Milchreferenzmenge

Milchreferenzmenge

Im Jahre 1984 führte die damalige Europäische Gemeinschaft (EG) eine Quotenregelung ein, um die Milchproduktion in den Mitgliedstaaten zu beschränken. Grundlage für die Zuteilung der Milchreferenzmenge, auch Milchquote oder Milchkontingent genannt, war die Milchanlieferungsmenge des Milchwirtschaftsjahres 1983 (1. April 1983 bis 31. März 1984).

Im Rahmen der Garantiemengenregelung wurde jedem Mitgliedstaat eine feste Produktionsquote für Milch zugewiesen. In Deutschland wurde diese Quote auf die einzelnen milcherzeugenden Betriebe verteilt, so dass die Quoten einzelbetrieblich verwaltet werden. Andere Mitgliedstaaten wie Frankreich verwalten die Quoten als Molkerei-Kontingente.

Liefert ein Milchproduzent mehr Milch als er über Quoten verfügt, wird er sanktioniert, und zwar über die Zahlung einer sogenannten Superabgabe. Die Superabgabe ist so hoch festgelegt, dass die Milchproduktion ökonomisch unrentabel ist.

Die Regelungen wurden mit Gründung der Europäischen Union (EU) 1993 übernommen.

Inhaltsverzeichnis

Gründe für die Einführung der Milchquote

Bereits Ende der 1970er Jahre führte die steigende Milcherzeugung in der EG zu immer größeren Überschüssen („Milchsee“, „Butterberge“), die nur mit hohen Aufwendungen vom Markt genommen werden konnten. Um den Milchmarkt zu reglementieren wurde das marktpolitische Instrument der Kontingentierung der Angebotsmenge gewählt. Damit wollte man durch ein begrenztes Angebot einen stabilen Preis für Milcherzeugnisse erhalten. Zudem sollten die EG-Ausgaben für diese Agrarmarktordnung begrenzt werden.

Probleme der Milchquote

Die zugeteilte Quote lag rund 15–20 % über dem Verbrauch. Auch heute noch liegt sie 10–15 % darüber, so dass bis heute dieser Teil der Erzeugung weitgehend subventioniert abgesetzt wird (Futtermittel, industrielle Verwertung, Drittlandsexport). Diese Aussage relativierte sich allerdings im Milchwirtschaftsjahr 2007, als erstmals weniger Milch auf dem europäischen Markt verfügbar war, als nachgefragt wurde, was zu Milchpreisen 50-100% über dem Vorjahrespreis führte. Des Weiteren wurde seitdem die Marktordnung für Milch ausgesetzt, so dass seitdem keine Milchprodukte mehr subventioniert werden.

Damit konnten die stabilen Preise nicht in der erhofften Form durchgesetzt werden. Die politischen Signale hinsichtlich der Überproduktion sind widersprüchlich: Einerseits gab es Herauskaufaktionen, Quotenkürzungen, die Fettquote und Superabgaben, anderseits aber auch Quotenerhöhungen und erweiterte Saldierungsmöglichkeiten. 1995 kam es durch die Vereinbarungen der Uruguay-Runde der WTO zu einer teilweisen Marktliberalisierung. Weitere Liberalisierungsschritte blieben mit dem Scheitern der Verhandlungen von Cancun (2003) aus.

Die verfügbaren Quoten sind seit Einführung der Garantiemengenregelung fast jedes Jahr überschritten worden. Hierfür zeichnet trotz Quotenerhöhungen insbesondere Italien verantwortlich. Seit 2003 ist im wesentlichen Deutschland für die Quotenüberschreitungen verantwortlich. Anfang der 1990er Jahre war Deutschland durch die Umstrukturierungsprobleme in den neuen Bundesländern und die Quotensaldierung auf Bundesebene praktisch abgabenfrei. Danach holten die ostdeutschen Betriebe auf und verminderten den Saldierungsspielraum, so dass seit 1996/97 fast jährlich überliefert wird. Frankreich und England dagegen nutzen ihre Quoten nicht mehr aus. Auch Spanien und vor allem Griechenland können die ihnen zugestandenen zusätzlichen Quoten bisher nicht beliefern. 2003/04 waren in der EU-15 388 Mio. € Superabgabe fällig. 2006 lag die Gesamtmenge der in der EU produzierten Milch bei 774.000 Liter oberhalb der Milchquote wofür Superabgaben in Höhe von 221 Mio. Euro gezahlt werden mussten. Die größten Teile der Superabgabe entfielen mit 176,3 Mio. Euro und 24,7 Mio. Euro auf Italien und Österreich. [1]

Die Milchquote stellt für die landwirtschaftlichen Betriebe einen Kostenfaktor dar. Bei Milchleistungssteigerung oder Aufstockung der Kuhzahl muss Milchquote gekauft werden, um die zusätzliche Milchmenge absetzen zu können. Die Quotenpreise lagen in einzelnen Regionen zeitweise bei über 1 €/kg. Dieses Kapital muss investiert werden, d. h. für den Betrieb entstehen Kosten durch Abschreibung und Zinsaufwand. Damit nimmt die Wirtschaftlichkeit der Milchviehhaltung ab, je höher die Quotenkosten sind.

