Morphinist

Morphinist
Strukturformel
Allgemeines
Freiname Morphin
Andere Namen
  • IUPAC: (5R,6S,9R,13S,14R) -4,5-Epoxy-N-methylmorphin -7-en-3,6-diol
  • (−)-Morphin
  • Latein: Morphinum
Summenformel C17H19NO3
CAS-Nummer
PubChem 5288826
ATC-Code

N02AA01

DrugBank APRD00215
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Opioid-Analgetikum

Fertigpräparate
  • M-retard Helvepharm® (CH)
  • Kapanol® (D)
  • Compensan® (A)
Verschreibungspflichtig: BtMG
Eigenschaften
Molare Masse 285,34 g·mol−1
Aggregatzustand

Feststoff [1]

Dichte

1,31 g·cm−3

Schmelzpunkt

253-254 °C [2]

pKs-Wert

8,21 (25 °C) [1]

Löslichkeit

H2O: 40 g·L−1 (20 °C, als Hydrochlorid) [1]

Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung [1]

Xn
Gesundheits-
schädlich
R- und S-Sätze R: 22
S: keine S-Sätze
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
LD50

335 mg·kg−1 (Ratte p.o.) [1]

WGK 3 /stark wassergefährdend) [1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
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Morphin ist das Haupt-Alkaloid des Opiums und zählt damit zu den Opiaten. Es wirkt als Opioid und wird in der Medizin als eines der stärksten bekannten natürlichen Schmerzmittel (Analgetikum) eingesetzt. Es war das erste in Reinform isolierte Alkaloid und damit der Anfang einer damals neuen wissenschaftlichen Disziplin, der Pharmakologie.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Namensgebung

Morphin wurde erstmals 1803/1804 vom deutschen Apotheker Friedrich Wilhelm Adam Sertürner in Paderborn isoliert,[3][4] jedoch wurde die korrekte Summenformel erst im Jahre 1848 durch Laurent ermittelt. Sertürner nannte den Stoff zunächst Morphium nach Morpheus, dem griechischen Gott der Träume und des Schlafes. Erst später bekam die Droge den Namen „Morphin“, der heute hauptsächlich in Gebrauch ist. Bis zur Aufstellung der endgültigen Strukturformel vergingen weitere 77 Jahre.[5] Kurz zuvor wurde Morphin bereits von Armand Séguin und Bernard Courtois entdeckt, jedoch zunächst nur am eigenen Institut vorgestellt und erst 1816 publiziert.[6][7]

Vorkommen und Biosynthese

Kugel-Stäbchen-Modell von Morphin

Morphin wird aus Opium, d. h. aus dem getrockneten Milchsaft des Schlafmohns (Papaver somniferum), gewonnen. Die Totalsynthese ist aufwändig und liefert geringe Ausbeuten – bei der Fuchs-Synthese beträgt sie etwa 10 %. Die Ausgangsstoffe dazu sind Phenylalanin und 4-Hydroxyphenyl-acetaldehyd. Dabei ist Norcoclaurin ein wichtiges Zwischenprodukt. Über Reticulin werden dann die Morphinan-Alkaloide gebildet, zu denen das Morphin gehört.

Auch Säugetiere können Morphin enzymatisch aus L-Tyrosin und L-Dopa aufbauen.

Anwendung

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Morphin wird zur Behandlung von starken und stärksten Schmerzen verwendet; es hat keinen so genannten Ceiling-Effekt. Als Darreichungsformen gibt es Retardkapseln und -Tabletten, Tropfen, Retard-Granulat, Zäpfchen sowie Injektionslösungen.

Im Vergleich zu anderen Ländern wird in Deutschland Morphin seltener verschrieben. Zum Beispiel ist die verordnete Gesamtmenge für Tumorpatienten in Dänemark siebenmal höher. Schätzungen zufolge erhält nur jeder 4. Patient, der ein mittelstarkes Opioid benötigt, ein entsprechendes Präparat; bei denjenigen, die ein hochpotentes Opioid benötigen, liegt die Quote bei nur 5 %. Der Grund hierfür kann sowohl in der nach heutiger Lehrmeinung unbegründeten Angst vor starken Nebenwirkungen als auch im bürokratischen Verschreibungsverfahren, das speziell zu beantragende Betäubungsmittelrezeptformulare erfordert, liegen. Umfragen Ende der 1990er Jahre haben gezeigt, dass lediglich ein Drittel der niedergelassenen Allgemeinmediziner über die notwendigen BtM-Formulare verfügt, bei den Chirurgen waren es sogar nur 10 %. Als Reaktion seitens der Gesetzgebung wurden im Jahr 2001 die verschreibbaren Höchstmengen angehoben und der entsprechende Formalismus vereinfacht.[8]

Wesentliche Nebenwirkung der dauerhaften Therapie ist eine Neigung zur Obstipation. Daher sollte bei jeder Morphintherapie ein Abführmittel mitverordnet werden. Bei chronischen Schmerzen sind retardierte Morphine zu bevorzugen.

Bei kurzfristiger Gabe oder zu Beginn einer Dauertherapie kann Morphin zu Übelkeit führen, deshalb sollte vor den ersten Gaben von Morphin ggf. ein Mittel gegen Übelkeit gegeben werden.

Die Behandlung mit Morphin sollte nach den WHO-Prinzipien, d. h. nach einem abgestuften Plan (Dosissteigerung wie auch Dosisreduktion) angepasst werden, um Nebenwirkungen zu vermeiden.

