Universelle Überlagerung

Universelle Überlagerung
Y ist eine Überlagerung von X = [0, 1] \times S^1, die paarweise disjunkten Mengen Si werden homöomorph auf U abgebildet. Die Faser des Punktes x besteht aus den Punkten yi.

In der Mathematik ist die Überlagerung eines topologischen Raumes X ein anderer topologischer Raum Y zusammen mit einer Überlagerungsabbildung p:Y\to X mit der folgenden Eigenschaft:

Zu jedem Punkt x in X gibt es eine offene Umgebung U um x, so dass das Urbild p − 1(U) von U in Y aus einer Vereinigung paarweise disjunkter offener Mengen Si besteht, die jeweils via p homöomorph auf U abgebildet werden.

Anschaulich kann man sich eine Überlagung so vorstellen, dass man X auf Y abrollt bzw. X mit Y einwickelt.

Oft wird der Begriff Überlagerung sowohl für den Überlagerungsraum Y als auch für die Überlagerungsabbildung p benutzt. Für ein x in X heißt p − 1(x) die Faser von x. Sie besteht aus endlich oder unendlich vielen diskreten Punkten. Man sagt, die Elemente der Faser liegen über x. Die offenen Mengen Si heißen Blätter.

Inhaltsverzeichnis

Beispiele

Betrachte den Einheitskreis S1 in \mathbb{R}^2. Die reelle Gerade \mathbb{R} ist dann eine Überlagerung mit der Überlagerungsabbildung

p : \mathbb{R} \to S^1, \quad p(t)=(\cos(t), \sin(t)).

Die Gerade wird also unendlich oft um den Kreis gewickelt (siehe Abbildung). Die Blätter über einem Intervall des Kreises sind Intervalle auf der Zahlengeraden, die sich mit Periode wiederholen. Jede Faser hat unendlich viele Elemente (x+2\pi\mathbb{Z}). Die Isomorphie zwischen der Fundamentalgruppe π1(S1,x0) von S1 und der additiven Gruppe (\mathbb{Z}, +) über den ganzen Zahlen lässt sich mit Hilfe dieser Überlagerung sehr anschaulich beweisen.

Die komplexe Ebene ohne den Ursprung, \mathbb{C}^*, wird von sich selbst überlagert durch die Abbildung

p : \mathbb{C}^*\to \mathbb{C}^*, \quad p(z)=z^n.

Jede Faser hat hier n Elemente.

Ein weiteres bekanntes Beispiel, das aus der Physik stammt (-> Quantenmechanik), betrifft die Gruppe SO(3) der eigentlichen Drehungen des dreidimensionalen reellen Raumes \mathbb R^3. Zu ihr gehört als „zweifache“ Überlagerung die SU(2), die Gruppe der eigentlichen Drehungen des \mathbb C^2, die sogenannte Spinorgruppe. Im Gegensatz zur SO(3) ist sie einfach zusammenhängend.

Eigenschaften

Jede Überlagerung ist ein lokaler Homöomorphismus, d.h. die Einschränkung der Überlagerungsabbildung p auf eine kleine Umgebung ist ein Homöomorphismus auf eine offene Teilmenge. Daher besitzen X und Y die gleichen lokalen Eigenschaften:

Für jede Zusammenhangskomponente von X ist die Anzahl der Elemente einer Faser über einem Punkt (und damit die Anzahl der Blätter über einer Umgebung) stets gleich. Hat jede Faser n Elemente, so spricht man von einer n-fachen Überlagerung.

Es gilt die Hochhebungseigenschaft: Ist p: Y \to X eine Überlagerung, γ ein Weg in X und z ein Punkt über dem Startpunkt γ(0) (d.h. p(z) = γ(0)), dann gibt es einen eindeutigen Weg \tilde{\gamma} in Y über γ (d.h. p(\tilde{\gamma}(t))=\gamma(t)) mit Anfangspunkt \tilde{\gamma}(0)=z. Wege in X lassen sich also bei Vorgabe eines Startpunkts aus der Faser eindeutig nach Y hochheben.

Sind x und y zwei Punkte in X, die durch einen Weg verbunden sind, so vermittelt der Weg durch die Hochhebungseigenschaft eine bijektive Abbildung zwischen den Fasern über x und y.

Universelle Überlagerung

Eine Überlagerung q:Z\to X heißt universelle Überlagerung, falls Z einfach zusammenhängend ist.

