Hermann Klugkist Hesse

Hermann Klugkist Hesse

Hermann Klugkist Hesse (* 16. Dezember 1884 in Larrelt, heute Emden; † 24. August 1949 in Wuppertal) war ein deutscher Theologe und Kirchenhistoriker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Hesse stammte aus einem alten ostfriesischen Pfarrergeschlecht reformierter Prägung. Sein Vater Franz Hinrich H. (1842–1904) war Superintendent in Emden. 1911 heiratete er Gertrud Reimann (1886–1963). Kinder waren Marie-Luise (1912–1985), Franz (* 1917), nachmalig Professor für Alttestamentliche Theologie in Erlangen, Marburg und Münster, Hermann (1920–2001) und Frauke (1925–2010).

Hesse war zunächst bis 1920 Pfarrer in Ostfriesland in Kirchengemeinden in der Evangelisch-reformierten Landeskirche der Provinz Hannover (Wybelsum, Weener und Loga), von 1920 bis 1949 Pfarrer der damals größten reformierten Gemeinde Deutschlands in Wuppertal-Elberfeld, einer Kirchengemeinde in der Kirchenprovinz Rheinland der damaligen Evangelischen Kirche der altpreußischen Union. Seit 1924 war er Schriftleiter des Reformierten Wochenblatts, das in hoher Auflage in Deutschland verbreitet war. Als Dozent wirkte er an der Theologischen Schule und dem Predigerseminar im Fachbereich Kirchengeschichte mit.

Seit 1923 war Hesse mit Karl Barth bekannt, der als Professor in Göttingen, Münster und Bonn eine Neubesinnung der evangelischen Theologie nach dem Ersten Weltkrieg einforderte. In einem regen Briefwechsel diskutierten Hesse und Barth neben theologische Fragen auch Zeiterscheinungen. Beim Aufkommen des Nationalsozialismus schloss sich Hesse inhaltlich der Linie Barths an, der die Deutschen Christen, die die Gleichschaltung mit dem NS-Staat auch in der Kirche forcierten, als Irrlehre ablehnte. In den Organen der innerkirchlichen Opposition, dem von Martin Niemöller gegründeten Pfarrernotbund und der Bekennenden Kirche war Hesse von Anfang an aktiv. Weil Hesse auch als Schriftleiter keine Zensur hinzunehmen bereit war, wurde ihm von dem deutschchristlichen Presbyterium die Schriftleitung entzogen.

Daraufhin gab er gemeinsam mit Pfarrer Karl Immanuel Immer (1888–1944) aus Barmen das neue Wochenblatt „Unter dem Wort“ heraus, das mít 30.000 Exemplaren eines der Haupt-Presseorgane der entstehenden Bekennenden Kirche wurde. Wegen missliebiger Äußerungen wurden beide durch den Reichsbischof Ludwig Müller im März 1934 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Gerade das löste in Elberfeld eine größere Protestbewegung aus, die die Zahl der Mitglieder der BK stark anwachsen ließ. Die Kirchengebäude wurden den BK-Mitgliedern und Pfarrern durch die übrigen Pfarrer entzogen, so dass sich die BK-Gemeinde in Sälen versammeln musste. Auf der Ebene der Provinzialkirche Rheinland wirkte Hesse in Ausschüssen und Gremien mit. 1935 wurde er für einen Tag verhaftet, weil er eine Verlautbarung des altpreußischen Bruderrates von der Kanzel verlesen hatte. Bei der Gründung der Kirchlichen Hochschule Wuppertals, die nach 1937 auch illegal weitergeführt wurde, war Hesse beteiligt. Bis zu einer größeren Verhaftungswelle 1939 wirkte er auch an verbotenen Examensprüfungen mit. 1938 weigerte er sich mit weiteren Pfarrern in Preußen, einen Eid auf Hitler abzulegen. Ab 1940 bemühte sich Hesse intensiv um eine Beilegung des Kirchenkonfliktes in Elberfeld und es kam zu einer Einigung mit den neutralen Pfarrern. Als Superintendent war Hesse ab 1946 maßgeblich am kirchlichen Wiederaufbau in Wuppertal und im Rheinland beteiligt. Er war um eine Aussöhnung mit den alten Gegnern bemüht, vertrat gleichzeitig aber insgesamt eine bußfertige Haltung. 1946 traf er Karl Barth wieder, der 1935 zwangsweise in die Schweiz hatte emigrieren müssen.

Hesse schrieb zahlreiche Monographien, Biographien und Zeitschriftenartikel über kirchengeschichtliche Persönlichkeiten. Bekannt wurde seine Biographie Adolf Clarenbachs (1929) und über Hermann Friedrich Kohlbrügge (1935). Als Pfarrer in der reformierten Gemeinde Wuppertal-Elberfeld und Freund des Schweizer Theologen Karl Barth wirkte er in einem Zentrum des Kirchenkampfs während der Zeit des Nationalsozialismus. Nach dem Krieg war er für drei Jahre Superintendent des Kirchenkreises Elberfeld.

