Taoistisch

Taoistisch

Der Daoismus (chin. 道教, dàojiào „Lehre des Weges“), gemäß anderen Umschriften auch Taoismus, ist eine chinesische Philosophie und Religion und wird als Chinas eigene und authentisch chinesische Religion angesehen. Seine historisch gesicherten Ursprünge liegen im 4. Jahrhundert v. Chr., als das Daodejing (in älteren Umschriften: Tao te king, Tao te ching …) des Laozi (Laotse, Lao-tzu) entstand.

Neben Konfuzianismus und Buddhismus ist der Daoismus eine der „Drei Lehren“, die China maßgeblich prägten. Auch über China hinaus haben die „Drei Lehren“ wesentlichen Einfluss auf Religion und Geisteswelt der Menschen ausgeübt. In China beeinflusste der Daoismus die Kultur in den Bereichen der Politik, Wirtschaft, Philosophie, Literatur, Kunst, Musik, Ernährungskunde, Medizin, Chemie, Kampfkunst und Geographie.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Wann genau die daoistische Lehre entstanden ist, bleibt unklar. Der Daoismus hat erst in einem langen Entwicklungsprozess Form angenommen, wobei fortlaufend Strömungen des Altertums integriert wurden. Die daoistische Lehre greift viel Gedankengut auf, das in China zur Zeit der Zhou-Dynastie (1040–256 v. Chr.) weit verbreitet war. Dazu gehören die kosmologischen Vorstellungen von Himmel und Erde, die Fünf Wandlungsphasen, die Lehre vom Qi (Energie), Yin und Yang und das Yijing (I Ging), aber auch die Tradition der Körper- und Geisteskultivierung, die mit Atemkontrolle und anderen Techniken wie Taijiquan und Qigong, Meditation, Visualisation und Imagination, Alchemie und magischen Techniken Unsterblichkeit erreichen wollte. Die Suche nach Unsterblichkeit, ein zentrales Thema des Daoismus, geht wahrscheinlich auf sehr alte Glaubensinhalte zurück, denn im Zhuangzi, einem daoistischen Klassiker aus dem 4. Jh. v. Chr. werden bereits die Xian erwähnt, die Unsterblichen, deren wichtigste der gelbe Kaiser, Huang Di und die Königinmutter des Westens, Xiwangmu, sind. Es handelt sich dabei um Gestalten, die schon in der Shang-Zeit im 2. Jahrtausend v.Chr. nachgewiesen sind.

Verbreitung

Aufgrund der verschiedenen Ausprägungsformen, der unklaren Abgrenzung zu anderen Religionen und der mangelnden statistischen Erfassung in der Volksrepublik China ist die genaue Anzahl der Anhänger des Daoismus nur schwierig zu erfassen. Ca. 8 Millionen Daoisten leben heute auf Taiwan, wo viele der daoistischen Schulen Zuflucht vor der Verfolgung durch die Kulturrevolution suchten.

Die daoistische Vereinigung in der Volksrepublik geht von ungefähr 60 Mio. daoistischen Gläubigen in der VR China aus. Auch unter den Überseechinesen und in anderen asiatischen Ländern wie Malaysia, Singapur, Vietnam, Japan und Korea ist der Daoismus verbreitet.

Laozi und das Daodejing

Ob es einen Denker namens Laozi (chin. 老子 „Der Alte Meister“) wirklich gegeben hat, wird heute bezweifelt. Im Daoismus wird ihm das Daodejing (der Klassiker vom Dao und vom De) zugeschrieben. Seine Biographie ist von Legenden umrankt und äußerst umstritten. Er soll zur Zeit der Frühlings- und Herbstannalen im 6. Jahrhundert v. Chr. gelebt haben, die von Unruhen und Kriegen geprägt war. Sie stellt eine Blütezeit der chinesischen Philosophie dar, da viele Gelehrte sich Gedanken machten, wie wieder Frieden und Stabilität erreicht werden könnten. Man spricht daher auch von der Zeit der Hundert Schulen. Das Daodejing enthält eine solche Lehre, die sich an den Herrscher richtet und Frieden hervorrufen will.

Das Daodejing wird auch mit dem Namen seines legendären Verfassers als „Laozi“ bezeichnet. In seiner heutigen Form wird es in zwei Bücher mit insgesamt 81 Kapiteln unterteilt. Der erste Teil behandelt das Dao, der zweite das De. Das Buch stellt jedoch keine logisch aufgebaute Konstruktion einer Weltanschauung dar, sondern erscheint vielmehr als eine ungeordnete Sammlung mystischer und dunkler Aphorismen, die zu eigener, subjektiver Interpretation anregen. Daher entstanden im Lauf der Zeit auch mehrere hundert Kommentare, die den Text auslegen, sowie hunderte Übersetzungen.

Zhuangzi

Hauptartikel: Zhuangzi

Ganz anders geschrieben ist dagegen das Nanhua zhen jing, „Das wahre Buch vom südlichen Blütenland“ (eigentlich „Das wahre Buch aus Nanhua“, der Stadt, aus der Zhuangzi stammt, der auch „der wahre Mensch aus Nanhua“ genannt wurde). Es wurde im 4. Jh. v. Chr., kurz nach der Entstehung des Daodejing, von Zhuangzi (Dschuang Dsi, Chuang-tzu, etwa 369–286 v. Chr.) verfasst, nach dem es auch „Zhuangzi“ genannt wird. In ihm wird das Wesen des Daoismus in oft paradoxen Parabeln und Anekdoten erläutert, in welche philosophische Diskussionen eingeflochten sind. Zhuangzi greift dabei einige Vorstellungen vom Daodejing auf, weist aber andere weit von sich – so ist zum Beispiel von der politischen Zielsetzung des Laozi bei ihm nichts mehr übrig. Der weltabgewandte Weise (Zhenren) ist hier das Idealbild. Wie beim Daodejing ist auch hier die Autorschaft umstritten. Zwar ist Zhuangzi mit Sicherheit eine historische Persönlichkeit, das Buch wurde aber wahrscheinlich in großen Teilen von seinen Schülern zusammengetragen.

