Milesisches System

Milesisches System
Zahlenwerte
Buchstabe Akro-
phon
The-
sis
Mile-
sisch
Alpha α 1 1
Beta β 2 2
Gamma γ 3 3
Delta δ 10 4 4
Epsilon ε 5 5
Stigma ϛ 6
Zeta ζ 6 7
Eta η 100 7 8
Theta θ 8 9
Iota ι 1 9 10
Kappa κ 10 20
Lambda λ 11 30
My μ 10000 12 40
Ny ν 13 50
Xi ξ 14 60
Omikron ο 15 70
Pi π 5 16 80
Qoppa ϟ 90
Rho ρ 17 100
Sigma σ 18 200
Tau τ 19 300
Ypsilon υ 20 400
Phi φ 21 500
Chi χ 1000 22 600
Psi ψ 23 700
Omega ω 24 800
Sampi ϡ 900

Bei den Griechischen Zahlen sind seit antiker Zeit drei verschiedene Arten zu unterscheiden, Buchstaben als Ziffern zu verwenden.

Die älteste, das akrophone Prinzip, setzte bei den Anfangsbuchstaben der Zahlwörter an, während die beiden anderen jeweils von der Reihenfolge der Buchstaben im Alphabet ausgingen, denen dann entweder nach dem milesischen Prinzip dekadisch gestufte Zahlwerte oder aber nach dem Thesis-Prinzip unmittelbar aus deren Stellung im Alphabet abgeleitete Zahlwerte zugeordnet wurden. Letzteres fand aber, da es auf nur 24 Werte beschränkt ist, bei den Mathematikern keine Verwendung.

Das alphabetische Zahlensystem ist eine Idee der Griechen. Andere Alphabete wurden erst später nach ihrem Modell adaptiert. Das Prinzip des Systems selbst ist jedoch schon in der hieratischen bzw. der demotischen Schreibweise der ägyptische Zahlen gebräuchlich. Das alphabetische Zahlensystem war im alten Griechenland das bei weitem bedeutendste. Es war das Standard-Zahlensystem aller griechischen Mathematiker von der Antike bis zur Neuzeit, das heißt der Übernahme der indischen Ziffern in der modernen europäischen Mathematik.

Seit hellenistischer Zeit wurde das griechische alphabetische Zahlensystem auch bei numerologisch orientierten gematrischen Praktiken im Bereich der Zahlenexegese, der Onomatomantik und der Magie verwendet.

Es wird im Griechischen auch heute noch vielfach zur Schreibung von Ordinalzahlen verwendet (z. B. für Herrschernamen, der Verwendung der römischen Zahlen im Deutschen vergleichbar), während für Kardinalzahlen auch im Griechischen heute normalerweise – wenn nicht Wert auf eine betont traditionelle Schreibweise gelegt wird – die dezimalen indo-arabischen Ziffern üblich sind. Jedem heutigen Griechen sind die alten Zahlen noch geläufig, beispielsweise erfolgt die Zählung der Schulklassen nach dem alten System: Ein Kind, welches die fünfte Klasse besucht, ist also in der Epsilon-Klasse.

Entsprechend dem griechischen Vorbild wurden fast alle Alphabete, z. B. das hebräische Alphabet, das arabische Alphabet, das kyrillische Alphabet und die meisten anderen Alphabete als Zahlenalphabete adaptiert. Da aber in Westrom, bis Ende des Mittelalters, die römischen Zahlen als Standard-Zahlensystem galten, wurde das lateinische Alphabet bis in die neuzeitliche Epoche nie adaptiert.[1]. Statt dessen verwandte man auch im oströmischen Reich während des Mittelalters die griechischen alphabetischen Zahlen.

Inhaltsverzeichnis

Die akrophonen Zahlen

Seit etwa des Beginns des fünften Jahrhunderts v. Chr. ist der Gebrauch der sogenannten akrophonen Zahlen attestiert. Dabei werden die Anfangsbuchstaben des Zahlwortes zur Schreibung des entsprechenden Zahlwertes eingesetzt. Es ergibt sich ein System ganz ähnlich der  – in etwa gleichzeitig entwickelten –  römischen Zahlen.

Es galt:   Ι  (einfacher Strich)  =  1,   Π  (von pente)  =  5,   Δ  (von deka)  =  10,   Η  (von hekaton)  =  100,   Χ  (von chilioi)  =  1000  und  Μ  (von myrioi)  =  10 000.

