- Möllemann
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Jürgen Wilhelm Möllemann (* 15. Juli 1945 in Augsburg; † 5. Juni 2003 in Marl-Loemühle) war ein deutscher Politiker (FDP). Er war unter Bundeskanzler Helmut Kohl von 1987 bis 1991 Bundesminister für Bildung und von 1991 bis 1993 Bundesminister für Wirtschaft, ab Mai 1992 auch Vizekanzler. Im Januar 1993 trat er im Zuge der Briefbogen-Affäre aus der Bundesregierung aus. Nach einem Comeback in Nordrhein-Westfalen 2000 geriet er durch umstrittene Aktionen und Projekte abermals in die Kritik. 2003 starb er unter nicht völlig geklärten Umständen bei einem Fallschirmabsprung.
Inhaltsverzeichnis
Ausbildung und Beruf
Jürgen Möllemann wuchs am linken unteren Niederrhein in Appeldorn, heute ein Ortsteil von Kalkar, auf. Nach dem Abitur 1965 am Amplonius-Gymnasium in Rheinberg leistete Möllemann zunächst bis 1966 seinen Wehrdienst als Reserveoffizieranwärter bei den Fallschirmjägern ab. Danach absolvierte er ein Studium der Fächer Deutsch, Geschichte und Sport an der Pädagogischen Hochschule in Münster, das er 1969 mit dem ersten und 1971 mit dem zweiten Staatsexamen für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen beendete. Im Jahre 1978 war er für den Flick-Konzern tätig. Seit 1993 war Möllemann Inhaber der Beratungsfirma WEB/TEC – Wirtschafts- und Exportberatung.
Familie
Möllemann war in zweiter Ehe verheiratet mit Carola Möllemann-Appelhoff (* 1949), Münsteraner Ratsmitglied von 1979 bis 1994 und seit 1999 Ratsvorsitzende für die FDP. Aus dieser Ehe gingen zwei Töchter hervor, aus erster Ehe hatte er noch eine Tochter.
Partei
Von 1962 bis 1969 war er Mitglied der CDU. Von 1970 bis zu seinem Austritt am 17. März 2003 war er Mitglied der FDP. Von 1975 bis 1982 gehörte Möllemann dem Landesvorstand der nordrhein-westfälischen FDP an, von 1982 bis 1983 war er zunächst stellvertretender Vorsitzender und schließlich von 1983 bis 1994 sowie von April 1996 bis Oktober 2002 Landesvorsitzender der FDP Nordrhein-Westfalen. Möllemann musste bereits 1994 als Landesvorsitzender zurücktreten, da er sich mit dem damaligen FDP-Bundesvorsitzenden und Außenminister Klaus Kinkel überworfen hatte und sowohl in seinem eigenen Landesverband als auch in der Bundespartei keinen ausreichenden Rückhalt fand.
Von 1981 bis 1997 sowie von Mai 1999 bis März 2002 war er Mitglied im FDP-Präsidium. Von Mai 2001 bis September 2002 war er Stellvertretender Bundesvorsitzender. Bei der Landtagswahl 2000 in Nordrhein-Westfalen gelang der FDP unter seiner Führung nach fünf Jahren Abwesenheit mit einem Ergebnis von 9,8 Prozent der Stimmen der Wiedereinzug in den Landtag.
Abgeordneter
Von 1972 bis 2000 sowie ab Oktober 2002 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Im Februar 2003 trat er aus der FDP-Bundestagsfraktion aus. Jürgen Möllemann war zuletzt (15. Wahlperiode 2002) über die Landesliste Nordrhein-Westfalen in den Deutschen Bundestag eingezogen. Seit 2000 war er außerdem Mitglied des Landtages von Nordrhein-Westfalen. Hier war er bis Oktober 2002 Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion. Im März 2003 schied er auch hier aus der FDP-Fraktion aus.
Öffentliche Ämter
Nach dem Regierungswechsel im Oktober 1982 wurde er zum Staatsminister im von Hans-Dietrich Genscher geleiteten Auswärtigen Amt ernannt. Nach der Bundestagswahl 1987 wurde er dann am 12. März 1987 als Bundesminister für Bildung und Wissenschaft in die von Bundeskanzler Helmut Kohl geführte Bundesregierung berufen.
Nach der Bundestagswahl 1990 übernahm er am 18. Januar 1991 die Leitung des Bundesministeriums für Wirtschaft. Nach dem Rücktritt von Hans-Dietrich Genscher wurde er dann zusätzlich am 18. Mai 1992 zum Stellvertreter des Bundeskanzlers ernannt. Nach der sogenannten Briefbogen-Affäre schied er aus dem Kabinett am 21. Januar 1993 aus.
