Aschenlied

Aschenlied

Das Aschenlied ist ein Wiener Couplet aus dem Theaterstück Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär (1826) von Ferdinand Raimund. Obwohl die Musik zu diesem Stück von Joseph Drechsler stammt, ist auch die Melodie von Raimund selbst.

In der Tradition des Besserungsstücks bekennt sich die Hauptfigur Fortunatus Wurzel am Ende zu ihrer Existenz als Bauer. Neu war in der Zeit Raimunds, dass diese Fügung nicht in Demut geschehen musste, sondern selbstbewusst sein durfte. Als Ausdruck dieses Selbstbewusstseins singt Wurzel sein „Aschenlied“. Deshalb wirkt das Lied nicht moralisierend, sondern rührend.

Die ersten beiden Strophen unterscheiden sich nicht von der barocken Vanitas-Tradition: Dem menschlichen Stolz wird die Vergänglichkeit entgegengehalten. Der Refrain wiederholt, was davon übrig bleibt: Asche. In der zweiten Strophe zeigt sich die Emanzipationsfeindlichkeit dieser Motivtradition: Nach der mittelalterlichen Kleiderordnung durften nur höher gestellte Frauen Spitze tragen. Verstöße wurden mit dem Hinweis auf die Vanitas getadelt, um das Selbstbewusstsein der Untergebenen zu brechen.

In der dritten Strophe kippt die Vanitas aber ins Gegenteil um, was seit Ende des 18. Jahrhunderts neu war: Bürgerliche Tugenden wie Zuverlässigkeit und Treue dürfen die Nichtigkeit überwinden, und der abschließende Refrain wird zu „Kein Aschen“ umgewandelt. Deshalb wurde das Lied als modern empfunden, ähnlich wie Raimunds Hobellied, das mit einer anderen Strategie die Vanitas überwindet. Das Aschenlied löste sich vom Theaterstück und gehörte gegen Ende des Jahrhunderts zum Kernrepertoire des sogenannten Wienerlieds.

Der erste Interpret des Lieds war Raimund selbst. Die meisten österreichischen Volksschauspieler haben es gesungen, in neuerer Zeit etwa Hans Moser, Josef Meinrad, Otto Tausig oder Fritz Muliar.

Es gibt seit Beginn zahlreiche Zusatzstrophen und Parodien. Eine von Raimund selbst wurde von ihm zur Cholera-Zeit auf der Hofbühne in München gesungen.[1]

Text

So mancher steigt herum,
Der Hochmut bringt ihn um,
Trägt einen schönen Rock,
Ist dumm als wie ein Stock.
Von Stolz ganz aufgebläht,
O Freunderl, das ist öd!
Wie lang stehts denn noch an,
Bist auch ein Aschenmann!
Ein Aschen! Ein Aschen!

Ein Mädchen kommt daher,
Voll Brüßler Spitzen schwer.
Ich frag gleich wer sie wär?
Die Köchin vom Traiteur!
Packst mit der Schönheit ein,
Gehst glei in d' Kuchel rein!
Ist denn die Welt verkehrt?
Die Köchin ghört zum Herd.
Ein Aschen! Ein Aschen!

Doch vieles in der Welt,
Ich mein nicht etwas 's Geld,
Ist doch der Mühe wert,
Daß man es hoch verehrt.
Vor alle braven Leut,
Vor Lieb und Dankbarkeit,
Vor treuer Mädchen Glut,
Da zieh ich meinen Hut.
Kein Aschen! Kein Aschen!

Literatur

  • Emil Karl Blümml: Das Aschenlied von Ferdinand Raimund, in: E.K.B. und Gustav Gugitz: Altwienerisches, Bilder und Gestalten, Wien 1920, S. 143–213, 429–450.

Einzelnachweise

  1. Einige alte Parodien sind in: Carl Friedrich Kunz: Das Buch deutscher Parodieen und Travestieen, Palm, 1841, S. 137-144 (Online Version)

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Wiener Couplet — Johann Nestroy als Schuster Knierim in „Lumpazivagabundus“ beim Kometenlied: „Auf s Jahr kommt der neue Komet, da geht die Welt z Grund.“ (Photographie von 1861) Das Wiener Couplet ist eine Gesangseinlage in den Possen oder Komödien des Alt… …   Deutsch Wikipedia

  • Das Mädchen aus der Feenwelt — oder Der Bauer als Millionär ist ein 1826 uraufgeführtes Theaterstück des österreichischen Dramatikers Ferdinand Raimund. Das Wiener Volkstheater hatte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts immer mehr auf Parodien, Karikaturen und Satiren… …   Deutsch Wikipedia

  • Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär — Ferdinand Raimund als Aschenmann (Lithographie von Kriehuber nach Moritz von Schwind) …   Deutsch Wikipedia

  • Der Bauer als Millionär — Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär ist ein 1826 uraufgeführtes Theaterstück des österreichischen Dramatikers Ferdinand Raimund. Das Wiener Volkstheater hatte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts immer mehr auf Parodien,… …   Deutsch Wikipedia

  • Hobellied — Das Hobellied ist ein Wiener Couplet aus dem Alt Wiener Zaubermärchen Der Verschwender von Ferdinand Raimund, das sich als Wienerlied und Volksweise etabliert hat. Geschichte Das Hobellied wurde als eines der Couplets des Valentin von Ferdinand… …   Deutsch Wikipedia

  • Vanitas — Motiv aus Johann Caspar Lavaters Physiognomischen Fragmenten (1775–78): Hinter der Maske der Schönheit lauert der Tod. Vanitas (lat. „leerer Schein, Nichtigkeit, Eitelkeit“; auch „Lüge, Prahlerei, Misserfolg oder Vergeblichkeit“) ist ein Wort für …   Deutsch Wikipedia

  • Kometenlied — Das Kometenlied ist ein berühmtes Wiener Couplet aus der Posse Der böse Geist Lumpazivagabundus (1833) von Johann Nestroy. Die Musik stammt von Adolf Müller senior. Das Kometenlied beklagt den Verfall der Welt und die Torheit der Menschen und… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”