Muttergottesschuh

Muttergottesschuh
Wildes Stiefmütterchen
Blüte des Wilden Stiefmütterchens (Viola tricolor)

Blüte des Wilden Stiefmütterchens (Viola tricolor)

Systematik
Klasse: Dreifurchenpollen-
Zweikeimblättrige
(Rosopsida)
Unterklasse: Rosenähnliche (Rosidae)
Ordnung: Malpighienartige (Malpighiales)
Familie: Veilchengewächse (Violaceae)
Gattung: Veilchen (Viola)
Art: Wildes Stiefmütterchen
Wissenschaftlicher Name
Viola tricolor
L.

Das Wilde Stiefmütterchen (Viola tricolor), im Volksmund auch Muttergottesschuh, Mädchenaugen, Gedenkemein, Schöngesicht oder Liebesgesichtli, gehört zur Familie der Veilchengewächse (Violaceae).

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung

Das Wilde Stiefmütterchen kommt in ganz Europa vor, es fehlt nur in den südlichsten und nördlichsten Regionen. Es wächst auf Wiesen, an Wegrändern und auf Brachflächen. Die Verbreitungsarten zeigen, dass die Art auf sandigen, mageren Böden des Nordens (Dünen) und auf saurem Urgestein einen Verbreitungsschwerpunkt hat.

Beschreibung

Wildes Stiefmütterchen (Viola tricolor)

Das Wilde Stiefmütterchen ist eine einjährige bis mehrjährige krautige Pflanze die Wuchshöhen von 10–40 Zentimeter erreicht. Diese Halbrosettenpflanze bildet keine unterirdischen Ausläufer.

Die zwittrigen Blüten sind zygomorph mit doppeltem Perianth. Beim Wilden Stiefmütterchen sind gewöhnlich die oberen zwei Kronblätter blauviolett, das untere gelb und die beiden seitlichen weiß oder auch blauviolett - also blüht es dreifarbig („tricolor“). Gleichzeitig kann man zum Blütenzentrum hin eine dunkle, strichförmige Aderung sehen, die den Insekten – vor allem Hummeln und Bienen – als Orientierungshilfe bei der Nektarsuche dienen. Allerdings können auch bei dem nahe verwandten Acker-Stiefmütterchen (Viola arvensis) die oberen Kronblätter violett überlaufen sein. Die Blütezeit reicht von Mai bis September. Die Blüten sind Lippenblumen mit Streukegel vom Viola-Typ. Sie sind selbststeril und werden durch Insekten bestäubt. Die Narbengrube ist auch durch eine lippenförmige Klappe gegen hereinfallenden Pollen und damit gegen Selbstbestäubung geschützt.

Die Kapselfrüchte sind höchsten so lang wie der Kelch, kahl und aufspringend. Die Samen sind birnenförmig, gelb, mit kleinem Elaiosom.

Habitus und Blüten des Dünen-Stiefmütterchens (Viola tricolor var. maritima)

Systematik

Das Wilde Stiefmütterchen ist eine formenreiche Art. Man unterscheidet in Deutschland drei Unterarten. Das Sand-Stiefmütterchen (Viola tricolor ssp. curtisii), das Felsen-Stiefmütterchen (Viola tricolor ssp. saxatilis) und das Gewöhnliche Wilde Stiefmütterchen (Viola tricolor ssp. tricolor). Letzteres wird noch in drei Varietäten unterteilt, dem Dünen-Stiefmütterchen (V. t. var. maritima), dem Gebirgswiesen-Stiefmütterchen (V. t. var. polychroma) und dem Gewöhnliche Wilde Stiefmütterchen im engeren Sinn (V. t. var. tricolor).

Mit großer Wahrscheinlichkeit ist das Wilde Stiefmütterchen neben Altai-Stiefmütterchen (Viola altaica) und Sudeten-Stiefmütterchen (Viola lutea ssp. sudetica) ein Elternteil des in vielen Varietäten gezüchteten großblütigen Gartenstiefmütterchen (Viola × wittrockiana).