Gesellschaftliche Ämter
Von 1981 bis 1991 sowie 1993 und von 1995 bis zu seinem Tode 2003 war Möllemann Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft. Seit 1998 war er Mitglied im Aufsichtsrat des Fußballvereins FC Schalke 04. Daneben war er auch Präsident des Fallschirmclubs Münster.
Politisches
Die Karriere des Politikers Jürgen Möllemann war von extremen Höhen und Tiefen gekennzeichnet. Neben zahlreichen Erfolgen und Anerkennungen, beispielsweise als Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, gab es einige politische Skandale. Vom Amt des Bundesministers für Wirtschaft musste er im Januar 1993 zurücktreten, da er dessen offizielles Briefpapier verwendet hatte, um in einem Brief für die Geschäftsidee eines Schwagers seiner Ehefrau zu werben. Dies wurde als Briefbogen-Affäre bekannt.
Möllemann verstand es Themen zu positionieren, zu polarisieren, die Medien für sich zu nutzen und die Menschen zu begeistern – aber auch abzustoßen. 1994 trat der komplette NRW-Landesvorstand der FDP zurück, um auch den Vorsitzenden Möllemann zum Rücktritt zu zwingen.
Bereits zwei Jahre später war er wieder im Amt und führte die Landespartei im Wahlkampf 2000 zu einem ungewöhnlichen Erfolg: Die FDP, die fünf Jahre nicht im Düsseldorfer Landtag vertreten war, wurde dank seiner Wahlkampfstrategie mit 9,8 Prozent Stimmenanteil in den Landtag NRW zurückgewählt. Möllemann war gemeinsam mit dem früheren FDP-Bundesgeschäftsführer Fritz Goergen Gründer des Projekt 18, für das er bald auch in der Bundespartei gelobt wurde. Medienberichte brachten Möllemanns Firma WebTec mit Waffengeschäften im arabischen Raum in Verbindung. Anfang April 2004 berichtete die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf einen internen Aktenvermerk des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen, dass das Unternehmen vorwiegend Geschäfte mit Briefkastenfirmen in Liechtenstein und Monaco gemacht habe.
Im Zuge der Eskalation des Israel-Palästina-Konfliktes übte er im Jahr 2002 scharfe Kritik am Vorgehen Israels und äußerte dabei Verständnis für die Selbstmordattentate der Palästinenser. Jamal Karsli (damals noch bei den Grünen) hatte von einem „Vernichtungskrieg“ des Ariel Scharon gegen die Palästinenser gesprochen und eine seiner Meinung nach diskussionsverhindernde „zionistische Lobby“ zugunsten dieser Kriegspolitik kritisiert. Als Karsli auf Initiative Möllemanns hin in die FDP-Fraktion Nordrhein-Westfalens aufgenommen wurde, gab es dagegen starken Widerstand vor allem der jüdischen Gemeinschaft und einiger prominenter FDP-Mitglieder wie Hildegard Hamm-Brücher.
Möllemann attackierte bei der Zurückweisung dieser Angriffe gegen seine Person insbesondere Michel Friedman, den damaligen Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, in einem ZDF-Interview: „Ich fürchte, dass kaum jemand den Antisemiten, die es in Deutschland leider gibt und die wir bekämpfen müssen, mehr Zulauf verschafft hat als Herr Scharon und in Deutschland ein Herr Friedman mit seiner intoleranten und gehässigen Art, überheblich. Das geht so nicht, man muss in Deutschland Kritik an der Politik Scharons üben dürfen, ohne in diese Ecke geschoben zu werden.“
Medien sahen in dieser Charakterisierung Friedmans die Auffassung, Juden seien selbst schuld am Antisemitismus. Politiker anderer Parteien nutzten dies im Wahlkampf und warfen Möllemann Antisemitismus vor. Möllemann und Westerwelle wiesen diesen Vorwurf empört zurück. Kurz vor der anstehenden Bundestagswahl 2002 gipfelte der Konflikt in einem umstrittenen Flugblatt, welches Möllemann an alle Haushalte in Nordrhein-Westfalen verteilen ließ; darin wurden Ariel Scharon und Michel Friedman angegriffen, was zu einer Ablehnung dieser Aktion über die Parteigrenzen hinweg sowie zu einer Antisemitismus-Debatte führte. Das Satiremagazin Titanic persiflierte daraufhin Möllemanns Aussagen und den Spaßwahlkampf von Guido Westerwelle, indem es in Anlehnung an dessen Guidomobil mit einem „Möllemobil“ in der Eisenacher Fußgängerzone vorfuhr und Plakate mit antisemitischen Parolen („Judenfrei und Spaß dabei“; „Gib endlich Fried, Mann!“) aufstellte.