Neben fünf gleich pi wie pente, gibt es auch Zeichen für 50, 500 und 5000. Dabei werden 10, 100 und 1000 in das Pi hineingeschrieben, was einer Multiplikation mit fünf entspricht und eine fünffache Aneinanderreihung der gleichen Ziffer vermeidet.

Die Werte der akrophonen Zahlen im Vergleich zu den römischen Zahlen.
I  |  |  Δ  | Δ |  Η  | Η |  X  | X |  M
1 5 10 5
×
10
100 5
×
100
1000 5
×
1000
10000
50 500 1000
×
5
1000
×
10
I V X L C D M V X

    Anmerkung:  Aus praktischen Gründen wurde Π in der Tabelle als  |  |  dargestellt.

Beispiel:   1982   =   X  | Η | HHHH .  | Δ | ΔΔΔII   =   MCM . LXXXII.

Die alphabetischen Zahlen

Das lineare, defektive System nach dem Thesis-Prinzip

Als „Thesis-System“ bezeichnet man in der Forschung in Anknüpfung an eine Formulierweise Artemidors ein lineares Zahlenalphabet, bei dem die Zahlwerte der Buchstaben sich ohne sonstiges Steigerungsprinzip oder andere Rechenoperationen unmittelbar schon aus der Stellung (thesis) des jeweiligen Buchstaben in der Reihenfolge des Alphabet ergeben. Als Hinweis darauf, dass ein solches Thesis-System nach dem Prinzip Alpha bis Omega = 1 bis 24 (also ohne die drei numerischen Sonderzeichen Digamma bzw. Stigma, Qoppa und Sampi) auch in der griechischen Kultur der Antike schon eine Rolle gespielt haben könnte, hat man insbesondere die Überlieferung von Homers Ilias und Odyssee bewertet, deren jeweils 24 Gesänge zumindest in der Tradition der alexandrinischen Grammatiker nach den Buchstaben des Alphabets nummeriert und zitiert werden, ferner Zählbuchstaben auf den Friestafeln des Pergamonaltars und für Werte kleiner als Zehn (insofern ohne eindeutiges Indiz für ein Thesis-System) auf Lostafeln oder zur Bezeichnung der Stadtteile von Alexandria.

α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ τ υ φ χ ψ ω
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

Durch das Traumbuch Artimedors ist außerdem bezeugt, dass bei der gematrischen Deutung von Personennamen zuweilen die Thesis-Werte der Buchstaben zugrundegelegt wurden, wenn die sonst auch für solche Zwecke üblichen milesischen Werte unpassend hoch ausgefallen wären.

Das komplette Zahlensystem nach dem milesischen Prinzip

Seit Mitte des 3. Jahrtausends sind die sogenannten hieratischen Zahlen bezeugt. Es handelte sich dabei um die Kontraktionen, der noch älteren, anologen Darstellung der ägyptischen Hieroglyphenzahlen.[2] Letztere, ihrer ursprünglichen Form, stellten z. B. die Zahl 397 als drei Kringelchen, gleich dreihundert, plus neun Bögchen, für neunzig, plus sieben Striche für sieben dar. Jede einzelne Stelle wurde aber später zu einem Zeichen, einer Ziffer, zusammengezogen. Diese Ziffern wurden zum Beispiel auch im Rhind Papyrus verwendet.

Die demotische Schrift vereinfachte die Ziffern nochmals. Mitte des 4. Jahrhundert v. Chr. kamen die Griechen aber auf die Idee, die ersten drei, der aus jeweils neun Ziffern bestehenden hieratisch-demotischen Zahlenreihen, durch die Buchstaben ihres eigenen Alphabets zu ersetzen. Seither spricht man vom „alphabetische Zahlensystem“. Es teilt das Alphabet in drei Gruppen von je neun Zeichen für die Darstellung der Einer, der Zehner und der Hunderter.

Um die hierfür benötigte Gesamtzahl von 3 × 9 = 27 Zeichen zur Verfügung zu haben, wurden zum Zweck der Zahlendarstellung drei alte Buchstaben, die in der griechischen Schrift bereits ausgeschieden waren, wieder eingegliedert.

