Wissenspolitik

Wissenspolitik

Der Begriff der Wissenspolitik wurde im deutschsprachigen Raum vom Sozialwissenschaftler Nico Stehr erstmals in den 1980er Jahren besetzt. Stehr definiert Wissenspolitik als ein neues Politikfeld, das gewissermaßen notwendig ist, weil die Gesellschaft aufgrund der Folgen (ungebremster) wissenschaftlicher Erkenntnisse (z.B. embryonale Stammzellen, Neurogenetik, usw.) zunehmend den Diskurs über Grenzen der Wissenschaft führt[1].

Inhaltsverzeichnis

Definition

Wissenspolitik ist ein "politisches Gestaltungsfeld, das

  • das Ziel verfolgt, die Kompetenz der Bürger und ihrer Gemeinschaften zu einer geglückten, selbstbestimmten Lebensgestaltung nachhaltig zu ermöglichen und zu entwickeln,
  • Maßnahmen setzt, die diesem Ziel – vor anderen Einzelinteressen – dienen und
  • über Personen verfügt, die konkrete Verantwortung für die Umsetzung der Wissenspolitik tragen (das kann z.B. auch in einer „Wissenspartnerschaft“ mehrerer Beteiligter erfolgen).[2]

Formal wird in primäre Wissenspolitik (sie geht der Frage nach, welche prinzipiellen Vorentscheidungen über die Relevanz und Zuschnitt von Fragestellungen in jede Produktion von Wissen eingehen. Die Fragen sind: wer bestimmt wann? wo? warum? wie? was erforscht, erfahren, festgestellt und diskutiert wird, was als gesicherte Erkenntnis gilt, was als solche festgeschrieben, veröffentlicht, weitergegeben, politisch verwendet, betrieblich angewandt wird.) und sekundäre Wissenspolitik, auch Wissenschaftspolitik (also die institutionelle Ebene) unterschieden.[3]

Themen

Wissenspolitik beschäftigt sich daher ua. mit den folgenden Fragestellungen

  • wie kann die Kompetenz der Bürger und ihrer Gemeinschaften zu einer geglückten, selbstbestimmten Lebensgestaltung nachhaltig ermöglicht und entwickelt werden,
  • welche rechtlichen Rahmenbedingungen braucht die Informationsgesellschaft (z.B. Datenschutzgesetze, Urheberrechte, usw.).
  • Wie passen Wissenswettbewerb und freier Wissensaustausch zusammen? Z.B. Open Source vs. „Schutz von Intellektuellem Eigentum“ (Intellectual Property Rights).
  • wie können Unternehmen Wissen bilanzieren (siehe Wissensbilanz)?
  • wie kann Wissen als Ressource für die internationale Entwicklungszusammenarbeit genutzt werden? Welche globale Verantwortung tragen wir, welche Wissensrechte fordern wir für Entwicklungsländer?
  • welche geopolitische Position soll ein Nationalstaat hinsichtlich des Wissens einnehmen?
  • wie können die neu entstehenden Arbeitsmodelle der Wissensarbeiter (oft sog. Einpersonen-Unternehmen (EPUs) / neue Selbständige, temporär Projektangestellte, etc.) attraktiv und effizient gestaltet werden? Wer vertritt deren Interessen?
  • wie federn wir die neue soziale Kluft von bildungsreichen und bildungsarmen Schichten ab? (Verhinderung des Knowledge Divide)

Trotz der Etablierung des Begriffs seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, bleibt Wissenspolitik insgesamt ein noch nicht exakt gefasster Begriff.

Weiterführende Literatur

  • Stehr, Nico „Wissenspolitik: Die Überwachung des Wissens“ Suhrkamp Taschenbuch-Verlag, 2003. ISBN 978-3-518-29215-0.
  • Bounfour, Ahmed: The Management of Intangibles: The Organisation's Most Valuable Assets (Routledge Advances in Management and Business Studies); ISBN 978-0415224932.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Nico Stehr, Die Überwachung des Wissens (Suhrkamp, 2003)
  2. Brandner, 2008
  3. www.sfs-dortmund.de

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