Menippus

Menippus
Menippos. Gemälde von Diego Velázquez, 1639/40

Menippos von Gadara, auch Menipp oder latinisiert Menippus (* um 330 v. Chr. vermutlich in Gadara, heute Umm Quais, Palästina; † um 260 v. Chr.) war ein griechischer Philosoph, der der Schule der Kyniker zugerechnet wird. Menippos vermischte als erster Prosa und Verse in seinen satirischen Schriften, weshalb er zum Namensgeber einer literarischen Gattung wurde, der Menippeischen Satire.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Über Menippos' Leben ist fast nichts bekannt. Nach Diogenes Laertios soll Menippos ein phönizischer Sklave gewesen sein, der durch Betteln oder Zinskredite zu Vermögen kam und schließlich in Theben (in der englischen Übersetzung Korinth) das Bürgerrecht erhielt. Weil er durch einen Betrug sein Geld verlor, soll er sich erhängt haben. Diogenes' Ton ist jedoch sehr spöttisch, so dass diesen Angaben wenig Vertrauen geschenkt werden kann.

Werk

Von Menippos' Schriften ist nichts erhalten bis auf einige Titel, die bei Diogenes Laertios erwähnt werden:

  • Unterwelt (Νέκυια), eine Beschreibung der Toten;
  • Testamente (Διαθῆκαι);
  • Scherzhafte Götterbriefe (Ἐπιστολαὶ κεκομψευμέναι ἀπὸ τῶν θεῶν προσώπου)
  • Gegen die Physiker, Mathematiker und Grammatiker (Πρὸς τοὺς φυσικοὺς καὶ μαθηματικοὺς καὶ γραμματικοὺς) bzw. Aufsätze gegen dieselben;
  • Über den Geburtstag Epikurs (Γονὰς Ἐπικούρου)
  • Über den Zwanzigsten (Τὰς θρησκευομένας ὑπ' αὐτῶν εἰκάδας).

Diogenes Laertios erwähnt eine Anzahl von insgesamt 13 Büchern und spottet über deren Inhalt:

„Er ist kaum ernsthaft zu nehmen. Seine Bücher strotzen vor Albernheiten (...) Einige behaupten, seine Bücher seien nicht von ihm, sondern von den Kolophoniern Dionysios und Zopyros, die ihm ihre Schriften, welche sie zum Scherz schrieben, übergaben, weil er sie am besten zu verkaufen/loszuwerden wusste.“

Der Stil seiner Werke lässt sich, da sämtliche Werke verloren sind, nur noch über seine Nachahmer rekonstruieren. Zu ihnen gehören der syrische Satiriker Lukian von Samosata und der römische Gelehrte Varro. In den Totengesprächen des Lukian tritt Menippos auch als literarische Figur auf.

Kennzeichnend für seine Werke ist nach dieser Tradition die ungewöhnliche, aber stilbildende Mischung aus Prosa und Versen (Prosimetrum), die in der lateinischen Literatur bis ins Mittelalter zahlreiche Nachfolger fand. Über die literarische Funktion dieser Mischung ist nichts bekannt. Der Tonfall dürfte, nach Einschätzung moderner Philologen, vom kritisch Satirischen über das spöttisch Komische bis zum heiter Burlesken rangiert haben. Sie stand damit in der Tradition der kynischen Diatribe.

Der Historiker Theodor Mommsen bezeichnete Menippos als den „Vater der Feuilletonliteratur und urteilte über ihn, er sei:

„der echteste literarische Vertreter derjenigen Philosophie, deren Weisheit darin besteht, die Philosophie zu leugnen und die Philosophen zu verhöhnen, der Hundeweisheit (Anm.: gemeint ist Kynismus, von κυνος = Hund) des Diogenes; ein lustiger Meister ernsthafter Weisheit, bewies er in Exempeln und Schnurren, dass außer dem rechtschaffenen Leben alles auf Erden und im Himmel eitel sei, nichts aber eitler als der Hader der sogenannten Weisen.“ (Th. Mommsen, Römische Geschichte, Bd. 5, 1854-1857)

Ob dieses Bild von Menippos korrekt ist, lässt sich heute aufgrund fehlender historischer Belege nicht mehr ermitteln. In der Geistesgeschichte erscheint Menippos jedoch als Spaßvogel, der eine spöttisch-kritische Haltung zur traditionellen Schulphilosophie vertrat. Menippos gilt jedoch nicht als Symbolfigur einer philosophischen Schule, sondern als Begründer der Satire als literarischer Gattung mit der Begründung, dass die literarische Form und die unterhaltende Funktion bei ihm relevanter erscheine als die philosophische Absicht.

Der Grund dafür mag darin liegen, dass die Philosophie Ironie, Schalk und Spott bereits in der Antike nicht mehr als ihre eigenen Mittel gelten ließ; sie lagen vielmehr im Aufgabenbereich der Literatur, die die Philosophie auf ihrem Gebiet nicht mehr anzufechten vermochte. Daher ist Menippos bis heute die Symbolfigur, mit der die „ernsthafte“ Philosophie sich von der „närrischen“ Literatur erstmals abgrenzte. Es mag als Zeichen für die von philosophischer Seite vehement verfochtene Abspaltung der Literatur von der Philosophie erscheinen, dass keine einzige philosophische Schule sich auf Menippos beruft, während andererseits eine ganze literarische Gattung nach ihm benannt ist.

Literatur

  • Marcus Terentius Varro: M. Terenti Varronis Saturarum Menippearum reliquiae. Hrsg v. A. Riese. Leipzig 1865
  • R. Helm: Lucian und Menippos. Leipzig/Berlin 1906
  • Diogenes Laertios: Leben und Meinungen berühmter Philosophen. Buch I-IX. Übers. Otto Apel. Hamburg: Meiner ²1967
  • Eugene P. Korkowski: Menippus and his imitators: a conspectius, up to sterne, for a misunderstood genre. 1979
  • Eugene P. Kirk: Menippean satire. 1980
  • Frederick J. Benda: The tradition of Menippean satire in Varro, Lucian, Seneca and Erasmus. Ann Arbor, Mich. 1983
  • Joel C. Relihan: A history of Menippean satire to A. D. 524. Madison 1985
  • Joel C. Relihan: Ancient Menippean satire. Baltimore; London 1993
  • Werner von Koppenfels: Der Andere Blick oder das Vermächtnis des Menippos. Paradoxe Perspektiven in der europäischen Literatur. München 2007

Weblinks


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