Mehrheitssozialdemokratie

Mehrheitssozialdemokratie

Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands (MSPD) auch Mehrheits-SPD war die Bezeichnung für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) zwischen Mitte 1917 und 1919.

Der veränderte Name wurde benutzt, um eine Abgrenzung von den unabhängigen Sozialdemokraten, der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD), zu dokumentieren. Die Kriegsgegner in der SPD hatten sich während des Ersten Weltkrieges am 8. April 1917 nach ihrem Gründungsparteitag in Gotha von der Mutterpartei (SPD) abgespalten und eine eigene Partei, die USPD, gegründet.

Erst nachdem die marxistische Spartakusgruppe, ab November 1918 der Spartakusbund, der wiederum den revolutionären Flügel der USPD bildete, zusammen mit anderen kommunistischen Gruppierungen im Januar 1919 während der Novemberrevolution in der neu gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) aufgegangen war, und die USPD zwischen KPD und MSPD bis spätestens 1922 nahezu zerrieben wurde, legte die inzwischen deutlich gemäßigte und reformorientierte SPD das alternative Kürzel MSPD wieder ab und kehrte zur offiziellen Bezeichnung SPD zurück.

Hintergrund und historische Entwicklung

Grund für die Spaltung der SPD beziehungsweise der deutschen Sozialdemokratie in zwei getrennte Parteien war die zunehmende Auseinandersetzung um die Burgfriedenspolitik der Mehrheit der SPD-Reichstagsfraktion unter Führung des seit 1913 zusammen mit, dem späteren USPD-Mitglied, Hugo Haase amtierenden Vorsitzenden Friedrich Ebert, der die Kriegspolitik des Deutschen Kaiserreichs seit dem 4. August 1914 unterstützte.

Die Abkürzung MSPD steht für den inhaltlichen Wandel der SPD von einer internationalistisch ausgerichteten sozialistisch-revolutionären Klassenkampfpartei im Sinne des Marxismus in eine staatstragende, stärker an vermeintlich nationalen Interessen orientierte Reformpartei.

Die entsprechende Entwicklung hatte schon gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts mit der von Eduard Bernstein ausgelösten Revisionismusdebatte begonnen, in der die Anhänger Bernsteins den Weg zum Sozialismus nicht über eine Revolution, sondern durch Reformen und durch in allgemeinen Wahlen legitimierte demokratische Mehrheiten anstrebten. Dieser reformistische - im damaligen parteiinternen Sprachgebrauch revisionistische - Flügel der Partei, ideologisch zunächst noch in der Minderheit, setzte sich nach und nach in der SPD durch. Dabei war allerdings die praktische Politik der SPD schon länger, spätestens seit der Aufhebung der Sozialistengesetze 1890 im Parlamentarismus angekommen. Nach dem Tod des Parteivorsitzenden August Bebel, der als Integrationsfigur beider Flügel galt, war 1913 mit Friedrich Ebert ein deutlich gemäßigter Mann an die Spitze der Partei gewählt worden, der den reformistischen Kurs durchzusetzen begann.

Mit der Auslösung des Ersten Weltkrieges, dem Auseinanderbrechen der Zweiten Internationale und dem Beginn der Burgfriedenspolitik, die die Klasseninteressen der Partei der Staatsräson und der Kriegspolitik des Kaisers unterordnete, spitzte sich der Wandlungsprozess in der SPD zu und beschleunigte sich bis hin zur Spaltung der Partei.

Ende 1914 war Karl Liebknecht zunächst der einzige Reichstagsabgeordnete der SPD, der gegen die Kriegskredite stimmte. Mit zunehmender Dauer des Krieges, seinen festgefahrenen Fronten, Zehntausenden von gefallenen Soldaten und wachsender Not in der deutschen Bevölkerung wuchsen auch die Zweifel am Sinn und der Rechtfertigung des Krieges, nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in den Reihen der Sozialdemokraten.

Von Anfang an gegen den Krieg agitiert hatte die linksrevolutionäre Gruppe Internationale, die 1916 in Spartakusgruppe, 1918 in Spartakusbund umbenannt wurde, um Rosa Luxemburg, Clara Zetkin, Karl Liebknecht und andere. 1915/1916 nahmen die Gegenstimmen gegen die Kriegskredite aus den Reihen der SPD-Reichstagsfraktion zu. Zu den Kriegsgegnern gehörten nun nicht mehr nur Angehörige des marxistischen Flügels, sondern auch gemäßigte Linke und Reformisten wie Hugo Haase oder Eduard Bernstein. Diese innerparteiliche Opposition wuchs bis 1917 auf 45 Abgeordnete an. Im März 1917 machte die Mehrheit der SPD-Fraktion um Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann einen Strich unter den Konflikt und schloss die Kriegsgegner aus, so wie schon 1916 Karl Liebknecht aus der Partei ausgeschlossen worden und seit Mitte 1916 inhaftiert war.

Darauf gründeten die ausgeschlossenen Sozialdemokraten auf dem konstituierenden Parteitag vom 6. April bis 8. April 1917 in Gotha die USPD, der sich die Spartakusgruppe als linker Flügel anschloss. Die noch gegebene Mehrheit der SPD-„Burgfriedensfraktion“ im Reichstag wurde zur MSPD.

Siehe auch

Zur Politik der MSPD bis zur Gründung der Weimarer Republik zwischen 1917 und 1919 siehe unter den entsprechenden Unterartikeln bei den Hauptartikeln:


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