- Milliarium
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Ein Miliarium (griechisch als Fremdwort μιλιάριον, Plural: miliaria) war im Römischen Reich eine Distanzsäule an einer Römerstraße (Meilenstein). Steine dieser Art gab es bereits seit dem 3. Jh. v. Chr. Beim Straßenbauprogramm des Gaius Sempronius Gracchus erlebten sie offenbar einen ersten Höhepunkt (Plut. C. Gracchus 7), ihre eigentliche Blüte erreichten sie in der Kaiserzeit. Doch hat es, wie es scheint, nicht an allen Straßen Miliaria gegeben.
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Die Steinsäulen, übermannshoch (teilweise bis zu 3 Meter) und mit einem Durchmesser von 50 bis 60 Zentimeter, trugen als wesentliches Element Orts- und Entfernungsangaben. Die Distanz ist in römischen Meilen (1000 Doppelschritte, „mille passus“, „milia passuum“, abgekürzt MP) angegeben, was knapp unter 1,5 km liegt; auch das griechische Äquivalent von 8 Stadien ist nicht einheitlich. In den einzelnen Provinzen stellt oft die Hauptstadt den Ausgangspunkt („caput viae“) dar; in weiter entwickelten Gegenden kann auch von den Zentralpunkten einzelner Völkerschaften aus gerechnet werden. In Rom stand auf dem Forum Romanum das Miliarium Aureum, die „goldene Meilensäule“ (sie bestand freilich nur aus Bronze; lediglich die Inschrift, die die wichtigsten von Rom ausgehenden Straßen sowie deren Endziele nannte, war aus Goldlettern).
Da die Steine von vielen Menschen gesehen wurden, stellen sie natürlich ein vorzügliches Mittel der Propaganda dar. Seit Augustus wurde auch dieses „Medium“ dem Herrscher vorbehalten, obwohl gelegentlich Statthalter zusätzlich genannt sind. Mit der Zeit bildeten sich regelrechte Formulare heraus, die neben der Datierung einen (standardisierten) Hinweis auf den Anlass der Aufstellung des Steines bieten. Damit können in vielen Fällen Lücken der Inschrift gefüllt werden.
Heute sind ca. 6000 kaiserzeitliche Steine bekannt. Sie bilden eine wichtige Quelle für die Kenntnis der Geschichte und Streckenführung der Straßen (es ist jedoch zu beachten, dass sie oftmals als Baumaterial verschleppt worden sind, teilweise wurden sie per Schiff recht weit transportiert), darüber hinaus aber auch für die allgemeine Reichsverwaltung und Herrschaftsorganisation.
Leugensteine
In bestimmten, vormals keltischen Gebieten der gallischen und germanischen Provinzen wurde zeitweilig nicht mit Meilen gerechnet, sondern mit Leugen, die 1,5 MP entsprechen, also etwa 2,22 km. Daher spricht man hier von Leugensteinen. Sie kamen seit Trajan auf und breiten sich bis Septimius Severus immer mehr aus.
Hessen
- Friedberg – der Stein fand sich nahe der Klostergasse in der Altstadt, er stand ursprünglich an der wichtigen Straße von Nida (heute: Frankfurt-Heddernheim) nach Friedberg. Die Entfernung zum Civitas-Hauptort Nida betrug exakt 10 Leugen. Heute befindet sich der Stein im Wetterau-Museum in Friedberg.
- Wiesbaden – der Stein wurde in der Nähe des Hauptbahnhofes aufgefunden und befindet sich in der Sammlung Nassauischer Altertümer im Museum Wiesbaden.
- Mainz-Kastel – 1896 wurden an der römischen Heerstraße, die vom Römerkastell in Mainz-Kastel über den östlichen Hang der Biebricher Höhe zum Kastell auf dem Römerberg führte, zwei römische Meilensteine gefunden. Der erste, eine 2,10 Meter hohe Steinsäule gibt die Entfernung zwischen den beiden Kastellen an: AB AQVAE MATTIACORVM VI MILLE PASSUUM = sechs römische Meilen, nach heutigen Maßen neun Kilometer. Der zweite Stein gab die gleiche Entfernung mit vier Leugen an. Ein Abguss dieses Leugen-Steines steht heute gegenüber dem Wiesbadener Hauptbahnhof.
- Kleestadt – der Stein wurde im Jahr 1832 in den Kleestädter Salzwiesen gefunden, er befindet sich im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt, eine Kopie im Dieburger Kreis- und Stadtmuseum. Dieser römische Meilenstein gab die Entfernung nach Dieburg mit vier Leugen an. Die „Hohe Straße“, eine römische Heerstraße, die vom römischen Zentralort Dieburg nach dem Kohortenkastell Stockstadt am Mainlimes führte, geht über die Straßenmühle bei Schlierbach, hier kreuzt sie den Schlierbacher Weg.
