Milosz

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Czesław Miłosz 1998

Czesław Miłosz (* 30. Juni 1911 in Šetainiai (poln.: Szetejnie), Litauen (damals Russland); † 14. August 2004 in Krakau, Polen) war ein polnischer Dichter. 1980 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Familie gehört dem alteingesessenen polnischen Landadel an. Czesław Miłosz absolviert sein Mittel- und Hochschulstudium in Wilna (Vilnius), einer Stadt, die zu dieser Zeit erneut zu Polen gehört. Sein Literaturstudium bricht er ab, weil, wie er erzählt, an dieser Fakultät so viele Frauen studierten, dass sie die „Heiratsabteilung“ genannt wurde. Stattdessen nimmt er widerwillig ein Jurastudium in Angriff. Seine ersten Gedichte werden 1930 in der Studentenzeitung Alma Mater Vilnensis abgedruckt. Zwischen 1931 und 1934 gehört er einem Kreis von Literaten an, die sich im Café Rudnicki treffen und gemeinsam ein Avantgarde-Blättchen namens Żagary herausgeben, in dem sie ihre Kunstrichtung, den Katastrophismus, propagieren. 1933 erscheint sein erster Gedichtband Poemat o czasie zastygłym. Im folgenden Jahr schließt er sein Studium ab und erhält den ersten seiner vielen literarischen Preise sowie ein Stipendium, das ihm erlaubt, sich in Paris ein Jahr lang weiter zu bilden.

Während der deutschen Besatzung war er im Zweiten Weltkrieg im Untergrund tätig. Er wurde dafür von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem mit dem Titel Gerechter unter den Völkern ausgezeichnet.

Zwischen 1945 und 1949 bekleidet er verschiedene Posten in Polens diplomatischen Vertretungen in New York City und Washington D.C.. 1950 wird er nach Paris versetzt. Bei einem Ferienaufenthalt in Warschau wird ihm im Dezember der Pass entzogen, den er nur dank der Fürsprache einflussreicher Persönlichkeiten Ende Januar 1951 zurückerhält – eine letzte Chance. Am 1. Februar 1951 „springt“ Miłosz „ab“, wie das zu dieser Zeit genannt wird, und erhält in Frankreich politisches Asyl. 1953 erscheint gleichzeitig in New York und Paris in englischer Sprache The Captive Mind (Verführtes Denken). Das Buch analysiert anhand von vier Fallstudien (Alpha, Beta, Gamma, Delta) die ungeheure Anziehungskraft, die totalitäre Systeme auf die schreibende Zunft ausüben. Die große Sehnsucht des freischwebenden Intellektuellen ist es, zur Masse zu gehören. Dies Bedürfnis ist so ungestüm, dass viele, die einst im faschistischen Deutschland oder Italien Inspirationen suchten, sich jetzt zum Neuen Glauben bekehrt haben.[1] Dieser Stalldrang der Schreibenden ist es, meint Miłosz, der es allen Hausierern so leicht macht, ihnen ihre Murti-Bing-Pillen anzudrehen (das Bild entlehnt er bei Witkiewicz). Am meisten verärgert Miłosz jedoch die in Paris den Ton angebende Intelligentsia mit ihrer konsequenten Weigerung, sich – wie andere schreibende Abgesprungene – auf einen Dialog mit dem dialektischen Materialismus einzulassen. Er konzentriert sich stattdessen darauf, die Auswirkungen dieser Methode zu beschreiben und zu analysieren. Die Methode selbst tut er kurz mit der alten Geschichte von der Schlange ab, die ohne Zweifel ein dialektisches Tier ist: „Papa, hat die Schlange einen Schwanz?“ fragte der kleine Hans. „Nichts anderes als einen Schwanz“, antwortete der Vater.[2] - Gewisse Kritiker bestanden von allem Anfang an darauf, das Buch gegen jede Evidenz als eine Art Schlüsselroman und Personenkritik zu deuten, und sahen es als ihre Pflicht an, „aufzudecken“, welche „bekannten“ Leute Miłosz gemeint haben könnte, so z.B. Jerzy Putrament (als Gamma, „der Sklave der Geschichte”) und seinen ehemals guten Freund Jerzy Andrzejewski (als Alpha) etc.

1960 wirkt Miłosz als Gastdozent im Department of Slavic Languages and Literatures an der University of California in Berkeley. 1961 wird er dort ordentlicher Professor. 1970 erhält er die amerikanische Staatsbürgerschaft.

1978 wird ihm der Neustadt International Prize for Literature verliehen. Er gibt die Lehrtätigkeit auf und wird von seiner Universität mit der höchsten Anerkennung, The Berkeley Citation, ausgezeichnet. 1980 erhält er den Nobelpreis für Literatur. Das Verbot seiner Bücher in Polen wird im gleichen Jahr aufgehoben. Im Juni 1981 betritt Miłosz nach 30 Jahren Exil wieder polnische Erde, kehrt bald darauf jedoch nach Berkeley zurück. Im Dezember werden seine Bücher ein weiteres Mal verboten. Nach der Befreiung im Jahre 1989 pendelt Miłosz zwischen Krakau und Berkeley hin und her, bis er sich schließlich im Jahre 2000 endgültig in Krakau niederlässt, wo er am 14. August 2004 stirbt.

