Besitzbourgeoisie

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Bourgeoisie [burʒwaˈzi] (französisch) heißt wörtlich übersetzt „Bürgertum“ und bezeichnete damit eine soziale Klasse innerhalb der Gesellschaft. Im Unterschied zum weiten Begriff des Bürgers, dem auch der „Citoyen“ im Sinne des Staatsbürgers zugerechnet wird, bezeichnet der Begriff des Bourgeois das Großbürgertum bzw. Besitzbürgertum der weltlichen Oberschicht. Während es einzelne Bourgeois bereits in früheren Gesellschaftsepochen gab, wurde die Bourgeoisie erst im Europa des feudalistischen und absolutistischen Zeitalters politisch als eigene Kraft bedeutsam. Als Dritter Stand neben Adel und Klerus wurde die Bourgeoisie im Zuge der Französischen Revolution von 1792, mit deren Sieg das bürgerliche Zeitalter bzw. die bürgerliche Gesellschaft durchgesetzt wurde, zur politisch mächtigsten Klasse der Gesellschaft.

Eine zentrale Bedeutung besitzt der im Alltag kaum verwendete Begriff innerhalb der marxistischen Theorie, wo er als Synonym für „Kapitalist“ und damit für „Ausbeuter“ gebraucht wird.[1] Im übertragenen Sinne wird der Begriff abfällig wertend benutzt: Ein typischer Bourgeois ist demnach ein sehr reicher Angehöriger der Oberschicht, der eine konservative und reaktionäre Gesinnung aufweist.

Inhaltsverzeichnis

Zum Zusammenhang von sozialstruktureller Entwicklung und semantischer Begriffsgeschichte

Im Laufe des 19. Jahrhunderts spaltete sich nach verschiedenen bürgerlichen Revolutionen wie der Julirevolution 1830, der Februarrevolution 1848 und der Märzrevolution von 1848/1849 gegen die Politik der Restauration die revolutionäre Bewegung zunehmend in zwei separat und gegeneinander agierende Klassen auf: Einerseits den Dritten Stand, der seit dem Zeitalter der Aufklärung und der Französischen Revolution der Wortführer der fortschrittlichen Bewegungen dieser Zeit war, andererseits das sich im Zuge der Industriellen Revolution rasch vermehrende Proletariat, das sich als Vierter Stand konstituierte und als eigene politische Kraft in der Arbeiterbewegung in Erscheinung trat. Die ehemals als fortschrittlich-revolutionär verstandene Bourgeoisie entwickelte sich umgekehrt als „Juste Milieu“ zur herrschenden Klasse, die nach Durchsetzung „ihrer“ bürgerlichen Revolution zu einer konservativ-antirevolutionären Kraft wurde. Der politische Konflikt innerhalb der Gesellschaft verlief nun nicht mehr zwischen Adel und Klerus als Vertretern des Ancien Régimes auf der einen Seite und dem bürgerlich-proletarischen Dritten Stand auf der anderen Seite, sondern zwischen Bourgeoisie und Proletariat selbst.

Einer der ersten Sozialisten, die einen unvereinbaren Widerspruch zwischen Proletariat und Bourgeoisie formulierten, war der Schneidergeselle Wilhelm Weitling. Weitling prägte entscheidend den 1836 in Paris aus dem Bund der Geächteten hervorgegangenen Bund der Gerechten, dem Vorläufer der späteren sozialistischen und Kommunistischen Parteien. Weitlings Einfluss ging in Folge von Auseinandersetzungen mit Karl Marx zurück, nachdem der Bund der Gerechten in London in Bund der Kommunisten umbenannt worden war und unter den vorrangigen Einfluss von Karl Marx und Friedrich Engels geriet. Marx und Engels bauten die Theorie des Gegensatzes von Proletariat und Bourgeoisie mit wissenschaftlichem Anspruch aus. 1848 veröffentlichten sie das einflussreiche Manifest der Kommunistischen Partei, in dem sie zum internationalen und revolutionären Klassenkampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie aufriefen, um den Kommunismus als klassenlose Gesellschaft durchzusetzen.

