Myricaria germanica

Myricaria germanica
Deutsche Tamariske
Deutsche Tamariske (Myricaria germanica)

Deutsche Tamariske (Myricaria germanica)

Systematik
Klasse: Dreifurchenpollen-
Zweikeimblättrige
(Rosopsida)
Unterklasse: Nelkenähnliche (Caryophyllidae)
Ordnung: Nelkenartige (Caryophyllales)
Familie: Tamariskengewächse (Tamaricaceae)
Gattung: Rispelsträucher (Myricaria)
Art: Deutsche Tamariske
Wissenschaftlicher Name
Myricaria germanica
(L.) Desv.

Die Deutsche Tamariske (Myricaria germanica), auch Rispelstrauch genannt, ist ein Strauch und gehört zu den Pionierpflanzen, die sich auf neu gebildeten Schotterflächen der Alpen- bzw. Voralpenflüsse ansiedeln. In naturnahen Gebirgsflüssen wird das Flussmaterial durch jährliche Hochwasser umgeschichtet, so dass bestehende Schotterflächen erodiert und zugleich an anderer Stelle neu abgelagert werden. Die Deutsche Tamariske verankert ihre Pfahlwurzeln fest im Untergrund und übersteht so die immer wiederkehrenden Umschichtungen. Für die Pflanzen bedeutet dies auch eine Extremsituation zwischen Überflutung ihres Lebensraumes und Trockenheit, da Kies sehr wasserdurchlässig ist und daher kaum Wasser speichern kann. Da der Strauch sehr lichtbedürftig ist und von Weiden und Erlen leicht überwuchert wird, kann sie sich auf Dauer nur dort halten, wo immer wieder neue Sand- und Schotterbänke entstehen. Sie ist die einzige Art ihrer Familie der Tamariskengewächse in Mitteleuropa.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Die Deutsche Tamariske ist ein bis zu 2 m hoher immergrüner Strauch. Auf ihren aufrechten, rutenartigen Ästen sitzen sehr kleine, länglich bis lanzettlich geformte, wechselständige Laubblätter (2 bis 5 mm lang, schuppenförmig, überdecken sich oft dachziegelaförmig), die an den jüngeren Zweigen angedrückt sind, an älteren hingegen eher abstehen. Die Blätter sind kahl und graugrün gefärbt.

Blütenstand

Die Blütenstände liegen endständig, vor allem an den Hauptästen, und bilden einfache oder rispig verzweigte, gedrungene Trauben. Die unscheinbaren Einzelblüten bestehen aus 5 (selten 4) linealen Kelchblättern (3 mm lang) und 5 (selten 4) weißen bis hellrosa

Kronblättern (4 mm lang). Die 10 Staubbeutel sind purpurrot oder rot, 5 Staubblätter sind etwa so lang wie der Kelch, 5 etwas länger. Bei günstigem Wetter werden die Blüten durch Insekten bestäubt, die durch Nektar angelockt werden. Bei Regenwetter, wenn die Blüten halb bis komplett geschlossen bleiben, kann es auch zur Selbstbestäubung kommen. Blütezeit ist von Mai bis August, sie wird aber durch den Standort (besonders die Meereshöhe) stark beeinflusst.

Die 12 mm langen graugrünen Kapseln sind schmal pyramidenförmig, spitz, und oft rötlich überlaufen.

Die braunen Samen wiegen nur 0,065 mg, sie sind mit einem 5 bis 7 mm langen federförmigen Haarschopf (Pappus) ausgestattet und können als typische Schirmflieger bezeichnet werden.[1]

Neben der guten Flugfähigkeit zeichnen sich die Samen, ähnlich wie die der Weiden, durch eine rasche Keimung aus – in günstigen Fällen liegt die Auskeimungsrate bei 100 % innerhalb von 24 Stunden.

Mit ihrem tiefen, ausgeprägten Wurzelsystem trägt die Deutsche Tamariske zur Festigung des Bodens in ihrem Lebensraum bei.

In der Angabe des Höchstalters sind sich die Autoren uneinig: Es werden zwischen 10[2] und über 70[3] Jahre angegeben.

Standort

Jungpflanze am Inn bei Serfaus, Tirol.
Tamariskengebüsch am Inn bei Pfunds, Tirol.