Zur Zeit des Laozi und des Zhuangzi ist weder eine philosophische noch eine religiöse Organisation greifbar, die man Daoismus nennen könnte. Es gibt nur vereinzelte Texte, die von daoistischem Gedankengut zeugen und die später, als sich daoistische Organisationen gründeten, als kanonische Schriften aufgefasst wurden. Jedoch ist unstrittig, dass sich diese Texte im Zusammenhang mit religiösen Praktiken und Glaubensinhalten entwickelten.

Daoismus zwischen Philosophie und Religion

Im Inneren eines daoistischen Tempels in Cebu City auf den Philippinen

Die Unterscheidung zwischen Daoismus als Religion und Daoismus als Philosophie, die lange Zeit von den chinesischen Begriffen Daojia (道家) und Daojiao (道教) ausgehend in der Sinologie verwendet wurde, ist begrifflich unscharf. Sie stellt eher ein Hilfsmittel der westlichen Sinologie dar, um verschiedene Aspekte der langen Geschichte des Daoismus leichter beschreiben zu können. Dennoch wird auch im Chinesischen zwischen philosophischem Daoismus (chin. 道家, dào jiā) und religiösem Daoismus (chin. 道教, dào jiào) unterschieden. Der Daoismus ist jedoch eine ebenso facettenreiche Erscheinung wie andere Religionen auch. Im Laufe seiner über zweitausendjährigen Geschichte haben sich die unterschiedlichsten Lehren und Systeme herausgebildet und von heutigen Sinologen wird argumentiert, der religiöse Daoismus sei die praktische Verwirklichung des philosophischen Daoismus. Die Trennung von religiösem und philosophischem Daoismus ist daher eine Vereinfachung und es herrscht Uneinigkeit in der Forschung, ob diese Unterscheidung weiterhin verwendet werden sollte, weil sie der Komplexität des Gegenstands nicht gerecht wird.

Das Begriffspaar ist immerhin von begrenztem Nutzen, weil es in einer Beschreibung des Daoismus eine erste, hilfreiche Gliederung ermöglicht. Der Sachverhalt ist aber sehr viel mehrgestaltiger, als es diese Vereinfachung nahe legt.

Grundzüge

Das Wort „Daoismus“ leitet sich ab von „Dao“ (Tao), einem Begriff der chinesischen Philosophie, der bereits lange vor dem Daodejing verwendet wurde, aber erst in diesem Text seine zentrale Stellung und besondere, universale Bedeutung erhielt. „Dao“ bedeutete ursprünglich „Weg“, im klassischen Chinesisch aber bereits „Methode“, „Prinzip“, „der rechte Weg“. Bei Laozi nimmt dann der Begriff des Dao die Bedeutung eines der ganzen Welt zugrunde liegenden, alldurchdringenden Prinzipes an. Es ist die höchste Wirklichkeit und das höchste Mysterium, die uranfängliche Einheit, das kosmische Gesetz und Absolute. Aus dem Dao entstehen die „zehntausend Dinge“, also der Kosmos, und auch die Ordnung der Dinge entsteht aus ihm, ähnlich einem Naturgesetz, doch ist das Dao selbst kein omnipotentes Wesen, sondern der Ursprung und die Vereinigung der Gegensätze und somit undefinierbar.

Philosophisch könnte man das Dao als jenseits aller Begrifflichkeit fassen, weil es der Grund des Seins, die transzendente Ursache ist und somit alles, auch den Gegensatz von Sein und Nicht-Sein, enthält. In diesem Sinne kann nichts über das Dao ausgesagt werden, weil jede Definition eine Begrenzung enthält. Das Dao ist aber sowohl unbegrenzte Transzendenz als auch das dem Kosmos, dem All immanente Prinzip.

Das Wirken des Dao bringt die Schöpfung hervor, indem es die Zweiheit, das Yin und das Yang, Licht und Schatten, hervorbringt, aus deren Wandlungen, Bewegungen und Wechselspielen dann die Welt hervorgeht.

Daoistische Ethik

Die ethische Lehre des Daoismus besagt, die Menschen sollten sich am Dao orientieren, indem sie den Lauf der Welt beobachten, in welchem sich das Dao äußert. Dadurch können sie die Gesetzmäßigkeiten und Erscheinungsformen dieses Weltprinzips kennenlernen. Da das Dao sich im „Ziran“, dem „von-selbst-so-Seienden“, der Natur, offenbart, steht es für Natürlichkeit, Spontaneität und Wandlungsfähigkeit. Der Weise erreicht dabei die Harmonie mit dem Dao weniger durch Verstand, Willenskraft und bewusstes Handeln, sondern vielmehr auf mystisch-intuitive Weise, indem er sich dem Lauf der Dinge anpasst. Der Daoismus besagt, dass es im Kosmos nichts gibt, was fest ist: alles ist dem Wandel (chin. 易, yì) unterworfen und der Weise verwirklicht das Dao durch Anpassung an das Wandeln, Werden und Wachsen, welches die phänomenale Welt ausmacht.

In den Wandlungen der Phänomene verwirklicht jedes Ding und Wesen spontan seinen eigenen „Weg“, sein eigenes Dao. Es wird als ethisch richtig erachtet, dieser Spontanität ihren Lauf zu lassen und nicht einzugreifen, also Wu wei, „Nicht-Eingreifen“ oder „Nicht-Handeln“ zu praktizieren. Die Dinge und ihr Verlauf werden als sich selbst ordnend und sich selbst in ihrer Natur entfaltend und verwirklichend angesehen. Es erscheint dem Weisen als sinnlos, seine Energie in einem stetigen Willensakt der Handlung (des Eingreifens in das natürliche Wirken des Dao) zu verschwenden. Vielmehr sollte das Tun angemessen sein. Durch den angestrebten reinen und nicht selbstbezogenen Geist, soll ein Handeln möglich werden, das nicht durch eigene Wünsche und Begierden verblendet wird. Der Mensch soll einfach „geschehen lassen“.