Verwendung im wissenschaftlichen Diskurs

Ob der Begriff der Bourgeoisie und mit ihm die Bezeichnung „bürgerliche Gesellschaft“ auch heute noch für die Beschreibung gegenwärtiger Gesellschaften angemessener Begriff weiterverwendet werden soll, ist innerhalb der Wissenschaft – insbesondere der Soziologie – umstritten, wie ja bereits die Einteilung der Gesellschaft in soziale Klassen aufgrund ihrer politischen Brisanz heftig umstritten ist. Der Begriff „bürgerliche Gesellschaft“ wird wissenschaftlich noch immer verwendet, wenn auch nicht mehr als dominante Beschreibungsfigur wie noch in den 1970ern. An seine Stelle trat der sozialstrukturell unbestimmte Begriff der Zivilgesellschaft. Das Problem für die Beschreibung moderner Gesellschaften besteht insbesondere darin, dass das Bürgertum „heute gesellschaftlich so verallgemeinert [ist], dass es alles und nichts zu sein scheint, eine beinahe differenzlose Kategorie.“ (Markus Pohlmann: Der diskrete Charme der Bourgeoisie?)[2]

Definition von Bourgeoisie nach Karl Marx

Nach Karl Marx ist die als kapitalistisches Großbürgertum definierte Bourgeoisie die im Kapitalismus herrschende der beiden großen Klassen Bourgeoisie (Großbürgertum) und Proletariat (= abhängig beschäftigte Lohnarbeiterschaft). Eine Zwischenrolle nimmt das Kleinbürgertum der kleineren Selbständigen ein. Historisch hat sich die Bourgeoisie aus dem Dritten Stand der Feudalgesellschaft heraus entwickelt (Handwerker, Händler, freie und landbesitzende Großbauern), der im Zuge der industriellen Revolution, aber auch im Zuge der so genannten ursprüngliche Akkumulation, zu Fabrikbesitzern und damit zu Großunternehmern wurde.

Die Bourgeoisie ist nach Marx die herrschende soziale Klasse der kapitalistischen bzw. bürgerlichen Gesell­schaft. Im Gegen­satz zur beherrschten und ausgebeu­teten Klasse der Arbeiter bzw. des Proletariats, dessen Angehörige nur ihre auf dem Arbeitsmarkt zu verkaufende Ar­beitskraft besitzen, ist die Bourgeoisie Eigentümer der entschei­denden Produktionsmittel (Fabriken, Transportmittel, Bodenschätze usw.) und kann mit deren Hilfe – und durch die Ausbeutung der Arbeiter – ihren Kapitalbesitz beständig vermehren.

Die Interessen der Bourgeoisie und des Proletariats sind nach Marx objektiv so gegensätzlich und unversöhn­lich, d.h. antagonistisch, dass sie zum Klassenkampf führen müssen, der schließlich über die so genannte „Diktatur des Proletariats“ in der Durchsetzung des Sozialismus und dann des Kommunismus als höchstem Stadium der klassenlosen Gesellschaft zu Ende kommen solle. Für Marx und den auf seinen Theorien aufbauenden Historischen Materialismus ist die ganze Geschichte der Menschheit als Abfolge von Klassenkämpfen zu begreifen, in denen durch Revolutionen eine jeweils zuvor herrschende Klasse gestürzt wird, um eine alte Gesellschaftsform durch eine neue mit neuen ökonomischen, politischen und kulturellen Regeln zu ersetzen. Die Bourgeoisie hatte in diesem Kontext die historisch fortschrittliche Rolle, die herrschende Klasse des Adels in der Feudalgesellschaft mitsamt des Absolutismus und Feudalismus zu stürzen, um den Kapitalismus und mit ihm die moderne Gesellschaft durchzusetzen.

Definition von Bourgeoisie nach Immanuel Wallerstein

Der Theoretiker der Weltsystemtheorie, Immanuel Wallerstein, schließt an die Marx’sche Theorie an und bereichert sie durch neuere soziologische und politikwissenschaftliche Elemente. So stellt die Bourgeoisie für ihn ein dynamisches, also in stetigem Wandel befindliches Phänomen dar. Einen festen Idealtypus des Bourgeois gibt es für ihn nicht. Stattdessen existieren verschiedene räumlich und zeitlich eingegrenzte, dominierende Organisationsformen der Bourgeoisie. Diese sind abhängig vom erreichten Grad der Entwicklung der Weltwirtschaft insgesamt, der Rolle des räumlich eingrenzten Gebietes (z.B. des Staates) innerhalb der Weltwirtschaft, sowie den daraus entstehenden Formen des Klassenkampfes in der Weltwirtschaft.