In der Regel gibt es über einem topologischen Raum X viele verschiedene Überlagerungen. Ist zum Beispiel Z Überlagerung von Y und Y Überlagerung von X, so ist auch Z eine Überlagerung von X. Der Name „universelle Überlagerung“ kommt daher, dass sie auch Überlagerung jeder anderen zusammenhängenden Überlagerung von X ist.

Aus der beschriebenen universellen Eigenschaft folgt, dass die universelle Überlagerung bis auf einen Homöomorphismus eindeutig bestimmt ist (zwei universelle Überlagerungen sind nämlich wegen dieser Eigenschaft jeweils die Überlagerung von der anderen, woraus folgt, dass sie homöomorph sein müssen).

X besitzt genau dann eine universelle Überlagerung, wenn X zusammenhängend, lokal wegzusammenhängend und semilokal einfach zusammenhängend ist. Man kann die universelle Überlagerung konstruieren, indem man einen Punkt x in X fixiert und zu jedem Punkt y in X die Menge der Homotopieklassen von Wegen von x nach y betrachtet. Die Topologie erhält man lokal, da y eine Umgebung hat, deren Schleifen global zusammenziehbar sind und auf der daher die besagten Homotopieklassen überall gleich sein müssen, sodass man das Kreuzprodukt der Umgebung mit der (diskret topologisierten) Menge der Homotopieklassen mit der Produkttopologie versehen kann. Unter den genannten Voraussetzungen ist dieses Konstrukt dann eine universelle Überlagerung.

Die universelle Überlagerung von X wird meist mit \tilde{X} bezeichnet.

Das obige Beispiel \mathbb{R} \to S^1 ist eine universelle Überlagerung. Ein anderes Beispiel ist die universelle Überlagerung des projektiven Raumes durch die Sphäre

p: S^n \to \mathbb{R}P^n

für n > 1.

Die Gruppe der Decktransformationen, reguläre Überdeckungen

Eine Decktransformation einer Überlagerung p : Y \to X ist ein Homöomorphismus f: Y\to Y, der mit der Projektion p verträglich ist, d.h. p\circ f = p. Die Menge aller Decktransformationen der Überlagerung bildet eine Gruppe mit der Verknüpfung der Hintereinanderausführung. Die Decktransformationsgruppe wird mit Deck(p) bezeichnet.

Aus der Verträglichkeit mit der Projektion folgt, dass jede Decktransformation einen Punkt aus Y wieder auf einen Punkt in der gleichen Faser abbildet. Da die Decktransformationen darüber hinaus Homöomorphismen, also bijektiv, sind, werden die Elemente einer Faser permutiert. Dies definiert eine Gruppenoperation der Decktransformationsgruppe auf jeder Faser.

Falls p: Y\to X eine Überlagerungsabbildung und Y (und damit auch X) zusammenhängend und lokal wegzusammenhängend ist, so ist die Operation von Deck(p) auf jeder Faser frei. Falls die Operation auch transitiv auf einer Faser ist, so ist sie dies auf allen Fasern. In diesem Fall nennt man die Überlagerung normal, regulär oder auch galoissch.

Zum Beispiel ist jede universelle Überlagerung regulär. Ebenso das Beispiel p(z) = zn. Hier bestehen die Decktransformationen aus Multiplikationen mit n-ten Einheitswurzeln, die Gruppe ist also isomorph zur zyklischen Gruppe der Ordnung n.

Die Gruppe der Decktransformationen der universellen Überlagerung ist isomorph zur Fundamentalgruppe des Basisraums; die universelle Überlagerung von X ist ein π1(X)-Prinzipalbündel.

Klassifikation

X besitze eine universelle Überlagerung \tilde X, und x0 sei ein Punkt von X. Die beiden folgenden Konstruktionen liefern eine Äquivalenz von Kategorien zwischen der Kategorie der Überlagerungen von X und der Kategorie der Mengen mit π1(X,x0)-Operation:

  • Einer Überlagerung p\colon Y\to X wird die Faser p − 1(x0) zugeordnet.
  • Einer Menge F wird das assoziierte Bündel \tilde X\times_{\pi_1(X,x_0)}F zugeordnet; es ist ein Faserbündel mit diskreter Faser, also eine Überlagerung.

Zusammenhängenden Überlagerungen entsprechen Mengen mit transitiver π1-Operation, und bis auf Isomorphie sind diese durch Untergruppen von π1 klassifiziert. Einer zusammenhängenden Überlagerung p\colon Y\to X entspricht dabei die Untergruppe p_*\pi_1(Y)\subseteq\pi_1(X).


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