  •     6  =  Digamma   –    Es entspricht dem lateinischen F. Als Minuskel wird die Wortende-Variante des Sigmas (ς) verwendet, das auch als Stigma gedeutet wird. In heutigen Druckwerken wird meistens die Buchstabenkombination sigma-tav (στ) verwendet.
  •   90  =  Koppa        –    Das ist das alte Qoph, also das lateinische Q. Ursprünglich geschrieben in der Form ϙ, später auch in der Schreibform:  ϟ.
  • 900  =  Sampi        –    Sampi oder Tsampi entspricht dem phönizischen Sade (San), sowie dem hebräischen Tzade; graphisch im Griechischen:  ϡ.

Während F und Q ihren ursprünglichen Platz im Alphabet einnehmen, wurde das alte San bzw. Tzade, das eigentlich zwischen P und Q steht, als Tsampi, auf den letzten Platz gesetzt.

Über die Gründe hierzu kann nur spekuliert werden. Wollte man vermeiden, dass nach Pi, mit Tsampi und Koppa gleich zwei wiederbelebte Buchstaben als Zahlen aufeinander folgen? Spielte sogar die Tatsache eine Rolle, dass im lateinischen Alphabet, nach der Erfindung des lateinischen G, das Z – im altgriechischen genauso ausgesprochen – bereits von seinem ursprünglichen siebten Platz ans Ende des lateinischen Alphabets verlegt wurde?

Mit diesen 27 Zeichen und den ihnen fest zugeordneten Zahlwerten ließen sich durch additive Verbindung von Einern, Zehnern und Hundertern bereits die Zahlen 1 bis 999 schreiben, also z. B. 8 = η (Eta), 88 = πη (Pi + Eta = 80 + 8), 318 = τιη (Tau + Iota + Eta = 300 + 10 + 8). Ein Zeichen für die Null gab es nicht und war für die Zwecke der Zahlschreibung auch nicht erforderlich, indem man etwa 200 = σ (Sigma), 202 = σβ (Sigma + Beta = 200 +2), 220 = σκ (Sigma + Kappa = 200 + 20) schrieb.

Um die Zahlen im Schriftbild von Wörtern zu unterscheiden, wurden erstere in den Handschriften meist mit einem Strich überschrieben, z. B. \overline{\tau\iota} = 310, während sich hierfür im Zeitalter des Buchdrucks ein Apostroph  ʹ  (Δεξιά Κεραία) vor der ersten Ziffer eingebürgert hat, in Unicode U+0374[3]. Ist die Identität als Zahl aber klar, wird darauf auch manchmal verzichtet.

Auch die hieratischen Zahlen zwischen 1000 und 9999 können als alphabetische Zahlen dargestellt werden. Dazu wurde der erste Zahlbuchstabe durch Hinzufügung eines diakritischen Zeichens mit Tausend multipliziert. Handschriftlich verwendet man meist ein Zeichen, das in Form eines kleinen nach links offenen Hakens, links oben vor der Ziffer steht. Im Buchdruck hat sich dafür das tiefgestellte Apostroph  ͵  (Αριστερή Κεραία) durchgesetzt, in Unicode U+0375.

α β γ δ ε ϛ ζ η θ
1 2 3 4 5 6 7 8 9
ι κ λ μ ν ξ ο π ϟ
10 20 30 40 50 60 70 80 90
ρ σ τ υ φ χ ψ ω ϡ
100 200 300 400 500 600 700 800 900
͵α ͵β ͵γ ͵δ ͵ε ͵ϛ ͵ζ ͵η ͵θ
1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 9000

Durch die Unterscheidung zwischen Großbuchstaben und den – erst im frühen Mittelalter entwickelten – griechischen Minuskeln kann auch, sogar ohne die zusätzliche Unterscheidung zwischen hoch- und tiefgestelltem Apostroph, der Zahlenraum von Tausend und darüber erschlossen werden, theoretisch sogar bis zu einer Million. Da das Myriadensystem in Griechenland aber sprachlich fest verankert ist, verzichtete man darauf, über 9999 hinauszugehen.

Erweiterung des Zahlenraums

Die Standard-Erweiterung bis hundert Millionen

Bis heute ist in Griechenland der Gebrauch des Zahlwortes Million unüblich. Man spricht statt dessen von „hundert Myriaden“ (εκατομμύριο, ekatommýrio), eine Myriade entspricht der Zehntausend. Die Zahl 99 Millionen 999 Tausend 999 wurden in der Antike 9999 Myriaden 9999 ausgesprochen. Dies ist traditionell die höchste Zahl des griechischen Zahlensystems.

