Eberhard von Wechmar

Eberhard von Wechmar

Eberhard Carl Alfred Freiherr von Wechmar (* 12. Juli 1897 in Frankfurt am Main; † 30. Juni 1934 in Deutsch-Lissa[1] oder 1. Juli 1934 in oder bei Breslau[2]) war ein deutscher Gutsbesitzer und SA-Führer.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Herkunft und Jugend

Wechmar entstammte dem Adelsgeschlecht der von Wechmar. Seine Eltern waren der Schriftsteller und Rittmeister Eberhard Friedrich Wilhelm von Wechmar (* 23. August 1866 in Köslitz; † 18. Dezember 1929 in Berlin) und seine Gattin Friederike (Frieda) Stephanie Charlotte Marie (* 15. August 1876 in Mannheim), einer geborenen Freiin von Wechmar der II. Linie.[3] Wechmars Brüder waren der Journalist Irnfried von Wechmar (1899-1959) und der Offizier Carl Friedrich Otto von Wechmar (* 1. April 1900 in Bad Soden im Taunus; † 19. November 1940 in Savigny bei Beauvais). Seine Schwestern waren Stephanie Cyane Elisabeth Friederike (* 26. Mai 1904 in Marburg an der Lahn) und Liselotte (*12. September 1906 in Wilhelmshaven) von Wechmar.

Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg, in dem er den Rang eines Oberleutnants erreichte, ließ von Wechmar sich als Gutsbesitzer in Schlesien nieder. Am 28. Mai 1921 heiratete er in erste Ehe Annemarie von Binzer (* 23. September 1893 in Golun). Nachdem diese Ehe am 6. Mai 1925 wieder geschieden worden war, heiratete er in zweiter Ehe am 20. März 1928 in Korschlitz Annemarie Euen (* 13. Oktober 1904 in Ludwigsdorf). Aus der Ehe ging der Sohn Eberhard Hans-Joachim (* 23. September 1929) hervor.

Karriere in der NS-Bewegung

Ende der 1920er Jahre schloss Wechmar sich der NSDAP an. In der Sturmabteilung (SA), dem paramilitärischen Arm der NS-Bewegung, war er spätestens seit 1932 SA-Untergruppenführer im Westen Berlins. Öffentliches Aufsehen erregte Wechmar in dieser Eigenschaft Mitte März 1932, als die Behörden einen zehnseitigen von ihm verfassten Aufmarschplan der SA fanden, der in allen Einzelheiten darlegte, wie die SA im Falle eines bevorstehenden Bürgerkrieges aus Berlin abziehen und die Hauptstadt anschließend einkreisen und abriegeln würde.[4]

1933 wurde Wechmar zum SA-Brigadeführer ernannt und nach Niederschlesien versetzt.

Verhaftung und Tod

Am 30. Juni oder 1. Juli 1934 wurde Wechmar im Zuge der als „Röhm-Putsch“ bekannt gewordenen politischen Säuberungswelle der Nationalsozialisten vom Frühsommer 1934 von der SS verhaftet und erschossen. Seine genauen Todesumstände sind bislang nicht letztgültig erforscht: Magnus Freiherr von Braun, ein Gutsnachbar Wechmars, vermerkte später in seinen Lebenserinnerungen, Wechmar sei am 30. Juni in Liegnitz abgeholt und „im Walde bei Breslau ohne jedes Urteil kurzerhand erschossen“ worden.[5] Der Historiker Friedman meint demgegenüber, Wechmar sei am 30. Juni in den Amtszimmern des Oberpräsidenten von Schlesien durch die schlesische SS verhaftet worden, und dann am 1. Juli 1934 erschossen worden, obwohl sich zuvor die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen in einer Gegenüberstellung mit Maar, dem Stabschef des schlesischen SS-Befehlshabers Udo von Woyrsch, als haltlos erwiesen hätten.[6]

