St. Nicolai (Lüneburg)

St. Nicolai (Lüneburg)
St. Nicolai in Lüneburg
Sterngewölbe im Mittelschiff
Hochaltar
Im Chorumgang
Frontansicht

Die Kirche St. Nicolai ist die jüngste und kleinste der drei Hauptkirchen der Stadt Lüneburg. Die dem Heiligen Nikolaus von Myra geweihte Kirche ist eine dreischiffige Basilika. Sie wurde von 1407 bis 1440 im Stil der Backsteingotik errichtet wie andere Kirchen von Hansestädten im Ostseeraum. Seit der Einführung der Reformation in Lüneburg 1530 werden in der Kirche evangelische Gottesdienste gehalten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Vorgängerbau der Lüneburger Nikolaikirche, eine Kapelle für die Einwohner des Wasserviertels, wurde 1409 als erster von der Stadt selbst initiierter Sakralbau geweiht.[1] Bereits 1420 beschloss der Rat der Stadt, die Kapelle zu einer Kirche zu erweitern, die um 1440 fertiggestellt war. Der erst 20 Jahre später begonnene Turmbau blieb aus finanziellen Gründen unvollendet und wies bald Schäden auf. Erst 1587 erhielt der gedrungene Turm einen Helm. 1831 musste der Turm wegen Baufälligkeit abgerissen werden. Auch das Kirchenschiff war zu diesem Zeitpunkt bereits stark beschädigt. 1843 gründete sich ein Verein zur Rettung der Kirche, auf dessen Bemühungen die Instandsetzung des Kirchenschiffs ab 1869 und der Bau des 1896 fertiggestellten neugotischen Turms beruhen.[2]

Baubeschreibung

Grundriss

Die Kirche ist eine der letzten Backsteinbasiliken.[1] Besonders beeindruckend ist das etwa 7,20 Meter breite und 28,70 Meter hohe gotische Mittelschiff mit dem in Norddeutschland einmaligen achtzackigen Sternengewölbe und mit seinem mittelalterlichen Gepräge. Durch die zahlreichen Restaurierungen ist der Rest der gotischen Kirche sehr stark vom 19. Jahrhundert geprägt.

Auffällig ist der im Stil der Neugotik erbaute, 92,7 Meter hohe Backsteinturm, der erst 1895 neu errichtet wurde und zu den höchsten Kirchtürmen Niedersachsens gehört (siehe Liste der höchsten Kirchtürme der Welt). An drei Seiten ist eine Turmuhr angebracht, an der Nordseite, an der der historische Stadtkern recht bald endet, nicht. Grund dafür ist der Treppenaufgang, der die Anbringung eines vierten Ziffernblattes nicht ermöglicht hatte.

Ausstattung

Die Nicolaikirche birgt einige Schätze an gotischer Malerei und Schnitzkünsten. Der dreiflügelige Wandelaltar um 1440 aus der 1861 abgerissenen Lambertikirche ist ein Werk des Lüneburger Meisters Hans Snitker d. Ä.; die Flügelgemälde werden dem Hamburger Meister Hans Bornemann zugeschrieben, auf der Predella sind sechs Propheten im Stile Mittelalterlicher Kaufleute zu sehen.

Im Chorumgang sind die Reste des Hochaltars aus dem aufgegebenen Kloster Heiligenthal aufgestellt. Die Reliefs sind Lüneburger Schnitzwerke der Zeit um 1425, die Tafelmalereien aus der Zeit um 1450 zeigen je vier Szenen aus dem Leben des Laurentius und des Andreas, die eine mit der frühesten Stadtansicht Lüneburgs. Sie werden ebenfalls dem Hamburger Meister Hans Bornemann zugeschrieben, an den Außenseiten des Altarraumes vervollständigen sich die beiden Geschichten mit den restlichen Altarteilen.

Im Chorumgang mit zwei schmiedeeisernen Türgittern von einer 1625 für St. Lamberti gestifteten Schranke stand der Taufkessel des Meisters Ulricus aus der Zeit um 1325 als letzter Zeuge der 1651 abgebrochenen Cyriacuskirche in der Nähe des St. Michaelsklosters. Der Taufkessel steht jetzt im Altarraum vor dem Hauptaltar.

