Stadtforschung

Stadtforschung

Urbanistik (auch Stadtforschung) bezeichnet das interdisziplinäre Studium von Städten unter ökonomischen, sozialen, geographischen und kulturellen Gesichtspunkten. Zunehmend gewinnen auch ökologische Fragestellungen an Bedeutung.

Ausgehend von der heuristischen Fiktion einer Eigenschaft des „Urbanen“ als grundlegend erforschbarer Entität, das vom „Ruralen“, „Ländlichen“ abgegrenzt werden kann, erforscht die Urbanistik ganz allgemein Orte von höchster Bevölkerungsdichte. Mit der zunehmenden Verstädterung der Weltbevölkerung im globalen Maßstab und der gleichzeitigen Deurbanisation in den Industrienationen nehmen urbanistische Fragestellungen einen immer größeren Raum ein. Im deutschen Sprachraum wird unter Urbanistik mehrheitlich diese theoretische Fragestellung verstanden. Dagegen sind Begriffe wie englisch urbanization, französisch urbanisme, spanisch urbanismo zudem meist noch konkret-praktisch intendiert und nehmen daher noch die Zusatzbedeutung des deutschsprachigen Städtebau und Stadtplanung ein (siehe auch Verstädterung).

Inhaltsverzeichnis

Inhalte

Typische Fragestellungen der Urbanistik betreffen die räumliche und soziale Organisation innerhalb von Städten und ihre Rolle als Fix- oder Knotenpunkte innerhalb der sich globalisierenden Informations- und Kapitalflüsse.

Partizipierende Fachrichtungen sind beispielsweise:


Urbanismus

Unter dem Schlagwort Urbanismus wird eine Reihe heterogener Konzepte der Urbanistik zusammengefasst, die jeweils versuchen, dem Phänomen „Stadt“ als Ganzem Rechnung zu tragen. Darüber hinaus greifen architekturtheoretische Programmatiken wie etwa der new urbanism den Term auf, um mit ihm eine Reihe stadtplanerischer Forderungen zu bündeln. Der Begriff „Urbanismus“ ist also immer doppelt zu verstehen: einerseits soziologisch-deskriptiv, andererseits ästhetisch-normativ.

Geschichte

Urbanitas bezeichnet in der antiken Rhetorik zunächst eine stilistische Qualität, nämlich den scharfsinnigen, eleganten und witzigen Ausdruck, der das Raffinement der griechisch-römischen Stadtkultur widerspiegelt. Dieser Hintergrundaspekt rückte, geschichtlich betrachtet, immer weiter in den Vordergrund. In der Aufklärung, besonders bei den Autoren der Enzyklopädie, wird mit urbanité noch das alte Stilideal gekennzeichnet, schon aber auch die Höflichkeit in der Sprache, im Geist und den Sitten“ assoziiert. Immanuel Kant lobt an den bildenden Künsten, dass sie die „Urbanität der bildenden Erkenntniskräfte“ fördern und somit zu einer Veredelung der Lebensformen beitragen.

„Urbanität“ bezeichnet schließlich das ästhetische Ideal sozialen Lebens schlechthin. Dieser Aspekt wird mit der Bevölkerungsexplosion in den Städten seit der industriellen Revolution allerdings zentral.

Der Term Urbanismus geht letztlich auf Ildefonso Cerdá zurück (Teoría general de Urbanización, 1867): Er begegnete dem theoretischen Problem, für die europäischen Städte zu einer Form der Planung zu finden, die weder auf die impraktikabel gewordenen Architekturtheorien des Barock, noch auf die schachbrettförmig geplanten kolonialen Siedlungen in Nordamerika rekurriert.

Im 20. Jahrhundert wird der Begriff bald unter den Disziplinen aufgeteilt: in der Soziologie firmiert er besonders in der sogenannten „Chicagoer Schule“, wo er einen zu höherer Sittlichkeit und Moral führenden Modus der Vergesellschaftung in der modernen Metropole bezeichnet. In der Architektur wirken vor allem die programmatischen Schriften Le Corbusiers.

Postmoderne

Das Leben in der Stadt als spezifische Lebensform wird bei Jean-Francois Lyotard als gescheitertes Projekt der Moderne avisiert: postmodernes Denken sei nur mehr in den Randzonen der Städte möglich, weil die urbanistische Utopie, eine Kultur für das Volk zu erzeugen, gescheitert ist: Städte sieht er lediglich als touristische Museen einer bereits obsoleten Lebensform. Roland Barthes gibt in L'empire des signes (1970) durch einen Vergleich Tokios mit westlichen Städten: Der dezentralen Struktur Tokios stellt er die klassisch zentralistische Ordnung europäischer Städte gegenüber, die für ihn das aporetische Grundmuster westlicher Metaphysik, die Dialektik von Zentrum und Peripherie, repräsentiert.

In The Ordinary City (1997) behaupten Amin und Graham, dass die „Stadtlandschaft“ („urbanscape“) als ein Ort multipler, sich überlagender Räume, Zeiten und Beziehungsgeflechte verstanden werden müsse, die Orte und Subjekte in globalisierte Netzwerke wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Wandels integrierten.

Literatur

  • Amin A.; Graham S.: The ordinary city, 1997, in: Transactions of the Institute of British Geographers, Volume 22, Number 4, December 1997, pp. 411-429(19), Publisher: Royal Geographical Society als pdf vorhanden
  • Roland Barthes: L'empire des signes Paris 1970.
  • Manuel Castells: La question urbaine 1972
  • ders.: Die Netzwerkgesellschaft.
  • Francoise Choay: The modern city. Planning in the 19th Century. New York, 1969
  • Henri Lefebvre: La révolution urbaine, in der Reihe Collection Idées, Editions Gallimard, Paris 1970 (deutsch: Die Revolution der Städte, München 1972)
  • Heinz Paetzold. Köln u. Berlin 1963.
  • Louis Wirth: Urbanism As A Way of Life. In: American Journal of Sociology 44, 1938, S. 1-24 (deutsch: Urbanität als Lebensform. In: Herlyn, U. (Hrsg.): Stadt und Sozialstruktur. München 1974, S. 42-66

Siehe auch

Portal
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