Es wird also als klug angesehen, sich möglichst wenig in das Wirken des Dao einzumischen oder sich ihm gar entgegenzustemmen. Besser als durch große Kraftanstrengungen werden Ziele verwirklicht, wenn dafür die natürlichen, von selbst ablaufenden Vorgänge genutzt werden, die durch das Dao bestimmt sind. Dieses Prinzip der Handlung ohne Kraftaufwand ist eben das Wu Wei. Indem der Weise die natürlichen Wandlungsprozesse mitvollzieht, gelangt er zu einer inneren Leere. Er verwirklicht die Annahme und Vereinigung von Gegensätzen, denn das Dao, welches das Yin und Yang hervorbringt, ist die Ursache und Vereinigung dieser beiden. Somit verwirklicht der Weise im Einklang mit den natürlichen Prozessen den Dreh- und Angelpunkt der Wandlungsphasen von Yin und Yang, die leere Mitte der Gegensätze.

Das Daodejing liefert die Weltanschauung, die das Ideal des daoistischen Weisen blieb: Gleichmut, Rückzug von weltlichen Angelegenheiten und Relativierung von Wertvorstellungen, sowie Natürlichkeit, Spontaneität und Nicht-Eingreifen.

Nach daoistischer Auffassung führt nur die Übereinstimmung mit dem Dao zu dauerhaftem und wahrem Glück. Involviertheit in weltliche Angelegenheiten führt dagegen zu einem Niedergang der wahren Tugend (De). Es wird somit als ratsam erachtet, Gleichmütigkeit gegenüber Gütern wie Reichtum und Komfort zu erlangen, und sich vor übermäßigen Wünschen zu hüten.

Daoismus als Religion

Daoistischer Priester am Tai Shan

Den Unterschied zwischen philosophischem und religiösem Daoismus, den dieser Artikel aus pragmatischen Gründen verwendet (s. o.), könnte man derart fassen, dass der philosophische Daoismus das Ideal des Weisen hat, der das Dao verwirklicht, indem er eine bestimmte Geisteshaltung einnimmt, während der religiöse Daoist danach strebt, Erleuchtung zu erlangen und das Dao zu verwirklichen, indem er durch unterschiedliche Methoden wie Meditation (Qigong, Taijiquan), Konzentration, Visualisation, Imagination, Atemtechniken, Alchemie, Ritual und Magie aus Geist und Körper, dem Mikrokosmos, ein Abbild des Makrokosmos erschafft und auf diese Weise eins wird mit dem Universum und dem ihm immanenten Dao.

Das erste gesicherte Datum des Daoismus als Religion ist das Jahr 215 n. Chr., als Cao Cao die Kirche der Himmelsmeister anerkannte. Der Daoismus weist kein geschlossenes oder einheitliches System auf, da er sich auf viele heterogene Quellen bezieht.

Viele Schulen des Daoismus strebten nach Unsterblichkeit und sind wahrscheinlich aus schamanistischen Techniken und Unsterblichkeitskulten entstanden (s. Fangshi), die sich dann während der Han-Zeit mit der philosophischen Richtung des Daoismus verbunden haben. Das höchste Ziel des religiösen Daoismus ist die ewige Glückseligkeit als Xian (Unsterblicher).

Alle Schulen des Daoismus streben danach, zum Ursprung zurückzukehren, dies wird in daoistischen Begriffen z.B. die Rückkehr zum Einen, zur Perle, die Rückkehr zum Zustand, bevor es Himmel und Erde gab oder die Erschaffung des kosmischen Embryo genannt. Diese Rückkehr geschieht, indem der daoistische Adept ein klassifizierendes System benutzt, dessen kosmologische Grundlagen Yin und Yang, die fünf Wandlungsphasen sowie andere numerologische Koordinaten sind, und sich in den Mittelpunkt des so von ihm konstruierten Kosmos begibt und einordnet, verbindet, bestimmt und benennt, um eine Integration zu erreichen und aus der Welt ein Instrument des Geistes zu machen.

Die daoistischen Götter, auch „Unsterbliche“ genannt, haben oft keine Geschichte, andere gehen auf historische oder legendäre Personen zurück, die als bedeutend für die Entwicklung von Land und Volk angesehen werden. Sie stellen aber eher eine Inkarnation von Funktionen als Individuen oder Götter im westlichen Verständnis dar. Neben den Göttern, von denen der Adept geheiligt wird, gibt es auch Götter, über die er befehlen kann. Die Triade der höchsten Gottheiten stellen die Drei Reinen dar.

Das daoistische Paradies liegt im Kunlun-Gebirge im Westen, es gibt jedoch auch noch andere Gefilde der Seligkeit, wie die Penglai-Inseln, auf denen die Wunderpflanze der Unsterblichkeit wächst. Die Höllenvorstellungen des Daoismus sind aus dem Buddhismus übernommen.

Verhältnis zum Buddhismus

Als der Buddhismus im 2. Jahrhundert nach China kam, wurde er erst als eine seltsam verzerrte Variante des Daoismus wahrgenommen, weil die ersten Übersetzer von buddhistischen Konzepten Begriffe aus der daoistischen Lehre verwendeten. Außerdem besagte eine daoistische Legende, dass die Gründerfigur Laozi nach Westen ausgewandert sei. In China erklärte man daher einfach, Laozi sei nach Indien gekommen und hätte als Buddha die „Barbaren“ zum Daoismus bekehrt; diese hätten die Lehre aber nicht vollkommen begriffen, und so sei der Buddhismus entstanden.

