Rollbockverkehr

Rollbockverkehr

Ein Rollbock ist in der Regel ein zweiachsiges Schienenfahrzeug mit dem ein normalspuriger Güterwagen auf einer schmalspurigen Eisenbahnstrecke befördert wird. In Süddeutschland werden sie auch als Rollschemel bezeichnet (welches Wort in der Schweiz für Rollwagen steht).

Normalspurgüterwagen auf Rollbock, 750 mm Spur
Verladener Güterwagen
Rollbockgrube 750mm Spur
Güterwagen beim Aufbocken über der Rollbockgrube

Inhaltsverzeichnis

Funktion und Allgemeines

Durch den Einsatz von Rollböcken entfällt das Umladen der Güter vom Normalspur- auf das Schmalspurfahrzeug und umgekehrt. Die Kosten des Umladens, die den Betrieb von Schmalspurbahnen derart verteuerten, dass deren Kostenvorteile bei Anlage und Betrieb wieder verloren gehen konnten, entfielen solchermaßen. Das Aufbocken von Personenwagen war nicht üblich, da die Passagiere selbst relativ leicht die Fahrzeuge wechseln konnten und da das Kipp-Risiko im Falle der Personenbeförderung nicht akzeptabel gewesen wäre. Zu besonderen Anlässen wurden aber teilweise Spezialwagen verladen, z. B. solche mit Salon- oder Kinoeinrichtung. Grundsätzlich ist anzumerken, dass es, insbesondere in Deutschland, kein zusammenhängendes Schmalspurnetz, ähnlich jenem in Normalspur, gibt oder gab. Daher war eine weitgehende Normung und Standardisierung, wie sie bei den normalspurigen Eisenbahnen sinnvoll und im Sinne der heute so genannten Interoperabilität notwendig war und ist, nicht zwingend und fand auch nicht statt. Folglich kam es zu zahlreichen technischen Insellösungen, auch bei den Rollböcken. Die grundsätzliche Funkion ist aber stets dieselbe. Neben technischen Unterschieden waren auch die Vorschriften für den Betrieb verschieden, wobei die Vorschriften zum Teil die Technik beeinflussten, zum Teil aber auch in der Folge der technischen Voraussetzungen erlassen wurden.


Technik

Der Rollbock ist ein schmalspuriges Fahrzeug mit sehr kurzem Achsstand (ähnlich einem Drehgestell), auf dem die Räder jeweils eines Radsatzes des Normalspurwagens verankert werden. Für einen zweiachsigen Güterwagen sind also immer zwei Rollböcke erforderlich. Beladen wird der Rollbock von einer speziellen Rollbockgrube aus. Abhängig von der konkreten Ausgestaltung der Rollböcke konnten z. T. auch dreiachsige Wagen aufgebockt werden, so beispielsweise bei der Rollbockbahn, die hierfür besondere Rollböcke vorhielt. In Württemberg gab es solche besonderen Rollböcke nicht, weswegen das Aufbocken von Dreiachsern verboten war.

Güterwagen auf Rollböcken (oder Rollwagen) können zu ganzen Güterzügen zusammengestellt werden. Je nach örtlicher Betriebsvorschrift konnten auch schmalspurige Personenwagen in die Züge eingereiht werden, häufig waren die Reihungsfolgen reglementiert. Eine übliche Vorschrift besagte beispielsweise, dass unbeladene Rollböcke nur am Schluss laufen durften. Somit wollte man Entgleisungen der leichten Fahrzeuge im Zugverband vermeiden. Zum Teil waren bzw. sind die Rollböcke mit dem jeweiligen Bremssystem (Druckluft, Saugluft) oder Heberleinbremse der Schmalspurbahn ausgerüstet, es gab aber auch ungebremste Rollböcke. Einige Bahnen stellten in diesem Fall so genannte Bremswagen in die Züge ein, die ballastiert waren, um größeres Bremsvermögen zu besitzen. Teilweise wurden die Bremsleitungen der Normalspurwagen mitverwendet und die Rollbockbremsen über T-Stücke an diese angeschlossen. Normalspurwagen auf Rollböcken werden entweder direkt miteinander gekuppelt oder die Rollböcke mittels Kuppelstangen verbunden. Bei der direkten Kupplung sind diese "lang zu machen", das heißt, nicht straff anzuziehen, da die Puffer die Wagen in den häufig engen Radien sonst von den Rollböcken drücken würden. Die Verbindung mit dem Zugfahrzeug kann ebenfalls über Kuppelstangen erfolgen. Es gibt aber auch die Möglichkeit, so genannte Pufferwagen zu verwenden. Diese schmalspurigen Wagen besitzen Zug- und Stoßvorrichtungen, die in Ausführung und Höhe zu jenen der aufgebockten Normalspurwagen passen und somit als Adapter dienen. Es wurden auch Lokomotiven mit solchen angepassen Normalspur-Zug-und-Stoßvorrichtungen verwendet.

