Mythenforschung

Mythenforschung

Die Mythologie ist die systematische Beschäftigung mit Mythen oder deren systematische Darlegung in literarischer, wissenschaftlicher oder religiöser Form. Mythologie kann daher weiter gefasst sein als nur die Gesamtheit der Mythen eines Volkes, einer Region oder einer sozialen Gruppe. Sehr häufig wird der Begriff aber genau so verwendet, als Gesamtheit der Mythen nach der Zugehörigkeit zu einer Kultur bzw. Region (in dieser Bedeutung früher auch Sagenwelt genannt). Daneben kann man auch Mythen zu verschiedenen Themen kulturübergreifend behandeln. Man erhält so Unterteilungen wie z. B. Astralmythologie, Zahlenmythologie, Eschatologie.

Mythologie beschäftigt sich aber auch mit der Frage nach der Herkunft der Mythen und deren Verhältnis zu anderen Erzählformen wie Legende, Märchen, Sage, Epos. Besonders Märchen werden mitunter als degradierte Mythen angesehen. Die Entwicklung der Mythen als erzählerische Gattung und auch deren Transformation zu Märchen ist Gegenstand der Narratologie. Die Entstehung von Mythen ist auch Gegenstand der Psychologie, besonders der einst modernen Völkerpsychologie.

Soweit der Gegenstand der Mythen religiös gesehen wird, ist deren Erforschung eng mit der Religionsgeschichte verbunden. Informationen aus Mythen sind wichtig zur Rekonstruktion religiöser Vorstellungen, die manchmal Inhalte unterschiedlicher mythologischer Ursprünge zu einem System verbinden.

Zentrale Themen in der Mythologie sind in diesem Fall die Erschaffung der Welt (Schöpfungsgeschichte) sowie Prozesse der Zerstörung und Erneuerung (z. B. innerhalb der Natur, Wiedergeburt), häufig in Verbindung mit dem Kampf unterschiedlicher Mächte (sowohl konkreter Göttergestalten, Himmel und Erde, als auch abstrakter Eigenschaften, wie gut und böse, hell und dunkel). Sie sind vielfach nicht als historische Wirklichkeit gedacht, sondern als Darstellung einer Struktur hinter der Wirklichkeit in sprachlichen Bildern. Als Beispiel kann die Genesis dienen.

Ein anderer Schwerpunkt von Mythologien sind genealogische Ableitungen von Herrschergeschlechtern oder ganzer Völker von Göttern oder von anderen Völkern hohen Ansehens. Sie dienen im ersten Falle der religiösen Herrschaftslegitimation, im zweiten Fall dem Zusammengehörigkeitsbewusstsein von Stämmen durch das „Wir-Gefühl“ gleicher Abstammung. Als Beispiel kann die altnordische Ynglingatal dienen.

Siehe auch

Literatur

  • Roland Barthes: Mythen des Alltags. Suhrkamp, Frankfurt/M. 2006, ISBN 3-518-10092-0.
  • Gerhard Bellinger: Knaurs Lexikon der Mythologie. Über 3000 Stichwörtern zu den Mythen aller Völker. Area-Verlag, Erftstadt 2005, ISBN 3-89996-270-2.
  • Blisniewski, Thomas: Auswahlbibliographie zur antiken Mythologie und ihrem Fortleben. Köln 1993.
  • Joseph Campbell: Die Masken Gottes. Dtv, München
  1. Die Mythologie der Urvölker. 1996, ISBN 3-423-30571-1.
  2. Mythologie des Ostens. 1996, ISBN 3-423-30572-X.
  3. Mythologie des Westens. 1996, ISBN 3-423-30573-8.
  4. Schöpferische Mythologie. 1996, ISBN 3-423-30574-6.
  • Joseph Campbell: Der Heros in tausend Gestalten. Insel Verlag, Frankfurt/M. 2005, ISBN 3-458-34256-7.
  • Arthur Cotterell: Die Enzyklopädie der Mythologie. Klassisch, keltisch, nordisch. Edition XXL, Reichelsheim 2004, ISBN 3-89736-300-3.
  • Michael Grant, John Hazel: Lexikon der antiken Mythen und Gestalten. Dtv, München 2004, ISBN 3-423-32508-9.
  • Stephan Grätzel: Die Masken des Dionysos.Vorlesungen zu Mythologie und Philosophie.London: Turnshare, 2005, ISBN 1-903343-63-1.
  • Otto Holzapfel: Lexikon der abendländischen Mythologie. Hohe-Verlag, Erftstadt 2007, ISBN 978-3-86756-000-9.
  • Christoph Jamme: „Gott an hat ein Gewand“. Grenzen und Perspektiven philosophischer Mythos-Theorien der Gegenwart. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1999, ISBN 3-518-29033-9 (zugl. Habilitationsschrift, Bochum 1990)
  • Carl Gustav Jung, Karl Kerényi: Das göttliche Kind. Einführung in das Wesen der Mythologie. Patmos-Verlag, Düsseldorf 2006, ISBN 3-491-69822-7.
  • Karl Kerényi: Die Mythologie der Griechen. Die Götter- und Menschheitsgeschichten. Klett-Cotta, Stuttgart 1997, ISBN 3-608-91824-8
  • Robert von Ranke-Graves: Griechische Mythologie. Quellen und Deutung. Rowohlt, Reinbek 2003, ISBN 3-499-55404-6.
  • Robert von Ranke-Graves: Die Weiße Göttin. Sprache des Mythos. Rowohlt, Reinbek 2002, ISBN 3-499-55416-X.
  • Monika Tworuschka, Udo Tworuschka: Als die Welt entstand … Schöpfungsmythen der Völker und Kulturen in Wort und Bild. Herder, Freiburg/B. 2004, ISBN 3-451-28597-5.
  • Heinrich Zimmer: Indische Mythen und Symbole. Schlüssel zur Formenwelt des Göttlichen. Diederichs, München 2000, ISBN 3-424-00693-9

