 bis 1984) Wegen der hohen Kosten des Kriegs und der politischen Streitigkeiten in Mauretanien unternahm eine Offiziersgruppe am 10. Juli 1978 einen Putsch und ernannte Oberst Mustafa Ould Salek zum Vorsitzenden des neu gebildeten Militärkomitees für den Nationalen Wiederaufbau (Comité Militaire de Redressement National - CMRN) und damit zum Staatschef, das CMRN wurde im April 1979 weiterhin mit Salek als Vorsitzendem umbenannt in Comité Militaire de Salut National (CMSN). Auch ihm gelang es nicht, Mauretanien aus dem Westsaharakonflikt herauszulösen. Am 3. Juni 1979 rissen nach internen Machtkämpfen im CMSN die Obersten Ahmed Ould Bouceif und Mohamed Khouna Ould Haidalla die Macht an sich, neuer Vorsitzender des CMSN wurde Mohamed Mahmoud Ould Louly. Nachdem Bouceif bei einem Flugzeugabsturz umgekommen war, wurde Haidalla zum Ministerpräsidenten des Landes. Am 4. Januar 1980 übernahm er auch den CMSN - Vorsitz und damit das Amt des Staatsoberhaupts. Bereits im August 1979 hatte er einen Waffenstillstand mit der POLISARIO Regierung der Westsahara unterzeichnet, die mauretanischen Truppen zurückgezogen und die Neutralität Mauretaniens im Westsaharakonflikt zugesichert, später stimmte seine Regierung auch der diplomatischen Anerkennung der Westsahara zu.
Das von den Mauretaniern geräumte Gebiet der Westsahara (bis auf die Westküste der Kap Blanc Halbinsel mit der von den Bewohnern verlassenen Kleinstadt Lagouira) wurde umgehend von marokkanischen Truppen besetzt.
Taya-Regime
(1984 bis 2005) Als Antwort auf die fortschreitende Korruption des Haidalla-Regimes und auf eine scheinbar unwillkommene merkliche Neigung desselben für die RASD/Westsahara, unternahm Oberst Maaouiya Ould Sid Ahmed Taya am 12. Dezember 1984 einen erfolgreichen Putschversuch. Die sich für reformistisch erklärende Regierung Tayas konnte es kaum abwarten, demokratische Institutionen zu gründen, um von ihrer Unfähigkeit abzulenken, entscheidende wirtschaftliche und politische Reformen zu unternehmen sowie die ethnischen Konflikte zu dämpfen.
Taya versprach, Kommunalwahlen in den 13 Regionshauptstädten zu organisieren (was er im Dezember 1987 einlöste), die politischen Gefangenen zu entlassen, die Zivilrechte zu bestätigen und die Korruption zu beenden. Eine zweite Runde der Wahlen fand im Dezember 1987 und Januar 1988 statt, dieses Mal, um 500 Ratsmitglieder im ganzen Land zu wählen. Taya schaffte es bis zu seinem Sturz nicht, die ethnischen Spannungen zu lindern, die ein Hauptgrund für die mangelhafte Entwicklung des Landes sind.
„Militärrat für Gerechtigkeit und Demokratie (CMJD)“
Aufgrund der dauerhaften Stagnation und der unterbliebenen Reformen kam es immer wieder zu Putschversuchen gegen Taya, die schließlich am 3. August 2005 Erfolg hatten. Am 3. August 2005 besetzte eine Gruppe von Offizieren, die sich Militärrat für Gerechtigkeit und Demokratie (Conseil Militaire pour la Justice et la Démocratie - CMJD) nennt, das Armee-Hauptquartier, den Sitz des staatlichen Hörfunks und des Fernsehens sowie die Ministerien und den Präsidentenpalast in Nouakchott und erklärte Präsident Taya für abgesetzt. Die Putschisten hatten einen Auslandsaufenthalt Tayas anlässlich des Begräbnisses von König Fahd in Saudi Arabien genutzt; Taya ist nicht nach Mauretanien zurückgekehrt, sondern hat nach Zwischenaufenthalten in Niger (wo er von Präsident Tandja Mamadou empfangen wurde) und Gambia Aufnahme in Katar gefunden. Die Afrikanische Union (AU) verurteilte den Staatsstreich. Die Putschisten bestimmten den langjährigen bisherigen Polizei- und Geheimdienstchef, Oberst Ely Ould Mohammed Vall zum neuen Führer des Landes. Die neue Militärregierung kündigte an, innerhalb von zwei Jahren demokratische Verhältnisse in Mauretanien einzuführen. Oberst Vall wurde zum Vorsitzenden des 17-köpfigen Militärrates[1], und damit zum Staats- und Regierungschef ernannt. Am 5. August wurde Mauretanien „bis zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung“ vorübergehend aus der AU ausgeschlossen.