Systeme und Entwicklung

Rollwagen als Vorläufer

Der Rollwagen ist der Vorgänger des Rollbocks. Er wurde 1880 von der Schweizer Maschinenfabrik Winterthur (SLM) erfunden, um den Verkauf von schmalspurigem Fahrzeugmaterial anzuschieben. Weil die frühen Schmalspurloks klein und wenig leistungsfähig waren, war das hohe "tote" (keinen Nutzen bringende) Gewicht des Rollwagens hinderlich. Die Handhabung der Rollwagen war aber gegenüber den klassischen Rollböcken einfacher und weniger gefährlich. Daher verdrängten die Rollwagen die Rollböcke in manchen Gegenden auch wieder. Es kam auch der gemischte Einsatz von Rollböcken und Rollwagen vor, dies war aber eher selten, weil man sonst zwei verschiedene Verladeeinrichtungen gleichzeitig brauchte.

System Langbein

Um das hohe Tote Gewicht von Rollwagen einzusparen erfand Paul Langbein, Direktor der Filiale Saronno/Italien der Maschinenfabrik Esslingen, bereits 1881 den Rollbock, bei dem der schwere Rahmen des Rollwagens wegfällt. Seine Erfindung wurde vom Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen preisgekrönt.

Nachdem der Rollbock unter die Achse geschoben ist, wird/werden Gabel(n) nach oben geklappt. So fixiert kann der Normalspurwagen beim Wegdrücken Richtung Schmalspurgleis mit Hilfe einer 'schiefen Ebene', oder über eine kleine Stufe im Normalspurgleis (siehe Foto), auf den Rollbock abgesenkt werden. Die Gabeln des Rollbocks dienen nur zum Mitschleppen des Normalspurwagens während des Auf- und Abbockens in der Grube, nicht - wie oft irrtümlich angenommen - um den Normalspurwagen während des Transports zu fixieren. Auf der Strecke haben die Gabeln allenfalls die Funktion zusätzlicher Sicherheit. Radsätze ruhen mit den Spurkränzen auf den drehbar gelagerten Querbalken der Rollböcke, die als Mulden ausgeformt sind.

Aus patentrechtlichen Gründen haben andere Hersteller Rollböcke gebaut, bei denen tatsächlich die Achse des Normalspurwagens in den - in diesem Fall weit außen liegenden - Gabeln aufsaß, was allerdings Probleme mit dem Bremsgestänge oder dem Durchmesser der Achsen mit sich brachte.

Die Handhabung der Lanbein-Rollböcke war sehr beschwerlich: Die Rollböcke mussten in der Grube unter die Wagen geschoben werden. An den Achsen wurden die Gabeln aufgerichtet. Gerade bei Großviehtransporten war diese Arbeit oft mit erheblichen Belästigungen des Personals durch abströmenden Tierurin verbunden.

Bei Rangierfahrten wurden die Rollböcke häufig mit Kuppelstangen bewegt. Diese besaßen ein Gewicht von über 50 kg und waren daher nur schwer handzuhaben. Versuche, sich die Arbeit zu erleichtern, in dem die Kuppelstangen auch ohne angekuppelte Rollböcke an der Lokomotive verblieben und wie eine Lanze vorausgestreckt waren, führten zu gefährlichen Situationen und zu zahlreichen, teils schweren Unfällen.

System Vevey

Um den beim System Langbein personal- und zeitaufwändigen Verladevorgang zu vereinfachen, entwickelte die schweizerische Bahngesellschaft YSteC 1974 ein neues Prinzip. Hierbei wird die Achse des Normalspurwagens nicht mehr fixiert. Der Wagen steht mit seinen Rädern in speziell geformten Mulden. Derartige Rollböcke - als System Vevey von den ACMV in Serie gefertigt - werden bei mehreren Bahnen in Deutschland und der Schweiz eingesetzt. Der Hauptunterschied zum klassischen Rollbock ist, dass das Aufbocken bei langsamer Fahrt automatisch geschieht. Somit sind zahlreiche Unannehmlichkeiten und Gefährdungspotenziale behoben, weswegen z. B. die Harzer Schmalspurbahnen ihre Rollwagen durch solcherlei Rollböcke ersetzt hat, ähnlich wie zuvor diverse Schweizer Bahnen.

Verunglückter und auf Hilfsdrehgestellen verladener Triebkopf 401 511 (Unfall am Landrückentunnel am 26. April 2008)

Sonstige Funktion

Rollböcken ähnlich sind Konstruktionen, um fahruntüchtige Fahrzeuge in Ausbesserungswerken, nach Unfällen oder bei der Montage bewegen zu können – auch auf der gleichen Spurweite. Je nach dem, ob diese das Fahrwerk komplett ersetzen oder nur untestützen werden sie in der Regel als Hilfsdrehgestelle bzw. Achsbruchwagen/ Diplorys bezeichnet.

Siehe auch

Literatur

  • Max Mayer: Esslinger Lokomotiven, Wagen und Bergbahnen - Geschichtliche Entwicklung in der Maschinenfabrik Eßlingen seit dem Jahre 1846. VDI-Verlag G.M.B.H. Berlin SW 19, 1924. Seite 201 ff.
  • Mittheilungen über das gesammte Local- und Strassenbahnwesen, Hannover, Jahrgang 1881/82
  • Victor von Röll: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 8, Ausgabe 1912, S. 229 ff. [1]

Weblinks


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