- Friedl Dicker-Brandeis
-
Friedl Dicker-Brandeis, gebürtig Friedl Dicker (* 30. Juli 1898 in Wien; † 9. Oktober 1944 im KZ Auschwitz) war eine österreichische Malerin, Kunsthandwerkerin und Innenarchitektin.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Friedl Dicker war das einziges Kind des Papierwaren-Verkäufers Simon Dicker (1857-1942) und seiner Frau Karoline, geborene Fanta (1865-1902). Sie wuchs in einem jüdisch-bürgerlichen Elternhaus auf und besuchte von 1909 bis 1912 die Wiener Bürgerschule für Mädchen. Von 1912 bis 1914 machte Friedl Dicker an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien eine Lehre in Fotografie und Reproduktionstechnik. Danach besuchte sie von 1914 bis 1916 die Textilklasse der Kunstgewerbeschule Wien. Dort gehörte der Kunstpädagoge Franz Cizek (1865-1946) zu ihren Lehrern. Von 1916 bis 1919 studierte Friedl Dicker an der privaten Kunstschule von Johannes Itten (1888-1967) in Wien. Als Johannes Itten im Oktober 1919 eine Lehrstelle am Bauhaus in Weimar antrat, erwarteten ihn dort auch etliche seiner Wiener Studenten, darunter Friedl Dicker, Franz Singer (1896-1954)[1], Margit Téry und Anny Wottitz.
In Weimar hatte Friedl Dicker Kontakt zu zahlreichen Künstlern, wie Walter Gropius (1883-1969), Oskar Schlemmer (1888-1943) und Paul Klee (1879-1940). Zusammen mit Franz Singer entwarf sie zwischen 1920 und 1924 zahlreiche Kostüme und Bühnenbilder für Theater in Berlin und Dresden. Nach dem Ende ihres Studiums im September 1923 gründete sie mit Franz Singer in Berlin-Friedenau die Werkstätten Bildender Kunst und ab 1926 in Wien das Gemeinschaftsatelier Singer & Dicker. Dort arbeitete Friedl Dicker hauptsächlich im Bereich der Innenarchitektur. Die gemeinsamen Arbeiten mit Franz Singer wurden mehrfach ausgezeichnet und unter anderem in der Ausstellung Moderne Inneneinrichtungen im Österreichischen Museum für angewandte Kunst gezeigt.
Privat war die Beziehung der beiden Künstler kompliziert und konfliktreich. Franz Singer war ab 1921 mit der Schauspielerin Emmy Heim (1885-1954) verheiratet. Er hatte mit Friedl Dicker eine langjährige Liebesbeziehung, bei der sie mehrfach schwanger wurde. Da er jedoch mit ihr kein Kind wollte, wurde sie jedes Mal zur Abtreibung gezwungen[2][3]. 1931 trennten sich die Wege der beiden und Friedl Dicker eröffnete in Wien ein eigenes Atelier.
Friedl Dicker war seit 1931 Mitglied der Kommunistischen Partei. Im Jahr 1934 wurde sie wegen kommunistischer Aktivitäten verhaftet. Nach ihrer Freilassung 1936 emigrierte sie nach Prag. Dort heiratete sie im April 1936 ihren Cousin Pavel Brandeis und wurde tschechische Staatsbürgerin. In Prag setzte sie ihre künstlerischen und innenarchitektonischen Arbeiten mit Grete Bauer-Fröhlich, einer ehemaligen Bauhaus-Kollegin, fort. 1938 zogen Friedl Dicker-Brandeis und ihr Mann nach Hronov. Beide arbeiteten in der Textilfabrik B. Spiegler & Söhne.
Im September 1942 wurde das Ehepaar in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Hier gelang es Friedl Dicker-Brandeis noch Zeichenkurse für Kinder zu organisieren. 1944 wurde das Paar in das KZ Auschwitz überstellt. Dort wurde Friedl Dicker-Brandeis mit 46 Jahren vergast. Ihr Mann Pavel Brandeis überlebte den Holocaust.
Ausstellungen (Auswahl)
- 1940: Ausstellung von 12 ihrer Bilder in der Royal Arcade Gallery, London
- 1970: Friedl Dicker – Franz Singer, Darmstadt
- 1988: Friedl Dicker-Brandeis 1898-1944, Prag
- 1989: Friedl Dicker-Brandeis and Her Pupils, Moskau, Riga, Vilnius
- 1989: 2x Bauhaus in Wien: Franz Singer / Friedel Dicker, Wien
- 1990: 2x Bauhaus in Wien: Franz Singer / Friedel Dicker, Architekturmuseum Basel (24. Februar bis 8. April 1990)
- 1990: From Bauhaus to Terezín. Friedl Dicker-Brandeis and Her Pupils, Yad Vashem Jerusalem
- 1991: Vom Bauhaus nach Terezín. Friedl Dicker-Brandeis und die Kinderzeichnungen aus dem Ghetto-Lager Theresienstadt, Jüdisches Museum Frankfurt
- Friedl Dicker-Brandeis. Ein Leben für Kunst und Lehre Wanderausstellung
- 1999 Palais Harrach Wien (25. Oktober bis 1. Dezember 1999)
- 2000: Universalmuseum Joanneum Graz (19. Januar bis 4. März 2000)
- 2000: Egon Schiele Art Centrum Český Krumlov (25. Juni bis 18. Oktober 2000)
- 2000-2001: Musée d'art et d'histoire du judaïsme Paris (14. November 2000 bis 6. März 2001)
- 2001: Schwedisches Nationalmuseum Stockholm (28. März bis 28. Juni 2001)
- 2001: Bauhaus-Archiv Berlin (18. Juli bis 15. Oktober 2001)
- 2001-2002: William Breman Heritage Museum Atlanta (1. Dezember 2001 bis 1. März 2002)
- 2002: Tokyo Fuji Art Museum Hachiōji und fünf weitere Ausstellungen in Japan
- 2003: Museum der Toleranz Los Angeles
- 2003: Milan
- 2005: New York City
Literatur
- Elena Makarova: Friedl Dicker-Brandeis. Ein Leben für Kunst und Lehre. Verlag Christian Brandstaetter, Wien, München, 1999.
- Ulrike Müller: Die klugen Frauen von Weimar. Regentinnen, Salondamen, Schriftstellerinnen und Künstlerinnen. Elisabeth Sandmann Verlag GmbH, München (1. Auflage 2007).
Weblinks
- Literatur von und über Friedl Dicker-Brandeis im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Friedl Dicker-Brandeis bei www.architektenlexikon.at
- Friedl Dicker-Brandeis auf www.ghetto-theresienstadt.info
- Friedl Dicker-Brandeis auf jwa.org (englisch)
- Friedl Dicker-Brandeis. Life in Art and Teaching auf makarovainit.com (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Franz Singer bei www.architektenlexikon.at
- ↑ Ulrike Müller: Die klugen Frauen von Weimar. Elisabeth Sandmann Verlag GmbH, München (1. Auflage 2007), Seite 140.
- ↑ Friedel Dicker-Brandeis bei www.architektenlexikon.at
Kategorien:- Opfer des Holocaust
- Häftling im KZ Auschwitz
- Häftling im Ghetto Theresienstadt
- Österreicher
- Österreichischer Maler
- Tscheche
- Designer
- Innenarchitekt
- Schüler am Bauhaus
- Person (Wien)
- Person (Weimar)
- Geboren 1898
- Gestorben 1944
- Frau
Wikimedia Foundation.