Elfenbein-Schneckling

Elfenbein-Schneckling
Elfenbeinschneckling
Hygrophorus eburneus-pastorino.JPG

Elfenbeinschneckling (Hygrophorus eburneus)

Systematik
Klasse: Ständerpilze (Basidiomycetes)
Unterklasse: Hutpilze (Agaricomycetes)
Ordnung: Blätterpilze (Agaricales)
Familie: Schnecklingsartige (Hygrophoraceae)
Gattung: Schnecklinge (Hygrophorus)
Art: Elfenbeinschneckling
Wissenschaftlicher Name
Hygrophorus eburneus
(Bull.) Fr.

Der Elfenbeinschneckling (Hygrophorus eburneus, syn Agaricus eburneus Bull., Gymnopus eburneus [Bull.] Gray, Limacium eburneum [Bull.] P. Kumm.[1]) ist ein essbarer fruchtender Pilz aus der Familie der Schnecklingsartigen (Hygrophoraceae). Er ist weitverbreitet in Europa und Nordamerika und wurde auch in Nordafrika schon gesammelt. Die Fruchtkörper sind mittelgroß, reinweiß und in nassem Zustand überzogen mit einer Schleimschicht, die dick genug ist, um das Aufsammeln zu erschweren. Die Lamellen sind breit oder herablaufend am Stiel angewachsen; wie der englischsprachige Name nahelegt fühlen sie sich wachsig an, wenn sie zwischen den Fingern gerieben werden. Wie alle Hygrophorus-Arten lebt er in symbiotischer Mykorrhiza-Verbindung in einem Nährstoffaustausch mit Bäumen. Er ist in einer Vielzahl von Waldarten verbreitet, wo die Fruchtkörper auf dem Boden im Dickicht oder auf Grasflecken wachsen. Der Elfenbeinschneckling ist die Typspezies der Gattung der Schnecklinge. Aus den Fruchtkörpern wurde eine Anzahl biologisch aktiver Chemikalien extrahiert, einschließlich Fettsäuren mit bakteriziden und fungiziden Eigenschaften. Er fruchtet in Mitteleuropa zwischen September und November.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Die Art ist durch ihren extrem schleimigen Hut charakterisiert.

Der Hut des Elfenbeinschnecklings ist zwei bis sieben Zentimeter groß mit einer Form von konvex bis abgeflacht, manchmal mit einem Buckel. Im Alter hebt sich manchmal der Hutrand und die Hutmitte wird niedergedrückt. Der Hut ist reinweiß und kann abhängig von der Umgebungsfeuchte zähschleimig bis klebrig sein. Die Hutoberfläche ist glatt, Der Rand eben und bei jungen Exemplaren eingerollt und mit kurzen Fäserchen bedeckt. Das Fleisch ist weiß, in der Hutmitte dick und zum Hutrand verjüngend. Geruch und Geschmack sind mild.

Die Lamellen sind etwas bogenförmig herablaufend, also in Bogenform zum Stiel hin zunächst aufwärtsgekrümmt und dann eine kurze Strecke den Stiel herablaufend. Vom Abstand her sind sie entfernt oder fast entfernt stehend, sodass ein Zwischenabstand sichtbar ist. Die Lamellen sind mäßig breit, am breitesten nahe dem Stiel, vorne schmäler, reinweiß, leicht gelblich oder braungelb mit dem Alter oder getrocknet. Die Lamellenschneiden sind glatt.

Der Stiel ist schleimig, 4,5 bis 15 Zentimeter lang, 2 bis 8 Millimeter stark, gleichmäßig stark über die gesamte Länge bis nach unten hin etwas verjüngend mit einer sehr verdünnten Basis. Die Oberfläche ist unter dem Schleim seidig. Das obere Ende des Stiels ist mit kurzen, reinweißen Fäserchen bedeckt, die mit dem Alter manchmal gräulich oder dreckig werden. Er ist anfänglich mit baumwollartigem Myzel-Gewebe gefüllt und wird später hohl.

Die Hüte getrockneter Fruchtkörper bleiben typischerweise weiß, während die Stiele dunkler werden, besonders wenn sie anfangs wassergetränkt sind.[2]

Mikroskopische Eigenschaften

Die Sporen sind ellipsoid und glatt.

