Reichenbach-Lessonitz

Reichenbach-Lessonitz
L. Grünbaum: Emilie Ortlepp, Gräfin von Reichenbach-Lessonitz, um 1825
Sarkophag auf dem Frankfurter Hauptfriedhof

Emilie Gräfin von Reichenbach-Lessonitz, geb. Ortlepp, auch Ortlöpp (* 13. Mai 1791 in Berlin; † 12. Februar 1843 in Frankfurt am Main), war die Mätresse und spätere zweite Ehefrau des Kurfürsten Wilhelm II. von Hessen.

Leben

Sie war die zweite Tochter des Berliner Goldschmieds Johann Christian Ortlöpp und seiner Frau Agnes Louise Sophie, geborene Weißenberg, und seit 1812 Geliebte des Kurfürsten Wilhelm II. von Hessen, der sie bei einem Aufenthalt in Berlin kennen gelernt hatte. Er brachte sie 1813 nach Kassel, was zur faktischen Beendung der Ehe mit der Kurfürstin Auguste führte, der aber aus politischen Gründen die Scheidung verweigert wurde. 1815 kam es bei dem kurfürstlichen Paar zur Trennung von Tisch und Bett.

Emilie wurde bei Hofe zugelassen und wohnte im späteren Palais Reichenbach in der Königsstraße / Ecke Friedrichsplatz. Sie wurde von Wilhelm II. 1821 zur Gräfin Reichenbach (nach einer Burg bei Waldkappel) erhoben und erhielt 1824 den österreichischen Titel einer Gräfin von Lessonitz, nachdem der Kurfürst für sie und ihre Kinder die böhmischen Güter Lessonitz, Bisenz und Unter-Moschtienitz vom Grafen Trautmannsdorf erworben hatte. Zugleich erhielten sie und ihre Kinder die österreichische Staatsbürgerschaft. Das Paar hatte acht Kinder:

  • Louise (1813−1883) ∞ 1845 Geheimrat Reichsgraf August von Bose
  • Julius Wilhelm (1815−1822)
  • Wilhelmine (1816−1858)
  1. ∞ (annulliert) Graf Wilhelm von Luckner (1805−1865)
  2. ∞ 1840 Karl von Watzdorff (1807−1846)
  • Karl (1818−1861) ∞ 1861 Clementine Richter (1840−1908)
  • Emilie (1820−1891) ∞ 1839 Graf Felix Zichy-Ferraris von Zich und Vasonikeo (1810−1855)
  • Frederike (1821−1898) ∞ 1841 Wilhelm von Dungern (1809−1874)
  • Wilhelm (1824−1866) ∞ 1857 Amélie Freiin Göler von Ravensburg (1838−1912)
  • Helene (1825−1898) ∞ 1844 Oswald von Fabrice (1820−1898)

Die Verbindung löste einen Skandal aus, es kam sogar zu Morddrohungen gegenüber dem Kurfürsten („Drohbriefaffäre“). Sie war denkbar unbeliebt, soll einen schlechten Einfluss auf die Politik von Landgraf Wilhelm II. gehabt haben. Es ist allerdings auch möglich, dass ihr ein Teil seiner politischen Fehler zugeschrieben wurde. Der Hass der Bevölkerung drückte sich auch in Spott aus. So hieß es:
Oh Cholera, verschone mich,
nimm doch den Fürsten Metternich,
doch willst du was von deiner Art, so etwas extra Feines,
so nimm die Gräfin Reichenbach und den Finanzrat Deines.

Die Verbindung war einer der Gründe, warum der Kurfürst nach der Revolution von 1830 nicht in seine Hauptstadt Kassel zurückkehrte. Er übersiedelte zunächst nach Hanau, später nach Frankfurt am Main, wo er schließlich ein Palais in der Neuen Mainzer Straße und etwas später ein Gartenhaus im Bereich des heutigen Gallus-Viertels erwarb.

Mausoleum Reichenbach-Lessonitz auf dem Frankfurter Hauptfriedhof von Friedrich Hessemer

Als am 28. Februar 1841 die Kurfürstin Auguste, starb, heiratete der Kurfürst am 8. Juli 1841 in morganatischer Ehe auf Schloss Bisenz in Mähren seine langjährige Geliebte. Trauzeuge war auch Staatskanzler Fürst Klemens Wenzel Lothar von Metternich.

Emilie starb am 12. Februar 1843 in Frankfurt am Main an einer Leberentzündung und wurde auf dem Hauptfriedhof beigesetzt. Der Kurfürst beauftragte den Architekten Friedrich Hessemer, ein Mausoleum im byzantinischen Stil zu schaffen. Das Kruzifix im Innern schuf der Bildhauer Johann Nepomuk Zwerger. Die Marmorsarkophage stammen von dem Bildhauer Eduard Schmidt von der Launitz. In der Gruft mit dem Schlussstein aus dem Jahr 1847 stehen sechs Särge. Der Sarg der Gräfin wurde erst am 24. März 1894 von der Gruft Nr. 29 der Grufthalle des Frankfurter Hauptfriedhofs hierher überführt.

Der Kurfürst heiratete nach dem Tod der Gräfin ein drittes Mal, Karoline von Berlepsch (* 1820; † 1877). Er starb am 20. November 1847 und wurde in der Fürstengruft der Hanauer Marienkirche beigesetzt.

Literatur

  • Walter Fraeb: Über Kurfürst Wilhelm II. und die Gräfin Reichenbach in Hanau. In: Magazin für Hanauische Geschichte 8. Hanau 1929, S. 49 – 63.
  • Gustav Funke: Eilie Ortlepp Grafän von Reichenbach-Lessonitz. Die Frankfurter Exiljahre von Kurfürst Wilhelm II. von Hessen-Kassel. In: Frankfurt – lebendige Stadt. Vierteljahreshefte für Kultur, Wirtschaft und Verkehr. 6. Jg. 1961, Heft 4.
  • Michel Huberty: L' Allemagne dynastique : Les 15 familles qui ont fait l'empire. Bd. 1: Hesse - Reuss - Saxe. Le Perreux-sur-Marne 1976. ISBN 2-901138-01-2

Weblinks


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