- Musikerkrankheiten
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Die Musikermedizin untersucht typische Beschwerdebilder von Musikern (Musikerkrankheiten) und sucht nach Therapieansätzen.
Gelegentlich wird die Musikermedizin auch mit dem mehrdeutigen Begriff Musikmedizin benannt, der aber auch für verschiedene Formen der Musiktherapie verwendet wird.
Der verwandte Forschungsbereich der Musikphysiologie befasst sich mit der Erforschung der physiologischen Grundlagen des Musizierens und der Prophylaxe von typischen Musikerkrankheiten. Bei dem oft synonym verwendeten Begriff der Musikergesundheit geht es vor allem um die Gesunderhaltung und das Wohlbefinden des Musikers sowie um vorbeugende Maßnahmen. Dazu gehören neben ausreichend Bewegung durch geeignete Sportarten auch gesunde Ernährung und genügend Schlaf.
Durch stundenlanges Üben werden viele Muskelgruppen einseitig beansprucht, so dass es bei vielen Musikern zu Verspannungen im Schulter- und Rückenbereich kommt. Je nach Haltung und Art des Instruments sind verschiedene Körperregionen betroffen. Aber auch psychische Probleme wie Bühnenangst befinden sich im Fokus der Forscher, die sich mit Musikermedizin beschäftigen.
Inhaltsverzeichnis
Typische Beschwerden von Musikern
Häufig treten bei Musikern auf:
- Rückenschmerzen
- Verspannungen im Hals- und Nackenbereich
- Bandscheibenvorfall
- Schulterschmerzen
- Schulter-Arm-Syndrom, Rotatorenmanschettesyndrom
- Tennisarm und andere Tendopathien
- RSI - Repetitive Strain Injury
- Sehnenscheidenentzündung
- Engpassyndrome wie (Thoracic outlet Syndrom, oder Karpaltunnelsyndrom)
- Fokale Dystonie (Musikerkrampf)
- Kieferprobleme bei Bläsern und hohen Streichern
- Schwerhörigkeit
- Tinnitus
- Hörsturz
- Stimmbandentzündung und Stimmbandknötchen bei Sängern
- Funktionelle Atemprobleme
- Psychische Erkrankungen
- Bühnenangst
- Alkohol- und Drogenmissbrauch
Forschung und Wissenschaft
Wichtiger Wissenschaftler dieses Faches ist Christoph Wagner, der 1974 das Institut für Musikphysiologie und Musikermedizin an der Hochschule für Musik und Theater Hannover mit dem Forschungsschwerpunkt Physiologische Eignungsdiagnostik für das Instrumentalspiel begründete und das Grundlagenwerk Hand und Instrument schrieb. Aber bereits 1832 erschien der Ärztliche Ratgeber für Musiktreibende von Karl Sundelin. In den 20er Jahren schrieb Julius Flesch über die Berufskrankheiten des Musikers (Flesch, Celle 1925). Der Nervenarzt Dr. Kurt Singer veröffentlichte 1926 das Buch Berufskrankheiten der Musiker, er lehrte seit 1923 an der Hochschule für Musik (Berlin). Nach ihm wurde das Kurt-Singer-Institut für Musikermedizin in Berlin (Universität der Künste und Musikhochschule Hanns Eisler) benannt, dessen Leitung heute Prof. Dr. Helmut Möller hat. Weitere Institute oder Abteilungen für Musikphysiologie und Musikermedizin befinden sich u.a. an den Musikhochschulen Freiburg, Weimar, Dresden und Frankfurt.
1994 wurde die Deutsche Gesellschaft für Musikphysiologie und Musikermedizin gegründet, die jedes Jahr einen Kongress ausrichtet. Auch in der Schweiz, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, USA und Neuseeland haben sich in den letzten Jahren entsprechende Verbände etabliert.
Die neueste Studie (2005) mit über 700 befragten Musikstudenten zeigt auf, dass bei Musikern im Vergleich zu Nichtmusikern (Daten aus dem Gesundheitssurvey 1998) überhäufig Beschwerden auftreten, sie aber ihren Zustand positiver einschätzen. Die Musiker, die keine Probleme haben, schlafen ausreichend, ernähren sich gesund und sind Nichtraucher.
Prävention und Therapie
Prävention bildet den Schwerpunkt der musikermedizinischen Arbeit, d. h. Musiker sollen über Vorbeugungsmöglichkeiten aufgeklärt werden. Ergonomie (sowohl eine optimale Anpassung des Instruments an den Körper mit entsprechenden Hilfsmitteln sowie gute Stühle), geeignete Sportarten und das Wissen um die physiologischen und anatomischen Grundlagen des Musizierens sind wichtige Bausteine in der Prävention von Erkrankungen des Bewegungsapparates. Auch gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf ermöglichen leistungsfähigeres Musizieren. Zusätzlich können Entspannungstechniken hilfreich sein. Hierzu zählen Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen, Autogenes Training, Meditation aber auch Taichi chuan und Qigong. Darüber hinaus sind Bewegungslehrmethoden wie Eutonie, Alexander-Technik, Feldenkrais, Dispokinesis oder Funktionelle Bewegungslehre besonders geeignet, um Fehlhaltungen und Fehlbewegungen zu erkennen und zu verändern. Diese Techniken spielen nicht nur bei der Prävention eine wichtige Rolle, sondern können auch bereits vorhandene Störungen reduzieren oder ganz beseitigen.
Literatur
- Jochen Blum (Hrsg.): Medizinische Probleme bei Musikern. Thieme, Stuttgart 1995, ISBN 3-1310-028-16
- S. Klein-Vogelbach, A. Lahme, I. Spirgi-Gantert: Musikinstrument und Körperhaltung. Springer, Berlin und Heidelberg 2000, ISBN 3-54064-5373
- Renate Klöppel: Die Kunst des Musizierens. Von den physiologischen und psychologischen Grundlagen zur Praxis. Schott, Mainz 2003, ISBN 3-7957-87068
- A. Lahme, S. Klein-Vogelbach, I. Spirgi-Gantert: Berufsbedingte Erkrankungen bei Musikern. Springer, Berlin, Heidelberg 2000, ISBN 3-54067-1153
- Christoph Wagner: Hand und Instrument. Musikphysiologische Grundlagen. Praktische Konsequenzen. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden u.a. 2005, ISBN 3-7651-0376-4
Weblinks
- Deutsche Gesellschaft für Musikphysiologie und Musikermedizin
- Schweizerische Gesellschaft für Musik-Medizin
- Musikermedizin Eine junge Disziplin mit wachsender Bedeutung (PDF; 115 KB) von C. Spahn aus Die Medizinische Welt 2006 57 12 aus dem Freiburger Institut für Musikermedizin an der Hochschule für Musik Freiburg
- Musikphysiologische und neurologische Aspekte des Musizierens (PDF; 10 MB) von E. Altenmüller aus dem Institut für Musikphysiologie und Musikermedizin der Hochschule für Musik und Theater Hannover
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