Inhaltsstoffe

Das Wilde Stiefmütterchen enthält in etwa 10 Prozent Schleimstoffe bestehend aus Glucose, Galactose, Arabinose und Rhamnose, sowie Gerbstoffe, Salicylsäure und deren Derivate, wie Salicylsäuremethylester. Daneben enthält die Droge Phenolcarbonsäuren, wie Kaffee- und Cumarsäure, und Flavonoide wie Quercetin, Luteolin und Rutin. Auch konnten Anthocynidine und Cumarine, wie das Umbelliferon, nachgewiesen werden. Das Wilde Stiefmütterchen enthält entgegen früheren Literaturangaben keine Saponine, sondern hämolytisch aktive Peptide.[1]

Verwendung

Das Stiefmütterchen wird äußerlich zur Unterstützung bei Hauterkrankungen wie Ekzemen, Grindflechte, Akne und Juckreiz angewendet. Früher wurde es in der Volksmedizin noch bei Keuchhusten, Katarrh der Atemwege und fiebrigen Erkältungskrankheiten gebraucht. Die enthaltene Salicylsäure und Derivate, sowie die Schleimstoffe werden hierzu als Wirkstoffe diskutiert. Zur Anwendung wird aus Stiefmütterchenkraut (Droge: Violae herba cum flore) ein Tee gekocht, der in Form eines Umschlages auf die betroffenen Hautstellen aufgebracht wird. Stiefmütterchentee soll zudem blutreinigend und harntreibend wirken, obgleich die diuretische Wirkung umstritten ist. Als Zier- und Heilpflanze wird die Art seit dem Mittelalter kultiviert und in Großbritannien seit 1810 veredelt.

Symbolik

Der Name Stiefmütterchen wird im Volksglauben folgendermaßen gedeutet: Die fünf bunten Blütenblätter werden von fünf Kelchblätter getragen. Das unterste, große und stark gefärbte Blütenblatt sitzt auf zwei Kelchblättern. Das ist die Stiefmutter. Links und rechts von ihr sitzen ihre zwei bunt gefärbten Töchter jeweils auf einem Kelchblatt. Die zwei oberen, meist einfach violettfarbenen Blütenblätter stellen die zwei Stieftöchter dar. Sie müssen sich mit einem Kelchblatt gemeinsam begnügen.

In manchen Regionen ist man sich sicher, in der Blüte auch noch den Vater zu entdecken. Symbolisiert von Griffel und Narbe der Blüte sitzt er nämlich in der Mitte der Blüte von den Frauen seiner Familie eingezwängt. Er kommt erst heraus, wenn Frau und Kinder ausgegangen sind, wenn nämlich die Blume verblüht ist und die Blütenblätter abgefallen sind. Deshalb spricht man im Volksmund bis heute von „stiefmütterlicher Behandlung“, wenn jemand einen anderen Menschen vernachlässigt. Diese Symbolik wurde wie so oft nachträglich „erfunden“. Laut dem Etymologie-Duden bedeutet Stief-(mutter, -vater, -sohn etc) schon bei den Germanen einfach ein Verwandtschaftsverhältnis. Eine schlechte Behandlung geht damit nicht automatisch einher. Stief- ist in der Bedeutung von Stumpf, Rest usw. zu sehen und bezieht sich wohl eher auf die Größe der Pflanze.

Das Erscheinungsbild des Wilden Stiefmütterchens hat in Märchen, Sagen und Erzählungen seinen Niederschlag gefunden, so zum Beispiel in Theodor Storms Novelle „Viola tricolor“.

Der Ethnologe Claude Lévi-Strauss wählte die französische Bezeichnung für das wilde Stiefmütterchen (pensée sauvage) als Titel für sein wissenschaftliches Hauptwerk La Pensée sauvage (deutsch: Das wilde Denken).

Einzelnachweise

  1. Th. Schöpke und Mitarbeiter. In Sci. Pharm., Nr. 61, 1993, S. 145-153

Literatur

  • Max Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka. 4. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2002, ISBN 3-8047-1854-X
  • Marianne Beuchert: Symbolik der Pflanzen. Frankfurt am Main 1995
  • Manfred Bocksch: Das praktische Buch der Heilpflanzen. München 1996
  • Elvira Groß: Pflanzennamen und ihre Bedeutung. Köln 2001
  • Heinz-Dieter Krausch: Kaiserkron und Päonien rot... Hamburg 2003

Weblinks

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