Die Milchquote ist faktisch zum „Eigentum“ der Betriebe geworden. Beim Ausstieg aus der Milchviehhaltung wird sie weiterverkauft, bis 2000 konnte sie auch verpachtet oder verleast werden. Damit entstand der Begriff „Sofamelker“.

Milchbörse

Seit dem Jahr 2000 ist eine Übertragung bzw. ein Handeln der Milchquote in Deutschland nur noch über Milchquoten-Verkaufsstellen, sogenannte "Quotenbörsen" oder "Milchbörsen", und innerhalb bestimmter Regionen (Übertragungsgebiete) möglich. Zu bestimmten Terminen (3 mal jährlich) können dort Verkäufer Milchquoten zu einem von ihnen gewählten Preis anbieten. Erzeuger, die Milchquoten erwerben wollen, machen an der Börse ihrerseits ein nach Preis und Menge definiertes Angebot. Auf dieser Grundlage wird der Gleichgewichtspreis ermittelt und die Quotenmengen verteilt, die dem Gleichgewichtspreis entsprechen. Angebot und Nachfrage, die außerhalb eines Preiskorridors liegen, werden nicht berücksichtigt und können nicht verkauft werden.

Bis 1. Juli 2007 gab es 21 Übertragungsgebiete in Deutschland: 5 in den neuen Bundesländern (Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin/Brandenburg), je eine Übertragungsstelle in den alten Bundesländern Hessen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein mit Hamburg, Niedersachsen mit Bremen und eine gemeinsame Stelle für Rheinland-Pfalz und Saarland. In Baden-Württemberg gab es 4 Übertragungsgebiete (Regierungsbezirke Stuttgart, Karlsruhe, Tübingen, Freiburg), in Bayern 7 (Regierungsbezirke Oberbayern, Niederbayern, Schwaben, Oberpfalz, Unter-, Mittel- und Oberfranken). Ab dem Börsentermin 1. Juli 2007 wurden alle bisherigen Übertragungsgebiete in Deutschland zu nunmehr zwei zusammengelegt. Alle alten Bundesländer bilden zukünftig das Übertragungsgebiet West, die neuen Bundesländer das Übertragungsgebiet Ost. Für beide Übertragungsgebiete wird künftig ein gemeinsamer Gleichgewichtspreis für die gehandelten Quotenmengen errechnet. Der letzte Börsentermin am 1.4.2009 ergab einen Quotenpreis von 0,24 €/kg im Übertragungsgebiet West und 0,14 €/kg im Übertragungsgebiet Ost.

Innerhalb der Familie können im Falle der Hofübergabe oder bei Kooperationen unter bestimmten Bedingungen die Milchquoten außerhalb der Milchbörse übertragen werden.

Grenzkaufpreis

Der gerade noch wirtschaftliche Quotenkaufpreis wird Grenzkaufpreis genannt. Der Einzelbetrieb muss individuell entscheiden, zu welchem Quotenpreis er Milchquote einkaufen kann – d.h. welcher Preis für ihn aus betriebswirtschaftlicher Sicht noch rentabel ist. Dies hängt von den Leistungen und Kosten seiner Milchviehhaltung ab sowie von den nötigen Investitionen bei Aufstockung, möglicher Zinsbelastung und den Kostenansätzen für den Mehrbedarf an Arbeitsleistung. Bei dem gerade noch wirtschaftliche Quotenkaufpreis (Grenzkaufpreis) entsprechen die zusätzlichen Kosten des Quotenzukaufs den zusätzlichen Leistungen aus dem Milchverkauf.

Beispiel: Ein Milchviehbetrieb möchte einen neuen Laufstall für 70 Kühe bauen. Er rechnet mit einem Deckungsbeitrag je Kuh in Höhe von 1.800 € (Milchleistung 7000 kg, Milchpreis brutto 0,32 €/kg), bei Abzug der Grundfutterkosten von 1.200 €. Der Arbeitsaufwand sollte bei 40 Arbeitskraftstunden pro Kuh liegen, bei 10 € Lohnansatz entspricht dies 400 €. Für die 0,5 ha/Kuh nötigen Flächen zur Grundfutterproduktion fallen Pachtzahlungen in Höhe von 300 €/ha also 150 €/Kuh an. Er rechnet mit Gebäudekosten in Höhe von 400 €/Kuh (Abschreibung, Unterhalt, Versicherung und Zins für Investitionskosten je Stallplatz von 4.500 €). Damit bliebe ihm 250 €/Kuh für die jährlichen Quotenkosten übrig. Dies sind bei 7.000 kg Milch/Kuh 0,035 €/kg Milch. Bei einer angenommenen Laufzeit der Quote bis 2015 (8 Jahre) und 6 % Zinsansatz entspricht dies einem möglichen Kaufpreis für die Quote in Höhe von 0,22 €/kg. Dies ist der Grenzkaufpreis, d.h. zu diesem Preis könnte der Betrieb die Quote kaufen – ohne Verlust zu machen, aber auch ohne einen Gewinn bzw. eine nötige Risikoabsicherung zu erreichen.

