Mischel

Mischel

Walter Mischel (* 22. Februar 1930 in Wien) ist ein Persönlichkeitspsychologe.

Er war ab 1983 Professor an der Columbia University und vorher an der Stanford University tätig. Mischels berühmter so genannter Marshmallow-Test zeigt die Wichtigkeit der Impulskontrolle und des Aufschieben-Könnens von Selbstbelohnungen für akademischen, emotionalen und sozialen Erfolg (Belohnungsaufschub). Damit wird die Fähigkeit beschrieben, kurzfristig auf etwas Verlockendes für die Erreichung langfristiger Ziele zu verzichten. Ergebnisse des Experiments sagen diese Fähigkeit einer Person recht gut voraus.

Inhaltsverzeichnis

Das Belohnungsaufschubsparadigma

In den 1960er Jahren legte er in der Vorschule des Stanford Campus vor den Augen von etwa vierjährigen Kindern eine Packung Marshmallows ab. Er sagte ihnen, dass sie gleich einen Marshmallow haben könnten, wenn sie jedoch einige Minuten warten könnten, könnten sie sogar zwei haben. Einige Kinder warteten nicht lange, sondern holten sich den Marshmallow gleich. Andere warteten, einige von ihnen mussten beim Anblick der Marshmallows die Augen verschließen, um das Angebotene erst mal zu verschmähen. Eines der Kinder suchte sich eine anderweitige Ablenkung.[1]

Mischel fand 14 Jahre später in einer Längsschnittstudie heraus, dass diejenigen Kinder, die gierig nach den Marshmallows gegriffen hatten, als junge Erwachsene wenig Selbstbeherrschung hatten und von anderen Menschen als stur auf etwas beharrend, schnell frustriert und neidisch beschrieben wurden. Die „Abwartenden“ konnten mehr Stress vertragen, hatten eine größere soziale Kompetenz und waren selbstbestimmter, vertrauenswürdiger, zuverlässiger und akademisch erfolgreicher.

Mischel kritisierte die geringe Vorhersagekraft des Trait-Ansatzes der Persönlichkeitspsychologie und forderte stärkere Berücksichtigung der situativen Parameter. Oft ist Verhalten mehr durch Situationsfaktoren beeinflusst, als durch Persönlichkeitseigenschaften. Diese Sichtweise wird heute Situationismus genannt, doch in Mischels Erstveröffentlichung „Personality and Assessment“ (1968) taucht dieser Begriff nicht auf. Er glaubt, dass Persönlichkeitseigenschaften über einen längeren Zeitraum stabil bleiben können. Sie sind situations- und zeitabhängig und sehr konsistent. Seine Sicht der Persönlichkeit führte zu intensiven Debatten mit Eysenck.

Persönlichkeitsmodell

Das in den Siebziger Jahren entstandene kognitive Persönlichkeitsmodell von Mischel erklärt verschiedene Verhaltensweisen durch fünf Personenvariablen:

  • Kompetenz: Wissen und Fähigkeiten, die bestimmte Kognitionen zu Verhaltensweisen ermöglichen
  • Strategien der Enkodierung: Art des Individuums, Informationen durch Selektion, Kategorisierung und Assoziationen zu verarbeiten
  • Erwartung: Vorwegnahme wahrscheinlicher Ergebnisse bei bestimmten Handlungen in bestimmten Situationen
  • Persönliche Werte: Bedeutung, die Reizen, Ergebnissen, Menschen und Aktivitäten zugemessen werden
  • Selbstregulierende Systeme und Pläne: erlernte Regeln zur Verhaltenssteuerung, Zielbestimmung und Effektivitätsbewertung

Die Auswirkungen dieser Personenvariablen hängen von der Ein- oder Mehrdeutigkeit einer Situation ab. Ist eine Situation mehrdeutig oder zweifelhaft, so haben die Personenvariablen ihre größte Auswirkungen.

Neuere Literatur von Walter Mischel

  • Mischel, W.; Shoda, Y.; Rodriguez, M. L. (1989). Delay of gratification in children. Science, 244, 933-938.
  • Mischel, W.; Ayduk, O. (2004). Willpower in a cognitive-affective processing system: The dynamics of delay of gratification. In R. F. Baumeister & K. D. Vohs (Eds.), Handbook of self-regulation: Research, Theory, and Applications(pp. 99-129). New York: Guilford.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Oerter, Rolf & Montada, Leo (Hrsg.) (2002). Entwicklungspsychologie. Weinheim: Beltz/PVU.

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