Mycoplasmen

Mycoplasmen
Mykoplasmen
Systematik
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Abteilung: Firmicutes
Klasse: Mollicutes
Ordnung: Mycoplasmatales
Familie: Mycoplasmataceae
Gattung: Mykoplasmen
Wissenschaftlicher Name
Mycoplasma
Nowak 1929

Bei Mykoplasmen handelt es sich um sehr kleine, selbstständig vermehrungsfähige Bakterien aus der Klasse der Mollicutes (von lat. mollis „weich“ und cutis „Haut“, „die Weichhäutigen“). Mit einer Größe von 580-1.380 kbp haben die Gattungen Mycoplasma und Ureaplasma das kleinste Genom der zur Auto-Replikation befähigten Prokaryonten mit Ausnahme des Tiefsee-Archaeons Nanoarchaeum equitans (~500 kbp). Mykoplasmen sind parasitär, intra- und extrazellulär lebende Bakterien, die beim Menschen, Tieren und Pflanzen die Ursache für zahlreiche Krankheiten sind. Sie leben aerob bis fakultativ anaerob.

Inhaltsverzeichnis

Klassifizierung

Die Klasse der Mollicutes umfasst wissenschaftlich gesehen die sechs eubakteriellen Gattungen Acholeplasma, Anaeroplasma, Asteroleplasma, Mycoplasma, Spiroplasma und Ureaplasma.

Allerdings werden umgangssprachlich die Mitglieder der Mollicutes häufig mit dem gängigeren Begriff Mykoplasmen bezeichnet.

Die phylogenetische Verwandtschaft dieser Gattungen wurde durch die auf Carl Woese zurückgehende Analyse der 5S und 16S rRNA ermittelt. Ein gemeinsames Merkmal der Mollicutes (Weichhäuter) und damit auch der Mykoplasmen ist das Fehlen einer Zellwand und die damit einhergehende Anfälligkeit für osmotische Schwankungen des umgebenden Mediums. Antibiotika, die an der Zellwand ansetzen (z. B. Penizilline) sind praktisch unwirksam gegen sie. Aufgrund der geringen Größe der Mykoplasmen lassen sie sich, im Gegensatz zu anderen Bakterien, nicht durch Sterilfilter mit einer nominalen Porengröße von 0,22µm zurückhalten. Molekular-phylogenetische rRNA-Untersuchungen ergaben, dass die Mollicutes nicht an der Basis des bakteriellen phylogenitischen Baums stehen, sondern vielmehr durch degenerative Evolution aus Gram-positiven Bakterien der Lactobacillus-Gruppe mit einem niedrigen GC-Gehalt der DNA hervorgegangen sind. Im Zuge dieser degenerativen Evolution haben die Mollicutes einen erheblichen Teil ihrer genetischen Information verloren, so dass sie heute zu den Lebewesen mit dem kleinsten bekannten Genom zählen (Mollicutes: 580 kbp – 2.300 kbp, E.coli: 4.500 kbp, Arabidopsis thaliana: 100.000 kbp, Homo sapiens: 3.400.000 kbp). Bakterien der Klasse Mollicutes leben nicht als freie Bakterien, sondern sind entweder auf eine Wirtszelle oder einen Wirtsorganismus angewiesen.

Als Parasiten oder Kommensalen erhalten sie vom Wirtsorganismus essentielle Stoffwechselkomponenten wie z. B. Fettsäuren, Aminosäuren und Vorstufen der Nukleinsäuren. Die Möglichkeit zur Verkleinerung des Genoms wird auf die parasitäre Lebensweise der Mollicutes zurückgeführt. Für das Wachstum einiger Vertreter der Mollicutes ist auch Cholesterin erforderlich, eine Komponente, die normalerweise nicht in Bakterien gefunden wird und deren Synthesevorstufen ebenfalls von den Wirtszellen zur Verfügung gestellt wird.

Klinisch bedeutsame Mykoplasmen

Mykoplasmen sind als parasitär lebende Bakterien die Ursache für zahlreiche Krankheiten beim Menschen, Tieren und Pflanzen. In der Regel töten Bakterien aus der Klasse der Mollicutes ihren Wirt jedoch nicht ab. Vielmehr verursachen sie chronische Infektionen, was für eine gute Anpassung an die Wirte spricht, und verkörpern damit eine sehr erfolgreiche Art des Parasitismus.

Neben den pathogenen Eigenschaften der Mykoplasmen spielt die Infektion von Zellkulturen mit Mykoplasmen (hptsl. Mycoplasma orale) eine wichtige Rolle. Der Nachweis von Mykoplasmen kann über verschiedene Methoden erfolgen. Als schnelle und billige Standardmethode hat sich die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) etabliert.

Humanmedizin

  • Mycoplasma pneumoniae ist wichtigster Erreger der so genannten „atypischen Pneumonie“. Aber auch Tracheobronchitis, Pharyngitis, Meningitis, Mittelohrentzündungen und weitere Krankheitsbilder können von Mycoplasma pneumoniae verursacht werden. Zudem wird der Organismus mit Störungen des hämatopoetischen (blutbildenden) Systems, des zentralen Nervensystems, der Leber und Pankreas sowie kardiovaskulären Syndromen in Verbindung gebracht.
  • Mycoplasma genitalium ist neben Chlamydia trachomatis ein wichtiger Erreger der so genannten „non-gonococcal-Urethritis“, einer nicht durch Neisseria gonorrhoeae (den sog. „Gonokokken“) verursachten Harnröhren-Entzündung. Anfang 2008 berichtete eine Forschergruppe um Craig Venter, ihr sei es gelungen, erstmals das Erbmaterial eines Bakteriums komplett synthetisch herzustellen. Vorbild für den Nachbau des Genoms sei Mycoplasma genitalium gewesen; der Name des synthetischen Nachbaus ist Mycoplasma genitalium JCVI-1.0. [1]
  • Ureaplasma urealyticum besiedelt den unteren weiblichen Genitaltrakt und wird während einer Schwangerschaft häufig von der Mutter auf das Kind übertragen, wo sie u. a. die Ursache für Pneumonien oder chronische Infektionen des zentralen Nervensystems sein können. U. urealyticum ist ebenfalls ein Erreger der „non-gonococcal-Urethritis“.
  • Mycoplasma fermentans spielt u. a. möglicherweise als ein Faktor bei der Entstehung der Symptome einer HIV-Infektion eine Rolle. Außerdem gibt es Berichte über eine mögliche Beteiligung bei der Entstehung der Symptome des „chronic fatigue syndrome“ (CFS) und dem eventuell auf dem CFS beruhenden „Golfkriegssyndrom“.

Veterinärmedizin

Literatur

  • S. Razin, J. G. Tully (Hrsg.): Molecular and Diagnostic Procedures in Mycoplasmology. Vol. 1, Molecular Characterization. Academic Press, San Diego, New York 1995. ISBN 0-12-583805-0
  • Martin Dworkin, Stanley Falkow, Eugene Rosenberg, Karl-Heinz Schleifer, Erko Stackebrandt (Hrsg.): The Prokaryotes. 3. Auflage, Bd. 4: Bacteria: Firmicutes, Cyanobacteria. Springer Verlag, New York 2006, ISBN 978-0-387-25494-4 (Print), ISBN 978-0-387-30744-2 (Online), DOI 10.1007/0-387-30744-3

Einzelnachweise

  1. netzeitung.de: Venter präsentiert künstliches Bakterien-Genom

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