Schattenkraftwerke

Schattenkraftwerke

Mit Schattenkraftwerken werden regelbare Kraftwerke bezeichnet, die bereitstehen um Energiebedarf durch Ausfall eines Energieerzeugers im elektrischen Stromnetz zu decken. Kurzfristig wird ein Ausfall durch Spitzenlastkraftwerke gedeckt.

Zu einem großen Teil steht der Begriff Schattenkraftwerk für die sogenannte „heiße Reserve“, das sind konventionelle Kraftwerke im permanenten Betrieb, welche mit geringerer Leistung arbeiten als sie nach konstruktiver Auslegung könnten (Teillast). Im Bedarfsfall können diese Kraftwerke dann bis auf Volllast hochgefahren werden. Teillastbetrieb bedingt zwar einen geringeren Wirkungsgrad und somit höhere Kosten und eine schlechtere Umweltbilanz, bei den dafür überwiegend eingesetzten Mittellastkraftwerken beträgt die Veränderung des Wirkungsgrads allerdings nur wenige Prozentpunkte.

Daneben gibt es die „kalte Reserve“, welche überwiegend im jahreszeitlichen Verlauf zum Tragen kommt.

Inhaltsverzeichnis

Die Verwendung des Begriffs

Der Begriff Schattenkraftwerk ist keine offizielle Bezeichnung aus der Energietechnik; er wird überwiegend von Kritikern der Wind- und Sonnenenergie (in diesem Zusammenhang ist nur die Stromerzeugung aus Sonnenenergie gemeint, also hauptsächlich die Photovoltaik) benutzt und beschreibt im Prinzip die zum Ausgleich von Schwankungen der eingespeisten Leistung notwendige Regelenergie (genauer: die vorgehaltene Kraftwerksleistung um die Differenz von Produktionsminimum dieser Kraftwerkstypen bei gleichzeitigem Verbrauchsmaximum ausgleichen zu können).

Die Diskussion um den Begriff

Die Diskussion um Schattenkraftwerke konzentriert sich auf die Frage ob und in welchem Umfang Leistung für den Einsatz von Wind- und Sonnenenergie vorgehalten werden muss.

Kraftwerksbedarf

Die Kritiker von Wind- Sonnenenergie behaupten, es müsse für einen Großteil der installierten Leistung aus Wind- und Solarkraftwerken die gleichwertige Leistung aus nicht schwankungsbehafteten, konventionellen Kraftwerken bereitstehen. Teilweise wird sogar von Neubauten konventioneller Kraftwerke gesprochen.

Verlauf des Stromverbrauchs (Beispiel).
Quelle: VGB Power Tech e. V.: Zahlen und Fakten zur Stromerzeugung 2003 (pdf).

Diese Aussage ist aus mehreren Gründen widerlegt. Aufgrund der sehr guten Voraussagetechniken des Angebots von Sonne und Wind werden ca. 90 Prozent der Schwankungen durch günstige Mittellastkraftwerke innerhalb deren Regelungsträgheit gedeckt. Die dafür verwendeten Steinkohle- und Gaskraftwerke (in der Tagesgang-Graphik schwarz und blau markiert) sind zur Regelung der ebenfalls voraussagbaren täglichen Schwankungen des Verbrauchs im Stromnetz bereits jetzt vorhanden. Es sinken aufgrund der geringeren Auslastung dieser Kraftwerke die Brennstoffkosten, bei gleichbleibendem Fixkostenanteil.

Der Eintrag aus Erneuerbaren Energien in das Stromnetz ist immer positiv, somit wird der zukünftige Bedarf im konventionellen Kraftwerksbereich ausschließlich reduziert. Der höchste konventionelle Restbedarf, also die Differenz des Verbrauchsmaximums und dem Produktionsminimum aus erneuerbaren Energien, ist immer um die gesicherte Leistung der erneuerbaren Energien geringer als er ohne ihren Einsatz wäre. Ein zusätzlicher Neubau von konventioneller Kraftwerksleistung ist somit nicht nötig, genau das Gegenteil ist der Fall. Teile der in den nächsten Jahren altersbedingt außer Betrieb gehenden konventionellen Kraftwerke müssen bei verstärktem Ausbau der Erneuerbaren Energien jedoch mit gut regelbaren Mittellast- und nicht mit Grundlastkraftwerken ersetzt werden.

Wind- und Sonnenenergie liefern tagsüber, also bei hohem Bedarf (Mittagsspitze), die meiste Energie, dadurch liegen sie im realen Bedarfsprofil des Stromnetzes, und können Mittellastkraftwerke unterstützen, aber noch nicht vollständig ersetzen.

Die Energiemenge aus erneuerbaren Energien muss nicht mehr konventionell erzeugt werden, dadurch wird Kraftwerkskapazität frei. Darüber hinaus stellen erneuerbare Energien trotz Schwankung eine "gesicherte Leistung" zur Verfügung, welche allein für Windkraft bis 2015 einer Leistung von ca. fünf großen Steinkohle-Kraftwerksblöcken entspricht und diese langfristig ersetzt. Zu diesen Ergebnissen kommt die dena-Netzstudie. Die Wirkung des Ausbaus der Photovoltaik innerhalb eines erneuerbaren Energiemixes auf eine gesamte gesicherte Leistung wurde dabei noch gar nicht untersucht.