Durch diese Auffassung herrschte anfangs eine gewisse Nähe und ein reger Austausch von Ideen; der Daoismus übernahm beispielsweise vom Buddhismus die Höllenvorstellungen und die Organisation seines Mönchswesens, aber auch Dogma, Götterwelt, Liturgien, Terminologie und kirchliche Organisation sind durch den Buddhismus beeinflusst worden.

Durch die gegenseitige Beeinflussung von Daoismus und Buddhismus entstanden auch neue Schulen. Ein erfolgreiches Beispiel einer solchen Verschmelzung ist der Chan-Buddhismus (chin. , chán, W.-G. ch'an; Japanisch: 禅 zen; Koreanisch: 선 seon; Vietnamesisch: 禅 „Thiền“). Sein Einfluss war prägend für die chinesische Tang- und Song-Zeit und hält in Japan, Korea, und Vietnam bis heute an. Ein Beispiel für die Übernahme buddhistischer Ideen ist die daoistische Schule Quanzhen.

Die Himmelsmeister

Im 2. Jahrhundert entstand die erste daoistische Organisation beziehungsweise „Kirche“, als Zhang Daoling (Chang Tao Ling) 142 n. Chr. in Sichuan die Bewegung der Himmelsmeister (tianshi dao) gründete. Zhang Daoling nahm dabei vermutlich Anleihen beim Buddhismus, möglicherweise auch beim monotheistischen Mazdaismus. In der Gruppe, die nach einer Abgabe, die ihre Anhänger zu leisten hatten, auch „Fünf-Scheffel-Reis“-Bewegung (Wudoumi Dao) genannt wird, herrschten messianische und revolutionäre Gedanken vor: die Han-Dynastie sollte gestürzt werden, damit der Himmelsmeister Zhang Daoling regieren und die Endzeit beginnen konnte. In der Geschichte des Daoismus bildeten sich immer wieder auch andere Geheimbünde wie die Gelben Turbane, die Roten-Augenbrauen-Sekte oder die Taiping-Sekte, die häufig auch politische Ziele verfolgten.

Etwa 30 Jahre lang existierte sogar ein Himmelsmeister-Staat, der durch einen großen Verwaltungsapparat charakterisiert war. Die Bürokratie spiegelte die Vorstellung vom Himmel wider, der im Glauben der Himmelsmeister auch bürokratisch gegliedert ist. Bitten und Gebete wurden in Formularen verfasst und durch Verbrennung an die jeweils zuständigen Gottheiten geschickt.

In der Himmelsmeister-Bewegung entstand eine ausgeprägte Ethik und ein daoistischer Kultus. Durch die Pflichtbeiträge entwickelten sich die Gemeinden zu ökonomisch bedeutsamen Organisationen. Unter der Nördlichen Wei-Dynastie (386–534) traten immer mehr Mitglieder der Aristokratie der Himmelsmeister-Bewegung bei und einer der Wei-Kaiser erklärte den Daoismus sogar zur Staatsreligion. Auch viele Dichter und Künstler gehörten ihr an. Ab dem 2. Jh. wurde auch Laozi nicht mehr nur als alter Weiser gesehen, sondern als Gott verehrt. Ebenso wurde aus dem abstrakten Begriff des Dao eine personale Gottheit. Jedoch stellen die Götter des Daoismus eher eine Verkörperung von Funktionen als individuelle Entitäten dar. Die Ritualgötter sind im Allgemeinen entweder abstrakte Instanzen oder Verkörperungen von Naturkräften, zum Beispiel der Erde, der Flüsse, des Regens, der Berge. Auch der vergöttlichte Laozi stellt eher eine Hypostase des Dao und des daoistischen Heiligen dar, wie Zhuangzi ihn beschrieb, weniger eine personale Gottheit, wie sie der westlichen Vorstellung entspricht.

Entwicklung zur Volksreligion

Schon die daoistischen Philosophen verwendeten bildhafte Geschichten und alte Volkssagen, um ihre Ideen zu erläutern. Während der Han-Zeit verband sich der Daoismus mit älteren kosmologischen, theologischen und anthropologischen Vorstellungen, deren Spuren sich schon in der Shang-Zeit finden lassen. Diese älteren Vorstellungen stammen wahrscheinlich aus Unsterblichkeitskulten und der schamanistischen Tradition (siehe Fangshi). Auch mehr und mehr volkstümliche Bräuche, Riten und buddhistische Elemente hielten Einzug in die daoistischen Praktiken. Die daoistische Religion wurde polytheistisch und definierte sich durch eine gemeinsame liturgische Tradition. Es entstand ein reichhaltiger Götterhimmel, dessen genaue Ausformung sich von Schule zu Schule unterscheiden konnte, in dem sich aber drei oberste Gottheiten, die Drei Reinen, herauskristallisierten: Yuanshi tianzun, der Himmelsehrwürdige des Uranfangs, Daojun oder Lingbao tianzun, der Herr des Dao bzw. Himmelsehrwürdige des magischen Juwels und Daode tianzun oder Taishang Laojun, der Himmelsehrwürdige des Dao und des De bzw. der höchste Herr Lao, welcher der vergöttlichte Laozi ist.

Das liturgische System bildet den formalen Rahmen für unterschiedliche lokale Kulte und das daoistische Pantheon wird bevölkert von kosmischen Gottheiten, Naturgöttern, Dämonen, Geistern, Unsterblichen (Xian) und Vollkommenen (Zhenren). Sitz des Pantheons sind heilige Berge und Grotten, die ein mikrokosmisches Abbild des Makrokosmos darstellen, sowie Tempel, Altar und Körper.

