Myxomyceten

Myxomyceten
Schleimpilze
Gelbe Lohblüte (Fuligo septica)

Gelbe Lohblüte (Fuligo septica)

Systematik
Klassifikation: Lebewesen
Domäne: Eukaryoten (Eucaryota)
ohne Rang: Amoebozoa
Klasse: Schleimpilze
Wissenschaftlicher Name
Eumycetozoa
Zopf, 1884
Unterklassen
  • Zwergschleimpilze (Protostelea)
  • Echte Schleimpilze (Myxogastrea)
  • Zelluläre Schleimpilze (Dictyostelea)

Schleimpilze, auch Myxomyceten (Eumycetozoa), sind eine Gruppe von heterotrophen Organismen. Etwa 1000 Arten sind bekannt. Ob Schleimpilze als Einzeller oder Vielzeller anzusehen sind, ist schwer zu beantworten. Auch ist man sich nicht einig, ob Schleimpilze den Tieren, Pilzen oder Pflanzen zuzurechnen sind. Innerhalb der Biologie wird die systematische Erforschung der Schleimpilze durch die Botanik betrieben.

Schleimpilze bilden ein Plasmodium, eine Plasma-Masse mit vielen Zellkernen bzw. amöboiden Zellen. Bei den meisten Schleimpilzen, den Myxomycota, ist das Plasmodium nicht in Zellen gegliedert, enthält keine Zellwände, aber sehr viele Zellkerne. Diese Plasmodien können sich in einzelne amöbenartige Zellen (Myxamöben) aufteilen, die sich wieder vereinigen können. Andere Schleimpilze, die Acrasiomycota, bilden Plasmodien, die in amöboide Einzelzellen gegliedert bleiben und sich ebenfalls wieder in einzelne amöbenartige Individuen aufteilen können. Plasmodien können sich wie riesige Amöben bewegen und durch Phagozytose ernähren, aber auch feste pilzartige Fruchtkörper bilden. Einige Arten bilden wie echte Pilze chitinhaltige Zellwände. Einige Schleimpilze bilden Geschlechtszellen mit Geißeln, ähnlich denen von Braunalgen und den Spermien von Tieren.

Myxomycota, z. B. Physarum polycephalum, wandern im Jugendstadium als vielkernige Riesenzellen zur Nahrungssuche auf dem Substrat umher, bei Reife erstarren sie zu feststehenden Fruchtkörpern. Verschiedene Arten kommen ausschließlich während der Schneeschmelze im Frühjahr im Gebirge vor. Sie brauchen eine mehrmonatige geschlossene Schneedecke zur Entwicklung. Bekannt ist vor allem die gelb gefärbte Art Physarum polycephalum, ein amöboider Myxomycet, bei dem das Plasmodium einer einzigen vielkernigen „Zelle“ mehr als 2 m² Fläche bedecken kann. Sie ist auch im Labor kultivierbar. Junge Plasmodien, die im Inneren von abgestorbenen Bäumen leben, zeigen eine Bewegung in Richtung niedrigerer Beleuchtungsstärke (negative Phototaxis). Ältere Plasmodien zeigen positive Phototaxis und wandern vor der Sporenbildung nach außen zum Licht. Sie besitzen lichtempfindliche Farbstoffe, die insbesondere auf blaues und UV-Licht reagieren.

Viele Schleimpilzarten können auf Rinden gezüchtet werden. Wird die Rinde in einem geschlossenen Gefäß auf Zellstoff gelegt, erscheinen meist nach wenigen Tagen bis Wochen die Fruchtkörper. Die meisten Arten allerdings kommen während der Vegetationsperiode an verschiedenen Substraten vor, wie zum Beispiel Totholz, Gras, abgestorbenen Pflanzenteilen und Moos.

Manche Arten können extreme Mengen an Calcium und anderen Metallen ansammeln. So wurde für Fuligo septica ein Calcium-Gehalt von bis zu 11 Gewichtsprozent ermittelt. Auch die Gehalte an Mangan, Zink und Barium zeigten außergewöhnlich hohe Werte.

Manche Schleimpilzarten werden auch von Menschen gegessen, z. B. Plasmodia von Fuligo septica und Aethalia von Enteridium lycoperdon in der Gegend von Veracruz in Mexiko. Dort sind sie gegrillt, unter der Bezeichnung „caca de luna“, als Delikatesse bekannt. In der Medizin werden Schleimpilze als Modellorganismen genutzt, z. B. bei der Erforschung der Legionärskrankheit.