In Zukunft könnte auch das Vehicle to Grid-Konzept zur Sicherung der Spitzenlast im Stromnetz herangezogen werden.

Wirkungsgrad

Der Einfluss des Wirkungsgradverlusts von unter Teillast arbeitenden fossilen Kraftwerken, die zur Regelung verwendet werden, kann durch zwei prinzipielle Beispiele erläutert werden. Dabei zeigt sich, dass durch den Einsatz von Wind- und Sonnenenergie nicht mehr, sondern insgesamt deutlich weniger konventionelle Primärenergie benötigt wird.

Beispiel 1

Gegeben sei ein konventionelles Kraftwerk welches mit 1.000 MW Volllast bei einem Wirkungsgrad von 40 % arbeitet. Der aktuelle Strombedarf beträgt ebenfalls 1.000 MW. Gleichzeitig möge gerade keine Leistung aus Sonnen- und Windenergie anfallen. In diesem Szenario (I) sind 2.500 MW Primärenergie (z. B. aus Kohle) für die Erbringung der elektrischen Leistung nötig. Kommen nun 200 MW Leistung aus Sonnen- und Windenergie ins Netz hinzu, muss das konventionelle Kraftwerk um eben diese 200 MW gedrosselt werden, da die Leistung aus Solar- und Windkraftwerken aufgrund gesetzlicher Vorgaben in jedem Fall abgenommen werden muss, egal ob gerade Bedarf dafür besteht oder nicht. Da im Stromnetz aber immer genau so viel Strom erzeugt werden muss wie gerade abgenommen wird, muss jederzeit abregelbare (oder aufnehmende) Kapazität bereitstehen. In dieser Betriebsart (II) weist das Kraftwerk einen niedrigeren Wirkungsgrad von 38 Prozent auf und benötigt 2.100 MW aus Primärenergie für die 800 MW Leistung. Die Primärenergie in Form von Sonne und Wind muss nicht betrachtet werden, da sie bezogen auf dieses Rechenbeispiel aufwandsfrei und kostenlos zur Verfügung steht. Nun ergibt sich durch 200 MW aus erneuerbaren Energien eine Einsparung von 400 MW aus fossiler Primärenergie und den damit verbundenen CO2-Emissionen.

I P elektrisch Wirkungsgrad P primär
konventionell 1.000 MW 40 % 2.500 MW
regenerativ 0 MW - -
gesamt 1.000 MW


II P elektrisch Wirkungsgrad P primär
konventionell 800 MW 38 % 2.100 MW
regenerativ 200 MW - -
gesamt 1.000 MW
Einsparung: 400 MW

Dieses Szenario zeigt den Fall, in dem Strom aus Sonnen- und Windenergie ungeplant ansteht und nicht direkt verbraucht werden kann. In den meisten Fällen ist die Vorhersage des Angebots soweit treffend, dass die Regelmechanismen zum Tragen kommen können, welche auch den Tageslastgang des Strombedarfs ausgleichen. Die Einsparung fällt durch den im Teillastbetrieb schlechteren Wirkungsgrad des zur Regelung eingesetzten Kraftwerks rein rechnerisch mit 100 MW um 20 Prozent geringer aus, als sich über das Verhältnis von Leistungsabgabe zu Primärenergieverbrauch des Regelkraftwerks im Vollastbetrieb ergäbe. Diese Betrachtung ist allerdings hypothetischer Natur, da ein Teillastbetrieb mit Volllastwirkungsgrad technisch unmöglich ist und dabei auch die geforderte Maximalleistung nicht mehr zu erbringen wäre.

Beispiel 2

Ein anderes, mögliches Szenario (III) wäre ein steigender Bedarf um 200 MW auf 1.200 MW, z.B. zur Mittagszeit. Da das Kraftwerk bereits mit Vollast arbeitet, müsste diese Energie ohne erneuerbare Energien von einem Spitzenlastkraftwerk oder einem (vorher durch Grundlast befüllten) Pumpspeicherkraftwerk mit niedrigerem Gesamtwirkungsgrad bezogen werden. Stehen diese 200 MW aus Sonnen- und Windenergie zur Verfügung (IV), ergibt sich eine Einsparung von 570 MW aus Primärenergie.

III P elektrisch Wirkungsgrad P primär
konventionell 1.000 MW 40 % 2.500 MW
+ Spitzenlast 200 MW 35 % 570 MW
regenerativ 0 MW - -
gesamt 1.200 MW 3.070 MW


IV P elektrisch Wirkungsgrad P primär
konventionell 1.000 MW 40 % 2.500 MW
regenerativ 200 MW - -
gesamt 1.200 MW
Einsparung: 570 MW

Dieses Szenario zeigt eine Kompensation einer Lastspitze durch gerade ansteigende Solar- und Windstromerzeugung. Hier zeigt sich, dass immer dann wenn die Leistung aus Sonnen- und Windenergie innerhalb ihrer Schwankung bedarfsgerecht oder geplant anfällt, die volle Einsparung für Volllastwirkungsgrad eintritt.

