Mittelschüler-Kartellverband

Mittelschüler-Kartellverband

Der Mittelschüler-Kartell-Verband der katholischen, farbentragenden Studentenkorporationen Österreichs (MKV), ist der Dachverband der katholischen österreichischen Mittelschulverbindungen. Er selbst ist Mitglied des Europäischen Kartellverbandes der christlichen Studentenverbände (EKV), welcher wiederum als NGO beim Europarat registriert ist, und der Arbeitsgemeinschaft katholischer Verbände Österreichs (AKV). Über 160 Verbindungen mit über 20.000 Mitgliedern gehören dem MKV an und bilden damit den größten Schüler- und Absolventenverband Österreichs. Der MKV ist Gründungsmitglied der Schülerunion, einer österreichweiten Vertretung von Schülern.

Der MKV bekennt sich zur christlichen Soziallehre, einem demokratischen Österreich und einem vereinten Europa. Der MKV ist parteiunabhängig, eine konservative Ausrichtung seiner Mitglieder ist erkennbar.

Weiters kooperiert der MKV eng mit den Verbindungen des VfM und der VCS, z. B. im Bereich der Schulpolitik in der Schülerunion.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

1933 bis 1938

Der MKV wurde am 9. September 1933 anlässlich des Katholikentages in Wien gegründet, seine Wurzeln reichen aber bis in das 19. Jahrhundert zurück (Vorgängerverbände: „Mittelschüler-Cartell-Verband“ im Jahr 1900, „Verband katholisch-deutscher Pennalverbindungen Österreichs“ (VPV) im Jahr 1919, „Christlich-Deutscher Studentenbund“ (CDSB), ebenfalls 1919). Die älteste Mitgliedsverbindung des MKV ist die Teutonia Innsbruck, gegründet 1876.

Bereits am 18. Oktober 1933, also nur wenige Wochen nach seiner Gründung, beschloss der MKV ein Aufnahmeverbot für NSDAP-Mitglieder. Nach anfänglicher Begrüßung der autoritär-österreichischen Politik während des austrofaschistischen Ständestaates (1934–1938) lehnte der MKV diese ab, als die Einführung einer umfassenden Staatsjugend vorgesehen war. Der Verband schloss sich der „Reichsarbeitsgemeinschaft katholischer Jugendverbände Österreichs“ an. Anderseits waren die Bundeskanzler Ignaz Seipel und Carl Vaugoin, welche die autoritäre Politik vorantrieben und durchsetzten, Mitglieder des MKV und Engelbert Dollfuß wurde, bereits nach Errichtung des autoritären Regimes, als Ehrenmitglied aufgenommen.

1938 bis 1945

Mit dem Einmarsch Hitlers in Österreich (1938) wurden die Verbindungen verboten. Noch am Tag des Einmarsches wurden Vereinslokale der MKV-Verbindungen von NSDAP-Angehörigen verwüstet und Inventar beschlagnahmt. Einige Mitglieder katholischer Verbindungen mussten in Konzentrationslager (z. B. der spätere Bundeskanzler Leopold Figl). Viele Mitglieder engagierten sich aktiv in Widerstandsbewegungen, manche bezahlten das mit dem Leben.

Die bekannteste Widerstandsbewegung gegen das NS-Regime aus den Reihen der katholischen Studenten war die „Standarte 105“ (105 in römischen Ziffern ist CV).

Eine Manifestation gegen das NS-Regime setzte ein religiöses Fest, das „Rosenkranzfest“ im Wiener Stephansdom, am 7. Oktober 1938: 7.000–10.000 Jugendliche, darunter viele MKV-Mitglieder, nahmen an der von Kardinal Innitzer geleiteten Messe teil. Die berühmten Worte Innitzers: „Jetzt [müssen wir uns] umso standhafter zum Glauben bekennen, zu Christus – unserem Führer!“ und der im Anschluss an die Messe stattfindenden Kundgebung, bei der die Jugendlichen „Wir wollen unsern Bischof sehen“ skandierten, wurden mit einer Erstürmung des erzbischöflichen Palais durch die Hitler-Jugend bestraft, bei der auch ein Mitglied des MKV vom 1. Stock in den Innenhof des Kurhauses geworfen wurde.