Heute kann es als erwiesen gelten, dass die Erschießung Wechmars nicht von der NS-Führungsclique um Hitler in Auftrag gegeben wurde. Seine Tod kann somit mit großer Sicherheit entweder als ein Versehen der SS-Befehlshaber in Schlesien oder der SS-Kommandos, die die dortigen Morde ausführten, angesehen werden. Alternativ besteht die Möglichkeit, dass es sich bei der Tat um eine eigenmächtige Maßnahme der schlesischen SS handelte, die den Wünschen der Berliner Führung unwissentlich oder wissentlich zuwiderhandelte. Als Beleg hierfür kann das Entsetzen gelten, das Joseph Goebbels in einer Eintragung in seinem Tagebuch vom Juli 1934 zum Ausdruck brachte, in der er seine Reaktion auf die Nachricht vom Tod Wechmars festhielt:

„Wechmar erschossen. Furchtbar! Es ist da einiges geschehen, was nicht ganz dem Willen des Führers entsprach. Schicksal! Opfer der Revolution“.[7]

Wechmars Neffe Rüdiger von Wechmar, später UN-Botschafter der Bundesrepublik, berichtete in seinen Lebenserinnerungen, die Nationalsozialisten hätten die Erschießung „sogleich“ für ein „bedauerliches Versehen“ erklärt und Hermann Göring habe sich mit der Familie in Verbindung gesetzt und sich bei ihr für die Erschießung entschuldigt, die das Ergebnis einer Verwechslung gewesen sei. Der schlesische Oberpräsident Helmuth Brückner legte Göring und Rudolf Heß schließlich am 10. Oktober 1934 eine Denkschrift vor, in der er die unter dem Regime des SS-Führers von Schlesien, Udo von Woyrsch, dort eingekehrten Zustände kritisierte: Seine Kritik an Woyrsch begründete er unter anderem auch damit, dass dieser für die ungerechtfertigte Erschießung Wechmars - die er auf den 1. Juli 1934 datiert - verantwortlich sei.[8]

Braun zufolge wurden die Asche und die Manschettenknöpfe Wechmars seiner jungen Frau acht Tage nach dem Mord mit der Post zugeschickt. Er gibt weiterhin an, als Begründung für die Tötung Wechmars sei ihm zu Ohren gekommen, dass dieser an der angeblichen SA-Verschwörung gegen Hitler beteiligt gewesen sei und mit dem schlesischen SA-Obergruppenführer Edmund Heines in Verbindung gestanden habe.[9]

Udo von Woyrsch wurde schließlich 1957 von einem Schwurgericht wegen sechsfachem Totschlags zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Zu dem ihm in diesem Verfahren, an dem auch Wechmars Witwe als Zeugin teilnahm, zur Last gelegten Taten zählte unter anderem auch, dass er an der Ermordung Wechmars mitschuldig gewesen sei.[1]

Einzelnachweise

  1. a b Rüdiger von Wechmar: Akteur in der Loge, 2000, S. 25.
  2. Genealogisches Handbuch des Adels.
  3. Der Vater entstammte dem 3. Ast der I. Linie.
  4. Schuster: SA in Berlin-Brandenburg, S. 222f.
  5. Magnus Freiherr von Braun: Weg durch vier Zeitepochen, 1965, S. 298.
  6. Towiah Friedman: Die drei ältesten SS-Generaele Himmlers. SS-Obergruppenfuehrer August Heyssmayer, SS-Obergruppenfuehrer Wilhelm Reinhard, SS-Obergruppenfuehrer Udo von Woyrsch. Eine dokumentarische Sammlung, 1998.
  7. Elke Fröhlich (Hrsg.): Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Teil 1, Bd. 3-I, 2005, S. 76.
  8. Helmut Heiber (Bearbeiter): Akten der Partei-Kanzlei der NSDAP. Rekonstruktion eines verlogengegangenen Bestandes, 1983, S. 63.
  9. Siehe Braun, wie oben. Es erscheint möglich, dass die NS-Führung die Erschießung Wechmars zwar als einen Irrtum ansah, und sich bei den Angehörigen für diese Tat entschuldigte, dass sie nach außen hin aber an der Behauptung einer Beteiligung Wechmars an den Plänen festhielt, um die irrtümliche Erschießung nicht offiziell einräumen zu müssen.

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