Myricaria germanica ist eine der ersten Pflanzen, die sich auf neu gebildeten Flussalluvionen ansiedeln. Sie wächst zerstreut, meist herdenbildend auf Kies- und Schotter-, und Sandbänken – am häufigsten auf offenen Stellen, die einerseits zeitweise bei Hochwässern stark überflutet werden, andererseits aber auch stark austrocknen können. Durch Verschleppung kann sie auch an Bahndämmen oder in Kiesgruben vorkommen.

Die Deutsche Tamariske wird durch Lichtkonkurrenz schnell von anderen Arten verdrängt und ist daher auf periodische Störungen wie Überflutungen und Umschichtungen bzw. Schotterbank-Neubildungen angewiesen. Dabei ist sie nur indirekt von diesen Störungen abhängig, indem die Konkurrenz der Weidenarten beeinträchtigt oder sogar ausgeschaltet wird. Durch die völlige Umstrukturierung der Flusssysteme im Alpenraum, z. B. durch Stauseen und Stauwehre, wurde der natürliche Sedimenttransport so stark reduziert, so dass eine Neubildung von Schotterflächen kaum noch möglich ist. Der Lebensraum der Deutschen Tamariske wurde damit so stark eingeschränkt, dass sie in einigen Bereichen (z. B. an der Salzach) bereits nicht mehr vorkommt und insgesamt als stark gefährdet eingestuft wird.

In der älteren Literatur steht meist, dass die Deutsche Tamariske ausschließlich auf kalkhaltigen Böden und Urgestein wächst. Nach neueren Erkenntnissen gedeiht sie aber auch auf silikatisch geprägten Schotterfluren.[4]

Verbreitung

Die Deutsche Tamariske kommt in den Europäischen Gebirgen, Kleinasien, Armenien, dem Kaukasus, Iran, und Afghanistan vor. In Europa erstreckt sich das Verbreitungsgebiet von den Pyrenäen, bis nach Skandinavien und zum Kaspischen Meer. Die südliche Grenze bilden die Pyrenäen und der mittlere Apennin, bis zu den Illyrischen Gebirgen am Ostufer der Adria. Die Art beschränkt sich dabei auf Mittel- und Oberläufe von Flüssen in montanen bis subalpinen Lagen bis 2350 m.[5] Im Himalaya gibt es Vorkommen bis in eine Höhenlage von 3.950 m.[6] Als Schwemmling wurde sie in Norwegen aber auch in Lagen von 630 m nachgewiesen.[5]

Für den Alpenraum sind in der Literatur folgende aktuelle Vorkommen angegeben:[4]

  • In Österreich kommt die Deutsche Tamariske in den Bundesländern Kärnten, Salzburg, Steiermark und Tirol vor.
  • In Deutschland gab es um 1945 noch zahlreiche Vorkommen an den alpinen Zubringerflüssen der Donau und in den Berchtesgadener Alpen. Die meisten Vorkommen in Bayern sind jedoch inzwischen erloschen und gehen weiter stark zurück.[7]
  • In der Schweiz ist die Art im Engadin noch relativ häufig anzutreffen, aber besonders im Mittelland und in den tieferen Alpentälern bereits vielfach ausgestorben.
  • Für Italien sind Standorte in Friaul-Julisch-Venetien, am Tagliamento (unbestätigt), und an einigen Flüssen in Südtirol bekannt.
  • In Slowenien wird die Art ebenfalls als stark bedroht eingestuft.

Bachmann[4] schreibt dazu in ihrer Diplomarbeit: „Myricaria germanica ist im gesamten Alpenraum in ihrem Vorkommen extremst eingeschränkt worden und die wenigen Stellen, an denen sie sich halten konnte, sind von europäischer Bedeutung. Die flächigen Bestände der Deutschen Tamariske in Südtirol gehören zusammen mit denen im Tiroler Lechtal und denen im Hinterrheintal zu den letzten weitläufigen natürlichen Vorkommen der Art in Europa.“

Nutzung

Verschiedene Tamariskenarten (besonders Tamarix gallica) wurden schon im Altertum gegen Milzkrankheiten eingesetzt.

Die Deutsche Tamariske wurde bei einem breiten Spektrum von Symptomen und Krankheiten eingesetzt: Für Milz, Lunge, Leber, Nieren und Blase, bei Brandwunden und Spinnenbissen, gegen Geschwüre, Gelbsucht, Zahnweh, Weißfluss.[8] Besonders Rinde, Blätter, Samen und Wurzeln fanden dabei Verwendung, zum Beispiel frisch gepresst (Blätter) oder ausgekocht (Wurzeln).