Nach dem für die FDP bundesweit enttäuschenden Wahlergebnis drohten die erbitterten Diskussionen zwischen den Gegnern und den Befürwortern Möllemanns die Partei zu spalten. Mit Ausnahme einiger Landesverbände distanzierte sich die FDP von dem Flugblatt Möllemanns und bemühte sich herauszustellen, dass es sich bei dem Flugblatt um kein offizielles Werbematerial der Partei gehandelt habe.
Als Details der fragwürdigen Finanzierung des Flugblattes bekannt wurden, nahm der Konflikt eine andere Richtung: Möllemann verlor immer mehr den Rückhalt in der FDP und schließlich drohte ihm sogar ein Parteiausschlussverfahren. Nach der gebrochenen Zusicherung, sein 2002 gewonnenes Bundestagsmandat wieder aufzugeben, kam er einem vom Parteivorstand beschlossenen Ausschluss zuvor und trat im März 2003 aus der FDP aus.[1]
Tod
Möllemann war ein leidenschaftlicher Fallschirmspringer und hatte seine Absprünge häufig auch für Wahlkampfauftritte in Szene gesetzt. Am 5. Juni 2003 starb er an den vielfachen Verletzungen, die er bei Marl-Loemühle durch einen Absturz beim Fallschirmsprung erlitt. Er klinkte sich aus dem Haupt-Fallschirm aus, der Reserveschirm wurde aber nicht geöffnet, was zu einem ungebremsten Aufschlag führte. Die Gründe dafür sind ungeklärt. Jedoch war der Öffnungsautomat, welcher den Reservefallschirm automatisch ausgelöst hätte, abgeschaltet worden. Möllemann hat laut Aussage seiner Kameraden sich der gegenseitigen Kontrolle des Notsystems entzogen, da er ein Glas Wasser holen wollte.[2]
Der am 9. Juli des Jahres vorgelegte Abschlussbericht der untersuchenden Staatsanwaltschaft Essen schloss Fremdverschulden als Todesursache aus, es konnte aber nicht abschließend geklärt werden, ob es sich um einen Unfall oder um Suizid gehandelt hatte. Die zehn Sportkameraden, die mit ihm in die Luft gingen, hatten ihn gefragt, ob er wie oft zuvor einen Formationsflug, den „Sechserstern“, mitmachen würde. Möllemann erklärte daraufhin: „Ich springe heute einen Einzelstern.“
Die nicht vollständig geklärten Todesumstände und Aussagen verschiedener Freunde Möllemanns führten zu Spekulationen über eine Ermordung.[3] Ende Juni 2007 wurden private Filmaufnahmen eines Fallschirmspringerkameraden des letzten Sprunges von Möllemann öffentlich gemacht.[2], [4] Aus der Bildanalyse des Videos, welches der Staatsanwaltschaft Essen schon während der Ermittlung vorlag, ergeben sich für diese nach eigenen Angaben allerdings keine neuen Erkenntnisse[5]: „Man kann nicht ausschließen, dass es Selbstmord war, man kann es aber auch nicht sicher sagen“, so die Staatsanwaltschaft.[6]
Jürgen Möllemann wurde auf dem Zentralfriedhof im westfälischen Münster bestattet.
Weniger als eine halbe Stunde vor dem tödlichen Sprung hatte der Deutsche Bundestag Möllemanns Immunität aufgehoben. Daraufhin durchsuchten Ermittler der Polizei und die Staatsanwaltschaft im Rahmen von Ermittlungen gegen ihn wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung sowie des Verstoßes gegen das Parteiengesetz Liegenschaften und Geschäftsräume in verschiedenen Ländern. Nach dem Tod von Jürgen Möllemann wurden die Ermittlungen in dem Strafverfahren eingestellt.
Im Dezember 2004 wurde ein Insolvenzverfahren über seinen Nachlass eröffnet.
