Michelangelo Merisi

Michelangelo Merisi
Porträt Caravaggios von Ottavio Leoni

Michelangelo Merisi (nach dem Herkunftsort seiner Familie kurz Caravaggio genannt; * 29. September 1571 in Mailand in der Lombardei; † 18. Juli 1610 in Porto Ercole am Monte Argentario) war ein italienischer Maler des Frühbarock, der sich durch seinen besonderen Realismus auszeichnete. Er gilt (zusammen mit Annibale Carracci) als Begründer der römischen Barockmalerei.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Caravaggio war der Sohn von Fermo Merisi, Architekt des Fürsten von Caravaggio (einer Stadt bei Bergamo), und seiner zweiten Frau Lucia Aratori. Nach neueren Erkenntnissen kam Michelangelo Merisi 1571 zur Welt.[1] Sein Bruder Battista, ein späterer Priester, wurde im Jahr darauf geboren. Michelangelo wuchs zunächst in Mailand heran. Wegen einer Pestepidemie im Jahr 1576 kehrte die Familie nach Caravaggio zurück, doch der Vater und ein Onkel erlagen der Krankheit. Michelangelos Mutter hatte erhebliche Schwierigkeiten, die Familie ohne Ernährer durchzubringen. 1584 gelingt es mit Hilfe des Fürsten Colonna, dem dreizehnjährigen Michelangelo einen Lehrvertrag mit dem bekannten Maler Simone Peterzano in Mailand zu verschaffen. 1588 verließ Michelangelo seinen Meister und ging wahrscheinlich nach Venedig. 1592 wandte er sich – völlig mittellos – nach Rom. Etwa fünf Jahre lang schlug er sich als Mitarbeiter minderer Malerwerkstätten durch, bevor er sich selbständig machte. Durch die Gemälde „Die Wahrsagerin“ und „Die Falschspieler“ wurde der kunstsinnige und einflussreiche Kardinal Francesco del Monte auf ihn aufmerksam, nahm ihn in seinem Palast auf und unterstützte ihn als Mäzen. In dieser Zeit fand er viele Bewunderer, die Zahl der Aufträge erhöhte sich beträchtlich. Nach verschiedenen eher intimen Gemälden für del Monte und seinen Kreis (darunter der „Bacchus“ und der „Lautenspieler“) erhielt Caravaggio kirchliche Aufträge.

Kurz vor der Jahrhundertwende entwickelte er die Hell-Dunkel-Malerei, die ihn besonders berühmt gemacht hat. Während die dramatische Intensität seiner Arbeiten allgemein bewundert wurde, erregte sein übersteigerter Realismus zugleich Widerspruch mancher seiner Auftraggeber. Darüber hinaus wurde er durch seine aufbrausende und leidenschaftliche Art in viele Zwistigkeiten und Gerichtsprozesse verwickelt. Diese Entwicklung gipfelte in einem Totschlag, den er 1606 im Affekt beging, woraufhin er aus Rom fliehen musste. Er ging zunächst 1607 nach Neapel, von dort aus Ende 1607 oder Anfang 1608 nach Malta, wo er als gefeierter Künstler aufgenommen und am 14. Juli 1608 Ritter des Malteserordens wurde. Bald kam er aber ins Gefängnis, weil er einen anderen Ritter beleidigt haben sollte und wurde aus dem Orden wieder ausgeschlossen. Caravaggio konnte jedoch entkommen und floh im Oktober 1608 nach Sizilien. Später ging er zurück nach Neapel. Auf den verschiedenen Stationen seiner Flucht malte er aber unverdrossen weiter seine religiösen Bilder. In Neapel wurde von Unbekannten ein Anschlag auf ihn verübt. Als er 1610 nach Rom zurückkehren wollte, um dort Begnadigung zu erlangen, starb er auf dem Weg dorthin in Porto Ercole, einer malariaverseuchten Gegend, wahrscheinlich an diesem Fieber. Wie aus einem 2001 gefundenen Dokument hervorgeht, wurde er in der Kirche S. Erasmo in Porto Ercole begraben.[2] Das Grab ist allerdings heute nicht mehr sichtbar.