Ein Individuum, welches Teil dieser Klasse ist, ist durch die Teilhabe an dem folgenden Prozess (die Definition über Prozesse und nicht über bestimmte Eigenschaften leitet sich aus dem Umstand ab, dass eben keine Idealtypen für Klassen existieren) gekennzeichnet: Ein Bourgeois erhält aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppierung, zu bestimmten Kreisen etc. einen Teil eines Mehrwertes, der nicht durch ihn selbst produziert wurde und setzt diesen (gänzlich oder partiell) zur Kapitalakkumulation ein.

Dabei erfährt die Zugehörigkeit zur Bourgeoisie keine Beschränkung durch das Ausüben bestimmter Berufe oder die Verfügung über ein irgendwie geartetes Eigentum. Der Eintritt in die Bourgeoisie kann auch mittels eines „Sprungbrettes“ oder aufgrund besonderer Strebsamkeit oder Talentiertheit erfolgen. Auch garantiert die Zugehörigkeit zur Klasse nicht den Verbleib in dieser. An dieser Stelle werden laut Wallerstein dann doch bestimmte Eigenschaften maßgeblich, nämlich Cleverness, Härte und Fleiß, denn das wichtigste Kriterium für den „Klassenerhalt“ ist der Erfolg auf dem Markt.

Für die Individuen, die sich dauerhaft als der Bourgeoisie zugehörig zählen, stellt sich mit der Zeit die Frage, wie die Gratifikationen zu halten sind, ohne ständig diesem enormen Konkurrenz- und Leistungsdruck ausgesetzt zu sein. Die Strategie zur Lösung dieses Problems liegt in der Ummünzung des ökonomischen Erfolges in gesellschaftlichen Status. Daraus resultiert allerdings ein weiteres Problem für die Bourgeoisie, nämlich die Tatsache, dass aufgrund der ökonomischen Dynamik des Kapitalismus neue Bourgeois erzeugt werden, die zwar noch nicht über gesellschaftlichen Status verfügen, ihn aber für sich beanspruchen. Da das wertvolle Gut des gesellschaftlichen Status jedoch seinen distinktiven Charakter und damit seinen eigentlichen Wert verliert, wenn zu viele darüber verfügen, kommt es zu „Ausscheidungskämpfen“ zwischen den „neuen“ und den „alten“ Bourgeois.

Siehe auch

Literatur

Primärliteratur

Sekundärliteratur

  • Edmond Goblot, Franz Schultheis, Louis Pinto (Hrsg.): Klasse und Differenz: Soziologische Studie zur modernen französischen Bourgeoisie. UVK, Konstanz 1994, ISBN 389669832X. 
  • Joachim Fischer: Bürgerliche Gesellschaft. Zur historischen Soziologie der Gegenwartsgesellschaft. In: Clemens Albrecht (Hrsg.): Die bürgerliche Kultur und ihre Avantgarden. Würzburg 2004, S. 97−119 (online). 
  • Jürgen Kocka (Hrsg.): Bürgertum im 19. Jahrhundert. Band II: Wirtschaftsbürger und Bildungsbürger, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1995 [1988], ISBN 3525335989 (online). 
  • Markus Pohlmann: Der diskrete Charme der Bourgeoisie? - Ein Beitrag zur Soziologie des modernen Wirtschaftsbürgertums. In: Steffen Sigmund, Gert Albert, Agathe Bienfait und Mateusz Stachura (Hrsg.): Soziale Konstellation und historische Perspektive. Festschrift für M. Rainer Lepsius. VS, Wiesbaden 2008, S. 228-252. 

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Z.B. Friedrich Engels: Zur Wohnungsfrage. In: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke. 18, Dietz Verlag, Berlin/DDR 1962, S. 216 ([1]). 
  2. Markus Pohlmann: Der diskrete Charme der Bourgeoisie? - Ein Beitrag zur Soziologie des modernen Wirtschaftsbürgertums, in: Steffen Sigmund, Gert Albert, Agathe Bienfait und Mateusz Stachura (Hrsg.), Soziale Konstellation und historische Perspektive. Festschrift für M. Rainer Lepsius, Wiesbaden 2008, S. 228.

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