Es ist allerdings zu bedenken, dass Betriebe, die einen neuen Stall bauen und dafür Fördergelder erhalten wollen, entsprechend des Zielbestandes Milchquote vorweisen müssen, um die Förderung zu bekommen, daher liegt der Quotenpreis in der Regel über dem Grenzpreis.

Zukunft der Milchquote

Im Rahmen der aktuellen Reform der EU-Agrarpolitik wurden drei Maßnahmen in Bezug auf die Milchquote beschlossen. Die Milchquoten-Regelung wurde bis 2014/15 verlängert. Die Quoten werden in drei Schritten um insgesamt 1,5 % in den Jahren 2006 bis 2008 erhöht. Außerdem wurden zusätzliche Quoten für Griechenland (120.000 t) und für die Azoren (73.000 t) bestimmt.

Daneben wurde die Senkung der Interventionspreise bei Butter und Magermilchpulver, die schrittweise Absenkung von Interventionsschwellen für Butter, die Abschaffung des Richtpreises für Milch sowie eine 60%-ige Kompensation der Einkommensverluste durch eine Milchprämie beschlossen.

Die Diskussion über die Abschaffung der Milchquote, wie sie der Beschluss für das Jahr 2014/15 vorsieht, wird seither intensiv geführt. Die Argumente für die Abschaffung der Milchquote sind unter anderem, dass hohe Quotenkosten wachstumswillige Betriebe in der Weiterentwicklung belasten. Trotz Milchquote findet eine Marktstabilisierung nicht im gewünschten Maße statt. Die Milchquote behindert den freien Wettbewerb zwischen den Milcherzeugern. Sie verhindert eine stärkere Exportorientierung der Molkereien. Es findet eine Umverteilung von Kapital von aktiven auf ausscheidende Milchproduzenten statt.

Gegen die Abschaffung der Milchquote spricht, dass die Milchquote nur deshalb nicht zu einer Preisstabilisierung geführt hat, weil sie inkonsequent durchgesetzt wurde. Die Mengenbegrenzung müsste dem Verbrauch angepasst sein, die Saldierung sollte gestrichen und Übermilch stärker sanktioniert werden. Bei Abschaffung der Milchquote ist die völlige Liberalisierung des Milchmarktes zu erwarten und damit ein Absinken des Milchpreises auf Weltmarktniveau. Dieses Niveau ist so niedrig, dass sehr viele Betriebe dann nicht mehr kostendeckend wirtschaften können und die Milchviehhaltung aufgeben müssten. Zudem ist die Milchquote ein Vermögenswert. Bei Abschaffung der Quote würde dieser Vermögenswert ersatzlos aufgelöst und die Betriebe bzw. Eigentümer erhielten keinen Ausgleich.

Im November 2008 einigten sich die EU-Landwirtschaftsminister darauf, die Milchquoten zwischen 2009 und 2013 um jährlich ein Prozent zu erhöhen. 2010 und 2012 sind Überprüfungen vorgesehen, ob die Marktlage eine weitere Erhöhung erlaubt. [2]

Bilanzierung

Grundsätzlich kann eine Milchquote nur dann bilanziert werden, wenn sie entgeltlich erworben wurde. Das bedeutet, dass die zugewiesenen Milchreferenzmengen aus dem Jahre 1984 nicht aktiviert werden dürfen. Wenn allerdings Milchquoten entgeltlich erworben wurden besteht die Verpflichtung zur Bilanzierung als immaterielles Wirtschaftsgut. Da dieses immaterielle Wirtschaftsgut nicht abgenutzt werden kann und keiner zeitlichen Nutzungsbegrenzung unterliegt, kann die Milchquote nicht planmäßig abgeschrieben werden. Allerdings muss bei einer dauerhaften Wertminderung nach §253 Absatz 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) eine außerplanmäßige Abschreibung auf den niedrigeren Tageswert erfolgen. Dies ist zurzeit der Fall, da der aktuelle Börsenwert zum 30. Oktober 2006 nur 0,29 Euro pro Kilogramm betrug. Allerdings führt die voraussichtliche Abschaffung der Milchquote zum 31. Dezember 2015 dazu, dass die Milchkontingente bis zum Jahr 2015 planmäßig abgeschrieben werden müssten.

Siehe auch

Literatur

  • Felsmann: Einkommensbesteuerung in der Land- und Forstwirte, 3. Auflage/28. Ergänzung September 2000
  • § 253 Absatz 2 Handelsgesetzbuch
  • Die Landwirtschaft/Wirtschaftslehre, 12. Auflage, BLV Verlagsgesellschaft mbH, München, 2005, ISBN 3-405-16439-7
  • Die Landwirtschaft/Märkte und Vermarkten, BLV Verlagsgesellschaft mbH, München, 2003, ISBN 3-405-16440-0

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Milchquote: Österreichs Bauern zahlen 25 Mio. Strafe diepresse.com, 18. Oktober 2007
  2. Tagesschau:EU einigt sich auf Neuverteilung der Agrarsubventionen

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