Wenn sie wie bei einem Sporenabdruck in Massen betrachtet werden, erscheinen die Sporen weiß. Die Betrachtung mit einem Lichtmikroskop offenbart weitere Details: Die Sporen sind ellipsoid, glatt und messen 6 bis 8 auf 3,5 bis 5 Mikrometer. Sie sind blassgelb in Melzers Reagenz. Die Basidien (sporentragende Zellen) sind 42 bis 52 auf 608 Mikrometer und viersporig. Es gibt keine Pleurozystiden oder Cheilozystiden. Das Lamellengewebe besteht aus verzweigtem, etwa 7 bis 12 Mikrometer breitem Hyphen. Die Huthaut besteht aus gallertartigem, engem (3 bis 6 Mikrometer) Hyphengewebe, dessen Gewebefäden kriechend (gebückt), jedoch typischerweise mit einigen aufrechten freien Enden sind. Im Hyphengewebe sind Schnallenverbindungen vorhanden.[2]

Ähnliche Arten

Eine ähnlich aussehende Art zum Elfenbeinschneckling ist der Fichtenschneckling (Hygrophorus piceae), welche sich durch einen weniger schleimigen Hut, einen trockenen bis leicht klebrigen Stiel und häufige Gesellschaft mit Fichten unterscheidet. Der Schleimigberingte Schneckling (Hygrophorus gliocyclus) ist genauso schleimig, hat aber einen cremefarbenen Hut, dickeren Stiel und wächst mit Kiefern.[3] Hygrophorus borealis ist ebenfalls ähnlich in der Erscheinung, hat aber einen kleineren Hutdurchmesser von bis zu 4,5 Zentimetern und ist nicht schleimig.[4] Der Eichen-Schneckling (Hygrophorus cossus), welcher typischerweise mit Eichen wächst, unterscheidet sich durch blass pinklich-gelbbraune Farbe von Hut und Lamellen und hat einen deutlichen sauren Geruch; auch zeigt Hygrophorus cossus beim Stiel keine Reaktion mit Kaliumhydroxid wie es der Elfenbeinschneckling tut.[5] Der Glänzende Schleimschirmling (Limacella illinita) hat nichtwachsige Lamellen, die nicht am Stiel angewachsen sind.[4]

Habitat und Verbreitung

Die Fruchtkörper des Elfenbeinschnecklings wachsen auf dem Boden, hauptsächlich in Nadelwäldern, Dickichten und auf grasbewachsenen Flecken.[2] Der Pilz bevorzugt (gemäßigt) feuchten, lehmigen und kalkhaltigen Boden.[6]

Der Pilz ist in Nordamerika weit verbreitet.[2] Er findet sich auch in Europa (Polen[7] und Portugal[8]), Israel[9] und Nordafrika.[10]

Taxonomie und Systematik

Die Art wurde zuerst 1783 von dem französischen Botaniker Jean Bulliard als Agaricus eburneus benannt.[11] Elias Fries unterteilte die große Gattung Agaricus in seinem Systema Mycologicum I in eine Anzahl von Tribus und klassifizierte Agaricus eburneus in den Tribus Limacium.[12] Als Fries 1836 in seinem Epicrisis Systematis Mycologici erstmals die Gattung Hygrophorus definierte, schloss er Hygrophorus eburneus dort mit ein.[13] Der Pilz wurde 1871 von Paul Kummer auch als Limacium eburneum benannt,[14] als er Fries' Tribus auf den Rang von Gattungen erhob, und von Samuel Frederick Gray 1821 als Gymnopus eburneus.[15]

Das Art-Epitheton „eburneus“ ist ein lateinisches Adjektiv mit der Bedeutung „wie Elfenbein“ oder „elfenbeinfarben“.[16]

Infragenetische Systematik

Der Elfenbeinschneckling ist die Typspezies der Gattung Hygrophorus und ist in der Sektion Hygrophorus, Untersektion Hygrophorus eingeordnet. Diese umfasst Arten mit nicht-amyloiden, glatten Sporen und auseinandergehenden Hyphen im Gewebe des Hymenium. Andere Arten in dieser Untersektion sind der Nichtverfärbende Schneckling (Hygrophorus coccus), der Gewichtige Schneckling (Hygrophorus ponderatus), der Verfärbende Schneckling (Hygrophorus discoxanthus) und Hygrophorus glutinosus und Hygrophorus eburneiformis zwei nordamerikanische Arten.[17] Andere Autoren stellen ihn in die Sektion Eburnei. Diese Sektion umfasst Arten, die einen mehr oder weniger schmierig bis schleimigem Hut und Stiel haben. Der Hut ist weißlich bis cremefarben, rosa-ockerlich oder blassorange gefärbt.[18]