Zhinan Tempel, Taipeh

Durch die Himmelsmeister-Kirche Zhang Daolings vollzog sich eine gewisse Vereinigung der verschiedenen daoistischen Gemeinschaften. Diese starke und breitenwirksame Organisation wurde während der Sui- und Tang-Dynastie zu einer echten Volksreligion und religiösen Macht. Die Dynastie der Tang behauptete, von Laozi abzustammen und machte seine Verehrung zu einem offiziellen Kult. Der daoistische Kaiser Xuanzong gründete landesweit daoistische Tempel und hatte eine große Vorliebe für daoistische Rituale. Aus der Ming- und Tangdynastie gibt es auch die meisten daoistischen Schriften. Es handelte sich um die Blütezeit des Daoismus.

Unter der Song-Dynastie (960–1279) wurde der Daoismus dann vollständig in die Volkskultur integriert, u. a. dadurch, dass die lokalen und regionalen Organisationen durch Kaiser Zhenzong zu einem Netzwerk offiziell geförderter Tempel zusammengeschlossen wurden, die auch säkulare Aufgaben wie die Organisation von Märkten und das Eintreiben der Handelssteuer übernahmen.

Als Chinas letzte Dynastie, die Qing im Jahre 1644 gegründet wurde, wurde der Daoismus mit Restriktionen und Verboten belegt, da die Qing dem orthodoxen Konfuzianismus nahe standen und die Mandschu Angst vor chinesischem Nationalismus hatten, weshalb sie lokale Organisationen unterdrückten. Im Taiping-Aufstand 1849 wurden dann sämtliche Tempel, sowohl buddhistische als auch daoistische, zerstört und im Verlauf des 20. Jh. verstärkte sich die Tendenz immer mehr, die ursprüngliche chinesische Religion zu zerstören.

Daoistische Praktiken

Im Laufe der Jahrhunderte entstanden in China eine Vielzahl daoistischer Schulen mit unterschiedlichen Lehrinhalten und Praktiken. Ein Hauptmerkmal des religiösen Daoismus war jedoch in vielen Schulen die Suche nach Unsterblichkeit. Viele Praktiken haben ihre Ursprünge in den Praktiken der Fangshi des Altertums. Der daoistische Kanon (Daozang) der in seiner letztgültigen Fassung 1442 zusammengestellt wurde, gibt von den unterschiedlichen Praktiken einen Eindruck. Er enthält tausende von Werken, und die Texte handeln u. a. von Philosophie, Liturgie, Ritualistik, Magie, Sexualpraktiken, Medizin, Imagination und mythischen Welten, Hagiographien, dem Yijing (I Ging), Alchemie, Moral, Meditationstechniken und Hymnen.

Die ersten Texte, die eine detaillierte Beschreibung der nach innen gewendeten Meditation gaben, waren die der Shangqing-Schule, bzw. das Shangqingjing (Buch der großen Reinheit), welche ab dem 4. Jh. n. Chr. entstanden. Die Shangqing Meditationen enthalten unterschiedliche Elemente: der Adept verkehrt rituell und imaginativ mit Göttern, rezitiert heilige Texte und visualisiert und durchläuft komplex strukturierte Elemente und Prozesse der Kosmologie, Mythologie und Symbolik des Daoismus. Die Visualisationen dieser Schule stellen Reisen in geistige Welten dar, wie sie schon von den Schamanen der Shang-Zeit ausgeführt worden sein sollen. Sie führen in Reiche der irdischen Paradiese, der Götter, der stellaren Welten, der Bewegungen von Yin und Yang und der verschiedenen Formen von Qi (Energie). Das Ziel der komplexen Techniken ist es, durch die Harmonisierung von Geist und Körper zur ursprünglichen Einheit zurückzukehren. Wiederholt stellen Kenner daoistischer Praktiken die Behauptung auf, bei diesen Reisen handele es sich – zumindest bei einigen Adepten – um außerkörperliche Erfahrungen.

Im Streben nach Unsterblichkeit entwickelten Daoisten viele alchemistische Techniken, später dann auch Techniken der äußeren Alchemie. Einer der Vertreter dieser Richtung war Ge Hong. Etwa seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. wurde versucht, Elixire oder Pillen herzustellen, die das Leben verlängern. Dabei spielten Zinnober (Dan), Quecksilber (Gong) und Gold (Jin) eine besondere Rolle. Durch die Eigenschaften, die sie in chemischen Reaktionen zeigen, galten sie als Elemente, die die Unwandelbarkeit in äußerlicher Veränderung (ein zentrales Merkmal des Dao) verkörpern. Viele, die sich von den Pillen Langlebigkeit versprachen, starben an Quecksilbervergiftung, was wohl einer der Gründe dafür war, dass die Alchemie bis zum Ende der Tang-Zeit immer unpopulärer wurde und verstärkt eine Hinwendung zur inneren Alchemie stattfand. Durch die alchemistischen Forschungen wurden jedoch auch andere Gebiete befruchtet, beispielsweise entstanden dadurch das Schießpulver und halluzinogene Drogen, ebenso wurde die Medizin beeinflusst.

Die Shangqing-Meditationen zeigen bereits eine Hinwendung von der äußeren zur inneren Alchemie, die sich im 9. Jh. dann vollends ausbildete. Anstatt Substanzen im Labor zu mischen, wurde der eigene Körper und Geist als „inneres Labor“ verstanden. Es galt nun, durch meditative Techniken das uranfängliche Chaos zu strukturieren und durch Kultivierung von Vitalität (Jing), Energie (Qi) und belebendem Geist (Shen) die Leere und Einheit zu verwirklichen.

Voraussetzung für diese Praktiken ist die Vorstellung, dass Analogien zwischen allen Ebenen bestehen, das heißt, dass Kosmos, Erde und Mensch analog strukturiert sind und sich in allen Details entsprechen.

Eine Schule, die sich durch Beeinflussung durch den Buddhismus verstärkt dem liturgischen Ritual zuwandte, war die Lingbao Pai. Ein weiterer Abkömmling des Daoismus ist das Feng Shui, welches ursprünglich Geomantie war, später sich aber darauf bezog, die Umgebung des Menschen nach bestimmten Prinzipien zu ordnen, um Glück, Erfolg und Harmonie zu erzeugen.