Siehe Hauptartikel: Rosenkranz-Demonstration

Seit 1945

Da die Besatzungsmächte den MKV als gegen den Nationalsozialismus eingestellten Verband anerkannten, wurde dieser bereits 1945 reaktiviert. Fast alle Verbindungen des MKVs nahmen ihren Betrieb in den folgenden Jahren wieder auf. Die meisten Verbindungen schlossen alle Mitglieder, die mit dem Nazi-Regime kollaboriert hatten, aus. Unter den bedeutenden Politikern dieser Zeit waren auch die katholischen Couleurstudenten Julius Raab und Leopold Figl.

Die Nachkriegsjahre brachten einen großen Aufschwung in den Mitgliederzahlen. Nach 1967 war eine Konsolidierung bemerkbar. In den letzten Jahren wurden wieder steigende Mitgliederzahlen in den MKV-Verbindungen verzeichnet.

Ziele

  • Der MKV will Schülern an Höheren Schulen zur „kritischen Auseinandersetzung mit der Welt und der Gesellschaft auf dem Boden eines durch die dynamischen Prinzipien religio, patria, scientia und amicitia bestimmten christlichen Weltbildes anregen“.
  • Die Mitglieder der Verbindungen sollen „zum Wirken im öffentlichen Leben und in der Gesellschaft befähigt werden und die Wertvorstellungen katholischen Couleurstudententums in Familie, Beruf und Gesellschaft verwirklichen“.
  • Als eigenständige katholische Laienorganisation will der MKV „seinen Beitrag zum Aufbau einer menschenwürdigen Gesellschaft und einer der göttlichen Schöpfungsordnung folgenden Welt leisten“.

Prinzipien und Wahlspruch

Die vier Prinzipien des MKV lauten „patria“, „religio“, „scientia“ und „amicitia“, der Wahlspruch „Gott, Ehre, Freiheit, Vaterland“.

  • Religio: Die Förderung des katholischen Seins, die Förderung der Toleranz der christlichen Konfessionen untereinander und die aktive Gestaltung des eigenen Lebens aus dem katholischen Glauben in Verantwortung vor Gott, den Menschen und der Schöpfung.
  • Patria: Die Liebe zum Vaterland. Laut Webseite des MKV ist: Österreicher zu sein ist für uns Ehre und Verpflichtung zugleich. Jeder demokratische Staat lebt durch die Verantwortung eines jeden Bürgers für den Staat. Die aktive Mitgestaltung auf allen Ebenen des Gemeinwesens ist eine Bürgerpflicht. Die Verwurzelung in der Geschichte und die demokratische Entwicklung Österreichs sind wesentliche Grundlage für die Weiterentwicklung dieses Gemeinwesens auch in einem vereinten Europa.
  • Scientia: Für den MKV ist die Bildung seiner Mitglieder eine wichtige Aufgabe. Daher ist der Abschluss einer höheren Schule mit Matura Voraussetzung für den Verbleib eines Mitglieds in einer Verbindung des MKV. Der MKV selbst bietet mit der Kartellführungsschule und verschiedenen Landesverbandsschulungen Weiterbildungsmöglichkeiten für seine Mitglieder.
  • Amicitia: Als prägendes Element des Verbandes ist die persönliche Freundschaft quer durch alle Generationen als Lebensbundprinzip eine Selbstverständlichkeit, die über das Studium hinaus geht. Der Umgang miteinander ist von der Verantwortung für diese lebenslange geistige und materielle Verpflichtung geprägt.

