Offizin

Offizin
Offizin einer Apotheke in Darmstadt, Ende 17. Jahrhundert: links der Verkauf und die Buchhaltung, in der Mitte die Herstellung und rechts die Alchemie

Als eine Offizin [ɔfiˈt͡siːn] (von lat. officina „Werkstätte“, „Arbeitsraum“, auch: „Herd“, „Wirtschaftsgebäude“) bezeichnete man seit dem späten Mittelalter eine Werkstatt mit angeschlossenem Verkaufsraum, die hochwertige Waren produzierte. Der Begriff wird auf unterschiedliche Weise für Buchdruckereien und für Apotheken bis heute verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Offizin eines Buchdruckers, 16. Jahrhundert: rechts der Mann mit den Druckballen zum Schwärzen, in der Mitte der Druckvorgang und links der Verleger und Druckereibesitzer nebst Buchhaltung; vorne der Kunde. Die schwere Druckpresse wurde mit Balken gesichert.

Infolge der großen Epidemien des Mittelalters, vor allem der Pest um 1350, wurden die fahrenden Arzneimittelhändler in den Städten ansässig und verfügten zunehmend über eine officina. Obwohl sich im Laufe der Jahrhunderte bis heute die Produktion der Heilmittel ins externe Labor verlagerte, behielt die Apotheke ihre Offizin als ihren Verkaufsraum, der nach §4 der Apothekenbetriebsordnung in Deutschland einen Zugang zu öffentlichen Verkehrsflächen haben und so eingerichtet sein muss, dass die Vertraulichkeit der Beratung gewahrt werden kann. Seit einigen Jahren existiert der Weiterbildungsberuf des Fachapothekers für Allgemeinpharmazie, der das Tätigkeitsfeld des in der Offizin-Apotheke Arbeitenden näher definiert.

Seit Mitte des 15. Jahrhunderts betrieben auch die Buchdrucker der Wiegendruckzeit eine officina oder eine officin, denn die Drucker waren nicht nur die Besitzer einer Druckwerkstatt, sondern zugleich auch Verleger und Buchhändler. Mit zunehmender Spezialisierung von Autorschaft, Verlag, Herstellung und Vertrieb von Büchern verschwand der Begriff zusammen mit dem nunmehr nicht mehr vorhandenen von ihm bezeichneten Ort. Er findet heute vor allem in der Literatur zur Geschichte des Buchdrucks seine Verwendung.

Gleichwohl führten bis in die Gegenwart zuweilen kleinere Verlage oder Druckwerkstätten, die sich heute vor allem der künstlerischen Buchproduktion oder der historischen Buchdruckerkunst widmen, das Wort im Firmennamen. Der junge Verleger Ernst Rowohlt ließ beispielsweise sein zweites verlegtes Buch Katerpoesie von Paul Scheerbart im April 1909 bei der Leipziger Offizin Drugulin herstellen,[1] die 1953 enteignet und in Offizin Andersen Nexö umbenannt wurde. Die Officina Serpentis, gegründet 1911 von Eduard Wilhelm Tieffenbach (1883–1948) in Steglitz bei Berlin und 1941 geschlossen, benutzte neben fremden Typen auch eine eigens entworfene Schrift. Eine international bekannte neuzeitliche Offizin ist die 1922 in Rom gegründete Officina Bodoni, die seit 1927 ihren Sitz in Verona hat und mit einer Originalschrift von Giambattista Bodoni druckte, die wiederum den Nachschnitt einer Antiqua des Aldus Manutius darstellte.[2] Die Officina Bodoni widmet sich seit den 1990er Jahren der Digitalisierung von klassischen Schriften.

Auch Gießereien für Zinnfiguren firmieren gelegentlich in Anlehnung an den Guss der Lettern im Buchdruck als Offizin.

Nebenwege

Hergeleitet aus der Apotheken-Offizin wurde das Adjektiv officinalis (dt.: offizinell) zum Bestandteil vieler botanischer Namen in der zusammengesetzten Bedeutung von Arznei- oder Heilpflanzen, etwa Valeriana officinalis, das ist Echter Arznei-Baldrian oder Salvia officinalis, der Echte Salbei beziehungsweise Heilsalbei.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Gieselbusch/Moldenhauer/Naumann/Töteberg: 100 Jahre Rowohlt. Eine illustrierte Chronik, S. 18 f. Rowohlt Verlag Reinbek 2008, ISBN 978-3-498-02513-7
  2. Helmut Hiller: Wörterbuch des Buches. Frankfurt am Main 1954; 5. Auflage 1991, S. 222

Weblinks


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