Nation-Building

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Nationenbildung (engl. nation building) ist ein Prozess sozio-politischer Entwicklung, der aus locker oder auch strittig verbundenen Gemeinschaften eine gemeinsame Gesellschaft mit einem ihr entsprechenden Staat werden lässt.

Überblick

Zu diesem Prozess gehört die Etablierung (oder auch der Oktroy bzw. der Import) gemeinsamer kultureller Standards wie die einer einheitlichen Sprache für das zukünftige Gemeinwesen und die behutsame Integration von immer weiteren Teilen der Bevölkerung in soziokulturelle und politische Einrichtungen wie z. B. das Gerichtswesen, das Schulsystem oder das Wahlrecht. Der Prozess der Nationenbildung wird oft von einer militärisch, administrativ und ökonomisch dominanten Machtelite aus geführt, um bestehende oder angestrebte Herrschaftsverhältnisse zu legitimieren.

Die Sache ist älter als der Begriff und hat ihre Wurzeln im Nationalismus, wie er sich im Europa des 19. Jahrhunderts entwickelte.

„Nation Building“ im engeren Sinne bezog sich ursprünglich auf die Bestrebungen junger Nationalstaaten nach dem Zweiten Weltkrieg, vornehmlich der Nationen ehemaliger afrikanischer Kolonien, die von den Kolonialmächten ohne Berücksichtigung ethnischer oder andere Grenzen umgeformten kolonialen Territorien neu zu gestalten und zusammenzuhalten. Der Kampf gegen einen gemeinsamen Kolonialherren kam hier gelegen. Diese reformierten Staaten sollten aber nach Erringung der Unabhängigkeit entwicklungsfähige und mental zusammenhängende Staaten werden.

Nation Building umfasste die Schaffung äußerer nationale Symbole wie Flaggen, Hymnen, Nationalfeiertage, nationale Stadien, nationale Fluglinien, Nationalsprachen einschließlich nationaler Mythen. Auf einem niedrigeren Niveau musste die nationale Identität willkürlich konstruiert werden, indem sie unterschiedliche Gruppen zu einer Nation formte, besonders wo der KolonialismusTeile und Herrsche“-Taktiken (divide et impera) zur Stabilisierung der eigenen Herrschaft verwendet hatte.

Eine der erfolgreichsten Nation-Building-Aktionen erbrachte die Stadtrepublik Singapur, wo Chinesen, Südinder, Malaiien, Europäer und anderen Ethnien nebeneinander leben.

Zahlreiche junge Nationalstaaten werden jedoch durch Machtkämpfe mit sich des Tribalismus' bedienenden Rivalitäten zwischen ethnischen oder religiösen Gruppen erschüttert. Dieses führte mitunter zum Separatismus, wie 1970 beim Sezessionskrieg Biafras aus Nigeria 1970 oder der anhaltenden Forderung der Ogaden-Somalier nach vollständiger Unabhängigkeit ihrer Region von Äthiopien. In Asien bildet der Zerfall von Pakistan in Pakistan und Bangladesch ein Beispiel, dass ethnische Unterschiede, gestützt durch die geographische Abgrenzung, einen postkolonialen Staat auseinander zu reißen erleichterten. Bestimmte Wurzeln des Völkermordes in Ruanda oder des Sudankonfliktes hängen ebenfalls mit einem Mangel an ethnischer und/oder religiöser Kohärenz innerhalb der Nation zusammen. Gerade bei der Vereinigung von Staaten mit ähnlichem ethnischen, aber unterschiedlichem kolonialgeschichtlichen Hintergrund kommen häufig Konflikte auf. Neben erfolgreichen Beispielen wie Kamerun zeigen Fehlschläge wie die Konföderation Senegambia die Probleme bei der Vereinigung frankophoner und anglophoner Territorien.

Literatur

  • Benedict Anderson: Die Erfindung der Nation. Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York 2005, ISBN 3-593-37729-2
  • Francis Fukuyama: Staaten Bauen, ISBN 3549072333
  • Jochen Hippler (Hg.): Nation-Building – ein sinnvolles Instrument der Konfliktbearbeitung? Dietz Verlag, Berlin 2003, Auszug: [1]
  • Eric Hobsbawm: Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780. Campus-Verlag, Frankfurt am Main/New York 1991, ISBN 3-593-34524-2
  • Miroslav Hroch: Das Europa der Nationen. Die moderne Nationsbildung im europäischen Vergleich, Göttingen 2005, ISBN 3-525-36801-1
  • R. Kl. [Rolf Klima]: Nationenbildung. In: Werner Fuchs-Heinritz u. a. (Hgg.): Lexikon zur Soziologie, 4. Aufl., VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, S. 452, ISBN 978-3-531-15573-9
  • Heinz-Peter Platen: Nationenbildung und Nationalismus, Schroedel, ISBN 978-3-507-36858-3
  • Siegfried Weichlein: Nationalbewegungen und Nationalismus in Europa (= Geschichte Kompakt), Darmstadt 2006, ISBN 978-3-534-15484-5
  • Siegfried Weichlein: Nationalbewegungen und Nationalismus in Europa. Ein Forschungsüberblick, in: Neue Politische Literatur 51 (2006), Heft 2/3

Quellen


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