Daoismus in der Volksrepublik China

Der Daoismus im 20. Jahrhundert zeichnet sich dadurch aus, dass es keine einheitliche Lehre gibt, sondern eine Vielzahl von Theorien und Praktiken, darunter auch sektiererische Entwicklungen und unorthodoxe Bewegungen.

Unter der sozialistischen Diktatur wurden die Religionen Chinas unterdrückt und verfolgt, während der Kulturrevolution wurden viele Klöster und Tempel zerstört, Schriften vernichtet und die Mönche und Nonnen umerzogen oder getötet. Im Untergrund waren die daoistischen Lehren in China jedoch immer vorhanden. Mittlerweile besinnt man sich auch in der Volksrepublik wieder auf das religiöse Erbe sowie auf das daoistische Handlungswissen in Bezug auf die Heilkunst. Viele Klöster und Tempel wurden wieder aufgebaut, Ausbildungsstellen für Mönche und Nonnen geschaffen und sogar einige universitäre Forschungsstellen für Daoismus eingerichtet. Es gibt um die Jahrtausendwende in der VR China ungefähr 3000 daoistische Heiligtümer, die von ca. 25 000 Nonnen und Mönchen bewohnt werden. Die daoistischen Tempel sind teilweise ökonomisch unabhängig, indem sie Hotels, Restaurants, Teehäuser oder Souvenirgeschäfte und Kampfkunstschulen betreiben und daoistische Organisationen engagieren sich in öffentlichen Bereichen wie dem Umweltschutz, Bildung oder Katastrophenhilfe.

Der Staat hat in der Volksrepublik eine offizielle Version des Daoismus durchgesetzt, die Wohlwollen, Patriotismus und den Dienst an der Öffentlichkeit betont. Die Ausbildung eines Daoisten in der Volksrepublik umfasst daoistische Doktrin, Rituale, Musik, Kalligrafie, Philosophie, Kampfkunst und Englische Sprache. Die „Daoistische Vereinigung Chinas“ wurde 1956 gegründet, 1957 registriert und hat ihren Sitz im Baiyunguan (Tempel der Weißen Wolken) in Beijing. Entsprechend ihrer Zielsetzung ist die Vereinigung von der Volksregierung Chinas geführt und hat die Aufgabe, alle Daoisten des Landes zu vereinigen, das Land und den Daoismus zu lieben, die Verfassung, Gesetze, Regeln und die Politik des Landes zu beachten, das Erbe des Daoismus zu pflegen sowie geistliche Angelegenheiten auszuüben. Viele daoistische Priester sind jedoch nicht gemeldet und gehören nicht den Regierungsorganisationen an, sodass die Statistiken widersprüchlich sind. Die wieder aufgebauten Tempel sind gut besucht und zu einigen Anlässen wie dem Laternenfest kommen Zehntausende von Pilgern, woraus man schließen kann, dass der Daoismus auch in der Volksrepublik noch eine große Rolle spielt.

Von dieser starken Einschränkungen unterworfenen Religionsfreiheit ausgeschlossen, sind staatlich nicht zugelassene und damit nicht kontrollierbare daoistische Gemeinschaften. Sie gelten als Sekten und häretische Kulte, die staatlicher Verfolgung ausgesetzt sind. Yiguan Dao (Weg des alles durchdringenden Prinzips) oder Huangtian Dao (Weg des Gelben Himmels) werden besonders stark verfolgt. Während in den 50er Jahren Christen überwiegend langjährige Haftstrafen verbüßten, wurden Yiguan Dao-Anhänger nach ihrer Verhaftung meist hingerichtet. Noch in den 90er Jahren gab es Verhaftungen von Yiguan Dao-Gläubigen. Der Grund für die härtere Verfolgung ist geschichtlich bedingt, da gerade Yiguan Dao mehrfach an revolutionären Bewegungen beteiligt war.

Viele Daoisten flohen nach Taiwan oder Südostasien, wo der daoistische Kultus nach wie vor blüht. Im heutigen China existieren noch zwei Hauptlinien der religiösen daoistischen Tradition, der Quanzhen-Daoismus (Schule der vollständigen Wahrheit), auch als neidan, innere Alchemie, bezeichnet, und der Zhengyi-Daoismus (Schule der orthodoxen Einheit), welcher direkt auf die Tradition der Himmelsmeister zurückgeht.

Die Quanzhen-Daoisten leben monastisch und zölibatär und legen die Hauptpraxis auf Meditation, während die Zhengyi-Daoisten heiraten dürfen und auch in priesterlichen und magischen Funktionen, beispielsweise als Ritualpriester bei Tempeln, Familien und Einzelpersonen, d. h. auch bei Begräbnis- und Hochzeitsriten oder Exorzismen und Heilungen arbeiten. Der Zhengyi-Daoismus besitzt im Gegensatz zum Quanzhen, der stark buddhistisch beeinflusst ist, eine ausgeprägte Ritualistik und magische Praktiken. Die Rituale führen sich zu einem großen Teil auf die Schule der Lingbao Pai zurück. Die Tempel, in die die Zhengyi-Priester eingeladen werden, verehren meistens Lokalgötter und viele volkstümliche Elemente, sowie auch teilweise schamanistische Elemente wurden in den heutigen Zhengyi-Daoismus aufgenommen.

Es werden Rituale zu vielen Anlässen durchgeführt: zum Geburtstag des Lokalgottes, zur Restauration eines Tempels oder um eine neue Götterstatue einzuweihen. Ein Ritual kann bis zu neun Tage dauern, und ist oft verbunden mit Theateraufführungen, Prozessionen und Opfern. Viele Rituale sind ausgeprägt liturgisch. Das Hauptritual ist eines der kosmischen Erneuerung und Rückverbindung.