Rheinland-Pfalz
- Berg (Pfalz) – Von diesem römischen Meilenstein an der Römerstraße von Basel nach Mainz ist nur noch der Sockel erhalten, er findet sich am Ortsausgang neben der Bundesstraße 9. Dies ist der erste Stein dieser wichtigen Römerstraße auf deutschem Gebiet.
- Hagenbach – Neben einem Sägewerk wurden drei römische Leugensteine gefunden, eine Reproduktion steht am alten Standort im Bienwald.
- Jockgrim – Der dreizehnte römische Meilenstein nach Speyer stand nördlich des Ortes im Bienwald.
- Mutterstadt – An der Ortsgrenze zog die Römerstraße vorbei, der Stein stand an der Civitasgrenze zwischen Worms (Borbetomagus) und Speyer (Noviomagus) (VIII).
- Oggersheim – Bei Bauarbeiten an der Bundesstraße wurde der in zwei Stücke gebrochene Stein aufgefunden (VII).
- Altrip – In der römischen Festung Alta Ripa (hohes Ufer) wurden zahlreiche Leugensteine gefunden, sie stammten von anderen Stellen und wurden als Mauersteine der Römerfestung in sekundärer Verwendung genutzt.
- Detzem – Die Ortschaft Detzem bei Trier leitet ihren Namen vom lateinischen „ad decimum lapidem“, also dem zehnten Leugenstein ab. Im Laufe der Zeit wurde die Entfernungsangabe des Steins zum Ortsnamen.
- Ehrang/Quint – Ähnlich verhält es sich beim Leugenstein in Quint, einige Kilometer von Trier entfernt, sie erhielt auf dem gleichen Wege ihren Ortsnamen, „ad quintam leugam“, also fünf Leugen von Trier entfernt.
Nordrhein-Westfalen
- Sechtem – Der ursprüngliche Ortsname „Sephteme“ hat sich immer wieder geändert, bis er schließlich zum heutigen „Sechtem“ wurde. Dieser Name stammt von der Inschrift des Leugensteins „ad Septimam leugam“ ab, der Ort lag damals genau sieben Leugen vom römischen Köln entfernt.
Baden-Württemberg
- Friolzheim – Der ehemalige Standort war in Friolzheim, eine Nachbildung des römischen Leugensteins steht vor der Kelter in Mühlacker. Inschrift: Von Portus (= Pforzheim) 5 Leugen.
- Remchingen-Nöttingen – Leugenstein aus Remchingen-Nöttingen (M. Aurelius Severus Alexander: 17 Leugen von Aquae (= Baden-Baden))
- Sinzheim – Zwei Leugensteine wurde im Kreis Rastatt aufgefunden, sie waren den Kaisern M. Aurelius Antoninus und M. Antoninus Gordianus, gen. Caracalla, gewidmet. Beide gaben die Entfernung mit 4 Leugen von Aquae (= Baden-Baden) an.
- Heidelberg – Da der Kaiser M. Aurelius Antoninus, genannt Elagabal, in Ungnade verfiel, wurde sein Name gelöscht, d.h. übermeiselt. Inschrift: 4 Leugen von Lopodunum (= Ladenburg)
- Offenburg – Im Mittelalter wurde dieser Leugenstein in der Stadtmauer verbaut, wohl deshalb wurde er gespalten. Er befand sich ursprünglich an der Kinzigtalstraße von Argentoratum (Straßburg) nach Rätien. Von der Inschrift ist von „Rätien“ nur noch das R erhalten. [1]
Quellen
Die Veröffentlichung aller Miliaria ist als Vol. XVII des Corpus Inscriptionum Latinarum vorgesehen. Erschienen sind bisher:
Miliaria Imperii Romani
- Pars II: Miliaria provinciarum Narbonensis Galliarum Germaniarum. Ed. Gerold Walser – 1986. LVI, 320 S, ISBN 3-11-004592-3
- Pars IV: Illyricum et provinciae Europae Graecae
- Fasc. 1. Miliaria provinciarum Raetiae et Norici. Edd. Anne Kolb, Gerold Walser, Gerhard Winkler. 2005, ISBN 978-3-11-017483-0
Literatur
- Gerhard Radke: Miliarium. In: KlP 3 (1975) Sp. 1299
- Gerold Walser: Die römischen Straßen und Meilensteine in Raetien. Württemberg. Landesmuseum, Stuttgart 1983. (Kleine Schriften zur Kenntnis der römischen Besetzungsgeschichte Südwestdeutschlands, Nr. 29)
- Michael Rathmann: Meilensteine. In: DNP 10 (2001), Sp. 161.
Siehe auch
Weblinks
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