Bedeutung

Essbarkeit

Der Pilz ist essbar, wenngleich er wegen seiner Schleimigkeit für viele nicht ansprechend sein mag.[19] In China wird ein Yakmilchgetränk mit Elfenbeinschnecklingen und Yakmilch hergestellt, in milchsaurer Gärung mit Lactobacillus delbrueckii subsp. bulgaricus, Streptococcus thermophilus und Lactobacillus acidophilus als gemischte Startkultur.[20]

Bioaktive Verbindungen

γ-Oxocrotonic acids aus Hygrophorus eburneus

Mehrere biologisch aktive Fettsäuren mit bakteriziden und fungiziden Eigenschaften wurden aus den Fruchtkörpern des Elfenbeinschnecklings isoliert und identifiziert. Die biologisch aktiven Fettsäuren bauen auf einer chemischen Struktur namens γ-Oxocrotonat auf. Die folgenden gamma-Oxocrotonat-Derivate wurden in dem Pilz gefunden: (2E,9E)-4-oxooctadeca-2,9,17-trienoic acid, (2E,11Z)-4-oxooctadeca-2,11,17-trienoic acid, (E)-4-oxohexadeca-2,15-dienoic acid, (E)-4-oxooctadeca-2,17-dienoic acid, (2E,9E)-4-oxooctadeca-2,9-dienoic acid, (2E,11Z)-4-oxooctadeca-2,11-dienoic acid, (E)-4-oxohexadec-2-enoic acid und (E)-4-oxooctadec-2-enoic acid.[21] Die Verbindung (E)-4-oxohexadec-2-enoic acid wurde für den potenziellen Gebrauch als Fungizid gegen die Eipilz-Art Phytophthora infestans untersucht, einen Erreger für die Kraut- und Knollenfäule bei Kartoffeln beziehungsweise Kraut- und Braunfäule bei Tomaten.[22]

Im Elfenbeinschneckling entdeckte zusätzliche Sekundärmetabolite umfassen die Ceramid-Verbindung namens Hygrophamid ((2S,3R,4R,2’R)-2-(2’-hydroxy-9’Z-ene-tetracosanoylamino)-octadecane-1,3,4-triol)[23] und die als Harman und Norharman bekannten β-Carbolin-Alkaloide. Der Entdeckungsbericht von 2008 zu den zwei letztgenannten Verbindungen stellt das erste bekannte Vorkommen in Pilzfruchtkörpern dar.[24]