Caravaggio liebte die Herausforderung und wandelte stets auf dem schmalen Grat zwischen Erlaubtem und Verbotenem, was ihm ein unruhiges Leben einbrachte. Häufig kam er dadurch „dalle stelle alle stalle“, wie die Italiener sagen - „von den Sternen in die Gosse“. Seine vermutliche Homosexualität bzw. Bisexualität und Neigung zu Straßenkindern und Jünglingen wurde immer wieder mit seinem Werk in Verbindung gebracht.

Werk

Bereits in seinen frühen Werken zeigte Caravaggio einen starken Realismus, der in starkem Kontrast zu dem damals tonangebenden Manierismus steht. Diese Naturnähe übertrug er auch auf religiöse Themen – möglicherweise wollte er die Bandbreite seines Könnens darstellen und gleichzeitig testen, wie weit er gehen könnte. Bei dem „Matthäus mit dem Engel“ für die Contarelli-Kapelle der Kirche San Luigi dei Francesi in Rom war er zu weit gegangen.[3] Dieses Altarbild musste er völlig umarbeiten. Die zweite Fassung siehe unten in Galerie.

Für seine Darstellungen biblischer Szenen bzw. Heiliger wählte er Menschen aus der Unterschicht zum Vorbild. So dienten ihm u.a. sowohl weibliche wie auch männliche Prostituierte als Modelle (etwa beim „Tod Mariens“ [siehe unten], einem Gemälde, das von den auftraggebenden Karmelitern prompt zurückgewiesen wurde). Für ihn stellte es keinen Widerspruch dar, einfache Menschen als Heilige zu porträtieren. Er sagte im Gegenteil, Heilige, wie beispielsweise Matthäus, seien ja schließlich auch Außenseiter in der Gesellschaft gewesen. Seine Bilder sind auf eine Weise naturalistisch, wie es für die damalige Zeit ungewöhnlich und schockierend war. Das berühmteste Beispiel ist die Rosenkranzmadonna, bei der die schmutzigen Fußsohlen der Knienden sichtbar sind. Er wurde daher als „Maler der schmutzigen Füße“ verunglimpft.

Auffallend sind seine extremen Hell-Dunkel-Kontraste (Chiaroscuro), bei denen ein grelles Schlaglicht auf die Hauptfiguren geworfen wird. Technisch erreichte er diese Loslösung der Hauptfiguren aus dem räumlichen Zusammenhang durch eine erste Farbschicht in Bleiweiß über einer dunklen (meist braunen bis schwärzlichen) Grundierung. Dadurch erscheinen seine Figuren stets in einem schmalen Vordergrund vor einem undurchdringlichen dunklen Hintergrund. Es wurde öfter mit einem Lichtschein aus einem Kellerfenster verglichen. Dies steigert die malerische Dramatik, was bereits zu Lebzeiten des Künstlers zu Kopien seiner Gemälde geführt hatte. Die auf diese Weise von ihm vernachlässigte Ausarbeitung der Hintergründe lieferte seinen Kritikern allerdings auch das Argument, Caravaggio wäre unfähig, akademisch zu zeichnen; er brauche das speziell beleuchtete Modell und wäre nicht in der Lage, komplexe räumliche Zusammenhänge wiederzugeben.

Doch nicht vordergründiger Realismus oder bühnenwirksames Schlaglicht allein machen die Bedeutung von Caravaggios Gemälden aus. Es ist das Dramatische in seinem Werk, das charakteristisch werden sollte für die Malerei der Barockzeit. So etwa in der „Berufung des Matthäus“: der Blickkontakt Jesu mit dem Zöllner ist es, der dessen Leben umkehrt. Dieser Blick wird vom Licht hervorgehoben und in unserem Gedächtnis festgehalten. In diesem Sinne kann man Caravaggios Bilder als „zeitlos“ ansehen.

