Aufstocker

Aufstocker

Als Aufstocker werden in Deutschland Personen bezeichnet, deren Einkommen durch Arbeitslosengeld II auf das Niveau der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufgestockt wird, weil das zu berücksichtigende Einkommen unterhalb dieser Leistungen liegt. Vor der Einführung des Arbeitslosengeldes II durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu Beginn des Jahres 2005 sprach man entsprechend von „ergänzender Sozialhilfe“.

Aufgestockt werden kann jede Art von Einkommen. Es kann sich um Arbeitseinkommen aus einem Beschäftigungsverhältnis, um Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit oder um Sozialleistungen (Arbeitslosengeld, Krankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld, Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung) handeln. Bezieher von Arbeitslosengeld aus der Arbeitslosenversicherung werden manchmal auch als „Ergänzer“ oder „unechte Aufstocker“ bezeichnet. Der Sprachgebrauch ist uneinheitlich.

Inhaltsverzeichnis

Anspruch auf Grundsicherungsleistungen

Erwerbsfähige haben Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Regelsatz, Kosten der Unterkunft, eventuelle Mehrbedarfe) ergänzend zu ihrem Einkommen, wenn ihr anrechenbares Einkommen nicht ausreicht, um davon den Grundbedarf zu decken und wenn auch kein einzusetzendes Vermögen vorhanden ist. Auf diese Weise wird das Einkommen bis zur Höhe der Grundsicherung „aufgestockt“.

Das Einkommen wird dabei nach bestimmten Regeln „angerechnet“ (§ 11, § 30 SGB II in Verbindung mit der Alg-II-Verordnung). Bei Erwerbseinkommen gelten Freibeträge. Deshalb liegt das Einkommen eines erwerbstätigen Aufstockers insgesamt über den Leistungen zur Grundsicherung. Hierdurch soll ein Anreiz für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gesetzt werden.

Anspruch auf Arbeitsförderungsleistungen

Aufstocker haben außerdem Anspruch auf aktive Arbeitsförderung oder Eingliederungsleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch.

Sozialstatistik

Erwerbstätige
ALGII-Beziehende
Jahr Anzahl Quelle
2007 1.219.981 [1]
2008 1.321.671 [1]
2009 1.324.809 [1]
2010 1.404.188 [1]

Die Anzahl der Personen mit einem Einkommen unter der Grundsicherung hat sich in den letzten Jahren erhöht. Im Juni 2010 gab es knapp über 1,4 Millionen Aufstocker in Deutschland.

Das Statistische Bundesamt weist den Anteil der Aufstocker an den Beziehern von Arbeitslosengeld II bisher nicht gesondert aus. Bei Einführung des neuen Grundsicherungsrechts gab es im Jahresdurchschnitt 2005 insgesamt 4,89 Mio. Bezieher von Arbeitslosengeld II. Davon waren 57 % arbeitslos gemeldet. Die übrigen 2,12 Mio. Leistungsbezieher waren „vor allem Personen, die noch die Schule besuchen, die Arbeitslosengeld II als aufstockende Hilfe ergänzend zum Lohn aus einem Beschäftigungsverhältnis bekommen, Personen, die an einer Qualifizierungsmaßnahme teilnehmen oder wegen besonderer Umstände dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen.“ Sie wurden nicht als Arbeitslose gezählt.[2]

Der Arbeitsagentur zufolge waren 2007 im Bundesschnitt 23,1 % aller Leistungsempfänger „Aufstocker“ (= rund 1,22 Millionen).[3] Bis Juni 2010 hat sich der Anteil auf 28,3 % erhöht (= rund 1,4 Millionen). Den größten Anteil von Aufstockern gab es im Juni 2010 mit 32,6 % in Sachsen-Anhalt.[1]

Von Juni 2008 bis Mai 2009 wurden insgesamt rund 531 Millionen Euro zur aufstockenden Grundsicherung von unterbezahlten Beschäftigten allein in der Leiharbeitsbranche ausgegeben.[4]

Einer Studie des DGB zufolge, ist der Anteil der Aufstocker an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten vom Juni 2005 bis September 2009 in den neuen Bundesländern von 3,3 % auf 5,1 % angestiegen.[5] In den westlichen Bundesländern sei der Anteil im selben Zeitraum von 1,1 % auf 2 % gestiegen.[5] Die höchste Quote sei demnach in Berlin mit 6,5 % Aufstockern festzustellen gewesen.[5] Der Übergang in eine besser bezahlte Tätigkeit gelinge nur sehr selten; insoweit gebe es keine Veränderungen gegenüber der Zeit vor der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende.[5] Es dominierten kurzfristige prekäre Beschäftigungen in Leiharbeit.[5] 39,2 % der ostdeutschen Aufstocker (29,5 % der westdeutschen) verdienten unter fünf Euro in der Stunde, 37,3 % (im Westen: 28,3 %) unter 7,50 Euro.[5] Das Armutsrisiko liege mit 14,3 % doppelt so hoch wie bei der übrigen sozialversicherungspflichtig beschäftigten Bevölkerung.[5]

Problematik der steigenden Aufstockerzahl

Unter anderem wegen der starken Zunahme der Aufstocker unter den Erwerbstätigen, wurde in neuerer Zeit zunehmend die Einführung eines Mindestlohns oder eines bedingungslosen Grundeinkommens gefordert, was jedoch sozial- und wirtschaftspolitisch umstritten ist. Der DGB hat sich dagegen ausgesprochen, den Selbstbehalt für hinzuverdienende Empfänger von Grundsicherungsleistungen anzuheben, weil damit ein Anreiz für Arbeitgeber verbunden sein könnte, Löhne noch weiter zu senken.[5]

Heike Göbel wies in der FAZ darauf hin, dass Aufstocken zwar Menschen helfe, „Chancen auf eine bessere Arbeit zu wahren. Es bietet Unternehmen aber auch Anreiz, sich mit subventionierter Beschäftigung einzurichten und den Staat auszubeuten.“[6]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e Datensammlung Erwerbstätigkeit und Leistungsbezug nach dem SGB II, 2007 - 2010, Sozialpolitik aktuell, Universität Duisburg-Essen
  2. Statistisches Bundesamt (Hg.). Datenreport 2006. S. 105. Abgerufen am 11. Juli 2010.
  3. SGB II Halberstadt: Eingliederungsbilanz 2007. Halberstadt, 30. Juni 2009, Seite 4; dort als „Ergänzer“ aufgeführt - Es findet sich aber auch der Begriff „Aufstocker“ für erwerbstätige Leistungsempfänger in der Statistik, siehe: BMAS. Bericht der „Arbeitsgruppe Arbeitsmarkt“. Berlin, den 26. April 2007.
  4. Antwort der Bundesregierung vom 21. Januar 2010 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundestags-Drucksache 17/487, Seite 4
  5. a b c d e f g h Peter Koard, DGB-Studie: Mehr Hartz-IV-Aufstocker trotz Aufschwung – Osten besonders betroffen, Leipziger Volkszeitung, 8. Juli 2010. Arm trotz Arbeit. focus.de, 8. Juli 2010.
  6. Heike Göbel: Der politische Lohn, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. November 2011

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