Weblinks

 Commons: Hygrophorus eburneus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. Hygrophorus eburneus (Bull.) Fr. In: Index Fungorum. Centre for Agricultural Bioscience International, abgerufen am 25. August 2010 (englisch).
  2. a b c d Alexander Hanchett Smith: North American species of Mycena. University of Michigan Press, Ann Arbor, Michigan 1947, S. 253–255 (http://name.umdl.umich.edu/AGK0806.0001.001).
  3. David Arora; Ten Speed Press (Hrsg.): All that the Rain Promises and More: a Hip Pocket Guide to Western Mushrooms. Berkeley, Kalifornien 1991, ISBN 0-89815-388-3, S. 47.
  4. a b William C. Roody: Mushrooms of West Virginia and the Central Appalachians. The University Press of Kentucky, Lexington, Kentucky 25. April 2003, ISBN 978-0813190396, S. 119, 250.
  5. Hope H. Miller, Orson K. Miller Jr.: North American mushrooms. a field guide to edible and inedible fungi. 1. Auflage. Falcon Guides Press Publishing, Guilford, Connecticut, USA Mai 2006, ISBN 978-0762731091, S. 69.
  6. Cornelis Bas, Thomas W. Kuyper, Machiel Evert Noordeloos, Else C. Vellinga; Cornelis Bas (Hrsg.): Flora Agaricina Neerlandica. 3, CRC Press, Boca Raton, Florida 1990, ISBN 978-9061919711, S. 118–119.
  7. Maria Lisiewska: Higher fungi of forest associations of the Beech Forest near Szczecin. In: Monographie Botanicae. 15, 1963 (Originaltitel: Mikoflora zespołów leśnych Puszczy Bukowej pod Szczecinem), S. 77–151.
  8. R. Louro, M. Calado, B. Pinto, C. Santos-Silva: Epigeous macrofungi of the Parque de Natureza de Noudar in Alentejo (Portugal). In: Mycotaxon. 107, 24. April 2009, ISSN 0093-4666, S. 49–52, doi:10.5248/107.49 (http://evunix.uevora.pt/~css/08-177louro_fulltext.pdf).
  9. N. Binyamin, Z. Avizohar: Species of Hygrophorus in Israel. In: Israel Journal of Botany. 22, Nr. 4, 1973, S. 258–262.
  10. R. Maire: New fungi from North Africa. In: Bulletin trimestriel de la Societe mycologique de France. 44, Nr. 1, 1928, S. 37–56.
  11. Jean Baptiste François Bulliard: Herbier de la France. 3, 1783, S. 97–144.
  12. Elias Magnus Fries: Systema Mycologicum. 1, ex officina Berlingiana, 1821, S. 16 (http://www.archive.org/stream/systemamycologi03friegoog#page/n95, abgerufen am 30. Juni 2010).
  13. Elias Magnus Fries: Anteckningar öfver de i Sverige växande ätliga Svampar. Palmblad, Sebell & C., Upsala 1836, S. 45 (http://www.archive.org/details/anteckningarfve00juelgoog).
  14. Paul Kummer: Der Führer in die Pilzkunde. Anleitung zum methodischen, leichten und sichern Bestimmen der in Deutschland vorkommenden Pilze, mit Ausnahme der Schimmel- und allzu winzigen Schleim- und Kern-Pilzchen. 1. Auflage. Verlag von E. Luppe's Buchhandlung, Zerbst 1871, S. 119 (http://www.archive.org/details/derfhrerindiep00kumm).
  15. Samuel Frederick Gray: A Natural Arrangement of British Plants. according to their relations to each other as pointed out by Jussieu, De Candolle, Brown, &c.. 1, Baldwin, Cradock, and Joy, London 1821, S. 610 (http://www.archive.org/details/naturalarrangeme01gray).
  16. David H. Headrick, Gordon Gordh: A Dictionary of Entomology. Centre for Agricultural Bioscience International Publishing, Wallingford, Oxfordshire, England Januar 2001, ISBN 978-0-85199-655-4, S. 301.
  17. Lexemuel Ray Hesler, Alexander Hanchett Smith: North American Species of Hygrophorus. 1. Auflage. University of Tennessee Press, Knoxville, Tennessee, USA 1963, S. 248.
  18. Marcel Bon (Hrsg.): Pareys Buch der Pilze. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-440-09970-9, S. 114.
  19. David Arora; Ten Speed Press (Hrsg.): Mushrooms Demystified: a Comprehensive Guide to the Fleshy Fungi. Berkeley, Kalifornien 1986, ISBN 0-89815-169-4, S. 119–120.
  20. Jiang-ping Fang, Zheng-chang Zhong: Study on Hygrophorus eburnus - yak milk beverage. In: China Dairy Industry. 37, Nr. 6, 2009, ISSN 1001-2230, S. 62–64.
  21. Axel Teichert, Tilo Lübken, Jürgen Schmidt, Andrea Porzel, Norbert Arnold, Ludger Wessjohann: Unusual Bioactive 4-Oxo-2-alkenoic Fatty Acids from Hygrophorus eburneus. In: Zeitschrift für Naturforschung B – A Journal of Chemical Sciences. 60b, Nr. 1, 2005, S. 25–32 (http://znaturforsch.com/sb/s60b0025.pdf).
  22. Lennart Eschen-Lippold, Tobias Draeger, Axel Teichert, Ludger Wessjohann, Bernhard Westermann, Sabine Rosahl, Norbert Arnold: Antioomycete Activity of γ-Oxocrotonate Fatty Acids against P. infestans. In: Journal of Agricultural and Food Chemistry. 57, Nr. 20, 28. Oktober 2009, S. 9607–9612, doi:10.1021/jf902067k (PMID: 19778058).
  23. Yan Qua, Hong-Bin Zhang, Ji-Kai Liu: Isolation and Structure of a New Ceramide from the Basidiomycete Hygrophorus eburnesus. In: Zeitschrift für Naturforschung B – A Journal of Chemical Sciences. 59b, Nr. 1, 2004, S. 241–244 (http://znaturforsch.com/sb/s59b0241.pdf).
  24. Axel Teichert, Tilo Lübken, Jürgen Schmidt, Christine Kuhnt, Manfred Huth, Andrea Porzel, Ludger Wessjohann, Norbert Arnold: Determination of β-carboline alkaloids in fruiting bodies of Hygrophorus spp by liquid chromatography/electrospray ionisation tandem mass spectrometry. In: Phytochemical Analysis. 19, Nr. 4, 19. Juli 2008, S. 335–341, doi:10.1002/pca.1057 (PMID: 18401852).

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