Diese Zahl kann problemlos und eindeutig   ʹΘϡϟθ M  ʹΘϡϟθ   geschrieben werden; wobei „M“ die Myriaden bedeuten. (Ein eventuelles M = 40 000 kommt ja im System nicht vor.)
Ebenso schreibt z. B. Aristarchos von Samos 71 Millionen 755 Tausend 875 als 7175 Myriaden 5875:   ͵ZPOE M  ͵EΩOE .
Während Diophantos von Alexandria bei zum Beispiel 4372 Myriaden 8097, das Symbol für die Myriaden gar auf einen Punkt reduziert:   ͵ΔTOB . ͵HϟZ .

Um die Myriadenzahlen klar zu kennzeichnen bevorzugte man es in der Antike, die Einheiten der Myriaden über das akrophone Μ-Symbol zu schreiben.

Die Zahl zwei Myriaden sieben hundert vier zum Beispiel, wurde deshalb meistens so dargestellt:   \overset {\beta}{\Mu} ʹψδ

Heute verwendet man die Zahlwörter δισεκατομμύριο (disekatommýrio) = 1.000.000.000, τρισεκατομμύριο (trisekatommýrio) = 1.000.000.000.000 und so weiter.

Die Potenz-Erweiterung bis 10 hoch 36

Ein anderes, aber sehr selten gebrauchtes System für die Darstellung der großen Zahlen findet sich bei Apollonios von Perge, der nach dem Zeugnis des Pappus von Alexandria Myriaden erster, zweiter, dritter usw. bis neunter Ordnung in aufsteigender Potenz unterschied, indem er das Μ mit den Zeichen α bis θ = 1 bis 9 überschrieb, die hierbei folglich nicht mehr als Multiplikator, sondern wie der Exponent einer Potenz bewertet wurden. Als Darstellung der Zahl 5.462.360.064.000.000 ergab sich damit eine Schreibung wie die folgende:

\overset {\gamma}{\Mu} ͵EYZB   \overset {\beta}{\Mu} ͵ΓX   \overset {\alpha}{\Mu} ͵FY
100003 × 5462 + 100002 × 3600 + 100001 × 6400

Bedeutung der alphabetischen Zahlen

In der Theorie der Zahlensysteme gelten sowohl die hieratischen, als auch die alphabetischen Zahlen als Additionssysteme der dritten Art.

Außer in den weströmischen Gebieten, wo man stets an den römischen Zahlen festhielt, dominierte dieses progressive System – in ihren Adaptierungen an die jeweiligen Alphabete – sehr lange die Wissenschaft und Verwaltung von Persien, Armenien, Georgien, Arabien, Äthiopien, des Byzantinischen Reiches und des alten Russlands. Erst die indischen Ziffern lösten das System, nach viertausendjähriger Dominanz, allmählich ab. Im arabischen Raum schon Ende des ersten Jahrtausends nach Christus, sonst erst Mitte des zweiten Jahrtausends.

Siehe auch

  • Aryabhata-Code: eigenständige Entwicklung basierend auf dem indischen Alphabet, das nicht phönizischen Ursprungs ist.

Literatur

  • Georges Ifrah: Histoire universelle des chiffres. Seghers, Paris 1981; dt. Universalgeschichte der Zahlen, Campus Verlag, Frankfurt/New York 1986
  • Karl Menninger: Zahlwort und Ziffer. Eine Kulturgeschichte der Zahl. 2. neubearbeitete und erweiterte Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1958
  • Gottfried Friedlein: Die Zahlzeichen und das elementare Rechnen der Griechen und Römer und des christlichen Abendlandes vom 7. bis 13. Jahrhundert. Erlangen 1896, Repr. Sändig, Wiesbaden 1968
  • Franz Dornseiff: Das Alphabet in Mystik und Magie. 2. Auflage, Teubner, Leipzig/Berlin 1925 (= ΣTOIXEIA, 7)

Weblinks

Quellen

  1. Erst Athanasius Kircher beschreibt in seinem Oedipi Aegyptiaci, 1635, Band II, Erster Teil, Seite 488 ein solches latinisiertes System, jedoch noch ohne J, U & W, auf 23 Buchstaben-Basis. Deshalb K = 10, T = 100 und Z = 500. Seit einigen Jahren existiert auch ein vorgeschlagenes 27-Buchstabensystem, das sogenannte AJR-System
  2. School of Mathematical and Computational Sciences University of St Andrews
  3. Unicode Character Code Charts: Greek and Coptic (engl.) [1]

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