  • möglichst orale Applikation
  • individuelle Dosierung
  • nach Möglichkeit nur zusammen mit einem zweiten, peripher wirksamen Schmerzmittel

Grundsätzlich sollten Schmerztherapien von erfahrenen Ärzten wie z.B. Fachärzten für Anästhesie/Schmerztherapie durchgeführt und begleitet werden. Bei den meisten Menschen, die nach diesem Schema individuell mit Morphinen behandelt werden, kommt es außer der behandelbaren Verstopfung zu keinen wesentlichen Nebenwirkungen.

Pharmakologie

Morphin wirkt zentral als Agonist an Opioidrezeptoren. Dadurch wird die Schmerzweiterleitung verhindert und das Schmerzempfinden des Patienten gesenkt. Es wird zum größten Teil über die Niere ausgeschieden, ein aktiver Metabolit ist das Morphin-6-Glucuronid.

Unerwünschte Nebenwirkungen können sein:

Morphin unterdrückt den Hustenreiz (antitussive Wirkung); ein anderes Alkaloid des Opiums, Codein (chemisch gesehen Methylmorphin), wird daher als Wirkstoff gegen Husten eingesetzt. Zu Beginn der Morphintherapie kann es zu Übelkeit und Erbrechen kommen, da Morphin direkt auf das Brechzentrum im Hirnstamm wirkt. Nach einiger Zeit lässt diese Nebenwirkung meist nach. Einzig die Obstipation scheint keiner Gewöhnung zu unterliegen.

Bei Schmerzpatienten und angemessener Dosierung des Morphins tritt die atemdepressive Wirkung in den Hintergrund, u. a. da der Schmerzreiz selbst die Atmung stimuliert. Eine Obstipation muss bei Langzeitanwendung von Morphinpräparaten fast immer durch die gleichzeitige Verordnung von Abführmitteln verhindert werden. Die Entwicklung einer körperlichen Abhängigkeit stellt bei sachgerechter Schmerztherapie bei Tumorpatienten kein wesentliches Problem dar.[9]

Vergiftung

Sollte eine Morphinvergiftung vorliegen, kann man diese durch Gabe von Naloxon behandeln. Naloxon wirkt als kompetitiver Antagonist, verdrängt also Morphin von den Opiatrezeptoren, und hebt dadurch dessen Wirkung auf. Dabei sollte vorsichtig dosiert werden. Wird zu viel Naloxon verabreicht, kann der (morphiumsüchtige) Konsument von der Überdosis direkt in den Entzug übergehen. Weiterhin ist zu beachten, dass die Halbwertszeit von Naloxon deutlich unter jener von Morphin liegt, der Patient also kurzzeitig beschwerdefrei ist, aber nach dem Nachlassen der Wirkung von Naloxon wieder an einer Überdosierung mit Atemstillstand leiden kann. Eine längere Beobachtung bei Morphinintoxikationen ist deshalb Pflicht, häufig wird zur Sedation und zur Linderung einer etwaigen Entzugssymptomatik die gleichzeitige Gabe von Diazepam (Handelsname Valium) gefordert.

Die für einen durchschnittlichen Erwachsenen tödliche Morphindosis liegt bei oraler Aufnahme bei 0,2 g (bis 1,5 g bei Menschen mit einer Toleranz), nach parenteraler Applikation bei 0,1 g. Für Säuglinge können schon zwei bis drei Tropfen Opiumtinktur tödlich sein.

Verwandte Substanzen

Heroin ist ein Derivat des Morphins: 3,6-Diacetylmorphin. Es wird durch Acetylierung (Art der Umwandlung) aus Morphin gewonnen.

Rechtslage in Deutschland

Morphin ist in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund seiner Aufführung in der Anlage 3 BtMG ein verkehrsfähiges und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel. Der Umgang ohne Erlaubnis oder Verschreibung ist grundsätzlich strafbar. Weitere Informationen sind im Hauptartikel Betäubungsmittelrecht in Deutschland zu finden.

Siehe auch

Literatur

  • Waltraud Stammel, Helmut Thomas: Endogene Alkaloide in Säugetieren. Ein Beitrag zur Pharmakologie von körpereigenen Neurotoxinen. Naturwissenschaftliche Rundschau 60(3), S. 117 - 124 (2007), ISSN 0028-1050
  • Lüllmann, Mohr, Hein: Pharmakologie und Toxikologie, Thieme, Stuttgart/New York 2006, ISBN 3-13-368516-3

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Sicherheitsdatenblatt für Morphine hydrochloride – Merck 29. Dezember 2007
  2. The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage, 2006, S. 1083-1084, ISBN 978-0-911910-00-1.
  3. Morphin wurde 1804 erstmals aus dem Opium isoliert, Österreichische Apothekerkammer, zugegriffen 2008-11-17
  4. Huxtable RJ, Schwarz SK.:The isolation of morphine--first principles in science and ethics Mol Interv. 2001 Oct;1(4):189–191. Volltext (HTML) Volltext (PDF) PMID 14993340
  5. Hans Beyer und Wolfgang Walter: Organische Chemie, Hirzel Verlag Stuttgart, 20. Auflage, 1984, S. 778, ISBN 3-7776-0406-2.
  6. Patricia Swain - Bernard Courtois (1777-1838), Famed for Discovering Iodine (1811), and His Life in Paris from 1798
  7. 2007, American Chemical Society, Division of the History of Chemistry, 2007 Outstanding Paper Award, zugegriffen 2008-11-12.
  8. Heinz Lüllmann et al.: Pharmakologie und Toxikologie. 16. Auflage. Thieme, Stuttgart 2006, ISBN 3-13-368516-3, S. Seite 276. 
  9. Suzuki T: Modification of morphine dependence under chronic pain and its mechanism. Yakugaku Zasshi (2001) 121:909-914. PMID 11766405.
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