Schwankung

Weiterhin argumentieren Befürworter von Wind- und Sonnenenergie, dass sich die Schwankungen von Wind- und Sonnenenergie durch die Mischung der beiden und deren großflächig verteilten Einsatz quasi ausgleichen. Rein statistisch betrachtet führt eine solche Mischung zu einer Abnahme der kombinierten Vorhersagbarkeit des Angebotes, ohne dass die Extreme im Angebot beider wirklich auszuschließen wären, wiewohl sie statistisch unwahrscheinlicher werden. In die Betrachtung mit einzubeziehen ist allerdings das gegenläufige meteorologische Angebotsverhalten von Sonne und Wind und der sich daraus ergebende Kompensationseffekt. (Bei starkem Sonnenschein weht kaum Wind, bei starkem Wind scheint kaum Sonne).

Kritiker von Wind- und Sonnenenergie sind der Meinung, dass diese meteorologisch bestätigten Kompensationseffekte bei Wind und Sonne nur begrenzt wirksam seien, ein belastbarer Beweis dafür steht allerdings aus. Zwar sinkt bei Photovoltaik die Produktion nachts, allerdings sinkt zu dieser Zeit auch der Strombedarf im Netz deutlich, was sich wiederum positiv auf die Angebot/Nachfrage-Situation auswirkt. Jahreszeitlich bedingt sinkt das Energieangebot aus Photovoltaik im Winter, dafür tritt dann aber die Windenergie belegbar stärker auf. Wettergeschehen wie Windstille und Bewölkung treten zudem üblicherweise lokal und zeitlich begrenzt als wandernde Frontensysteme auf, und kompensieren sich somit im Verlauf. Diese Tatsache wird gerade dadurch bestätigt, dass sogar die vermeintlich unzuverlässige Windenergie eine verlässliche, gesicherte Leistung bereitstellt.

Ein weiteres, von Kritikern der Wind- und Sonnenenergie oft ignoriertes Element ist die Existenz und Funktionalität des europäischen Stromnetzverbundes, welcher Schwankungen durch lokale Wettergeschehen bei entsprechendem Ausbau auf kontinentaler Ebene ausgleichen kann. Dieses System kann auch global übergreifend ausgeweitet werden (s. TREC). In diesen Fällen würde die gesicherte Leistung zusätzlich steigen und der Bedarf an Mittellast-Kraftwerken weiter sinken.

Die Diskussion um Schattenkraftwerke bezieht sich nicht auf alle erneuerbaren Energien, da insbesondere

  • Wasserkraft
  • Biogas
  • Geothermie und
  • Deponiegas

den oben genannten Schwankungen nicht unterliegen.

Gezeitenkraftwerke unterliegen ebenfalls starken Schwankungen, bei ihnen sind die Schwankungen im Angebot jedoch (auch langfristig) äußerst exakt vorherzusagen und damit planbar. Die Schwankungen müssen dennoch durch entsprechende andere Kapazitäten (=> Schattenkraftwerke) ausgeglichen werden, wiewohl dies durch die präzise Vorhersagbarkeit sehr erleichtert wird.

Konkurrenzsituation

Die ins Stromnetz eingespeiste Energiemenge aus erneuerbaren Energien muss nicht mehr konventionell erzeugt werden, dadurch entstehen den etablierten Stromproduzenten Einnahmeverluste im Stromverkauf in Höhe eben dieser Strommenge, die Investitions- und Betriebskosten für die konventionellen Kraftwerke bleiben allerdings weitgehend konstant. Eingespart werden zwar die Brennstoffkosten die für die äquivalente Strommenge nötig gewesen wäre, der Einnahmeverlust am Verkaufspreis des Stromes wird durch Einsparung im Einkaufspreis der Brennstoffe aber nicht ausgeglichen und müsste auf den Strompreis umgelegt werden.

Deshalb bedeutet der voranschreitende Zubau von erneuerbaren Energien eine ernsthafte wirtschaftliche Bedrohung und der Verlust der Monopolstruktur für die Energieversorger. In Anbetracht dieser Situation ist deren ablehnende Haltung gegen erneuerbare Energien durchaus verständlich.

Andererseits wird die notwendige Regelenergie zwar überwiegend in der Hand der Energieversorger bleiben (obwohl ein verstärkter Zubau von privaten und kommunalen, steuerbaren Biogas- bzw. Biomassekraftwerken zu beobachten ist), derzeit sind aber praktisch keine Windparks und Photovoltaikanlagen in Besitz der Energieversorger, eine solch dezentrale Struktur ist auch nicht das angestammte Geschäftsgebiet, was es aber nicht unbedingt bleiben muss. Nachdem Energiekonzerne ihren Netzbetrieb von den übrigen Unternehmensbereichen wie Stromerzeugung trennen mussten, ist eine Quersubventionierung aus dem weiterhin notwendigen Verteilungsbereich ebenfalls nicht mehr möglich.

Siehe auch


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