Demokratisierung und zivile Regierung unter Abdallahi
Der Militärrat begann 2006 mit der schrittweisen Wiedereinführung der Demokratie. Bei einem Verfassungsreferendum im Juni 2006 war von der Bevölkerung eine neue demokratischere Verfassung gebilligt worden. Die erste Runde der Parlamentswahlen fand am 19. November 2006 bei einer Wahlbeteiligung von 69,5 Prozent, die zweite Runde am 3. Dezember 2006 statt. Die Mitglieder der Militärregierung hatten im Vorfeld der Wahlen versprochen, selbst nicht für öffentliche Ämter zu kandidieren. Fast die Hälfte der Sitze wurde von unabhängigen Kandidaten gewonnen, darunter viele Mitglieder der früheren Regierungspartei, die nicht mit dem gestürzten Regime in Verbindung gebracht werden wollten, sowie Islamisten, deren Parteien verboten worden waren. Opposition und zivilgesellschaftliche Gruppen hatten der Militärregierung im Vorfeld der Wahlen vorgeworfen, die etablierten Parteien zu schwächen und unabhängige Kandidaturen zu fördern, um auf diese Weise einen größeren Einfluss auf den politischen Prozess zu bewahren. Wahlbeobachter bezeichneten die Wahlen als frei und fair.[2] Am 21. Januar und am 4. Februar 2007 wurde der Senat in indirekten Wahlen durch 3.688 Lokalräte bestimmt.
Bei den Präsidentschaftswahlen am 11. März 2007 konnte keiner der 20 Kandidaten die notwendige absolute Mehrheit erreichen. Der als Kandidat der Militärregierung geltende frühere Finanzminister Sidi Mohamed Ould Cheikh Abdallahi, der 15 Jahre im Ausland gelebt hatte, erreichte bei einer Wahlbeteiligung von 70,2 Prozent mit 24,8 Prozent der abgegebenen Stimmen das beste Ergebnis, knapp vor dem Kandidaten der oppositionellen CFCD, Ahmed Ould Daddah, mit 20,7 Prozent. Daddah ist ein Halbbruder des ersten Präsidenten Mauretaniens nach der Unabhängigkeit, Mokhtar Ould Daddah. Seit 2000 hatte sich Daddah zum wichtigsten Gegner des gestürzten Präsidenten Taya entwickelt und war mehrfach inhaftiert worden. Drittstärkster Kandidat wurde der frühere Zentralbankchef Zeine Ould Zeidane. Während die beiden Kandidaten der schwarzafrikanischen Minderheit mit acht bis knapp zehn Prozent erstaunlich gut abschnitten, blieben die beiden Kandidaten des islamistischen Lagers mit knapp zwei bis knapp acht Prozent deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die Stichwahl am 25. März 2007 endete bei einer Wahlbeteiligung von 67,4 Prozent mit dem Sieg Abdallahis, der auf 52,9 Prozent der Stimmen kam, nachdem Zeidane und weitere Kandidaten ihren Anhängern seine Wahl empfohlen hatten. Daddah erkannte seine Niederlage an. Am 19. April berief Abdallahi Zeidane zum neuen Ministerpräsidenten.
Militärputsch des Staatsrates unter Aziz
Am 6. August 2008 kam es zu einem neuen Militärputsch gegen den Präsidenten und den Regierungschef des nordwestafrikanischen Landes. Militärs hatten beide Politiker in der Hauptstadt Nouakchott in ihre Gewalt gebracht. Zuerst informierte das französische Außenamt, dass eine Gruppe mauretanischer Generäle den Regierungschef, Yahya Ould Ahmed El Waghef, festgesetzt hat. Augenzeugen berichteten gegenüber ausländischen Pressevertretern von Truppenbewegungen in Nouakchott. Demnach stellten die Radio- und Fernsehsender ihre Sendungen ein. Die früheren Angehörigen der Präsidentengarde, unter ihrem Anführer General Mohamed Ould Abdel Aziz bezeichneten sich als „Staatsrat“, der insgesamt elf Angehörige der Armee umfasst. Zuvor forderten erst 69 der 95 Abgeordneten im Parlament den Rücktritt des Präsidenten Abdallahi.
Siehe auch
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