NATM

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Die Spritzbetonbauweise (auch Neue Österreichische Tunnelbauweise, NÖT bzw. New Austrian Tunneling Method, NATM) ist eine Methode des Tunnelbaues, die in den 1960er-Jahren von den österreichischen Ingenieuren Leopold Müller, Ladislaus von Rabcewicz und Franz Pacher entwickelt wurde und auf der Verwendung von Spritzbetonelementen zur Stützung und Sicherung des Tunnels basiert. Die Spritzbetonbauweise gehört heute zu den Standardverfahren des Tunnelbaues.

Inhaltsverzeichnis

Das Prinzip

Der den Hohlraum umgebende Gebirgsring wird planmäßig zum Abtrag der Lasten herangezogen und ist damit Teil der Tragkonstruktion. Eine Aktivierung dieses Gebirgstragrings setzt allerdings Verformungen (sekundärer Spannungszustand) voraus. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Ortsbrust bei einer bestimmten, festzulegenden Abschlagslänge stabil ist. Dies wird durch den an der Ortsbrust herrschenden räumlichen Spannungszustand (es handelt sich um eine Nische im Gebirge) erreicht. Voraussetzung der Spritzbetonbauweise ist damit eine flexible Erstabstützung des Gebirges. Dies ist jedoch nur mit einer ständigen messtechnischen Überprüfung der Annahmen, die dem Vortrieb zugrundeliegen möglich und zulässig. Die Spannungen und Deformationen werden dazu unmittelbar nach dem Einbau der ersten Stützmittel (i. a. die Spritzbetonschale) und im ausgebauten Zustand laufend gemessen. Volle Messquerschnitte (Spannungs- und Verformungsmessung vom ganzen Gebirgsteil) gibt es, je nach geologischen Verhältnissen, in Abständen von 200 m bis 400 m. In Extremfällen, z. B. im städtischen Bereich unter Bauwerken, ist der Abstand gar nur 50 m. Dazwischen liegt ein Punktnetz, über welches die Verformungen der Schale kontinuierlich beobachtet werden. Eine direkte Spannungsermittlung ist messtechnisch aufwendig, zwischen den Messquerschnitten wird sie i. d. R. nur rechnerisch durchgeführt. Wenn das Rechenmodell des Ausbruchs nicht mit den tatsächlichen geologischen Verhältnissen übereinstimmt, was meist der Fall ist, so sind entsprechende Korrekturen der Berechungsparameter erforderlich.

Messverfahren

Die geologischen Vorwerte werden unter anderem mit

bestimmt. Im Tunnelbau selbst kommen dann noch

  • radiale und tangentiale Gebirgsdruckmessdosen
  • Messanker mit verschieden langen Extensometern (Messung der Verschiebung im Gebirge)
  • Konvergenzstrecken über den Durchmesser (Messung der Veränderung des Durchmessers)
  • Firstkontrollmessungen (Lasermessung über die Deformation auf die Länge bezogen)
  • Kalottenkontrollmessungen (Lasermessung über die Deformation auf die Länge bezogen)

hinzu.

Der Vortrieb

Der Vortrieb passt sich den jeweiligen geologischen Verhältnissen an, bei kleinen Profilen und spannungsarmen Zonen wird der ganze Querschnitt auf einmal abgetragen, bzw. gesprengt (Abschlag), bei großen Querschnitten oder Problemzonen wird mit einer abgestuften Ortsbrust operiert (Kalotte – Strosse – Sohle – diese mitunter nochmals unterteilt).

Siehe auch: Ausbruch (Untertagebau)

Bauliche Maßnahmen

Um kritische Entspannungen und damit eine Auflockerung des umgebenden Gesteins zu minimieren, erfolgen die ersten Sicherungsmaßnahmen unmittelbar nach dem Ausbrechen.

Stützmittel der Spritzbetonbauweise sind:

  • hochfester Spritzbeton mit oder ohne Bewehrung
  • Felsnägel und -Anker
  • Injektionen
  • Streckenbögen (Beton, Stahl)

Diese Stützmittel können sowohl gleichmäßig über den ganzen Querschnitt, als auch asymmetrisch (abhängig vom Gebirgsdruck, bzw. der Klüftung) eingebracht werden.

Die Zeit zwischen dem Ausbrechen und dem Ausbau wird als Ringschlusszeit bezeichnet, sie wird einerseits über die beim Vortrieb laufend ermittelten Messungen sowie aus Erfahrungswerten von anderen Baustellen bestimmt. Einflussfaktoren sind die Gebirgsklasse, der lokale Spannungszustand, der zu erwartende und tatsächliche Deformationsgrad und die Geschwindigkeit der Spannungsumlagerungen. Die optimale Ringschlusszeit hängt maßgeblich von der Zielsetzung ab (schneller Vortrieb, optimierte Spannungsumlagerung, minimale Setzungen, Kosten beim Tunnelausbau). Deformationen sind die Folge von Spannungsumlagerungen, es gibt bei aktiven Zonen örtliche Rissbildungen, teilweise sind sogar Verdrückungen möglich. Um die die Spritzbetonschale flexibel zu machen, werden nach der Verankerung mehrere bis zu 20 cm breite horizontale Fugen (Kontraktionsschlitze) sowie vertikale Spalte in die Wand geschnitten. Dennoch nimmt die Spritzbetonschale in Verbindung mit dem umgebenden Gebirgsteil ca. 70 % der ohne Fugen aufnehmbaren Kräfte auf. Alle Stützmittel zusammen bilden mit dem aktivierten Gebirgsring einen Verbundkörper, der eine große Verformbarkeit aufweist.

Wesentlich ist, dass beim Übergang vom primären (=Urzustand) zu einem sekundären (=Zustand nach dem Ausbruch) Spannungszustand die für die Bemessung des Ausbaus maßgebenden Spannungen abnehmen (Fenner-Pacher-Kurve). Die steife Innenschale muss im Idealfall keine Spannungen aufnehmen, da der Verbau mit dem Gebirgsdruck ein Gleichgewicht eingegangen ist. In der Praxis ist man dazu übergegangen, die Innenschale (Ausbau) zur Vermeidung von Auflockerungen als auch zur Erhöhung der Sicherheit kraftschlüssig an den Verbau anzuschließen (Isolierträger). Nach Fertigstellung des Bauwerks bildet sich der tertiäre Spannungszustand aus, je nach geologischer Aktivität ist ein Nachbeobachtungszeitraum von bis zu 50 Jahren relevant.

Anwendungsgebiet

Die Spritzbetonbauweise kann auch zum Tunnelbau in Lockergestein eingesetzt werden. Beispiele hierfür sind der U-Bahnbau in Wien, Frankfurt am Main und München. Durch Bodenverbesserung über Injektionen, die in weiterer Folge die Funktion von Mörtelankern übernehmen, wird ein Tragring um den ausgehobenen Hohlraum erzeugt. Eine Spritzbetonschale sowie notwendige Tunnelbögen werden direkt im Anschluss aufgebracht. Wichtig ist im urbanen Untertagebau eine Minimierung der Setzungen von bestehenden Fundierungen oder Bohrpfählen.

Siehe auch

Weblinks


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