Weblinks

Portal
 Portal: Mythologie – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Mythologie


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Mythenforschung — My|then|for|schung, die: vgl. ↑Sagenforschung …   Universal-Lexikon

  • Mythenforschung — My|then|for|schung …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Richard Foerster (Altphilologe) — Richard Foerster um 1900 Richard Foerster (* 2. März 1843 in Görlitz; † 7. August 1922 in Breslau; vollständiger Name Paul Richard Foerster) war ein deutscher Klassischer Philologe, Archäologe und Kunsthistoriker. Er war ordentlicher Professor… …   Deutsch Wikipedia

  • Goldenes Zeitalter — Das Goldene Zeitalter Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren, um 1530, Alte Pinakothek, München Goldenes Zeitalter (altgriechisch χρύσεον γένος chrýseon génos „Goldenes Geschlecht“, lateinisch aurea aetas oder aurea saecula „Goldenes Z …   Deutsch Wikipedia

  • Romantik: Die Mythen —   Kaum eine Epoche beschäftigte das Phänomen des Mythos so anhaltend wie die Romantik, wenngleich viele Wurzeln dieser Beschäftigung bis tief ins 18. Jahrhundert hinein zurückreichen. Seit Platon gibt es eine Kritik an den Mythen; in der… …   Universal-Lexikon

  • Adalbert Kuhn — Kuhn Franz Felix Adalbert Kuhn (* 19. November 1812 in Königsberg in der Neumark; † 5. Mai 1881 i …   Deutsch Wikipedia

  • Amaterasu — beim Verlassen ihrer Höhle Amaterasu (jap. 天照), mit vollem Namen Amaterasu ō mi kami (天照大神, dt. Am Himmel scheinende große erlauchte Göttin, andere Namen s. u.), ist die wichtigste Kami (Gottheit) des Shintō. Sie personifiziert die Son …   Deutsch Wikipedia

  • Amaterasu Omikami — Amaterasu beim Verlassen ihrer Höhle Amaterasu (jap. 天照), mit vollem Namen Amaterasu ō mi kami (天照大神, dt. Am Himmel scheinende Große erlauchte Göttin, andere Namen s. u.), ist die wichtigste Kami (Gottheit) des Shintō. Sie personifiziert die… …   Deutsch Wikipedia

  • Apu Ollantay — Das Theaterstück Apu Ollantay gilt als das klassische Werk der kolonialperuanischen Quechua Literatur. Es wurde im 18. Jahrhundert viel am Theater zu Cusco aufgeführt und wurde im 19. Jahrhundert wiederentdeckt. Der Text des Stückes ist… …   Deutsch Wikipedia

  • Arier — Die Bedeutung von Arier (Sanskrit आर्य, persisch ‏آریا‎: āryā: „edel“; erweiterte Formen aryāna, ari oder arya, von proto indogermanisch *ar yo: etwa „wohlgefügt“) ist vielfältig. Der Begriff wird im völkerkundlichen,… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”