Eine ähnliche Lebensweise wie die eukaryotischen Schleimpilze haben im Bereich der Prokaryonten die Myxobacteria entwickelt, ein Beispiel für konvergente Evolution.

Inhaltsverzeichnis

Systematik

Schleimpilz

Organisationstyp: Schleimpilze (1.–3. Abteilung)

Hauptkennzeichen:
Zellwandlose, vielkernige, amöboid bewegliche Plasmamassen (Synzytien). Vermehrung durch Sporen, deren Bildung in besonderen Fruchtkörpern erfolgt.

1. Abteilung: Acrasiomycota
siehe Acrasidae

2. Abteilung: Myxomycota
Myxomycota sind plasmodiale Schleimpilze wie z. B. Physarum. Sie bestehen grundsätzlich aus einer großen Zelle mit tausenden von Kernen (Plasmodium). Sie entstehen, wenn viele begeißelte Zellen zusammenschwärmen und verschmelzen. Plasmodien sind wahrscheinlich entstanden durch Fusion von Myxoflagellaten oder Myxamöben bzw. aus Einzelzellen ohne vorausgehende geschlechtliche Vorgänge Auftreten von begeißelten Keimzellen. Man untergliedert sie in 2 Klassen, eine davon sind die Myxomycetes, die Schleimpilze im engeren Sinne. Neben der Phagotrophie findet hier auch eine osmotrophe Nährstoffaufnahme statt.

3. Abteilung: Plasmodiophoromycota
siehe Plasmodiophorida

Plasmodium

Lohblüte mit Überresten des Plasmodiums

Das Plasmodium ist ein vielkerniger, amöboid beweglicher, ungegliederter Organismus. Es ist ein Entwicklungsstadium der meisten Schleimpilze. Die Plasmodien von Schleimpilzen ernähren sich meist durch Phagozytose. Dabei werden zumeist Bakterien, aber auch Sporen, Pilzhyphen und Anderes von ausfließendem Plasma umflossen und inkorporiert.

Auffällige Plasmodien der Schleimpilze tragen oft volkstümliche Namen: Blutmilchpilz (Lycogala epidendrum), Hexenbutter sind die Plasmodien der Lohblüte (Fuligo septica), als Drachendreck oder Wolfsblut werden weitere Plasmodien bezeichnet.

Die meist diploiden Plasmodien der Schleimpilze werden morphologisch in drei Gruppen eingeteilt:

  • Protoplasmodien sind mikroskopisch klein und unverzweigt. Meist wird nur ein einziges Sporokarp gebildet.
  • Aphanoplasmodien sind anfangs so klein und wie Protoplasmodien gebaut, werden aber größer und verzweigen sich. Sie sind ohne auffallende Pigmentierung und hyalin (= durchscheinend). Es werden viele Sporokarpien gebildet.
  • Phaneroplasmodien können mitunter sehr groß werden und Flächen von bis zu 1,5 m² bedecken. Sie bilden rasch ein umfangreiches Netzwerk. Die Plasmastränge sind oft auffällig pigmentiert. Es werden viele Sporokarpien oder ein einziges großes Aethalium gebildet.

Sonstiges

Mycetozoa aus Ernst Haeckels Kunstformen der Natur (1904)

Anfang 2006 wurden an der japanischen Universität Kōbe im Rahmen eines Forschungsprojekts lichtempfindliche Schleimpilze (Physarum polycephalum) in einer technischen Anwendung für die zentrale Steuerung eines Roboters experimentell eingesetzt (siehe Schleimpilzroboter).

Ein natürlicher Fressfeind der Schleimpilze sind die Schwammkugelkäfer.

Literatur

  • Hermann Neubert, Wolfgang Nowotny, Karlheinz Baumann: Die Myxomyceten Deutschlands und des angrenzenden Alpenraumes unter besonderer Berücksichtigung Österreichs, Band 1–3, Karlheinz Baumann Verlag, Gomaringen 1993, 1995, 2000; ISBN 3-929822-02-4
  • Heinrich Dörfelt (Hrsg.): Lexikon der Mykologie. Gustav Fischer, Stuttgart–New York 1989. ISBN 3-437-20413-0
  • Eduard Strasburger: Lehrbuch der Botanik. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2002 (35. Aufl.). ISBN 3-8274-1010-X
  • S.L. Stevenson and H. Stempen: Myxomycetes, A Handbook of Slime Molds. Timber Press. 1994. ISBN 0-88192-439-3

Weblinks


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