Kabinette
Werke
- Klartext. Für Deutschland, C. Bertelsmann Verlag, München 2003 ISBN 3-570-00755-3
Literatur
- Peter Lösche: Wovon leben die Parteien? Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 1984, ISBN 3596242622
- Reimar Oltmanns: Möllemänner oder Die opportunistischen Liberalen. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, 1988, ISBN 3-8218-1122-6
Weblinks
- Literatur von und über Jürgen Möllemann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Welt Online: Jürgen W. Möllemann – „Der die FDP rettete - und fast ruinierte“
- Stern: Obduktionsergebnis - „Möllemann tötete sich selbst“
- Die Zeit: „Jürgen und die Detektive“ 25/2003 (12. Juni 2003)
- ARD: „Der Tag als Jürgen W. Möllemann in den Tod sprang“ vom 23. April 2007
Belege
- ↑ WDR: "Logische Konsequenz": Reaktionen auf Möllemanns FDP-Austritt, vom 17. März 2003
- ↑ a b Spiegel-Online: „Amateurvideo von Möllemanns Todessturz aufgetaucht“, vom 29. Juni 2007.
- ↑ Artikel im Tagesspiegel über Spekulationen zu Möllemanns Tod
- ↑ Welt.de „Video von Möllemans Todessturz aufgetaucht“ vom 29. Juni 2007
- ↑ „Ermittler: Keine neuen Erkenntnisse durch Möllemann-Video“ HNA-Online/dpa vom 29. Juni 2007
- ↑ Möllemanns Tod bleibt unaufgeklärt in Netzeitung
Franz Blücher | Ludwig Erhard | Erich Mende | Hans-Christoph Seebohm | Willy Brandt | Walter Scheel | Hans-Dietrich Genscher | Egon Franke | Hans-Dietrich Genscher | Jürgen Möllemann | Klaus Kinkel | Joschka Fischer | Franz Müntefering | Frank-Walter Steinmeier
Siehe auch: Amtsinhaber seit 1878
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siehe auch: Amtsinhaber seit 1933
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siehe auch: Amtsinhaber seit 1917
Kabinett Kohl III – 12. März 1987 bis 18. Januar 1991Helmut Kohl (CDU) | Hans-Dietrich Genscher (FDP) | Friedrich Zimmermann (CSU) | Wolfgang Schäuble (CDU) | Hans A. Engelhard (FDP) | Gerhard Stoltenberg (CDU) | Theodor Waigel (CSU) | Martin Bangemann (FDP) | Helmut Haussmann (FDP) | Ignaz Kiechle (CSU) | Dorothee Wilms (CDU) | Norbert Blüm (CDU) | Manfred Wörner (CDU) | Rupert Scholz (CDU) | Rita Süssmuth (CDU) | Ursula Lehr (CDU) | Jürgen Warnke (CSU) | Walter Wallmann (CDU) | Klaus Töpfer (CDU) | Christian Schwarz-Schilling (CDU) | Oscar Schneider (CSU) | Gerda Hasselfeldt (CSU) | Heinz Riesenhuber (CDU) | Jürgen Möllemann (FDP) | Hans Klein (CSU) | Rudolf Seiters (CDU) | Sabine Bergmann-Pohl (CDU) | Günther Krause (CDU) | Lothar de Maizière (CDU) | Rainer Ortleb (FDP) | Hansjoachim Walther (DSU)
Kabinett Kohl IV – 18. Januar 1991 bis 17. November 1994Helmut Kohl (CDU) | Hans-Dietrich Genscher (FDP) | Jürgen Möllemann (FDP) | Klaus Kinkel (FDP) | Wolfgang Schäuble (CDU) | Rudolf Seiters (CDU) | Manfred Kanther (CDU) | Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) | Theodor Waigel (CSU) | Günter Rexrodt (FDP) | Ignaz Kiechle (CSU) | Jochen Borchert (CDU) | Norbert Blüm (CDU) | Gerhard Stoltenberg (CDU) | Volker Rühe (CDU) | Hannelore Rönsch (CDU) | Angela Merkel (CDU) | Gerda Hasselfeldt (CSU) | Horst Seehofer (CSU) | Günther Krause (CDU) | Matthias Wissmann (CDU) | Klaus Töpfer (CDU) | Christian Schwarz-Schilling (CDU) | Wolfgang Bötsch (CSU) | Irmgard Adam-Schwaetzer (FDP) | Heinz Riesenhuber (CDU) | Paul Krüger (CDU) | Rainer Ortleb (FDP) | Karl-Hans Laermann (FDP) | Carl-Dieter Spranger (CSU) | Friedrich Bohl (CDU)
Personendaten NAME Möllemann, Jürgen ALTERNATIVNAMEN Möllemann, Jürgen Wilhelm KURZBESCHREIBUNG deutscher Politiker (FDP) GEBURTSDATUM 15. Juli 1945 GEBURTSORT Augsburg STERBEDATUM 5. Juni 2003 STERBEORT Marl-Loemühle
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