Orgel

Die Orgel in St. Nicolai wurde 1899 durch die Orgelbaufirma Furtwängler & Hammer erbaut. Im 20. Jahrhundert wurde die Disposition durch den Orgelbauer Emil Hammer (Arnum) mehrfach geändert, und das Instrument 1979 durch die Orgelbaufirma E.F. Walcker & Cie. elektrifiziert. Im Jahre 2002 wurde das Instrument durch die Orgelbaufirma Lenter restauriert, repneumatisiert und auf den Originalzustand von 1899 zurückgeführt.[3]

Pedal C–

1. Principalbass 32’
2. Contrabass 16’
3. Violon 16’
4. Subbass 16’
5. Gedecktbass 16’
6. Quintbass 102/3
7. Oktavbass 8’
8. Cello 8’
9. Bassflöte 8’
10. Octave 4’
11. Posaune 16’
12. Trompete (Nr. 27) 8’
I Hauptwerk C–
13. Principal 16’
14. Bordun 16’
15. Major-Principal 8’
16. Gamba 8’
17. Gemshorn 8’
18. Hohlflöte 8’
19. Groß-Gedeckt 8’
20. Octave 4’
21. Rohrflöte 4’
22. Quinte 22/3
23. Oktave 2’
24. Cornett III-IV
25. Mixtur III-V
26. Tuba 16’
27. Trompete 8’
II. Manual C–
28. Lieblich Gedeckt 16’
29. Minor-Principal 8’
30. Viola 8’
31. Quintatön 8’
32. Gedecktflöte 8’
33. Dolce 8’
34. Principal 4’
35. Harmonieflöte 4’
36. Progressiv-Harm. II-III
37. Oboe 8’
III Schwellwerk C–
38. Salicet 16’
39. Geigen-Principal 8’
40. Salicional 8’
41. Concertflöte 8’
42. Harmonieflöte 8’
43. Gedeckt 8’
44. Aeoline 8’
45. Vox celestis 8’
46. Fugara 4’
47. Zartflöte 4’
48. Harmonika aeth. III-IV
49. Clarinette 8’
  • Koppeln:
    • Normalkoppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
    • Superoktavkoppel: P/P
    • Suboktavkoppeln: II/I
  • Spielhilfen: Melodiekoppel, Generalkoppel, Absteller (Rohrwerke), Feste Kombinationen (Tutti, Forte, Mezzoforte, Piano, Pianissimo), Crescendowalze.

Glocken

Im Turm sowohl zwei Schlagglocken – die Katharinenschelle (1445) und Franziskusschelle (1516) – für den Uhrschlag als auch drei Läuteglocken. Die größte von diesen ist die Marienglocke im Schlagton a0 und wurde 1491 von Gerhard van Wou gegossen. Die Glocke wiegt etwa 4.200 kg und kam als Ersatz aus der zerstörten St.-Lamberti-Kirche auf den Turm. Die kleinere Glocke kam als „Leihglocke“ aus Fischhausen (Ostpreußen) hinzu. Die 1674 von David Dornmann gegossene Glocke hat den Schlagton e1.

Am 24. Juli 2009 goss die Glockengießerei Rincker aus Sinn die Friedensglocke – genannt Schifferglocke – im Schlagton c1, sodass das Geläutetorso (Quinte) zu einem a-Moll-Dreiklang (a0–c1–e1) aufgefüllt und das freie Fach im massiven Holzglockenstuhl wieder bestückt worden ist. Die Glocken läuteten am 4. Oktober 2009 zum ersten Mal gemeinsam.

Touristische Bedeutung

Wie die beiden anderen erhaltenen Kirchen St. Johannis und St. Michaelis ist auch St. Nicolai von hohem touristischen Interesse mit ca. 110.000 Besuchern jährlich. Alle drei Kirchen sind bedeutende Bauwerke der Backsteingotik und bilden Stationen auf der Europäischen Route der Backsteingotik. Als verlässlich geöffnete Kirche ist die Nicolaikirche tagsüber, 7 Tage die Woche, außer zu Gottesdiensten und Veranstaltungen, für Besucher geöffnet.

Literatur

  • Fritz von Osterhausen: St. Nicolai in Lüneburg (Große Baudenkmäler, Heft 342). 5. Auflage, München/Berlin 1996
  • Hansjörg Rümelin: St. Nicolai in Lüneburg. Bauen in einer norddeutschen Hansestadt 1405–1840 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. 248; Beiträge zur Architektur- und Kulturgeschichte. Leibniz Universität Hannover. 2). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2009, ISBN 978-3-7752-6048-0.

Einzelnachweise

  1. a b Geschichte der Kirche
  2. Chronologie
  3. Geschichte der Orgel

Weblinks

 Commons: St. Nicolai (Lüneburg) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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