Prominente Mitglieder

Immer wieder waren und sind MKV-Mitglieder in hohen politischen Funktionen tätig, darunter:

Weitere prominente Mitglieder:

  • Alois Mock, Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten 1987–1995,
  • Franz Fischler, Österreichs erster EU-Kommissar,
  • Alfred Finz, ehemaliger Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen,
  • Helmut Kukacka, ehemaliger Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie,
  • Othmar Karas, Mitglied des Europäischen Parlaments,
  • Reinhold Lopatka, ehemaliger Generalsekretär der ÖVP, Staatssekretär im Bundeskanzleramt seit 2007
  • Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich,
  • Siegfried Ludwig, ehemaliger Landeshauptmann von Niederösterreich,
  • Josef Martinz, Landesrat für Europa-Angelegenheiten und Landwirtschaft der Kärntner Landesregierung,
  • Günther Platter, ehemaliger Bundesminister für Landesverteidigung seit 2003, Bundesminister für Inneres seit 2007,
  • Felix Hurdes, ehemaliger Unterrichtsminister,
  • Heinrich Drimmel, ehemaliger Unterrichtsminister.

Alle genannten waren oder sind Mitglieder der ÖVP bzw. der Christlichsozialen Partei vor dem 13. März 1938 (Rudolf Kirchschläger trat 1947, nach zwei Jahren, wieder aus der ÖVP aus, da er das Richteramt anstrebte).

Auch der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn, der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser, der Salzburg Weihbischof Andreas Laun, der Bischof von Innsbruck, Manfred Scheuer, der ehemalige St. Pöltener Bischof Kurt Krenn, der Bischof der Diözese Graz-Seckau Egon Kapellari und der ehemalige Bischof von Innsbruck Reinhold Stecher sind Mitglieder von MKV-Verbindungen.

Struktur des MKV

  • Legislative

1. Aktiventag
2. Altherrenbundtag
3. Kartellversammlung

Diese Convente wählen die

  • Exekutive

1. Kartellsenior, Kartellconsenior und Kartellprätor
2. Kartellphilistersenior und zwei Kartellphilisterconsenioren
3. Kartellvorsitzender, Kartellseelsorger, Kartellfinanzreferent und weitere Referenten

Daraus bildet sich das Kartellpräsidium: Kartellsenior, Kartellphilistersenior, Kartellseelsorger und Kartellvorsitzender

Der Kartellrat ist zugleich zentralistisch und föderalistisch. Er besteht aus Kartellvorsitzendem, Kartellsenior, Kartellphilistersenior, Kartellseelsorger, allen Landesvorsitzenden, Landessenioren und Landesphilistersenioren.

  • Jurisdiktion

Das Kartellgericht entscheidet bei Streitigkeiten zwischen Verbindungen und bei Rechtsfragen.

Kritik

Hinweis: Der Eintrag Studentenverbindungen erläutert die häufig auftauchenden Kritikpunkte ausführlich.

Verhältnis zu Frauen

Kritisiert wird, dass der Mittelschüler Kartellverband eine ausschließlich aus Männerbünden bestehende Organisation ist. Verbindungen, die sich vor einigen Jahren entschlossen Frauen aufzunehmen, schieden aus dem Mittelschüler Kartellverband aus. Mittlerweile wurden Freundschaftsabkommen zwischen dem MKV und diesen Verbindungen geschlossen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Position des Verbandes zur Abtreibungsfrage. Etwa wird in einer als „Erklärung des MKV gegen Radikalismus“ betitelten Aussendung des Verbandes, das Recht auf Abtreibung auf eine Stufe mit Ausländerfeindlichkeit gesetzt. „Liberalisierung der Abtreibung“ und „Ausgrenzung unserer ausländischen Mitbürger“ bereite den Boden für jene „die körperliche Gewalt zur Abschaffung der Demokratie einzusetzen bereit sind“, heißt es dort.