Miłosz hat seine Werke fast ausschließlich auf polnisch geschrieben, auch in der Zeit seines Exils. Das Gros seines dichterischen Werks liegt in englischer Übersetzung in sehr guten Ausgaben von Harper Collins und Tate/Penguin vor. Besonders erwähnenswert sind darin die späteren Gedichte, deren Übersetzungen ins Englische er selbst (in Zusammenarbeit mit Robert Hass) vorgenommen hat. [3]

Der Dichter im Urteil bedeutender Kollegen

Joseph Brodsky nennt ihn einen der größten (vielleicht den größten) Dichter unserer Zeit.

Für Seamus Heaney gehört er zu den wenigen Menschen, die mehr von der Wirklichkeit wissen und sie auch besser aushalten können als alle andern.

Andrew Motion ist überzeugt davon, dass die Wende, die Ted Hughes mit Crow einleitete, sich ohne den Einfluss von Miłosz nicht erklären lässt.[4]

Werke

  • Kompozycja (1930) Komposition
  • Podróż (1930) Reise
  • Poemat o czasie zastygłym (1933)
  • Trzy zimy (1936) Drei Winter
  • Obrachunki
  • Wiersze (1940) Gedichte
  • Pieśń niepodległa (1942)
  • Ocalenie (1945)
  • Traktat moralny (1947)
  • Zniewolony umysł (1953) Verführtes Denken
  • Zdobycie władzy (1953) Das Gesicht der Zeit
  • Światło dzienne (1953) Tageslicht
  • Dolina Issy (1955) Das Tal der Issa – basiert auf den Kindheitserlebnissen des Autors im Tal der Nevėžis
  • Traktat poetycki (1957)
  • Rodzinna Europa (1958) West und Östliches Gelände
  • Kontynenty (1958)
  • Człowiek wśród skorpionów (1961) Mensch unter Skorpionen
  • Król Popiel i inne wiersze (1961) König Popiel und andere Gedichte
  • Gucio zaczarowany (1965)
  • Widzenia nad zatoką San Francisco (1969)
  • Miasto bez imienia (1969) Stadt ohne Namen
  • Prywatne obowiązki (1972) Private Verpflichtungen
  • Gdzie słońce wschodzi i kiedy zapada (1974) Wo die Sonne aufgeht und wann sie untergeht
  • Ziemia Ulro (1977)
  • Ogród nauk (1979)
  • Hymn o perle (1982)
  • Nieobjęta ziemio (1984)
  • Kroniki (1987) Chroniken
  • Dalsze okolice (1991) Weit entfernte Gegenden
  • Zaczynając od moich ulic (1985)
  • Metafizyczna pauza (1989)
  • Poszukiwanie ojczyzny (1991) Suche nach der Heimat
  • Rok myśliwego (1991) Jahr des Jägers
  • Na brzegu rzeki (1994) Am Flussufer
  • Szukanie ojczyzny (1992)
  • Legendy nowoczesności (1996)
  • Życie na wyspach (1997) Leben auf den Inseln
  • Piesek przydrożny (1997)
  • Abecadło Miłosza (1997) Miłosz-Alphabet
  • Inne abecadło (1998) Anderes Alphabet
  • Wyprawa w dwudziestolecie (1999)
  • To (2000) - tomik poetycki
  • Orfeusz i Eurydyka (2003)

Bibliographie (in deutscher Sprache)

  • Verführtes Denken. Suhrkamp, 1975 ISBN 3-518-36778-1
  • Das Gesicht der Zeit. Europa-Verlag, 1953 ISBN B0000BLMSV
  • Das Tal der Issa. Suhrkamp, 2002 ISBN 3-518-39926-8
  • West- und Östliches Gelände. DTV, 1986 ISBN 3-423-10583-6
  • Lied vom Weltende. Gedichte. Kiepenheuer u. Witsch, 1984 ISBN 3-462-01454-4
  • Zeichen im Dunkel. Poesie und Poetik. Suhrkamp, 2002 ISBN 3-518-13320-9
  • Geschichte der Polnischen Literatur. Wiss. u. Pol., 1985 ISBN 3-8046-8583-8
  • Das Land Ulro. Kiepenheuer u. Witsch, 1982 ISBN 3-462-01501-X
  • Gedichte 1933-1981. Suhrkamp, 1995 ISBN 3-518-03648-3
  • Das Zeugnis der Poesie. Carl Hanser, 1984 ISBN 3-446-13949-4
  • Gedichte. Suhrkamp, 1992 ISBN 3-518-22090-X
  • Straßen von Wilna. Carl Hanser, 1997 ISBN 3-446-18945-9
  • Mein ABC. Hanser Belletristik, 2002 ISBN 3-446-20133-5
  • DAS und andere Gedichte. Carl Hanser, 2004 ISBN 3-446-20472-5
  • Visionen an der Bucht von San Francisco: Amerikanische Essays. Suhrkamp, 2008 ISBN 3-518-41993-5

Weblinks

Anmerkungen

  1. Czeslaw Milosz: Verführtes Denken, Kiepenheuer & Witsch, Köln 1959, S. 20
  2. Czeslaw Milosz: Verführtes Denken, Kiepenheuer & Witsch, Köln 1959, S. 61
  3. Czesław Miłosz: New and Collected Poems (1931-2001), Harper Collins, New York 2001
  4. Nicholas Roe: Czesław Miłosz A Century's Witness, in The Guardian Profile, 10.11.01

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