Tamariskenöl wurde früher, ähnlich wie Latschenöl, für Inhalationen und Einreibungen verwendet.[9]

In neuerer Zeit ist die Heilkraft des Strauches völlig in Vergessenheit geraten. Die klinische Verwertbarkeit, besonders bei Milzkrankheiten, wäre zu überprüfen.

Bereits 1582 wurde der Strauch als Zierpflanze in Gärten angebaut.

Gefährdung und Schutz

Die Deutsche Tamariske ist Charakterart der wildfluss- und wildbachnahen Fließgewässer Europas. Durch die Umstrukturierungen der Flusssysteme im Alpenraum in den letzten Jahrhunderten wurde der dynamische Lebensraum großräumig zerstört.

Im Rahmen der FFH-Richtlinie, Anhang 1, müssen die EU-Mitgliedsstaaten für natürliche Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse besondere Schutzgebiete ausweisen – darunter auch "Alpine Flüsse mit Ufergehölzen von Myricaria germanica" (Lebensraumtyp Nr. 3230).

In der Roten Liste Deutschlands werden sowohl die Deutsche Tamariske als Myricario-Chondrilletum und Myricarietum unter der Kategorie 1 („vom Aussterben bedroht“) geführt.

In der Roten Liste Österreichs hat Myricaria germanica den Status 1 („vom Aussterben bedroht“), in den Bundesländern Oberösterreich, Niederösterreich und Wien bereits Status 0 („ausgerottet, ausgestorben oder verschollen“). Weiden-Tamarisken-Gebüsche sind in Österreich in der alpinen Region mit dem Status 1 versehen („von vollständiger Vernichtung bedroht“), in der kontinentalen Region mit Status 0 („vollständig vernichtet“).

In der Roten Liste der Schweiz gilt die Deutsche Tamariske als „potentiell gefährdet“.

Literatur

  • Bachmann J.: Ökologie und Verbreitung der Deutschen Tamariske (Myricaria germanica Desv.) in Südtirol und deren pflanzensoziologische Stellung. Diplomarbeit, Universität Wien 1997.
  • Hegi G.: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Band 5, Teil 1: Dicotyledones, Linaceae – Violaceae. Verlag Paul Parey, Berlin, Hamburg 1975.
  • Kiem J.: Ein Tamariskenvorkommen im Sarntal. Ber. Bayer. Bot. Ges. 63, 139-143, 1992
  • Kudrnovsky H.: Die Deutsche Tamariske (Myricaria germanica) und ihre FFH-Ausweisung in Österreich. 2005

Einzelnachweise

  1. Müller N. & A. Bürger: Flussbettmorphologie und Auenvegetation des Lech im Bereich der Forchacher Wildflusslandschaft (Oberes Lechtal, Tirol). Verein zum Schutze der Bergwelt, 55: 43-74, München 1990
  2. Bohle K.: Verbreitung und Häufigkeit seltener Pflanzengesellschaften in Vorarlberg. Teil 2. Zwergrohrkolbenröhrichte (Equiseto-Typhetum minimae) und Myrtengebüsche (Salici-Myricarietum). Diplomarbeit, Universität Innsbruck 1987
  3. Frisendahl A.: Myricaria germanica (L.) DESV. Acta Florae Sueciae. 1: 265-304, 1921
  4. a b c Bachmann J.: Ökologie und Verbreitung der Deutschen Tamariske (Myricaria germanica Desv.) in Südtirol und deren pflanzensoziologische Stellung. Diplomarbeit, Universität Wien, 1997
  5. a b Hegi G.: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Band 5, Teil 1: Dicotyledones, Linaceae – Violaceae. Verlag Paul Parey, Berlin, Hamburg, 1975.
  6. Prach K.: Vegetation Succession on River Gravel Bars across the Northwestern Himalayas, India. Arctic & alpine Research, Vol. 26. 4. 349-353, 1994
  7. Schönefelder P. & A. Bresinsky (Hrsg.): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Bayerns. Ulmer Verlag, Stuttgart 1990.
  8. Madaus G.: Lehrbuch der Biologischen Heilmittel. Abteilung 1: Heilpflanzen. Band 1, Georg Thieme Verlag, Leipzig 1938
  9. Kiem J.: Ein Tamariskenvorkommen im Sarntal. Ber. Bayer. Bot. Ges. 63, 139-143, 1992

Weblinks

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