Hans Graf von Kanitz

Hans Graf von Kanitz
Hans Graf von Kanitz

Hans Wilhelm Alexander Graf von Kanitz-Podangen (* 17. April 1841 in Mednicken, Ostpreußen; † 30. Juni 1913 in Berlin) aus dem Adelsgeschlecht derer von Kanitz war ein Politiker der Deutschkonservativen Partei.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Graf Kanitz war der älteste Sohn und das zweite von insgesamt zwölf Kindern des General-Landschaftsdirektors Emil Graf von Kanitz und der Charlotte von Sydow aus dem Hause Stolzenfelde/Neumark. Nachdem er zunächst häuslichen Unterricht erhalten hatte, besuchte er von 1856 bis 1859 die staatliche Klosterschule in Roßleben, Thüringen, an der er die Hochschulreife erwarb. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Berlin und Heidelberg war er zunächst 1862 Auskultator am Berliner Kammergericht und sodann von 1864 bis 1867 Regierungs-Referendar in Frankfurt/Oder. Er wurde 1867 zum kommissarischen Landrat in Hirschberg in der damaligen preußischen Provinz Schlesien berufen und war von 1870 bis 1877 Landrat des Landkreises Sprottau in Schlesien.

Parallel verfolgte Graf Kanitz eine militärische Laufbahn und wurde 1864 zum Seconde-Lieutenant und 1873 zum Premier-Lieutenant befördert. An den Kriegen gegen Österreich-Ungarn 1866 und Frankreich 1870/71 hat er als Offizier des 3. Schweren Landwehr-Reiterregiments teilgenommen und 1870 das Eiserne Kreuz 2. Klasse erworben. Bei seinem Abschied aus dem Militärdienst wurde er zum Rittmeister d. Res. befördert.

1877 übernahm er nach dem Tode seines Vaters das im Kreis Preussisch-Holland in Ostpreußen gelegene Rittergut Podangen, das er zusammen mit dem verpachteten Gut Mednicken bei Königsberg bewirtschaftete, das sich seit 1491 ununterbrochen im Besitz der Familie befand.

Daneben begann er bereits 1869 seine politische Laufbahn als Mitglied des Reichstages des Norddeutschen Bundes, dem er bis 1870 angehörte. 1885 wurde er als Mitglied der Deutschkonservativen Partei erstmals Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses, dem er bis zu seinem Tode 1913 angehörte. 1889 wurde er darüber hinaus Mitglied des Reichstages, in dem er zuletzt nach der Reichstagswahl 1912 bis zu seinem Tode den Wahlkreis Tilsit-Ragnit-Pillkallen (Regierungsbezirk Gumbinnen) vertrat.[1]

Graf Kanitz war ein bedeutender Vertreter agrarischer Interessenpolitik. Als Mitglied der Deutsch-Konservativen Fraktion setzte er sich für die Bildung eines Schutzzollsystems sowie die Interessen der Landwirtschaft ein. Im Rahmen seiner parlamentarischen Arbeit besonders hervorgetreten ist er durch den „Antrag Kanitz“. Hierbei handelte es sich um einen in den Jahren 1894–1896 mit Unterstützung des 1893 gegründeten Bundes der Landwirte dreimal vergeblich in den Reichstag eingebrachten Gesetzentwurf zur Verstaatlichung der Getreideeinfuhr und zur Anlage von Getreidereserven für den Kriegsfall, der eine lebhafte öffentliche Diskussion auslöste. Anlass dieses zugleich als reaktionär und utopisch kritisierten Vorhabens war der seinerzeitige Verfall der Erzeugerpreise und die daraus resultierende Agrarkrise, die im Wesentlichen auf die von Reichskanzler Caprivi mit dem Russischen Reich geschlossenen Handelsverträge zurückgeführt wurden, die einen Abbau von Einfuhrzöllen für landwirtschaftliche Erzeugnisse vorgesehen hatten. Aus jener Zeit ist der vom Bund der Landwirte geprägte Slogan überliefert: „Ohne Kanitz keine Kähne“. Dieser stellt einen politischen Zusammenhang her zwischen dem von Kaiser Wilhelm II. betriebenen Schlachtflottenbau und den Schutzinteressen der Agrarwirtschaft. Graf Kanitz stand der Flottenpolitik des Reiches ohnedies kritisch gegenüber. Er war der Ansicht, dass Deutschland nicht gleichzeitig die stärkste Landrüstung und die stärkste Seerüstung tragen könne. Auch hielt er es für unklug, die Zahl der zu jener Zeit bereits vorhandenen Gegner Deutschlands noch durch England zu vermehren, das durch die deutsche maritime Konkurrenz in seinen Interessen empfindlich gestört werden würde.

Graf Kanitz gehörte auch zu den als „Kanalrebellen“ bezeichneten Gegnern des von Wilhelm II. verfolgten Prestigeprojekts zum Bau des Mittellandkanals, das 1899 auf verbreiteten Widerstand in Parlament und Verwaltung stieß. Seine wirtschaftlichen und sozialpolitischen Bedenken gegen die in das preußische Abgeordnetenhaus eingebrachte und dort mehrfach abgelehnte Kanalvorlage fasste er 1904 in einem Offenen Brief an die preußische Regierung zusammen. Er war ferner Mitglied einer zur Untersuchung der Missstände des damaligen Börsenhandels berufenen dreiundzwanzigköpfigen Börsen-Enquête-Kommission, deren Vorschläge (z. B. zur Einschränkung des Terminhandels) wesentlichen Einfluss auf das 1896 verabschiedete Börsengesetz hatten. Graf Kanitz gehörte der Zolltarifkommission des Reichstags an. Seine umfassenden Kenntnisse auf dem Gebiet des Tarifwesens veranlassten außerdem seine Berufung in den preußischen Landeseisenbahnrat, eine 1882 für wichtige Verkehrsfragen geschaffene beratende Körperschaft.

1910 wurde er für seine Verdienste zum Wirklichen Geheimen Rat ernannt. 1913 übernahm er den Vorsitz der Reichstagsfraktion der Deutsch-Konservativen Partei. Nach seinem Tode 1913 übernahm sein Sohn Gerhard Graf von Kanitz, der spätere Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, das Rittergut Podangen.

Veröffentlichungen

Einzelnachweise

  1. Kaiserliches Statistisches Amt (Hrsg.): Die Reichstagswahlen von 1912. Heft 2. Berlin: Verlag von Puttkammer & Mühlbrecht, 1913, S. 83 (Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 250)

Literatur

Weblinks



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