Die monastische Quanzhen-Schule unterscheidet sich vom Zhengyi durch das zurückgezogene Leben der Meditation und inneren Alchemie, ohne der Allgemeinheit die Arbeit in einem Ritualservice anzubieten und ihn durchzuführen. Innere Alchemie strebt nicht nach Herstellung eines Stoffes oder physischer Unsterblichkeit, sondern stellt eine Erleuchtungstechnik dar, eine Methode der Ordnung von Selbst und Welt. Sie ist eine operative Disziplin, die durch einen schöpferischen Akt zur Geburt eines neuen Menschen führen soll und die Erhöhung des Geistes über die Welt anstrebt. Da die Quanzhen-Schule viele Elemente des Buddhismus übernommen hat, besitzt sie einen stark spekulativen Charakter und die Texte dieser Schule sind durch bestimmte Merkmale charakterisiert: die geistige und physische Schulung, die Praxis unterschiedlicher Techniken wie Atemübungen, Visualisationen und innerer Alchemie, die Übernahme bestimmter Spekulationen des Buddhismus, z. B. über Wu (Leere) und You (Dasein) und die Methode der Gong'ans (jap. Koan), die Übernahme konfuzianischer Werte und die systematische Verwendung des Yijing, sowie alchemistischer Techniken in einer metaphorischen, geistigen Form.

Techniken der Shangqing-Schule werden nach wie vor von Zhengyi und Quanzhen praktiziert.

Daoismus im Abendland

Die Geschichte der Rezeption des Daoismus in der westlichen Welt ist ungefähr 200 Jahre alt, und vor allem das Daodejing beeinflusste u. a. Kunst, Literatur, Psychologie und Philosophie.

Die erste Übersetzung des Daodejing ins Lateinische durch einen Jesuiten stammt aus dem Jahr 1788. Von den 60er Jahren des 19. Jh. bis Anfang des 20. Jh. erschienen dann größere Mengen an Laozi-Übersetzungen, die hauptsächlich von Missionaren angefertigt wurden, sodass es nicht verwunderlich ist, dass die meisten dieser Übersetzungen tendenziös christlich sind. Auch die im deutschen Sprachraum bekannteste Übersetzung von Richard Wilhelm kann ihren christlichen Hintergrund nicht leugnen.

Im 19. Jh. wurde dann die Rezeption des Daoismus im Westen stark durch die Theosophische Gesellschaft, die eine Mischung aus indischer Mystik und westlichem Okkultismus propagierte, beeinflusst.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges verstärkte sich das Interesse an östlicher Weisheit und insbesondere die Pazifisten wendeten sich dem Wu wei, dem Nicht-Handeln zu. So rief beispielsweise der deutsche Dichter Klabund im Jahr 1919 in seiner Schrift „Hör es Deutschland“ das Volk auf, nach dem heiligen Geist des Dao zu leben, und in Deutschland brach durch die Übersetzungen des Zhuangzi und des Laozi durch Richard Wilhelm und durch Martin Buber eine regelrechte Daoismus-Euphorie aus, die sich unter Literaten und Künstlern verbreitete. So wurden insbesondere Hermann Hesse, Alfred Döblin und Bertolt Brecht durch diese Übersetzungen beeinflusst.

Alfred Döblins Roman „Die drei Sprünge des Wang-Lun“ und Charles Waldemars „Das Kleinod des Lao-Tse“ zeigen zum Beispiel eine starke Annahme daoistischen Gedankengutes, insbesondere des Wu wei, und Hermann Hesses gesamtes Werk ist von östlicher Philososphie durchdrungen. Prominentestes Zeugnis von Bertolt Brechts intensiver Auseinandersetzung mit dem Daoismus seit etwa 1920 („… der stimmt mit mir so sehr überein“) ist sein 1938 entstandenes Gedicht Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration.

Die Rezeption des Daoismus durch die Tiefenpsychologie fällt auch in die Zeit des Zweiten Weltkrieges. Carl Gustav Jung fand in Übersetzungen der daoistischen Werke „Das Geheimnis der goldenen Blüte“ und des älteren „Yi Jing“ durch Richard Wilhelm starke Anregungen zur Entwicklung seiner eigenen psychologischen Theorien und er schrieb zu beiden das Vorwort.

In den 1920er Jahren wurden dann die Ideen des Daoismus durch den damals populären Philosophen Hermann Grafen Keyserling aufgenommen und verbreitet, der in den daoistischen Klassikern die tiefsten Aussprüche zur Lebensweisheit fand.

Auch der Philosoph Martin Heidegger wurde durch Übersetzungen daoistischer Texte durch Richard Wilhelm und Martin Buber inspiriert, jedoch auch der Zen-Buddhismus beeinflusste sein Werk. Heideggers nicht nihilistische Darstellung vom Nichts als „Fülle“ scheint direkt auf den Daoismus zurückzugehen.

Karl Jaspers, ein anderer Existenzphilosoph des 20. Jahrhunderts schrieb das Werk „Lao-tse/Nagarjuna - zwei asiatische Mystiker“, in dem er sich um das Verständnis des Daoismus bemühte, und auch Ernst Bloch setzte sich mit dem Daoismus auseinander.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Daoismus in der westlichen Welt auch durch Exil-Chinesen verbreitet, die sich aufgrund der politischen Zustände in ihrem Heimatland z.B. in den USA aufhielten. Ein prominenter Vertreter war etwa Gia-Fu Feng, der seit 1947 permanent in den USA lebte und dort begann Daoismus zu lehren. Insbesondere die Beatniks wie Jack Kerouac oder Alan Watts waren teilweise stark dadurch beeinflusst: "Gia-Fu was The Real Thing”. Auch in Europa fand er zahlreiche Anhänger. Über den Zen-Buddhismus fand der Daoismus weiteren Eingang in die westliche Kultur. Breiten Raum fand dabei die Darstellung des Daoismus als Ursprung des Zen wie z. B. in Alan Watts Werk „The Way of Zen“. Diese Ideen fanden später auch in der Hippie-Bewegung Verbreitung. In den 1970er und 1980er Jahren wurde dann das Dao als Allheilmittel für die erkrankte westliche Kultur in Europa gesehen. Der Daoismus wurde trivialisiert und vornehmlich auf die ältere Yin und Yang Lehre bezogen und breitete sich in dieser Form in der New Age-Bewegung aus.