Wenn auch die Bilder in der Kirche umstritten waren und zum Teil abgelehnt wurden, wurden sie von den Reichen gekauft, natürlich auch von Kardinälen und Bischöfen. Das Gemälde „Tod Mariens“ wurde – nachdem die Karmeliter es abgelehnt hatten – auf Empfehlung von Peter Paul Rubens vom Herzog von Mantua angekauft. Sein größter Konkurrent zu Lebzeiten war Annibale Carracci.

Nur ein Bild signierte Caravaggio. Es ist das Bild von der Enthauptung Johannes des Täufers. Auch wenn nur unscheinbar, lässt seine Signatur doch damit einen eindeutigen Rückschluss auf sein Wirken zu – das Bild ist heute auf Malta in der St.-Johannes-Co-Kathedrale in Valletta zu finden.

Die Werke

Wirkung

Das Werk Caravaggios war von unüberschätzbarem Einfluss insbesondere auf die niederländische Malerei.

Malerei, die sich besonders eng an seinen Stil anlehnte, besonders die Stillleben und Genremalerei des italienischen, französischen und niederländischen Frühbarock wurde als caravagesque bezeichnet. Von Caravaggio beeinflusste Maler („Utrechter Caravaggisten“ genannt), besonders was seine bahnbrechende Hell-Dunkel-Technik und die scheinbare Alltäglichkeit der Szenen betraf, waren u.a. Orazio Gentileschi, Artemisia Gentileschi, Dirck van Baburen, Georges de la Tour, Gerrit van Honthorst, Hendrick ter Brugghen, Jusepe de Ribera oder Johann Ulrich Loth (Deutschland). Auch bei Peter Paul Rubens, Jan Vermeer, Rembrandt und Diego Velázquez finden sich Anklänge an sein Werk.

Obwohl Caravaggio keine eigentlichen Schüler hatte, übte möglicherweise kein anderer Vertreter der abendländischen Malerei neben Giotto di Bondone und Masaccio soviel Einfluss über seine Zeit hinaus aus wie Caravaggio. Trotz seines enormen Einflusses war er bereits weniger als eine Generation nach seinem Tod vergessen. Bis ins 19. Jahrhundert war er kaum mehr bekannt, da seine unfrommen Darstellungen und der krasse Realismus weder dem Geschmack der barocken Gegenreformation noch dem der Klassizisten bzw. der Nazarener entsprachen.

Auch zeitgenössische Maler wie der Norweger Odd Nerdrum, der Ungar Tibor Csernus und der Deutsche Otto Lohmüller stellen sich schöpferisch in seine Tradition.

Museen

Die Werke Caravaggios kann man u. a. in folgenden Museen und Kirchen besichtigen:

Ausstellung

  • Caravaggio. Auf den Spuren eines Genies. Düsseldorf, 9. September 2006 – 7. Januar 2007, Museum Kunstpalast. Offizielle Webseite

Film

Einzelnachweise

  1. Gilles Lambert: Caravaggio
  2. Grab Caravaggios
  3. [1] . Fassung

Literatur

  • Gilles Lambert: Caravaggio Taschen 2005, ISBN 3-8228-0818-0
  • Claude Esteban: L'Ordre donné à la nuit Verdier, Paris 2005
  • Jürgen Harten, J. H. Martin (Hg.): Caravaggio. Originale und Kopien im Spiegel der Forschung Hatje Cantz 2006, Katalog zur Düsseldorfer Ausstellung ISBN 3-7757-1806-0
  • J. H. Martin (Hg.): Maler, Mörder, Mythos. Geschichten zu Caravaggio Hatje Cantz 2006 ISBN 978-3-7757-1807-3
  • Winfried Schindler: Ovid: Metamorphosen. Europa und Narziss (Exemplarische Reihe Literatur und Philosophie, Band 20) mit einer ausführlichen Deutung des Gemäldes Narciso - Narziss von Caravaggio. Sonnenberg, Annweiler 2005 ISBN 978-3-933264-39-8

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