Abgrenzung zu schlagenden Verbindungen

Der MKV legt großen Wert darauf, nicht mit schlagenden Verbindungen verwechselt zu werden. Auf seiner Homepage gibt er an: „Grundsätzlich hat der MKV in einem Beschluß der Kartellversammlung festgehalten, dass Aktionen, die der Verbrüderung dienen, abzulehnen sind. Auch wenn es im Brauchtum äußere Ähnlichkeiten gibt, vertritt der MKV als katholischer Verband eine andere Tradition und ein anderes Weltbild. Zudem schadet der Kontakt mit schlagenden Verbindungen dem öffentlichen Bild des MKV, der sich in dieser Hinsicht immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert sieht. Auch der Besuch von Burschenschaftsveranstaltungen in Couleur ist abzulehnen.“

Kritik seitens der Sozialistischen Jugend Österreich

In der Vergangenheit warf die Sozialistische Jugend Österreich einigen Wiener MKV-Verbindungen vor, sie unterhielten Kontakte zur deutschnationalen Burschenschafter-Szene. In diesem Zusammenhang wurde auf einen Text, der angeblich in der Verbindungszeitschrift der K.Ö.St.V. Borussia Wien erschienen sein soll, verwiesen, in dem ein Mitglied der Verbindung geschrieben habe, er „traue einem fanatischen Judentum zu, wieder Gefahr in diese Welt zu bringen“. Dieses Zitat wird auch heute noch auf einigen verbindungsfeindlichen Websites wiedergegeben, jedoch ohne konkrete Quellen anzugeben[1]. Von Mitgliedern der K.Ö.St.V. Borussia Wien wird seine Existenz bestritten.

Umgang mit der Vergangenheit des MKV im Austrofaschismus (Ständestaat)

Nach Angaben von Kritikern wird das Andenken an den, 1934 von Nationalsozialisten ermordeten, Bundeskanzler Engelbert Dollfuß noch heute in Ehren gehalten. Dollfuß war in den 1930er Jahren, bereits als Kanzler und Mitbegründer des autoritären austrofaschistischen „Ständestaates“, als Ehrenmitglied in die MKV-Verbindung Amelungia Innsbruck aufgenommen worden.

2004 organisierte die Gruppierung „stopMKV“, anlässlich des Pennälertages in Baden bei Wien, eine Protestveranstaltung, um gegen den MKV zu demonstrieren, an der zwischen 40 und 60 Demonstranten teilnahmen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. exemplarisch etwa raw.at

Literatur

  • Heinrich Obermüller: Verboten und Verfolgt; Katholische Verbindungen an mittleren und höheren Schulen in Österreich und den Nachfolgestaaten der Monarchie, Von den Anfängen bis 1918; Band 1 der Reihe „Tradition und Zukunft“ Hg. vom Österr. Verein f. Studentengeschichte; Wien 1991; 640 Seiten.
  • Heinrich Obermüller: Aufbruch und Untergang; Katholische Verbindungen an mittleren und höheren Schulen im deutschen Sprachraum, Von 1918 bis 1945; Band 5 und 8 der Reihe „Tradition und Zukunft“; Hg. vom Österr. Verein f. Studentengeschichte; Wien 2000 u. 2003; 1.695 Seiten.
  • Fritz, Handl, Krause, Taus: Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–1945; Katholische Korporierte in Widerstand und Verfolgung; Hg. vom Österr. Verein f. Studentengeschichte; Wien 1988; 408 Seiten.
  • Wilhelm Schmied: Der Mittelschüler-Kartell-Verband (MKV);Beiträge zur Österreichischen Studentengeschichte – Band 1; Hg. vom Österr. Verein f. Studentengeschichte; Wien 1973, 103 Seiten; vergriffen
  • Nicht alles was gleich aussieht ist auch gleich; Studentenverbindungen von der Entstehung der Universitäten bis heute; Hg. vom Wiener Stadtverband des MKV; Wien 2003, 42 Seiten

Weblinks




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