Kirchenhistorische Arbeiten

Die erste größere Monographie verfasste Hesse über den ostfriesischen Reformator Menso Alting. Mit seiner Biographie über Adolf Clarenbach, der 1529 als Kölner Märtyrer verbrannt wurde, wurde er einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und erwarb sich das Licentiat der Theologie. Die Darstellung über den holländischen Theologen Hermann Friedrich Kohlbrügge wurde in den Zeiten des Kirchenkampfes als Camouflage zu den Zeitergnissen gelesen und hat sehr weite Verbreitung gefunden (in den 80er Jahren wurde das Werk ins holländische übersetzt). In zahllosen Einzelbeiträgen und Untersuchungen ist H. an die Öffentlichkeit getreten. Seine Vorträge waren beliebt und erreichten in den Zeiten des Kirchenkampfes oft mehrere tausend Zuhörer. Bemerkenswert erscheint dabei sein Vortrag über den Hugenottenadmiral Coligny 1937, bei der H. sogar die Frage des Tyrannenmordes behandelte. Seine umfangreichen Vorlesungen über alle kirchengeschichtlichen Epochen sind unveröffentlicht. Für seine wissenschaftlichen Verdienste wurde ihm 1948 ein Ehrendoktor verliehen.

Nachlass

Hermann Klugkist Hesse hinterließ ein Tagebuch, das für die Jahre 1936 bis 1947 auf rund 1200 Seiten die kirchenpolitischen Vorgänge der NS-Zeit und die Kriegserfahrungen in Wuppertal aufzeichnete. Dies ist inzwischen durch seinen Enkel G. Abrath in Ausschnitten veröffentlicht und gibt Einblick in die Strukturen, die Mentalität und das Milieu der Pfarrer im Kirchenkampf. Abrath hat dabei auch die politischen Defizite der BK mit einbezogen und Erklärungshypothesen dafür gegeben, wieso es vor Ort zu einem gänzlichen Versagen in Bezug auf die Verfolgung der Juden kam. In dieser Untersuchung wird ersichtlich, wie tief die evangelische Kirche in Deutschland noch in den konservativ-nationalen Denkmustern des Kaiserreichs verwurzelt war. Während im kirchenpolitischen Bereich ein Protest schnell zustande kam, fehlt er für die politischen Bereiche gänzlich. Auch ist ab 1939 ein Rückzug in eine vermeintlich heile Innenwelt zu registrieren. Neben den Tagebüchern liegt ein umfangreicher, noch unveröffentlichter Briefwechsel insbesondere mit seinem Sohn Franz vor.

Werke

  • Hesse, H. Klugkist, Menso Alting. Eine Gestalt aus der Kampfzeit der calvinischen Kirche, Berlin 1928.
  • ders., Frühlicht am Rhein. Adolf Clarenbach. Sein Leben und Sterben, Mörs 1929.
  • ders., Hermann Friedrich Kohlbrügge, Wuppertal 1935.
  • ders., Die Geschichte der christlichen Kirche am Rhein, Neukirchen Neuauflage 1955.

Literatur

  • Klaus Goebel: Hermann Klugkist Hesse, Verzeichnis seiner Schriften, Monatshefte für Evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes 19. 1970, 172–177.
  • Gottfried Abrath: Subjekt und Milieu im NS-Staat. Die Tagebücher des Pfarrers Hermann Klugkist Hesse 1936-1939. Göttingen 1994.
  • Gottfried Abrath: Strukturen des Widerstandes im kirchlichen Milieu. Eine Analyse der Tagebücher des Pfarrers Hermann Klugkist Hesse – Beispiele zur Situation im Herbst 1937. In: Monatshefte für Evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes 37./38., 1988/1989, 553–572.
  • Gottfried Abrath: Anmerkung zur Stellung rheinischer BK-Vertreter in der Auseinandersetzung um das "kirchliche Einigungswerk" 1942. In: Günther van Norden, Volkmar Wittmütz (Hrsg.): Evangelische Kirche im Zweiten Weltkrieg, Köln 1991, 259–268.
  • Gottfried Abrath: Die Vergangenheit ward durchgestrichen. Der Kirchenkreis Elberfeld 1945–1947. In: Monatshefte für Evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes 41, 1992, 293–314.
  • Gottfried Abrath: Zwischendurch Fußball mit Karl Barth und Niesel – Methodischer Vorschlag zur wortstatistischen Untersuchung diaristischer Themenbreite und Varianz, vorgestellt am Beispiel der Tagebücher des Pfarrers H. Klugkist Hesse 1936–1947. In: Peter Schmidtsiefer und Birgit Siekmann: Geschichte als Verunsicherung. Nordhausen 2008.
  • Hermann Klugkist Hesse jr., Im Dienst am Wort – Lebensbericht über H. Klugkist Hesse. Aachen 1995.
  • Herwart Vorländer: Kirchenkampf in Elberfeld. Göttingen 1968.
  • Gottfried Abrath: Die Adoption. Roman einer Reise. Wermingsen, Norderstedt 2010. ISBN 978-3-83911-952-5

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