Nach Fritjof CaprasDas Tao der Physik“ von 1976 erschienen dann größere Mengen an populärdaoistischen und trivialisierten Werken wie „Das Tao-Kochbuch“ oder „Easy Tao“, wobei Capras Ansatz eine verstärkt oberflächliche Popularisierung des Dao eingeleitet hatte. Peter Sloterdijk reagierte demgemäß in seinem Buch „Eurotaoismus“ spöttisch auf dieses „östliche Philosophie fast food“.

Inzwischen ist der Daoismus durch die Esoterik-Welle zum integralen Bestandteil der westlichen Kultur geworden und ein Viertel des Esoterik-Buchhandels wird mit Werken zum Daoismus bestritten.

Unterschiedliche Transkriptionen

Chines. vereinf. Pīnyīn Wade-Giles deutsch/Wilhelm?
Dào Tao Tao Dau
道教 道教 Dàojiào Tao-chiao Taoismus Dauismus
道家 道家 Dàojiā Tao-chia Taoismus Dauismus
老子 老子 Lǎozǐ Lao-tzu Laotse Lao-Tse
道德經 道德经 Dàodéjīng Tao-te-ching Tao-te-king Daudedsching
莊子 庄子 Zhuāngzǐ Chuang-tzu Dschuang Dsi
太極 太极 Tàijí T'ai-chi Tai Chi

Siehe auch

  • Portal:Daoismus

Literatur

Nan hua zhen jing (Das wahre Buch vom südlichen Blütenland)
  • Victor H. Mair (übers.): Zhuangzi. Das klassische Buch daoistischer Weisheit. Krüger, Frankfurt/M. 1998, ISBN 3-8105-1259-1.
  • Richard Wilhelm (übers.): Dschuang Dsi. Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. München (Diederichs Gelbe Reihe 172) 1969, ISBN 3-89631-421-1 (Orig. 1912).
Weitere Bücher
  • Wolfgang Bauer: Geschichte der chinesischen Philosophie: Konfuzianismus, Daoismus, Buddhismus. München 2001 ISBN 3-406-47157-9
  • Thomas Cleary (Hrsg.): Also sprach Laotse. Die Fortführung des Tao Te King, aufgezeichnet von seinem Schüler Wen-Tzu Barth, Bern 1995, ISBN 3-502-65109-4.
  • Thomas Cleary (Hrsg.): Die drei Schätze des Dao. Frankfurt/Main 1996, ISBN 3-596-12899-4.
  • J.C. Cooper Was ist Taoismus? (Taoism. The Way of Mystic) Bern 1993
  • Gérard Edde: Das Tao-Handbuch – Taoistische Philosophie, Meditation und Medizin, heilige Berge und innere Alchemie. Windpferd-Verlag, Aitrang 2006, ISBN 3-89385-493-2.
  • Ingrid Fischer-Schreiber: Das Lexikon des Taoismus. München 1996, ISBN 3-442-12664-9.
  • Theo Fischer: Lass dich vom Tao leben. Hamburg 2002, ISBN 3-499-60699-2.
  • Max Kaltenmark: Lao Tzu und der Taoismus. (Originalausgabe: Lao Tseu et le taoisme 1965) Frankfurt am Main 1981 [Ed. Suhrkamp 1055]
  • Livia Kohn (Hrsg.): Daoism Handbook. Leiden 2000, ISBN 90-04-11208-1
  • Hans Georg Möller: In der Mitte des Kreises. Daoistisches Denken. Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-458-34459-4.
  • Florian C. Reiter: Taoismus zur Einführung. Hamburg 2000, ISBN 3-88506-316-6.
  • Isabelle Robinet: Geschichte des Daoismus. Diederichs, München 1995, ISBN 3-424-01298-X.
  • H. Schleichert: Klassische chinesischer Philosophie. Eine Einführung. Frankfurt/Main 1990 (Klostermann insbes. Kap. III Daoismus 119-199)
  • Raymond N. Smullyan: Das Tao ist Stille. Frankfurt 1994, ISBN 3-8105-1858-1.
  • Josef Thesing, Thomas Awe (Hrsg.): Dao in China und im Westen. Bonn 1999, ISBN 3-416-02864-3.
  • Alan Watts, Chungliang Al Huang: Der Lauf des Wassers. Die Lebensweisheit des Taoismus. Frankfurt 2003, ISBN 3-458-34639-2
  • Günter Wohlfart: Der Philosophische Daoismus. Edition Chora Verlag, Köln 2001, ISBN 3-934977-05-7.
  • Knut Walf:Westliche Taoismus-Bibliographie. Verlag 'Die Blaue Eule' Essen 2003 ISBN 3-89924-020-0
  • Thomas Weyrauch: Yiguan Dao – Chinas Volksreligion im Untergrund. Heuchelheim (Longtai) 2006. ISBN 3-938946-02-4
  • Isabelle Robinet:
    • Histoire du taoïsme : des origines au XIVe siècle, 1991, éditions du Cerf ISBN 2-204-04251-X
    • Méditation taoïste, Albin Michel, 1995 ISBN 2-226-07971-8,
    • Comprendre le Tao, Albin Michel, coll. « Spiritualités Vivantes », 2002 ISBN 2-226-13369-0.
  • David C. Yu: History of Chinese Daoism. University Press of America, 2000, ISBN 0-7618-1868-5.

Weblinks


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